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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.07.2003
Aktenzeichen: 11 TP 631/03
Rechtsgebiete: BSHG


Vorschriften:

BSHG § 15a Abs. 1 S. 3
Ein Sozialhilfeempfänger kann gegenüber einem Vermieter oder anderen Empfangsberechtigten kein Recht darauf geltend machen, dass dieser die Entgegennahme der Zahlung von Unterkunftskosten gemäß § 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG unterlässt.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

11. Senat 11 TP 631/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen

Sozialhilferechts - Entgegennahme der Zahlung von Unterkunftskosten als Teil der als Hilfe zum Lebensunterhalt geleisteten Sozialhilfe durch einen Empfangsberechtigten gemäß § 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG

hier: Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 11. Senat - durch

Präsidenten des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Dr. Dyckmans, Richter am Hess. VGH Igstadt

am 25. Juli 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 27. Januar 2003 - 4 E 3448/02 -, mit dem der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt worden ist, wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den im Tenor genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Antrag des Antragstellers, ihm Prozesskostenhilfe für das im Tenor genannte Klageverfahren zu bewilligen, abgelehnt.

Die Rechtsverfolgung des Antragstellers bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§§ 114 ZPO, 166 VwGO). Die Klage des Antragstellers ist unzulässig, da ihm die Klagebefugnis fehlt. Der Antragsteller kann kein Recht darauf geltend machen, dass die Antragsgegnerin durch ihr Ordnungsamt die Entgegennahme von Zahlungen des Sozialamtes für die Unterkunftskosten im Rahmen der als Hilfe zum Lebensunterhalt gewährten Sozialhilfe für die dem Antragsteller zur Vermeidung der Obdachlosigkeit zur Verfügung gestellte Unterkunft unterlässt. Soweit der Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihr Ordnungsamt solle es in der Zukunft ohne Zustimmung des Antragstellers unterlassen, entsprechende Zahlungen des Sozialamtes anzunehmen, ist dieses Begehren, wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, Gegenstand einer Leistungsklage, da es auf ein tatsächliches Handeln der Antragsgegnerin gerichtet ist. Während die zuständige Sozialbehörde, die die gemäß § 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG in ihrem pflichtgemäßen Ermessen liegende Entscheidung, die Sozialhilfe insoweit nicht an den Hilfeempfänger, sondern an Dritte zu bezahlen, als Verwaltungsakt erlässt (Birk in: Bundessozialhilfegesetz, Lehr- und Praxiskommentar, 6. Auflage 2003, § 15 a BSHG Rdnr. 22), stellt in diesem rechtlichen Rahmen die Entgegennahme der Zahlung der Unterkunftskosten seitens eines berechtigten Dritten, wie hier des Ordnungsamtes der Antragsgegnerin, keinen Verwaltungsakt dar. Die Entgegennahme des Nutzungsentgelts für die Nutzung der Wohnung durch den Antragsteller ist nicht als eine rechtsgestaltende Einzelfallregelung durch das Ordnungsamt der Antragsgegnerin zu qualifizieren. Da das Erfordernis der Klagebefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO ebenso für die allgemeine Leistungsklage gilt (Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage 2003, § 42 Rdnr. 62), müsste der Antragsteller ein einklagbares Recht gegenüber der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Entgegennahme der Zahlung der Unterkunftskosten durch das Ordnungsamt haben. Dies ist aber nicht der Fall.

Rechtsgrundlage für die Zahlung der Unterkunftskosten als Teil der in der Form der Hilfe zum Lebensunterhalt gewährten Sozialhilfe an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte ist § 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG. Danach kann die Hilfe zum Lebensunterhalt in den Fällen, in denen nach den vorstehenden Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes die Gewährung von Hilfe nicht möglich ist, gewährt werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie soll gewährt werden, wenn sie gerechtfertigt und notwendig ist und ohne sie Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Sie soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch den Hilfesuchenden nicht sichergestellt ist; der Hilfesuchende ist hiervon schriftlich zu unterrichten. Die Entgegennahme der Unterkunftskosten ist im Hinblick auf den Hilfesuchenden im Sinne des § 15 a Abs. 1 BSHG sozialhilferechtlich deshalb als Kehrseite der Zahlung des Sozialhilfeträgers an den Vermieter oder einen anderen Empfangsberechtigten rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Rechtmäßigkeit der Zahlung und ihre Entgegennahme richtet sich insoweit ausschließlich nach § 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG, der rechtliche Wirkungen allein im Verhältnis zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Empfänger der Sozialhilfe entfaltet, nicht aber gegenüber Dritten. Die Frage, ob der Sozialhilfeträger rechtmäßig die Unterkunftskosten an den Vermieter oder einen anderen Empfangsberechtigten gezahlt hat, kann auf der Grundlage des § 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG nur einheitlich für die Zahlung und die Entgegennahme dieser Zahlung beurteilt werden. Rechte im Hinblick auf diese Zahlung an den Vermieter kann der Sozialhilfeempfänger in dem durch § 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG hinsichtlich der Gewährung der Sozialhilfe geregelten Verhältnis nur gegenüber der Sozialhilfebehörde und nicht gegenüber einem Dritten geltend machen, in dem er zu einem Rechtsverhältnis steht, das nicht durch sozialhilferechtliche Bestimmungen geregelt wird.

§ 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG dient dem Bestreben des Gesetzgebers zu vermeiden, dass der Sozialhilfeträger für die Unterkunftskosten des Sozialhilfeempfängers in Missbrauchsfällen die Unterkunftskosten doppelt zahlen muss, weil die als Hilfe zum Lebensunterhalt dem Sozialhilfeempfänger ausgezahlten Unterkunftskosten von diesem nicht zweckentsprechend verwendet worden sind und die Miete deshalb, insbesondere zur Vermeidung von Obdachlosigkeit, nochmals gezahlt werden muss. Es soll deshalb ermöglicht werden, dass die "zu übernehmenden Schulden des Hilfesuchenden unmittelbar an dessen Gläubiger gezahlt werden ..., z.B. Mietschulden an den Vermieter und Schulden für Energie an das jeweilige Unternehmen" (Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Sozialhilferechts, BT-Drs. 13/2440, Begründung zu Art. 1 Nr. 3. a), Seite 19). Durch § 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG wird also das Verhältnis zwischen Sozialhilfeträger und Sozialhilfeempfänger im Hinblick auf die Zahlen der Unterkunftskosten als Teil der Hilfe zum Lebensunterhalt geregelt. Dies wird bestätigt durch die Begründung der Stellungnahme des Bundesrates zu dem oben genannten Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 13/2440, 6., Seite 37). Der Bundesrat, der die Streichung des dann doch Gesetz gewordenen § 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG forderte, begründete dies damit, durch die Aufnahme dieser Regelung in den Gesetzestext werde einer "Entpersonalisierung des Hilfebezuges" Vorschub geleistet, der Sinn und Zweck der Hilfeleistung nach den Zielen des Bundessozialhilfegesetzes grundsätzlich widersprächen. Die Sozialämter wären damit nicht mehr gehalten, das Einverständnis des Mieters für die Überweisung der Miete an den Vermieter einzuholen, was einer grundsätzlichen "kleinen Entmündigung" gleichkomme. Damit wird bestätigt, dass die Regelung des § 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG sich nur auf das Verhältnis zwischen Sozialhilfeempfänger und Sozialhilfeträger im Hinblick auf die Möglichkeiten der Dispositionsbefugnis des Sozialhilfeempfängers über die ihm als Unterkunftskosten zustehende Sozialhilfe bezieht. Dies wird zudem deutlich durch die gesetzliche Regelung des § 15 a Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz BSHG, nach der der Hilfesuchende über die Zahlung an den Vermieter schriftlich zu unterrichten ist. Bei direkter Zahlung der Unterkunftskosten an den Gläubiger des Sozialhilfeempfängers wird über die Hilfe nach § 15 a BSHG durch Verwaltungsakt gegenüber dem Hilfesuchenden entschieden. Wird die Mitteilung gemäß § 15 a Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz BSHG nicht mit diesem Verwaltungsakt verbunden, ist sie als gesondert anfechtbarer Verwaltungsakt zu qualifizieren (Schellhorn, BSHG, Kommentar, 16. Auflage 2002, § 15 a Rdnr. 13).

Aus der Entstehungsgeschichte, dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift und ihrem Sinn und Zweck ergibt sich deshalb, dass § 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG nur das Rechtsverhältnis zwischen dem Sozialhilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger regelt, und damit Rechte des Sozialhilfeempfängers im Hinblick auf die Zahlung von Unterkunftskosten direkt an den Vermieter oder einen anderen Empfangsberechtigten nur im Verhältnis zu dem Sozialhilfeträger bestehen und geltend gemacht werden können. Soweit der Hilfeempfänger deshalb geltend machen will, dass die Unterkunftskosten gemäß § 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG nicht oder nur unter bestimmten Modalitäten an den Vermieter bzw. einen Dritten gezahlt werden (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, B. v. 16.04.2002 - 7 S 2670/01 -, NVwZ-RR 2002, 754), kann er dies ausschließlich im Verhältnis zu dem Sozialhilfeträger geltend machen. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Kostenübernahmeerklärung des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Vermieter als öffentlich- oder privatrechtlich zu qualifizieren ist (vgl. dazu BVerwG, U. v. 19.05.1994 - 5 C 33.91 -, FEVS 45, 151). Aus der zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zahlung ausschließlich heranzuziehenden Rechtsvorschrift des § 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG ergeben sich deshalb keine durch diese Vorschrift geschützten Rechte des Sozialhilfeempfängers gegenüber dem Vermieter oder einem anderen Empfangsberechtigten, an den das Sozialamt die Unterkunftskosten als Teil der als Hilfe zum Lebensunterhalt geleisteten Sozialhilfe zahlt. Da der Antragsteller somit gegenüber der Antragsgegnerin, soweit deren Ordnungsamt die Zahlung der Unterkunftskosten durch das Sozialamt gemäß § 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG entgegennimmt, kein eigenes Recht geltend machen kann, fehlt ihm im Hinblick auf dieses Klagebegehren im Rahmen der allgemeinen Leistungsklage die Klagebefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO.

Dies gilt entsprechend für das Klagebegehren des Antragstellers, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die auf dem Konto ihres Ordnungsamtes seit dem 1. Januar 2002 eingegangenen Überweisungen von Seiten des Sozialamtes aus Sozialhilfeguthaben des Antragstellers an das Sozialamt zurück zu überweisen. Da insoweit zu dem Empfangsberechtigten gemäß § 15 a Abs. 1 Satz 3 BSHG keine Rechtsbeziehung im Rahmen der Überweisung der Unterkunftskosten als Teil der als Hilfe zum Lebensunterhalt geleisteten Sozialhilfe besteht, hat das Ordnungsamt der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller dazu keine Entscheidung zu erlassen. Der Antragsteller hat im Hinblick auf diese allgemeine Leistungsklage aus den oben dargelegten Gründen ebenso keine Klagebefugnis. Für die "Rückabwicklung" der entgegengenommenen Zahlungen auf Unterhaltskosten gelten die gleichen Kriterien für die Verneinung eines entsprechenden Rechts des Antragstellers wie oben für die Entgegennahme dieser Zahlungen dargestellt.

Das auf Aufhebung des Widerspruchsbescheides des Landkreises A-Stadt-Biedenkopf vom 23. August 2002 gerichtete Begehren des Antragstellers ist aber entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht unzulässig, weil die Klage nicht gegen den Landkreis, sondern gegen die Stadt A-Stadt gerichtet worden ist. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang meint, dies wäre anders nur dann, wenn ein Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides angefochten worden wäre, kann dies im Rahmen einer allgemeinen Leistungsklage, vor deren Erhebung grundsätzlich kein Vorverfahren durchgeführt werden muss (vgl. dazu Kopp/Schenke, a.a.O., Vorbemerkung zu § 68 VwGO, Rdnr. 2 b), keine maßgebliche Rolle spielen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass, wie im Hinblick auf einen abgelehnten Verwaltungsakt, den ein Rechtsträger vornehmen soll, in entsprechender Anwendung des § 78 Abs. 1 Satz 1 VwGO richtige Beklagte die Körperschaft ist, von deren Behörde eine bestimmte Handlung begehrt wird, im vorliegenden Falle also die Beklagte.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO, § 173 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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