Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.06.2004
Aktenzeichen: 12 TG 1525/04
Rechtsgebiete: AuslG, GG, VwGO


Vorschriften:

AuslG § 12 Abs. 2 S. 2
AuslG § 69 Abs. 2 S. 2 Nr. 2
AuslG § 72 Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 4
VwGO § 80 Abs. 5
1. Eine nachträgliche zeitliche Beschränkung der Aufenthaltsgenehmigung ohne Anordnung des Sofortvollzugs bei vorher rechtmäßigem Aufenthalt in Deutschland ist nicht geeignet, die spätere Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes vom Inland aus auszuschließen (Art. 19 Abs. 4 GG).

2. §§ 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG sind dahingehend einschränkend auszulegen, dass die unbeschadet der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage normierte Wirksamkeit der nachträglichen zeitlichen Beschränkung in einem späteren vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur dann zugrundegelegt werden kann, wenn die nachträgliche zeitliche Beschränkung summarisch auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft worden ist.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

12 TG 1525/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Zysk, Richterin am Hess. VGH Thürmer, Richter am Hess. VGH Dr. Dieterich

am 8. Juni 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 23. April 2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 146 Abs. 1 und 4, 147 VwGO), aber nicht begründet.

Aufgrund der gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss vom 23. April 2004 vorgebrachten Beschwerdegründe kann nicht festgestellt werden, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den ausländerbehördlichen Bescheid vom 18. September 2003 im Ergebnis zu Unrecht abgelehnt hat, wobei eine über das Beschwerdevorbringen hinausgehende Überprüfung dem beschließenden Senat verwehrt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO; zur Beschränkung der Prüfung im Beschwerdeverfahren vgl. Hess.VGH, 05.07.2002 - 12 TG 959/02 -, EZAR 037 Nr. 7). Die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und die Abschiebungsandrohung sind nämlich offensichtlich rechtmäßig, und im Hinblick darauf rechtfertigen es öffentliche Belange unter Berücksichtigung der hier gegebenen persönlichen Verhältnisse, welche die persönlichen Interessen des Antragstellers überwiegen und über das den angegriffenen Verwaltungsakt selbst rechtfertigende Interesse hinausgehen, den Rechtsschutzanspruch des Antragstellers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten (BVerfG, 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220 = EZAR 622 Nr. 1; BVerfG, 18.07.1973 - 1 BvR 23, 155/73 -, BVerfGE 35, 382; BVerfG - Kammer -, 12.09.1995 - 2 BvR 1179/95 -; Hess. VGH, 09.11.1995 - 12 TG 2783/95 -; Hess. VGH, 22.09.1988 - 12 TH 836/88 -, EZAR 622 Nr. 6 = InfAuslR 1989, 14).

Allerdings wird mit dem Beschwerdevorbringen zu Recht geltend gemacht, dass der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft ist. Nach Auffassung des Senats sind in Konstellationen wie der vorliegenden die Vorschriften in § 69 Abs. 2 und Abs. 3 AuslG zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Eilverfahren (Art. 19 Abs. 4 GG) einschränkend auszulegen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann vorliegend nicht angenommen werden, dass der Eintritt der Erlaubnisfiktion nach § 69 Abs. 3 AuslG gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AuslG für den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung ausgeschlossen ist, weil der Antragsteller durch die zuvor verfügte und noch nicht vollziehbare nachträgliche zeitliche Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis ausreisepflichtig ist.

Der Antragsteller besaß zunächst eine bis zum 19. März 2003 verlängerte Aufenthaltsgenehmigung zum Zwecke der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau (§§ 23 Abs. 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 AuslG). Nachdem die Ehefrau des Antragstellers der Ausländerbehörde im April 2002 mitgeteilt hatte, sie habe einen Scheidungsantrag gestellt, beschränkte die Ausländerbehörde nach Anhörung des Antragstellers die Aufenthaltserlaubnis nachträglich auf den 30. Juni 2002 (§ 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG), da der Aufenthaltszweck weggefallen sei. Diese Verfügung wurde nicht mit der Anordnung des Sofortvollzuges versehen, die hiergegen eingelegten und noch rechtshängigen Rechtsmittel des Antragstellers haben daher aufschiebende Wirkung entfaltet (§ 80 VwGO i.V.m. § 72 Abs. 1 AuslG). Im Februar 2003 und damit vor Ablauf der ursprünglich erteilten Aufenthaltsgenehmigung beantragte der Antragsteller deren Verlängerung. Dieses Begehren lehnte die Antragsgegnerin durch den angefochtenen Bescheid vom 18. September 2003 ab und drohte dem Antragsteller gleichzeitig - unter Aufhebung der zusammen mit der zeitlichen Beschränkung ergangenen Abschiebungsandrohung - die Abschiebung in die Türkei an. Den hiergegen eingeleiteten vorläufigen Rechtsschutzantrag hat das Verwaltungsgericht als nach § 80 Abs. 5 VwGO unstatthaft angesehen.

Mit dieser Auslegung verwehrt das Verwaltungsgericht dem Antragsteller vollständig die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO vom Inland aus gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen, obwohl der Antragsteller sich bis zur nachträglichen zeitlichen Beschränkung aufgrund einer Aufenthaltsgenehmigung rechtmäßig in Deutschland aufgehalten hat. Zwar hat der erkennende Senat entschieden, dass die Duldungs- bzw. Erlaubnisfiktion nach § 69 Abs. 2 bzw. Abs. 3 AuslG nicht eintritt, wenn nach Ergehen einer nachträglichen zeitlichen Beschränkung der Aufenthaltsgenehmigung erst nach Ablauf der zeitlichen Beschränkung ein Aufenthaltsgenehmigungsantrag gestellt wird, weil bereits bei der Prüfung der Aufenthaltsbeschränkung das weitere Aufenthaltsrecht nach denselben Maßstäben wie bei einem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zu beurteilen gewesen war (Hess. VGH, 05.06.1996 - 12 TG 1412/96 -). Hierbei ist aber vorausgesetzt, dass vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die nachträgliche Beschränkung des Aufenthalts zu erlangen war. Dies hat die Ausländerbehörde in der vorliegenden Konstellation durch die von ihr gewählte Verfahrensgestaltung ausgeschlossen, indem sie darauf verzichtet hatte, die nachträgliche zeitliche Beschränkung mit der Anordnung des Sofortvollzuges zu versehen und deshalb ein Widerspruch bereits aufschiebende Wirkung entfaltete (§§ 80 Abs. 1 VwGO, 72 Abs. 1 AuslG).

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Senats und anderer Oberverwaltungsgerichte sowie der Kommentarliteratur (Hess. VGH, 15.07.2003 - 12 TG 1484/03 -; VGH Baden-Württemberg, 12.12.1991 - 13 S 1800/90 -, EZAR 622 Nr. 13 = NVwZ-RR 1992, 509; Hailbronner, AuslR, § 69 AuslG Rdnr. 20; Renner, Ausländerrecht, § 72 AuslG Rn. 6; GK-AuslR, § 69 AuslG Rn. 65 m.w.N.), dass im Falle der Ablehnung eines Aufenthaltsgenehmigungsantrags mit der Begründung, die Genehmigungserteilung sei bereits gemäß § 8 Abs. 2 AuslG wegen einer ausgesprochenen Ausweisung ausgeschlossen, im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO die Rechtmäßigkeit der verfügten Ausweisung zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) summarisch mit zu überprüfen ist, obgleich die verfügte Ausweisung ungeachtet der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs nach § 72 Abs. 1 AuslG wirksam geworden ist (§ 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG). Eine vergleichbare Situation der Entziehung eines rechtmäßigen Aufenthalts liegt im Fall der nachträglichen zeitlichen Beschränkung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG vor. Dementsprechend muss in der vorliegenden Konstellation der durch die Ablehnung des rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrags erstmals ermöglichte vorläufige Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes statthaft sein. Hierzu muss im Wege einer einschränkenden Auslegung der §§ 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG angenommen werden, dass die unbeschadet der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage normierte Wirksamkeit der nachträglichen zeitlichen Beschränkung (§ 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG) in einem späteren vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur dann zugrunde gelegt werden kann, wenn die nachträgliche Beschränkung summarisch auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft worden ist. Für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens findet sich hierfür die ausdrückliche gesetzliche Regelung in § 72 Abs. 2 Satz 2 AuslG, wonach eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nicht eintritt, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird. Für das Eilverfahren kann dieser Gedanke des Gesetzes entsprechend herangezogen werden zunächst mit der Aussage, dass bei unanfechtbarer Feststellung der Rechtswidrigkeit im Eilverfahren für das vorläufige Rechtsschutzverfahren die Wirksamkeit nach § 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG auszublenden ist und eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht zugrundegelegt werden kann. In Fortführung dieses Gedankens ergibt sich dann für die vorliegende Konstellation, dass für die Durchführung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens der Aufenthalt des Antragstellers als gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über den Verlängerungsantrag als erlaubt anzusehen war, weil er sich in diesem Sinne mehr als sechs Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Die Erlaubnisfiktion war dann auch nicht gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AuslG ausgeschlossen, weil für die Durchführung des Eilverfahrens bis zur summarischen Überprüfung der vorangegangenen Aufenthaltsbeschränkung diese keine rechtlich unangreifbare Ausreisepflicht im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AuslG begründen konnte.

Die Beschwerde kann im Ergebnis jedoch deshalb keinen Erfolg haben, weil die Antragsgegnerin in der Sache offensichtlich zu Recht die Aufenthaltsgenehmigung nachträglich beschränkt und auch die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt hat. Dem Antragsteller stand weder im Mai 2002 (Zeitpunkt der nachträglichen Beschränkung) ein Aufenthaltsgenehmigungsanspruch nach §§ 23 Abs. 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 AuslG zur Seite, noch hatte er im September 2003 (Entscheidung über Verlängerungsantrag) Anspruch auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG. Es lässt sich aufgrund seines Vorbringens nicht feststellen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft im Mai 2002 noch bestanden hat oder mindestens insgesamt zwei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet geführt worden ist. Der Antragsteller hat am 31. Juli 2000 eine deutsche Staatsangehörige geheiratet. Nach Maßgabe des Beschwerdevorbringens hat die Ausländerbehörde zu Recht festgestellt, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr bestand, seitdem die Ehefrau des Antragstellers im Januar 2002 Scheidungsantrag gestellt hatte.

Das Recht des verheirateten Ausländers auf Zuzug und auf Aufenthalt im Inland aus familiären Gründen setzt über das Bestehen der Ehe hinaus auch die Verwirklichung des Willens der Ehepartner voraus, im Inland eine Art. 6 GG entsprechende eheliche Lebensgemeinschaft zu führen (§ 17 Abs. 1 AuslG; vgl. Hess. VGH, 21.03.2000 - 12 TG 2545/99 -). Da den Ehegatten sowohl die Freiheit, ihr eheliches Zusammenleben souverän zu gestalten, als auch der Schutz vor staatlichen Eingriffen grundgesetzlich gewährleistet sind, ist bei einer wirksam geschlossenen Ehe grundsätzlich anzunehmen, dass die Ehepartner auch eine eheliche Lebensgemeinschaft zu führen bereit und imstande sind. Eine behördliche Prüfung des Einzelfalls auf das Vorliegen einer "Scheinehe" kommt daher nur ausnahmsweise bei einem triftigen Anlass in Betracht, zumal sie letztlich nur bei Kenntnis von Umständen aus dem höchstpersönlichen Bereich der Betroffenen erfolgen kann. Es wäre jedoch mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG schwerlich vereinbar, wenn die Verwaltung es unternähme, sich diese Kenntnis von Amts wegen zu verschaffen, und wenn den Betroffenen vorbehaltlos die Last auferlegt würde darzutun, dass es sich bei ihrer Ehe nicht um eine "Scheinehe" handele (BVerfG, 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. -, BVerfGE 76, 1 = EZAR 105 Nr. 20). Ungeachtet dessen können jedoch bei Ehegatten ohne Bedenken äußerliche Anhaltspunkte außerhalb der Intimsphäre festgestellt werden, die auf ein Zusammenleben in einer ehelichen Lebensgemeinschaft hindeuten. Dabei ist darauf zu achten, dass die nach § 17 Abs. 1 AuslG erforderliche Lebensgemeinschaft nicht in einer ständigen häuslichen Gemeinschaft gelebt zu werden braucht, dass sie aber über eine bloße Begegnungsgemeinschaft hinausgehen muss (Hailbronner, AuslR, § 17 AuslG Rdnr. 23; GK-AuslR, § 17 AuslG Rdnr. 42 ff.; Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., 1999, § 17 AuslG Rdnr. 11). Es muss ein gemeinsamer Lebensmittelpunkt bestehen, der ein eheliches Zusammenleben erst ermöglicht (Hess. VGH, 27.08.1996 - 12 TG 3190/96 -, EZAR 035 Nr. 15 m.w.N.). Ein vorübergehendes Getrenntleben der Eheleute ist unschädlich, wenn es nicht auf dem gemeinsamen Entschluss der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern auf beruflichen, gesundheitlichen oder ähnlichen sachlichen Gründen beruht, die das Fortbestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht in Zweifel ziehen (dazu Hess. VGH, 21.03.2000 - 12 TG 2545/99 -). Die Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft gehört zu den für den Ausländer günstigen Umständen, die er unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und mit Nachweisen zu belegen hat (§ 70 Abs. 1 Satz 1 AuslG). Bei der Feststellung des Vorliegens einer familiären Lebensgemeinschaft im Sinne des § 17 Abs. 1 AuslG besteht keine "Beweislast" der Ausländerbehörde, vielmehr setzt das Bestehen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen nachweisbar vorliegen (Hess. VGH, 09.02.2000 - 12 TZ 343/00 -; GK-AuslR, § 18 AuslG Rdnr. 60). Der Umfang dieser Darlegungsobliegenheit richtet sich nach den jeweiligen individuellen Verhältnissen, insbesondere nach den Wohnverhältnissen und den beruflichen Tätigkeiten der Ehepartner. Zu einer näheren Darlegung ihrer innerfamiliären Lebensumstände sind sie nur dann verpflichtet, wenn die Ausländerbehörde begründete Zweifel am Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft hegt und diese gegenüber dem ausländischen Ehegatten äußert. Die Ausländerbehörde kann ihm für Darlegungen und Nachweise eine angemessene Frist setzen (§ 70 Abs. 1 Satz 2 AuslG). Wenn der Ausländer auf die Bedeutung einzelner Umstände für die Feststellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft bereits einmal aufmerksam gemacht worden ist, dann ist er unter Umständen gehalten, diese ohne weitere Aufforderung selbst substantiiert darzulegen. Grundsätzlich kann von ihm auch die Beantwortung mündlicher oder schriftlicher Fragen über Einzelheiten aus dem persönlichen Lebensbereich verlangt werden, soweit diese taugliche Anhaltspunkte für die vom Gesetz vorgeschriebene rechtliche Prüfung liefern können und die Intimsphäre der Ehepartner nicht tangieren. Soweit behördlicherseits Wohnungsbesichtigungen vorgenommen oder andere Ermittlungsmaßnahmen ergriffen werden, die nicht ohne Zustimmung der Betroffenen erfolgen können, sind diese grundsätzlich nicht erzwingbar. Der das Aufenthaltsrecht begehrende ausländische Ehegatte hat jedoch den Nachteil zu tragen, wenn es ihm nach Verweigerung der Mitwirkung an derartigen Ermittlungsmaßnahmen nicht gelingt, begründete Zweifel der Ausländerbehörde an dem Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu zerstreuen.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze bot die dem Antragsteller durch das Anhörungsschreiben vom 29. April 2002 zur Kenntnis gebrachte Mitteilung der Ehefrau vom 10. April 2002 (Bl. ..... Behördenakte) über die Stellung eines Scheidungsantrags im Januar 2002 hinreichenden Anlass, um begründete Zweifel an dem Fortbestand einer ehelichen Lebensgemeinschaft über Januar 2002 hinaus zu erwecken. Soweit der Antragsteller hiergegen im Verwaltungsverfahren und im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorbringt, die eheliche Lebensgemeinschaft sei im Januar 2002 noch nicht endgültig beendet worden, vielmehr habe es sich lediglich um eine für sein späteres eigenständiges Aufenthaltsrecht unschädliche Unterbrechung von höchstens zwei Monaten gehandelt, werden hierdurch die durch den Scheidungsantrag hervorgerufenen starken Zweifel am Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht ausgeräumt. Die Stellung eines Scheidungsantrags ist ein besonders starkes Indiz für den Willen eines Ehegatten zur endgültigen Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Daher wären zur Ausräumung dieser Zweifel wenigstens nähere Angaben des Antragstellers dazu, wann der Scheidungsantrag wieder zurückgenommen worden sein soll und in welcher Wohnung das eheliche Zusammenleben dann bis zur eingeräumten Beendigung der Lebensgemeinschaft im Jahre 2003 stattgefunden hat, erforderlich gewesen. Die bloßen Bekundungen der Ehefrau in der eidesstattlichen Versicherung vom 28. Oktober 2003 bleiben viel zu unsubstantiiert, da sie weder Angaben zu dem Zeitpunkt enthalten, zu dem der erste Scheidungsantrag zurückgenommen worden sein soll, noch konkrete Angaben über das eheliche Zusammenleben in einer angeblich gemeinsamen Wohnung nach Rücknahme des ersten Scheidungsantrages gemacht werden. Das gleiche gilt auch für die weiter eingereichte handschriftliche Erklärung der Ehefrau vom 26. November 2002 (Bl. .... und Bl. .... GA).

Unabhängig davon sind die Angaben des Antragstellers über eine lediglich zweimonatige Unterbrechung der ehelichen Lebensgemeinschaft aber auch unglaubhaft, weil sie in Widerspruch zu der Erklärung der Ehefrau vom 10. April 2002 stehen und keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der damaligen Angaben der Ehefrau erkennbar sind. Die Ehefrau hatte am 10. April 2002 angegeben, dass seit Einreichung des Scheidungsantrages im Januar 2002 keine eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Antragsteller mehr bestehe. Hieraus ergibt sich bereits eine längere Unterbrechung als von lediglich zwei Monaten. Darüber hinaus lassen die damaligen Angaben der Ehefrau auch nichts dafür erkennen, dass kurze Zeit nach Abfassung dieses Schreibens aufgrund eines Sinneswandels von ihr die eheliche Lebensgemeinschaft wieder hergestellt worden sein könnte. Es ist also davon auszugehen, dass auch nicht kurze Zeit nach dem 10. April 2002 bereits die Lebensgemeinschaft wieder bestand.

Auch aus Art. 6 ARB 1/80 ergibt sich kein weiteres Aufenthaltsrecht des Antragstellers. Der Aufenthalt des Antragstellers war nach der offensichtlich rechtmäßigen nachträglichen zeitlichen Beschränkung seiner Aufenthaltserlaubnis zum 30. Juni 2002 ab diesem Zeitpunkt nicht mehr ordnungsgemäß im Sinne von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80, so dass Beschäftigungszeiten ab dem 1. Juli 2002 nicht mehr zur Begründung eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts herangezogen werden können. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ergibt sich somit aus der Beschäftigung bei der Fa. C. ab dem 13. September 2001 keine aufenthaltsrechtliche Position nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB, da bis zum 30. Juni 2002 die einjährige ununterbrochene Beschäftigung bei diesem Arbeitgeber noch nicht erreicht war. Vor Erreichen der assoziationsrechtlichen Position nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich besteht kein hieraus abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Ebenso fehlt es für die Beschäftigung bei der Fa. D. seit dem 1. März 2003 an einer Integration in den Arbeitsmarkt aufgrund eines gesicherten Aufenthaltsrechts.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers steht ihm ein Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung auch nicht auf Grund des Diskriminierungsverbots des Art. 37 des Zusatzprotokolls vom 23. November 1970 zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation zu. Danach sieht jeder Mitgliedstaat für die in der Gemeinschaft beschäftigten Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit eine Regelung vor, die in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und das Entgelt keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierung gegenüber Arbeitnehmern enthält, die Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten sind. Gemäß Art. 38 dieses Zusatzprotokolls kann der Assoziationsrat bis zur schrittweisen Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der Türkei alle Fragen im Zusammenhang mit der geographischen und beruflichen Mobilität der Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit, insbesondere der Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen prüfen, um die Beschäftigung dieser Arbeitnehmer in jedem Mitgliedstaat zu erleichtern. Unabhängig davon, ob sich aus dieser Regelung grundsätzlich auch dann kein Aufenthaltsrecht ableiten lässt, wenn der türkische Arbeitnehmer eine unbefristete Arbeitserlaubnis besitzt (so bisher Hess. VGH, 21.01.2000 - 12 TZ 3110/99, 10.01.2000 - 12 TZ 2280/99 - im Anschluss an OVG Nordrhein-Westfalen, 27.08.1999 - 18 B 1448/99 -, EZAR 029 Nr. 11 = InfAuslR 1999, 485; 20.07.2001 - 17 B 1116/00 -, InfAuslR 2001, 502 und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshofs zu dem Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko vom 26. April 1986, 02.03.1999 - C 416/96 -, EZAR 811 Nr. 40 = InfAuslR 1999, 218), ist festzustellen, dass eine unbefristete Arbeitsgenehmigung auf Grund des in Deutschland geltenden Verhältnisses zwischen Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitsgenehmigung jedenfalls kein von der Aufenthaltsgenehmigung unabhängiges Recht auf Fortsetzung einer nicht selbständigen Erwerbstätigkeit vermittelt (vgl. Hess. VGH, 22.01.2004 - 12 TG 3506/03 -). Deshalb ergeben sich aus Art. 37 des Zusatzprotokolls ebenso wenig aufenthaltsrechtliche Ansprüche für türkische Arbeitnehmer wie aus Art. 64 des Europa-Mittelmeerabkommen EG/Marokko für marokkanische Arbeitnehmer (zu letzteren vgl. BVerwG, 01.07.2003 - 1 C 18.02 -, EAZR 029 Nr. 24; a.A. o.Begr. Dienelt, Aufenthaltsrecht türkischer Staatsangehöriger, 2001, Rdnr. 183 f.). Nach alledem kann der Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für den Antragsteller nicht entgegen gehalten werden, dass ihm damit eine weitere ordnungsgemäße Beschäftigung mit der Folge einer aufenthaltsrechtlichen Verfestigung nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 genommen wird.

Die Entscheidung über die Kosten und den Streitwert des Beschwerdeverfahrens ergeben sich aus § 154 Abs. 2 VwGO und §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück