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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 12.11.2002
Aktenzeichen: 11 UE 2409/00
Rechtsgebiete: Arzneimittelgesetz


Vorschriften:

Arzneimittelgesetz § 4 Abs. 14
Arzneimittelgesetz § 43 Abs. 1
Arzneimittelgesetz § 47 Abs. 1
Autovaccine dürfen nicht vom Hersteller unmittelbar an die behandelnden Ärzte abgegeben werden. Hersteller der Autovaccine sind nicht die behandelnden Ärzte, sondern die Personen, die aufgrund der ihnen zugelieferten Körperausscheidungen von Patienten die Autovaccine fertigen. Durch die Abgabe der Autovaccine von dem herstellenden Unternehmen an die behandelnden Ärzte werden die Autovaccine in den Verkehr gebracht.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

11. Senat

11 UE 2409/00

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Arzneimittelrechts - Untersagung der Weitergabe von Autovaccinen unmittelbar an Ärzte

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 11. Senat - durch Präsidenten des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Dr. Dyckmans, Richter am Hess. VGH Igstadt, ehrenamtliche Richterin Opitz, ehrenamtliche Richterin Rahn

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 30. März 2000 - 7 E 1563/98 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich des Zulassungsverfahrens zu je einem Drittel zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Gießen vom 13. November 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Gießen vom 3. August 1998, mit denen ihnen untersagt wurde, die in dem Institut für Mikroökologie in Herborn hergestellten Autovaccine unmittelbar an Ärzte weiterzugeben.

Wegen des Sach- und Streitstandes bis zum Erlass des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 30. März 2000 wird auf den Tatbestand dieses Urteils Bezug genommen, dessen Feststellungen sich der Senat zu eigen macht (§ 130 b Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der angefochtene Bescheid des Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheids sei rechtmäßig. Da es sich bei den Autovaccinen um Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz - AMG - handele, dürften diese nur über Apotheken in den Verkehr gebracht werden. Bei der Übersendung der Autovaccine durch die Kläger an die behandelnden Ärzte handele es sich um ein "Inverkehrbringen" gemäß der Legaldefinition des § 4 Abs. 17 AMG. Auch wenn der Produktpreis für die Autovaccine durch den Vertrieb über Apotheken erheblich steigen würde, könne nach § 43 AMG nichts anderes gelten. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei Autovaccinen um individualisierte Arzneimittel handele. Denn auch Apotheker stellten von vornherein nur für bestimmte Patienten Arzneimittel her und gäben sie nur an diese ab. Der Senat hat auf den Zulassungsantrag der Kläger die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts mit Beschluss vom 13. Juli 2002 zugelassen. Die Kläger führen zur Begründung der Berufung im wesentlichen aus, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Denn durch die Übersendung der hergestellten Autovaccine an die behandelnden Ärzte erfolge kein "Inverkehrbringen" durch die Kläger. Hersteller der Autovaccine sei der vor Ort behandelnde Arzt, der die Herstellung der Autovaccine lediglich an das Institut für Mikroökologie delegiere. Damit finde die Herstellung der Autovaccine in einem geschlossenen Kreislauf statt. Die Delegation des Herstellungsprozesses an das Institut wegen der komplexen Herstellungsstruktur ändere nichts daran, dass es sich bei der Tätigkeit der behandelnden Ärzten um ärztliche Tätigkeit im Rahmen einer individual-spezifischen Behandlung handele, in die der Herstellungsvorgang eingebettet sei. Da die Herstellung durch das Institut im Rahmen eines streng begrenzten, vom Therapiekonzept des jeweiligen Arztes getragenen, auf einen speziellen Patienten zugeschnittenen Auftrages erfolge, stelle die Übersendung der Autovaccine durch das Institut an die behandelnden Ärzte kein "Inverkehrbringen" dar.

Durch den Vertrieb der Autovaccine über Apotheken werde sich der Abgabepreis verdoppeln und die unmittelbare Kommunikation zwischen behandelndem Arzt und Labor behindert. Diese Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit sei nicht aus vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls erforderlich und deshalb nicht gerechtfertigt. Der Patientenschutz werde durch die ausschließliche Abgabe der Autovaccine an den behandelnden Arzt vor Ort gewährleistet. Der Vertrieb der Autovaccine werde inzwischen nicht mehr durch die Kläger durchgeführt, sondern sei über eine GmbH organisiert worden, die wiederum die Bedingungen des Apothekenvertriebs einhalte. Der Absatz sei von durchschnittlich 2896 Autovaccinen in der Zeit vom November 1999 bis November 2000 zurückgegangen auf durchschnittlich 1493 versandte Autovaccine in jüngster Zeit. Der Apothekenvertrieb belaste das Produkt mit 15,-- Euro Apothekenaufschlag; dies sei eine Verteuerung um etwa 30 %, die den Marktzutritt maßgeblich beeinträchtige. Durch den Apothekenvertrieb erleide der Vertriebsweg zudem eine Verkomplizierung, da die Patienten nun eine Apotheke ihrer Wahl angeben und das Arzneimittel dort abholen müssten. Es sei deshalb eine Rückführung auf den alten Zustand aus wirtschaftlichen Gründen dringend erforderlich. Der Mietvertrag zwischen den Klägern und dem Vermieter der Laborräume und -einrichtungen bestehe bis heute fort. Da die Kläger auch die Herstellungserlaubnis nicht zurückgegeben hätten, seien sie sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich in der Lage, jederzeit wieder die Herstellung der Autovaccine zu übernehmen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 30. März 2000 - 7 E 1563/98 - sowie den Bescheid des Beklagten vom 13. November 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. August 1998 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht habe zu Recht festgestellt, dass die Autovaccine, die Arzneimittel seien, von den Klägern durch Übersendung an die behandelnden Ärzte im Sinne des § 43 Abs. 1 AMG "in den Verkehr gebracht", d. h. an diese abgegeben würden. Die Tatsache, dass der behandelnde Arzt die Kläger mit der Herstellung der Individual-Autovaccine beauftrage, mache diesen nicht zum Hersteller des Arzneimittels. Hersteller der Autovaccine seien im Sinne des § 4 Abs. 14 AMG die Kläger; der behandelnde Arzt wende das hergestellte Arzneimittel lediglich in seiner Praxis an den Patienten an. Da es sich bei den Autovaccinen auch nicht um Arzneimittel aus "eigener" Herstellung der behandelnden Ärzte handele, stelle sich auch nicht die von den Klägern für verfassungsrechtlich geboten erachtete Interpretation des § 43 AMG. Das Verwaltungsgericht habe auch zutreffend festgestellt, dass § 43 AMG unabhängig davon gelte, ob durch den Apothekenvertrieb eine Verteuerung des Arzneimittels eintrete. Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes liege nicht vor. Bei individualisierten Arzneimitteln wie den Autovaccinen, die aus der Natur der Sache von vornherein in ihrer Anwendung beschränkt seien, liege keine Einschränkung der Verfügungsbefugnis der Apotheker seitens des Herstellers und der behandelnden Ärzte vor. Der Apotheker habe im Rahmen der tatsächlichen Möglichkeiten Verfügungsgewalt. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 43 AMG dahin, dass keine Abgabe im Sinne dieser Vorschrift vorliege, komme deshalb nicht in Betracht. Die Autovaccine würden zwischenzeitlich nicht mehr durch die Kläger im Rahmen des Instituts für Mikroökologie hergestellt und an Ärzte direkt ausgeliefert. Sie würden von der nicht am Verfahren beteiligten Symbiovaccin GmbH hergestellt, die auf Bestellung von Apotheken tätig werde und die Autovaccine auch an die bestellenden Apotheken abgebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verwaltungsstreitverfahrens sowie des Verwaltungsstreitverfahrens des Verwaltungsgerichts Gießen 7 E 1439/93 und von zwei Aktenbänden der Beklagten (Bl. 1 bis 443) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Kläger gegen das im Tenor genannte Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Klage gegen die angegriffenen Bescheide des Beklagten abgewiesen.

Der Senat geht davon aus, dass die Klage und die Berufung weiterhin zulässig sind, obwohl die Kläger nach dem Vorbringen des Klägerbevollmächtigten seit Ende 2000 selbst nicht mehr Autovaccine herstellen und diese unmittelbar an Ärzte abgeben. Nach den Darlegungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass die Kläger noch im Besitz der Herstellungserlaubnis sind und nach Darstellung des Klägerbevollmächtigten beabsichtigen, die Herstellung der Vaccine wiederaufzunehmen, wenn die Abgabe unmittelbar an Ärzte zulässig ist, da die Herstellung in diesem Falle unter Kostengesichtspunkten für die Kläger wieder sinnvoll wäre. Auf dieser Grundlage ist daher das Rechtsschutzinteresse für die Klage gegen die angegriffenen Bescheide des Beklagten weiter zu bejahen.

Die Berufung ist aber nicht begründet, denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Verfügung des Beklagten vom 13. November 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. August 1998 ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Verfügung ist, was in beiden Bescheiden nicht erwähnt worden ist, § 69 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelgesetz - AMG - in der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 3. August 1998 geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 7. Juli 1998 (BGBl. I S. 1752). Danach treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Nach § 69 Abs. 1 Satz 2 AMG kann insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagt werden, wenn eine der in § 69 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 genannten Voraussetzungen vorliegt. Da der vorliegende Fall keinen der Tatbestände des § 69 Abs. 1 Satz 2 AMG betrifft, ist einschlägige Rechtsgrundlage hier die Ermächtigungsgeneralklausel für Maßnahmen der zuständigen Behörden nach § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG. Die Untersagungsverfügung ist rechtmäßig, weil sie zur Beseitigung festgestellter Verstöße der Kläger gegen § 43 Abs. 1 AMG dient. Nach der im August 1998 geltenden Fassung dieser Vorschrift durften Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG, die nicht durch die Vorschriften des § 44 oder der nach § 45 Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben waren, im Einzelhandel nur in Apotheken in den Verkehr gebracht werden.

Bei den hier streitbefangenen Individual-Autovaccinen handelt es sich um Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG, da die Autovaccine dazu bestimmt sind, durch Anwendung im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden oder krankhafte Beschwerden zu heilen oder zu lindern. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig und vom Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt worden. Die Autovaccine werden insbesondere zur Behandlung chronischer Infektionskrankheiten wie Impfstoffe injiziert oder oral verabreicht. Die Autovaccine werden durch die Abgabe seitens der Kläger nach ihrer Herstellung an die behandelnden Ärzte auch im Sinne des § 43 Abs. 1 AMG in Verbindung mit § 4 Abs. 17 AMG in den Verkehr gebracht. Inverkehrbringen ist danach auch jede Abgabe von Arzneimitteln an andere. Eine Abgabe in diesem Sinne stellt auch die Weitergabe eines Arzneimittels an einen Arzt oder an eine andere Person dar, die das Arzneimittel an einer dritten Person anwendet (Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, 3. Aufl., 81. Ergänzungslieferung, Stand: 1. April 2002, § 43 AMG Anm. 7). Da die Kläger die Individual-Autovaccine herstellen und dann an den behandelnden Arzt übersenden, bringen sie damit das neu hergestellte Arzneimittel in den Verkehr. Denn damit wird die Verfügungsgewalt über das Arzneimittel von dem Hersteller auf eine andere Person, hier den behandelnden Arzt, übertragen, was wesentliches Kriterium für das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen "Inverkehrbringen" ist.

Entgegen der Auffassung der Kläger kann diese Wertung nicht dadurch umgangen werden, dass die Kläger, die die Individual-Autovaccine aufgrund der von dem behandelnden Arzt eingesandten Körperausscheidungen eines bestimmten Patienten anfertigen, nicht selbst als Hersteller qualifiziert werden, sondern nur als verlängerter Arm des behandelnden Arztes, der die Herstellung auf das Institut delegiert habe. Der Klägerbevollmächtigte hat dazu selbst vorgetragen, dass die Autovaccine-Herstellung, die vor dem 2. Weltkrieg von jedem Arzt, der die Therapieform gewählt habe, selbst vorgenommen worden sei, aufgrund des medizinischen und technischen Fortschrittes heute nur bei Vorhandensein einer ausgeklügelten Labortechnik mit ausgeprägten Know How möglich sei, die von einem praktischen oder internistisch tätigen Arzt vor Ort nicht dargestellt werden könne. Danach ist davon auszugehen, dass die Kläger "Hersteller" der Individual-Autovaccine sind. Nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 14 AMG ist "Herstellen" u. a. das Anfertigen eines Arzneimittels. Schon nach der eigenen Darstellung des Klägerbevollmächtigten in seinem Schriftsatz vom 22. Februar 1994 (Bl. 195 der Behördenakte) ist die Autovaccine-Herstellung derart kompliziert, dass sie nicht einem Apotheker überlassen werden könnte. Voraussetzung dafür seien aufwendige, hochspezialisierte Laborleistungen, die allenfalls Fachärzten für Labormedizin übertragen werden könne. Die labortechnische Aufbereitungsarbeit sei sehr anspruchsvoll. Danach werde durch die die Autovaccine herstellenden Ärzte entschieden, ob die Ergebnisse der Laboruntersuchung die Herstellung einer Autovaccine rechtfertigten. Daraus ergibt sich, dass der behandelnde Arzt gerade nicht über die Laborausstattung und insbesondere das Know How zur Anfertigung der Individual-Autovaccine verfügt, so dass die eigentliche Herstellung der dann beim Patienten anwendbaren Autovaccine durch die Kläger erfolgt. Dementsprechend ist den Klägern auf ihren Antrag hin auch gemäß § 13 Abs. 1 AMG ausdrücklich die Herstellungserlaubnis im hier maßgeblichen Zeitraum am 9. März 1998 durch das Regierungspräsidium Gießen zur "Herstellung" der Autovaccine erteilt worden ( Bl. 427 der Behördenakte).

Diese rechtliche Einordnung stimmt auch mit der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung zur Nichtigkeit des Verbots der Frischzellenherstellung (U. v. 16.02.2000 - 1 BvR 420/97 -, NJW 2000, 857) überein, dass eine Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG gerade dann erforderlich ist, wenn ein Arzneimittel an andere Ärzte weitergegeben wird und damit die Verfügungsgewalt über das Arzneimittel wechselt. Dem entspricht die Sachlage im vorliegenden Fall, denn den Klägern ist für die Herstellung der Autovaccine eine Herstellungserlaubnis erteilt worden, weil sie als Hersteller das Arzneimittel nicht selbst bei einem Patienten anwenden, sondern das Arzneimittel an einen anderen Arzt abgeben, der nicht selbst Hersteller dieses Arzneimittels ist. Ein Wechsel in der Verfügungsgewalt und damit eine "Abgabe" an andere liegt nur dann nicht vor, wenn das Arzneimittel derjenige anwendet, der es auch hergestellt hat. Voraussetzung dieser Identität zwischen Hersteller und Anwender ist auch, dass der Arzt, der das Arzneimittel herstellt, auch die Anwendung beaufsichtigt und verantwortet. So ist die Identität zwischen Hersteller und Anwender schon dann nicht mehr gewahrt, wenn beispielsweise ein Blutpräparat nach Gewinnung und Aufbereitung durch die Abteilung einer Klinik zur nachfolgenden Verabreichung an eine andere Abteilung desselben Krankenhauses weitergereicht wird (Bay. VGH, U. v. 15.02.1996 - 25 B 94.3467 -, S. 18). Auch im vorliegenden Falle haben die die Individual-Autovaccine herstellenden Kläger keine Möglichkeit der Aufsicht über die Anwendung der von ihnen hergestellten Arzneimittel; andererseits hat der die Autovaccine bei dem jeweiligen Patient anwendende Arzt keine Möglichkeit der Kontrolle und Beeinflussung des Herstellungsprozesses der Individual-Autovaccine.

Auch der Gesichtspunkt, dass der behandelnde Arzt, der die Körperausscheidungen des individuellen Patienten den Klägern zur Herstellung der Autovaccine übergibt, dabei im "Besitz" dieser Vorstoffe zur Herstellung der Autovaccine bliebe, spricht nicht dafür, dass der behandelnde Arzt "Hersteller" der Autovaccine im rechtlichen Sinne ist. Unabhängig davon, dass die Frage, ob insoweit ein Besitzmittlungsverhältnis zwischen den Klägern als Herstellern der Autovaccine und dem behandelnden Arzt gemäß § 868 BGB bestehen kann, für die die arzneimittelrechtliche Qualifizierung der Eigenschaft als "Hersteller" nicht maßgeblich ist, ist darauf hinzuweisen, dass insoweit jedenfalls in dem Zeitpunkt, in dem die Kläger die ihnen von dem behandelnden Arzt gelieferten Körperausscheidungen zu anwendungsfertigen Autovaccinen verarbeiten, die ursprünglich gelieferte Sache in einer neuen, anderen Sache aufgeht, so dass insoweit ein Besitzmittlungsverhältnis im Hinblick auf die ursprünglich gelieferte Sache nicht mehr vorliegt. An der Qualifizierung der Kläger als Hersteller der Autovaccine ändert auch nichts, dass der behandelnde Arzt das Ausscheidungsmaterial eines bestimmten Patienten den Klägern zur Anfertigung der Autovaccine übergibt. Denn wie der Klägerbevollmächtigte selbst darstellt, umfasst der "Herstellungsauftrag" die Keimanalyse, die Keimzucht, die Keimabtötung und die Herstellung der Autovaccine aus den abgetöteten Keimen. Die Herstellung der Autovaccine erfolgt somit allein mit den technischen Möglichkeiten und dem Know How der Kläger und liegt allein in ihrer arzneimittelrechtlichen Verantwortung. Der behandelnde Arzt hat keinen Einfluss auf den Herstellungsprozess selbst. Auch der Umstand, dass es sich bei den Autovaccinen jeweils um individualisierte Arzneimittel handelt, die jeweils nur für einen bestimmten Patienten hergestellt und bei diesem angewendet werden können, spricht nicht dagegen, dass dieses individuell von den Klägern hergestellte Arzneimittel durch die Weitergabe an den behandelnden Arzt in den Verkehr gebracht wird. Denn dies gilt, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, auch im Hinblick auf individualisierte Arzneimittel, die der Apotheker auf therapeutische Vorgaben eines Arztes individuell für einen bestimmten Patienten in der Apotheke herstellt und dann zur Behandlung des Patienten weitergibt. Insgesamt kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass nicht die Kläger, denen dafür ausdrücklich eine Herstellungserlaubnis erteilt worden ist, sondern der behandelnde Arzt selbst der "Hersteller" der Autovaccine im Sinne des § 4 Abs. 14 AMG ist. Der Umstand, dass dieses Arzneimittel im Rahmen eines Konzeptes des behandelnden Arztes für die Therapie eines bestimmten Patienten erfolgt, führt entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nicht dazu, dass dieser auch arzneimittelrechtlich als "Hersteller" im Sinne des § 4 Abs. 14 AMG qualifiziert werden könnte. Damit stellt die Weitergabe der von ihnen hergestellten Autovaccine durch die Kläger an den jeweils behandelnden Arzt ein "Inverkehrbringen" dar und unterfällt somit der Bestimmung des § 43 Abs. 1 AMG.

Nach § 43 Abs. 1 AMG dürfen Arzneimittel "im Einzelhandel" nur in Apotheken in den Verkehr gebracht werden. Diese Voraussetzung ist in der Neufassung des Arzneimittelgesetzes vom 11. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3585) gestrichen worden und durch den Begriff "für den Endverbrauch" ersetzt worden. Der Begriff "im Einzelhandel" ist nach seinem objektiven Sinn und Zweck in diesem Sinne zu interpretieren. Dies entspricht auch der früher üblichen Definition dieses gesetzlichen Merkmals, nach dem Einzelhandel "jede auf die unmittelbare Versorgung des Endverbrauchers gerichtete berufs- oder gewerbsmäßige Tätigkeit" ist (Kloesel/Cyran, a.a.O., § 43 AMG Anm. 6; Zipfel, Lebensmittelrecht, Kommentar, 111. Ergänzungslieferung, Stand: März 2002, § 43 Rdnr. 24; Bay. ObLG, B. v. 30.07.1974 - 4 St 68/74 -, NJW 1974, 2060; Bay. ObLG, B. v. 31.03.1977 - RReg 4 St 45/76 -, NJW 1977, 1501). Die Änderung des § 43 Abs. 1 AMG im Hinblick auf die Ersetzung des Begriffs "Einzelhandel" durch den Satzteil "berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbraucher in den Verkehr bringen" ist gerade im Hinblick auf die Abgabe von Arzneimitteln durch Ärzte und Zahnärzte erfolgt. Da in Gerichtsentscheidungen der Begriff "Einzelhandel" dahingehend ausgelegt worden war, dass die unentgeltliche Abgabe von Arzneimitteln durch Ärzte und Zahnärzte auch über die Notfallversorgung hinaus zulässig sei, sollte die Abgabe von Arzneimitteln insbesondere durch Ärzte strenger geregelt werden. Ein Inverkehrbringen für den "Endverbrauch" ist damit jede Abgabe eines Arzneimittels an eine das Arzneimittel verbrauchende Person und deshalb auch eine Abgabe an einen Arzt oder an eine sonstige Person, die das Arzneimittel an einer anderen Person anwendet. Jeder Anwender eines Arzneimittels verbraucht es als Endverbraucher (Kloesel/Cyran, a.a.O., § 43 AMG Anm. 7). Auf dieser Grundlage ist somit davon auszugehen, dass es dem gesetzgeberischen Willen auch schon vor Inkrafttreten der Neufassung des § 43 Abs. 1 AMG im Dezember 1998 entsprach, dass die Abgabe von Arzneimitteln an Ärzte, die die Arzneimittel unmittelbar selbst an Patienten anwenden, als in Verkehr bringen "im Einzelhandel" qualifiziert werden sollte. Damit liegt auch diese Voraussetzung des § 43 Abs. 1 AMG im vorliegenden Falle vor.

Da Autovaccine nicht durch die Vorschriften des § 44 AMG oder der nach § 45 Abs. 1 AMG erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheke freigegeben sind und Autovaccine auch nicht unter die Regelungen des § 47 AMG fallen, dürfen sie gemäß § 43 Abs. 1 AMG nur über Apotheken vertrieben werden. Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ist keine verfassungskonforme Auslegung des § 43 AMG dahingehend vorzunehmen, dass Individual-Autovaccine nicht unter § 43 AMG fallen sollen. Der Gesetzgeber hat die Ausnahmen grundsätzlich in den zitierten Vorschriften geregelt. Nur im Hinblick auf diese Vorschriften könnte deshalb eine verfassungskonforme Interpretation systemgerecht seien, nach der es verfassungsrechtlich zwingend geboten wäre, Autovaccine in diese Vorschriften aufzunehmen. Dafür gibt es im Hinblick auf § 44 und § 45 AMG keinen sachlichen Anhaltspunkt. Denn eine völlige Freigabe des Vertriebs von Autovaccinen wäre, auch nach dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten, sachwidrig.

Spezielle Rechtsgrundlage für die Regelung der Abgabe von Arzneimitteln, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, durch pharmazeutische Unternehmer u. a. an Ärzte ist, soweit für den vorliegenden Fall relevant, § 47 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AMG. Danach dürfen bestimmte Stoffe, die in § 47 Abs. 1 Nr. 2 a) bis f) aufgeführt sind, unmittelbar an Krankenhäuser und Ärzte abgegeben werden. Unter die dort geregelten Stoffe bzw. Arzneimittel fallen die Autovaccine nicht. Es ist auch nicht möglich, im Wege der Analogie festzustellen, dass die Autovaccine den dort genannten Stoffen gleichzustellen wären. Denn bei den Tatbeständen des § 47 Abs. 1 AMG handelt es sich um eng umgrenzte Ausnahmen, die enumerativ, vollständig und abschließend vom Gesetzgeber selbst festgelegt worden sind (vgl. dazu Kloesel/Cyran, a.a.O., § 47 Anm. 2). Entgegen der Auffassung der Kläger widerspricht es auch nicht dem Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, dass Autovaccine unter die Ausnahmen des § 47 Abs. 1 AMG nicht aufgenommen worden sind. Insoweit liegt keine sachwidrige bzw. willkürliche Differenzierung im Vergleich zu den im Gesetz aufgeführten Tatbeständen vor. Es gibt deshalb auch keine Grundlage für die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG. Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für die Notwendigkeit der Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG deshalb vor, weil das Gericht die gesetzliche Regelung des § 47 Abs. 1 AMG für verfassungswidrig hielte mit der Folge, dass dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen wäre, ob die Verfassungswidrigkeit des § 47 Abs. 1 AMG mit der Folge festzustellen wäre, dass insoweit ein Normergänzungsanspruch der Kläger im Hinblick auf die Einbeziehung von Autovaccinen in die Ausnahmeregelungen des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AMG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG bestünde (vgl. dazu grds.: BVerwG, U. v. 11.10.1996 - 3 C 28.96 -, BayVBl. 1997, 475; BVerfG, B. v. 12.01.1965 - 2 BvR 454 u.a./62 -, BVerfGE 18, 288 <301 f.>). Für die in § 47 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AMG geregelten Ausnahmen der Abgabe von grundsätzlich apothekenpflichtigen Arzneimitteln durch pharmazeutische Unternehmer unmittelbar an Ärzte gibt es ausweislich der amtlichen Begründung für die gesetzliche Regelung sachliche Gründe, die in keinem Fall dazu führen, dass Autovaccine mit den dort geregelten Tatbeständen gleich behandelt werden müssten. Dies gilt zunächst für § 47 Abs. 1 Nr. 2 a) AMG im Hinblick auf die aus menschlichem Blut gewonnenen Blutzubereitungen oder gentechnologisch hergestellten Blutbestandteile (vgl. dazu amtliche Begründung zu § 47 AMG, hier zitiert nach Kloesel/Cyran, a.a.O. zu § 47 AMG). Für diese Stoffe gilt ebenso wie für die in § 47 Abs. 1 Nr. 2 b) aufgeführten menschlichen oder tierischen Gewebe der notwendige kurze Abgabeweg, damit diese Stoffe sofort an Patienten angewendet werden können (vgl. Kloesel/Cyran, a.a.O., § 47 Anm. 12 AMG). Maßgeblich für die Einbeziehung der Infusionslösungen in Behältnissen mit mindestens 500 ml nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 c) AMG war insbesondere auch die Notwendigkeit der Abgabe großer Mengen, die bei großvolumigen Infusionslösungen die unmittelbare Belieferung von Krankenhäusern und Ärzten durch pharmazeutische Unternehmer und Großhändler notwendig erscheinen ließ (Kloesel/Cyran, a.a.O., § 47 Anm. 14, 15 AMG). Bei den Zubereitungen zur Injektion oder Infusion gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG handelt es sich ausschließlich um Diagnostika, die unter diese Ausnahmeregelung fallen können. Arzneimittel, die daneben auch zur Therapie bestimmt sind, fallen nicht unter diese Regelung und sind apothekenpflichtig (Kloesel/ Cyran, a.a.O., § 47 Anm. 19 AMG). Der Sinn der Ausnahmeregelung des § 47 Abs. 1 Nr. 2 e) AMG für radioaktive Arzneimittel ist vor allem in der teilweise sehr begrenzten Haltbarkeit der in Betracht kommenden Arzneimittel und den besonderen Lagerungsbedingungen begründet (Kloesel/Cyran, amtliche Begründung, S. 74a, und Anm. 20 zu § 47 AMG). Nicht vergleichbar sind Autovaccine schließlich auch mit den in § 47 Abs. 1 Nr. 2 f) AMG in die Ausnahmeregelung einbezogenen Arzneimittel, die "zur klinischen Prüfung bestimmt" sind, sofern sie kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Auch die weitere Ausnahmeregelung des § 47 Abs. 1 Nr. 3 AMG für Impfstoffe, die dazu bestimmt sind, bei einer unentgeltlichen auf Grund des § 14 Abs. 1, 2 des Bundes-Seuchengesetzes durchgeführten Schutzimpfung angewendet zu werden, oder die zur Abwendung einer Seuchen- oder Lebensgefahr erforderlich sind, ist nicht mit den hier streitbefangenen Autovaccinen vergleichbar. Insgesamt ist deshalb festzustellen, dass die sachlichen Gründe, die den Gesetzgeber bewogen haben, die in § 47 Abs. 1 AMG aufgenommenen Ausnahmetatbestände, in denen ausnahmsweise eine Abgabe von Arzneimitteln durch pharmazeutische Unternehmer an Ärzte zulässig ist, vom Sinn und Zweck der Regelung her nicht auf Autovaccine zu übertragen sind. Es kann deshalb nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber es insoweit unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sachwidrig unterlassen hätte, auch die Abgabe von Autovaccinen durch pharmazeutische Unternehmer unmittelbar an Ärzte in einen Ausnahmetatbestand nach § 47 Abs. 1 AMG aufzunehmen. Autovaccine unterfallen somit der Apothekenpflicht gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG. Auf dieser Grundlage hat der Beklagte den Klägern somit zu Recht die Abgabe der von ihnen hergestellten Autovaccine unmittelbar an den behandelnden Arzt untersagt.

Die in der Verfügung des Beklagten enthaltene Zwangsgeldandrohung, deren Rechtmäßigkeit im Übrigen auch von den Klägern nicht in Frage gestellt worden ist, findet ihre Rechtsgrundlage in § 76 HessVwVG, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich des Zulassungsverfahrens zu je einem Drittel zu tragen, weil ihr Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt (§§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

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