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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.02.2000
Aktenzeichen: 12 TG 2846/99
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 47
AuslG § 48
1. Ein Heranwachsender, der im Bundesgebiet aufgewachsen ist und mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft lebt, darf nur aufgrund der Ist-Ausweisungstatbestände des § 47 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 AuslG oder aufgrund des Regel-Ausweisungstatbestands des § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG ausgewiesen werden; dieser Ausweisungsschutz setzt nicht den Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder unbefristeten Aufenthaltserlaubnis voraus.

2. Ob ein heranwachsender Ausländer in häuslicher Gemeinschaft mit seinen Eltern lebt, ist, wenn er sich in dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung in Haft befindet, nach den zuvor herrschenden Umständen zu beurteilen.

3. Ein Heranwachsender lebt beispielsweise dann nicht mehr mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft, wenn er zumindest über längere Zeit bei einem Freund lebt, praktisch nicht mehr zu Hause ist und nach unbekannt abgemeldet wird.


Gründe:

I.

Der am 20. Januar 1980 in Frankfurt am Main geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Sein am 1. Juli 1996 gestellter Antrag auf erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung wurde zunächst wegen einiger Ermittlungsverfahren nicht beschieden (§ 67 Abs. 2 AuslG). Der Antragsteller erhielt eine Bescheinigung nach § 69 Abs. 3 AuslG, die bis 30. September 1996 gültig war und allem Anschein nach später nicht verlängert wurde.

Der Antragsteller lebte zunächst bei seinen Eltern in Frankfurt am Main. Am 7. Oktober 1996 wurde er jedoch nach unbekannt abgemeldet. Am 30. Januar 1996 wurde er durch das Amtsgericht Frankfurt am Main - Höchst wegen gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Körperverletzung, gemeinschaftlichen Raubs, Fahren ohne Fahrerlaubnis, unerlaubten Entfernens vom Unfallort, Diebstahls und Hehlerei gemäß § 27 JGG schuldig gesprochen, wobei die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe für die Dauer von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Unter Einbeziehung dieser Strafe wurde er am 22. Mai 1996 durch das Amtsgericht Frankfurt am Main wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Haschisch) in drei Fällen sowie wegen Hehlerei zu einer Jugendstrafe von 10 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Am 18. Dezember 1996 wurde er unter Einbeziehung dieser Verurteilung durch das Amtsgericht Frankfurt am Main wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie des Erwerbs von Betäubungsmitteln (Haschisch) zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Schließlich wurde er unter Einbeziehung dieser Verurteilung am 26. Januar 1998 durch das Amtsgericht Frankfurt am Main wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Haschisch) in zwei Fällen sowie des Erwerbs von Betäubungsmitteln (Haschisch) zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Der Antragsteller wurde am 20. Oktober 1997 festgenommen und befand sich seitdem in Rockenberg (Wetteraukreis) in Haft, bis er am 15. Dezember 1998 entlassen wurde.

Mit Verfügung vom 2. November 1998 wies die Ausländerbehörde des Landrats des Wetteraukreises den Antragsteller gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG aus, lehnte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf die Ausweisung ab und drohte dem Antragsteller die Abschiebung in die Türkei an, wobei ihm angesichts der Haft die Abschiebung angekündigt und für den Fall der Entlassung nach Ablauf dieser Ausreisefrist von einer Woche angedroht wurde. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 26. November 1998 machte der Antragsteller vor allem geltend, es sei im Hinblick auf die geringe Menge weicher Drogen und die besonderen persönlichen Verhältnisse eine Ausnahme von dem Regelversagungsgrund anzunehmen, er habe die zugrundeliegenden Straftaten als Minderjähriger begangen und außerdem komme ihm besonderer Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG zu, da er im Bundesgebiet aufgewachsen sei und mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft lebe. Schließlich sei er durch den Strafvollzug sittlich geläutert und habe keine Familienangehörigen in der Türkei, da in Deutschland außer den Eltern auch seine drei hier geborenen Brüder lebten.

Das Verwaltungsgericht hat den am 30. November 1998 gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs mit Beschluss vom 8. Februar 1999 abgelehnt, weil sich die angegriffenen Maßnahmen als offensichtlich rechtmäßig erwiesen und ein öffentliches Interesse an deren sofortigem Vollzug bestehe. Die Ausweisung sei zu Recht auf § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG gestützt, und dem Antragsteller stehe ein besonderer Ausweisungsschutz weder nach § 48 Abs. 2 Satz 1 AuslG noch nach § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG zu, da er bei Wirksamwerden der Ausweisungsverfügung nicht mehr minderjährig gewesen sei und weder eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis noch eine Aufenthaltsberechtigung besitze. Als entscheidungsunerheblich wertete das Verwaltungsgericht die Frage, auf welchen Zeitpunkt hinsichtlich der häuslichen Gemeinschaft des Heranwachsenden mit seinen Eltern abzustellen ist und ob der Antragsteller tatsächlich zuletzt vor seiner Inhaftierung bei seinen Eltern gewohnt hat.

Nach Zulassung der Beschwerde durch Beschluss vom 20. September 1999 verfolgt der Antragsteller sein Begehren um vorläufigen Rechtsschutz weiter. Trotz gerichtlicher Aufforderung vom 20. September 1999 hat er zur Frage des Lebens in einer häuslichen Gemeinschaft mit den Eltern vor Strafantritt nicht ergänzend vorgetragen. Nach Mitteilung des Antragsgegners wurde durch das Ordnungsamt Frankfurt am Main am 16. Juli 1999 festgestellt, dass der Antragsteller nicht unter der angegebenen Anschrift wohnhaft war; nach Angaben des Bruders sei der Antragsteller seit einem Monat nicht mehr in der Wohnung gewesen. Mit Jugendgerichtsanklage vom 1. Juni 1999 wurde der Antragsteller durch die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main angeklagt, bei drei Gelegenheiten im Dezember 1998 und Januar 1999 in Frankfurt am Main als Heranwachsender mit Betäubungsmitteln (Haschisch) unerlaubt Handel getrieben zu haben. Weitere Ermittlungsverfahren wurden wegen am 22. und 28. Oktober 1999 begangener ähnlicher Straftaten eingeleitet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den ausländerbehördlichen Bescheid vom 2. November 1998 im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Ausweisung, die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und die Abschiebungsandrohung sind nämlich offensichtlich rechtmäßig, und im Hinblick darauf rechtfertigen es öffentliche Belange unter Berücksichtigung der hier gegebenen persönlichen Verhältnisse, welche die persönlichen Interessen des Antragstellers überwiegen und über das den angegriffenen Verwaltungsakt selbst rechtfertigende Interesse hinausgehen, den Rechtsschutzanspruch des Antragstellers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten (BVerfG, 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220 = EZAR 622 Nr. 1; BVerfG, 18.07.1973 - 1 BvR 23,155/73 -, BVerfGE 35, 382; BVerfG - Kammer -, 12.09.1995 - 2 BvR 1179/95 -; Hess. VGH, 09.11.1995 - 12 TG 2783/95 -; Hess. VGH, 22.09.1988 - 12 TH 836/88 -, EZAR 622 Nr. 6 = InfAuslR 1989, 14).

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO insgesamt zulässig. Da ein Widerspruchsbescheid bisher nicht ergangen ist und es deswegen für die Beurteilung des Rechtsschutzbegehrens grundsätzlich auf die derzeitige Sach- und Rechtslage ankommt, ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller inzwischen aus der Haft entlassen ist. Soweit für die Rechtmäßigkeit der Ausweisung und der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis das Alter des Antragstellers maßgeblich ist, ist allerdings auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der ausländerbehördlichen Verfügung vom 2. November 1998 abzustellen. Nach alledem ist der Antragsteller, wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, als Heranwachsender und nicht als Minderjähriger anzusehen, und für die Frage eines häuslichen Zusammenlebens mit seinen Eltern ist ebenfalls auf diesen Zeitpunkt abzustellen. Dagegen kommt es für die Überprüfung der Gefahrenprognose und auch für die Frage, ob sich der Antragsteller in Haft befindet, auf die derzeitigen Umstände und Verhältnisse an.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgericht bestehen an der örtlichen Zuständigkeit des Landrats des Wetteraukreises für den Erlass der Ausweisungsverfügung vom 2. November 1998 keine Zweifel. Da sich der Antragsteller damals zur Verbüßung der gegen ihn verhängten Jugendstrafe in Haft in der Justizvollzugsanstalt Rockenberg befand, war der Landrat des Wetteraukreises, in dessen Bezirk sich diese Haftanstalt befindet, örtlich zuständig (§ 1 a Abs. 3 Satz 1 der Verordnung über die Zuständigkeiten der Ausländerbehörden vom 21. Juni 1993, GVBl. I S. 260, zuletzt geändert durch Verordnung vom 13.05.1998, GVBl. I S. 206, insoweit in Kraft getreten am 01.07.1998). Aus diesem Grunde kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller vor der Festnahme am 20. Oktober 1997 und nach seiner Haftentlassung am 15. Dezember 1998 seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei seinen Eltern in Frankfurt am Main hatte. Im Übrigen wäre, wie das Verwaltungsgericht bereits angenommen hat, eine Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit im vorliegenden Fall unbeachtlich, weil sich die Ausweisung des Antragstellers, wie noch auszuführen ist, als rechtmäßige Regelausweisung darstellt und deshalb eine andere Entscheidung in der Sache nicht hätte getroffen werden können (§ 46 HVwVfG).

Die Ausländerbehörde hat die Ausweisung des Antragstellers zu Recht auf § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG gestützt, wonach in der Regel ausgewiesen wird, wer als Ausländer den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes zuwider ohne Erlaubnis Betäubungsmittel veräußert, an einen anderen abgibt oder in sonstiger Weise in Verkehr bringt oder mit ihnen handelt. Der Antragsteller ist nämlich wegen mehrfacher Handlungen dieser Art zuletzt durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Januar 1998 verurteilt. Da die verhängte Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten unter der Grenze von zwei Jahren Jugendstrafe liegt, hat der Antragsteller damit weder den Ist-Ausweisungstatbestand des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG noch den Regel-Ausweisungstatbestand des § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG verwirklicht.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind auf ihn die für Minderjährige geschaffenen Ausweisungsschutzvorschriften nicht anzuwenden, da er bei Erlass der Ausweisungsverfügung bereits das 18. Lebensjahr vollendet hatte und damit ohne Rücksicht auf die mögliche Anwendbarkeit türkischen Rechts im Rahmen der Anwendung des Ausländergesetzes als volljährig anzusehen ist (§ 68 Abs. 3 Satz 1 AuslG i.V.m. § 2 BGB). Für die Unterscheidung zwischen Minderjährigen und Heranwachsenden im Sinne des Ausweisungsschutzes ist auf den Zeitpunkt der Ausweisung abzustellen (BVerwG, 19.11.1996 - 1 C 25.94 -, EZAR 035 Nr. 19 = NVwZ-RR 1997, 565 = DVBl. 1997, 899 = InfAuslR 1997, 152), wobei hier offen bleiben kann, ob insoweit der Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung oder des Widerspruchsbescheids maßgeblich ist. Es kommt im Fall des Antragstellers nicht darauf an, unter welchen Umständen eine Ausweisungsverfügung dem Gebot einer unverzüglichen Entscheidung nach Kenntniserlangung von einem Ausweisungsgrund widerspricht (vgl. dazu Hess. VGH, a.a.O.; Hailbronner, Ausländerrecht, § 48 AuslG Rdnr. 67 f.; Renner, Ausländerrecht in Deutschland, Rdnr. 7/306); denn die Ausländerbehörde hat zulässigerweise nach Bekanntwerden der ersten beiden Verurteilungen wegen noch anhängiger Ermittlungsverfahren zunächst mit einer Entscheidung über die Aufenthaltsbeendigung abgewartet und sodann nach Bekanntwerden der Verurteilung vom 26. Januar 1998 über die Ausweisung und zugleich über den Genehmigungsantrag entschieden; der Antragsteller hatte aber bereits bei Ergehen des hier maßgeblichen Strafurteils das 18. Lebensjahr vollendet.

Allerdings kann sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein ausländischer Heranwachsender, der in Deutschland aufgewachsen ist und mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft lebt, auf besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG auch dann berufen, wenn er weder eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis noch eine Aufenthaltsberechtigung besitzt. Indem § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG vorschreibt, dass ein Heranwachsender, der im Bundesgebiet aufgewachsen ist und mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft lebt, nur nach Maßgabe des § 47 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und Abs. 3 AuslG ausgewiesen wird, ist die Ausweisung Heranwachsender in zweierlei Hinsicht eingeschränkt. Zum einen darf ein Heranwachsender, der in Deutschland aufgewachsen ist und mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft lebt, im Wege der Ist- oder der Regelausweisung nur dann ausgewiesen werden, wenn er einen der Tatbestände des § 47 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und Abs. 2 Nr. 1 AuslG verwirklicht hat; dagegen scheiden die §§ 45 Abs. 1, 46, 47 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AuslG als Ausweisungsgrundlage für diese Heranwachsenden aus (Hailbronner, JZ 1995, 127; ders., Ausländerrecht, § 47 AuslG Rdnr. 27; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht, § 48 AuslG Rdnr. 46; Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., 1999, § 48 AuslG Rdnr. 18; Renner, Ausländerrecht in Deutschland, 1998, Rdnr. 7/324).

Die Voraussetzungen für den besonderen Ausweisungsschutz zugunsten von Minderjährigen und von Heranwachsenden sind in §§ 47 Abs. 3, 48 AuslG jeweils unterschiedlich geregelt, ohne dass aus dem Gesetzestext allein ein klares System erkennbar wird. Dies liegt daran, dass die jeweils begünstigte Personengruppe zum einen durch das Lebensalter und zum anderen durch Aufenthaltstitel oder Lebensumstände beschrieben ist und der Schutz teilweise durch Herabstufung innerhalb des Systems der Ist-, der Regel- und der Ermessensausweisung und teilweise durch besondere Anforderungen an den Ausweisungsgrund und teilweise durch den gänzlichen Ausschluss der Ausweisungsmöglichkeit verwirklicht wird (dazu näher: Renner, Ausländerrecht in Deutschland, Rdnr. 7/304 - 7/325). Zusätzlich ist die Übersicht dadurch erschwert, dass die einschlägigen Bestimmungen in den letzten Jahren mehrmals verändert worden sind (dazu: Renner, Ausländerrecht, § 47 AuslG Rdnr. 1, § 48 AuslG Rdnr. 3) und infolge dessen in mehrfacher Hinsicht Wertungswidersprüche auftreten (dazu Hailbronner, AuslR, § 47 AuslG Rdnr. 24, § 48 AuslG Rdnr. 42 ff., 63). Der Ausweisungsschutz für Minderjährige ist grundsätzlich dahin geregelt, dass die Ausweisung im Falle des § 48 Abs. 2 Satz 1 AuslG erheblich eingeschränkt ist und die Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 AuslG ebenso ausgeschlossen ist wie die Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG. Ein im Bundesgebiet aufgewachsener und mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft lebender Heranwachsender darf dagegen nur aufgrund von § 47 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 oder Abs. 2 Nr. 1 AuslG ausgewiesen werden. Insoweit begrenzt § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG mit der Formulierung "nach Maßgabe ..." die Zulässigkeit der Ausweisung auf die dort aufgeführten Ausweisungstatbestände. Soweit nach dieser Vorschrift ein Heranwachsender unter den genannten Voraussetzungen außerdem nur "nach Maßgabe des § 47 ... Abs. 3" ausgewiesen wird, erscheint die Verweisung auf § 47 Abs. 3 AuslG nicht eindeutig. Soweit in § 47 Abs. 3 Satz 4 AuslG die Ausweisung minderjähriger Ausländer geregelt ist, kann die Bezugnahme des § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG, da sie ausschließlich Heranwachsende betrifft, keine Bedeutung haben. Soweit in § 47 Abs. 3 Satz 1 und 2 AuslG die Herabstufung der Ist- und der Regelausweisung in den Fällen des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 48 Abs. 1 AuslG geregelt ist, kann die Verweisung für Heranwachsende nur bedeuten, dass diese Herabstufung unberührt bleibt. Da ein im Bundesgebiet aufgewachsener und mit seinen Eltern in häuslicher Lebensgemeinschaft lebender Heranwachsender insoweit nicht schlechter gestellt werden soll als ein sonstiger Erwachsener, wirkt sich die Bezugnahme des § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG letztlich nicht aus. Die Schutzbestimmungen des § 47 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AuslG sind auf Heranwachsende ungeachtet dessen anzuwenden, ob sie die besonderen Integrationsvoraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG erfüllen. Was schließlich die Bestimmung des § 47 Abs. 3 Satz 3 AuslG angeht, so ist festzustellen, dass sie anders als § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG über das Aufwachsen des Heranwachsenden im Bundesgebiet hinaus nicht das Zusammenleben mit den Eltern in häuslicher Gemeinschaft verlangt, sondern (lediglich) den Besitz der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung. Wäre § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG dahin zu verstehen, dass ein Heranwachsender außer den dort genannten Voraussetzungen noch diejenigen des § 47 Abs. 3 Satz 3 AuslG zu erfüllen hat, dann würde der Schutz des im Bundesgebiet aufgewachsenen Heranwachsenden zusätzlich eingeschränkt. Dies entspricht aber erkennbar nicht dem Zweck des Gesetzes, das in § 47 Abs. 3 Satz 3 AuslG einerseits und in § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG andererseits das staatliche Ausweisungsrecht für unterschiedliche Fallgruppen in unterschiedlicher Weise begrenzt. Während bei im Bundesgebiet aufgewachsenen Heranwachsenden der Besitz eines verfestigten Aufenthaltstitels zur Umwandlung aller Ist- und Regelausweisungstatbestände des § 47 Abs. 1 und 2 AuslG in Ermessenstatbestände führt, bewirkt das häusliche Zusammenleben mit den Eltern einen Ausschluss der Regelausweisungstatbestände des § 47 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AuslG. Schließlich ist die Ausweisung des im Bundesgebiet aufgewachsenen Heranwachsenden, wenn er mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft lebt und darüber hinaus eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis oder eine Aufenthaltsberechtigung besitzt, in den Fällen des § 47 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und Abs. 2 Nr. 1 AuslG nur im Wege des Ermessens zulässig.

Angesichts der danach differenzierten Bedeutung des § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG handelt es sich dabei nur in einem eingeschränkten Sinne um eine Rechtsgrundverweisung (vgl. dazu: GK-AuslR, § 48 AuslG Rdnr. 114; OVG Nordrhein-Westfalen, 05.01.1998 - 18 B 540/96 -, EZAR 035 Nr. 22 = NVwZ-Beilage 1998, 92). Infolge dessen kann der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die Bestimmung des § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG finde ausschließlich nur dann Anwendung, wenn der Heranwachsende eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung besitze, nicht zugestimmt werden. Soweit sich das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des beschließenden Senats vom 9. November 1995 - 12 TG 2783/95 - (EZAR 035 Nr. 12 = InfAuslR 1996, 108) und auf die bereits zitierte Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen beruft, ist außer Acht gelassen, dass es sich bei dem von dem beschließenden Senat entschiedenen Fall um eine Ausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG und bei dem von dem OVG Nordrhein-Westfalen entschiedenen Fall um eine Ausweisung nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG handelte, in beiden Fällen also die Ausweisung trotz häuslicher Lebensgemeinschaft mit den Eltern grundsätzlich zulässig war und die Herabstufung in eine Ermessensausweisung voraussetzte, dass der Heranwachsende einen der im Gesetz genannten verfestigten Aufenthaltstitel besaß. Die Rechtsauffassung des beschließenden Senats wird erkennbar auch vom VGH Baden-Württemberg geteilt, der die allein auf §§ 45 Abs. 1, 46 Nr. 2 AuslG gestützte Ausweisung eines im Bundesgebiet aufgewachsenen und mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebenden Heranwachsenden für rechtswidrig erklärt hat (VGH Baden-Württemberg, 22.02.1999 - 11 S 2312/98 -, EZAR 035 Nr. 26 = NVwZ 1999, 790 = InfAuslR 1999, 228 = AuAS 1999, 174).

Nach alledem gehen auch die Überlegungen des Verwaltungsgerichts über eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Bevorzugung von Heranwachsenden gegenüber Minderjährigen im Ergebnis fehl. Die Verteilung der Schutzvorschriften zugunsten von Jugendlichen und Heranwachsenden auf die Vorschriften der §§ 47 Abs. 3 und 48 Abs. 2 AuslG ist erkennbar nicht aus systematischen Gründen erfolgt, sondern allein aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu verstehen, die mehrmalige Änderungen dieser Vorschriften aufgrund jeweils unterschiedlicher Überlegungen aufweist. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass Jugendliche und Heranwachsende im Übrigen auch an dem besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 AuslG teilnehmen, weil sie mitunter eine Aufenthaltsberechtigung besitzen oder im Bundesgebiet geboren oder als Minderjährige eingereist sind und eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzen (§ 48 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AuslG). Unter diesen Umständen können die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen für Minderjährige und Heranwachsende nicht eindeutig in der Weise gegenübergestellt werden, dass verglichen und festgestellt wird, ob die eine oder die andere Gruppe eindeutig besser gestellt ist. Der Gesetzgeber hat vielmehr auf die Besonderheiten der jeweiligen Altersgruppe abgestellt. Mit dieser Maßgabe ist festzustellen, dass minderjährige Ausländer aufgrund der nur speziell für sie geltenden Vorschriften der §§ 47 Abs. 3 Satz 4, 48 Abs. 2 Satz 1 AuslG grundsätzlich stärker gegen Ausweisung geschützt sind als Heranwachsende aufgrund der für sie allein geltenden Bestimmungen der §§ 47 Abs. 3 Satz 3, 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG. Wenn bei minderjährigen Ausländern teilweise auf den rechtmäßigen Aufenthalt eines personensorgeberechtigten Elternteils abgestellt wird, dann ist dies allein darauf zurückzuführen, dass bei diesen Voraussetzungen in der Person des Elternteils eine Resozialisierung der straffällig gewordenen Minderjährigen eher erwartet werden kann, als wenn der Elternteil entweder im Ausland lebt oder sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Bei straffällig gewordenen Heranwachsenden kann für die Resozialisierung nicht mehr die Unterstützung eines personensorgeberechtigten Elternteils in Rechnung gestellt werden. Deswegen verlangt der Gesetzgeber bei Heranwachsenden für einen besonderen Schutz gegen Ausweisung das Aufwachsen im Bundesgebiet und damit die Möglichkeit einer Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse und zusätzlich alternativ den Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder eine Aufenthaltsberechtigung oder aber das Zusammenleben mit den Eltern in häuslicher Gemeinschaft, wobei im letzteren Fall eine mögliche Mithilfe der Eltern bei den notwendigen Resozialisierungsbemühungen trotz der Beendigung ihrer Elternverantwortung aufgrund des Personensorgerechts zugrundegelegt wird. Wenn das Verwaltungsgericht für den Vergleich zwischen Minderjährigen und Heranwachsenden allein die Fälle des § 48 Abs. 2 Satz 1 AuslG einerseits und des § 48 Abs. 2 Satz 2 andererseits heranzieht und daraus eine Besserstellung Heranwachsenden gegenüber Minderjährigen folgert, dann ist dabei übersehen, dass Minderjährige darüber hinaus dadurch gegen Ausweisung geschützt sind, dass die Regelung über die Ist-Ausweisung überhaupt nicht und die Regelung über die Regel-Ausweisung nur in den Fällen des § 47 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AuslG anzuwenden sind.

Der Antragsteller vermag sich gleichwohl nicht mit Erfolg auf die Ausweisungsbeschränkung des § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG zu berufen, weil er, was das Verwaltungsgericht offen gelassen hat, zumindest nach summarischer Überprüfung im vorliegenden Eilverfahren im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat. Eine derartige häusliche Gemeinschaft erfordert anders als eine familiäre oder eheliche Lebensgemeinschaft ein gemeinsames Wohnen unter einem Dach, wobei eine altersbedingte Lockerung der gemeinsamen Lebensweise des Heranwachsenden und seiner Eltern ebenso unerheblich ist wie ein kurzfristiges Getrenntleben aus beruflichen, gesundheitlichen oder ähnlichen Gründen (Renner, Ausländerrecht in Deutschland, Rdnr. 7/ 323). Auch hinsichtlich des Zusammenlebens mit den Eltern ist der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Ausweisungsverfügung und nicht der Zeitpunkt der Straftat maßgeblich (GK-AuslR, § 48 AuslG Rdnr. 115; Hailbronner, a.a.O., § 48 AuslG Rdnr. 65 ff.), wobei es im Falle der Haft auf die der Inhaftierung vorangehenden Wohnverhältnisse ankommt (Renner, Ausländerrecht, § 48 AuslG Rdnr. 19). Wie in dem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 26. Januar 1998 ausgeführt ist, war der Antragsteller im Jahre 1997 "praktisch überhaupt nicht mehr zu Hause", sondern "lebte nach seiner Einlassung bei einem 21 Jahre alten Freund, der ihn auch finanziell unterstützte." Außerdem war er schon unter dem 7. Oktober 1996 nach unbekannt abgemeldet worden. Da der Antragsteller am 20. Oktober 1997 festgenommen wurde und sich bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung ununterbrochen in Haft befand, kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden, dass er in dem maßgeblichen Zeitraum vor der Ausweisung in häuslicher Gemeinschaft mit seinen Eltern lebte. Der Grund der Privilegierung des § 48 Abs. 2 Satz 2 AuslG ist darin zu sehen, dass ein häusliches Zusammenleben eines erwachsenen Kindes mit seinen Eltern eine ähnlich verlässliche Sozialisationsgrundlage bietet wie die Wahrnehmung der Elternverantwortung aufgrund des Personensorgerechts über ein minderjähriges Kind. Dies setzt allerdings voraus, dass das Kind nach Vollendung des 18. Lebensjahres durch das Zusammenleben mit den Eltern weiterhin deren Einflussbereich zugeordnet werden kann. Wenn sich der Antragsteller jedoch im Wesentlichen bei einem erwachsenen Freund aufgehalten hat und praktisch nicht mehr zu Hause war, fehlte es an diesen grundlegenden Voraussetzungen. Soweit in dem Widerspruchsschreiben vom 26. November 1998 demgegenüber geltend gemacht ist, der Antragsteller habe vor seiner Inhaftierung sehr wohl bei seinen Eltern gewohnt, wobei nichts dagegen spreche, wenn er gelegentlich auch einmal bei einem Freund übernachtet habe, dann wird letztlich die im Strafverfahren vorgebrachte Einlassung des Antragstellers teilweise widerrufen, ohne dass hierfür Gründe genannt sind. Deshalb sieht der beschließende Senat in diesen Ausführungen lediglich den Versuch einer andersartigen Bewertung eines nach wie vor unbestrittenen Sachverhalts. Hierfür spricht auch, dass sich der Antragsteller trotz der gerichtlichen Aufforderung vom 20. September 1999 und der Hinweise des Antragsgegners auf die bereits erwähnten Feststellungen des Amtsgerichts Frankfurt am Main zu diesem Punkt nicht mehr geäußert hat. Schließlich wird diese Einschätzung auch dadurch bestätigt, dass der Antragsteller nach der Haftentlassung als Wohnanschrift wiederum die seiner Eltern angegeben hat, bei einer Kontrolle des Ordnungsamts Frankfurt am Main am 16. Juli 1999 aber festgestellt wurde, dass der Antragsteller dort nicht wohnhaft ist, und sein Bruder erklärt hat, dass der Antragsteller seit einem Monat nicht mehr in der Wohnung gewesen sei. Soweit in der Anklageschrift vom 1. Juni 1999 ebenso wie in den zu den Akten gereichten Strafanzeigen als Anschrift des Antragstellers die seiner Eltern angegeben ist, handelt es sich erkennbar um eine aufgrund der Umstände angenommene Meldeanschrift und nicht um die Bestätigung des tatsächlichen Zusammenlebens des Antragstellers mit seinen Eltern in dieser Wohnung.

Auch im Übrigen bestehen, wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat und von dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert bezweifelt wird, keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung und die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die die Ausländerbehörde zutreffend auf die aus der Ausweisung zwingend folgende Erteilungssperre nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AuslG gestützt hat.

Schließlich erweist sich auch die Abschiebungsandrohung als offenbar rechtmäßig, wobei sich nach der Haftentlassung die Ankündigung der Abschiebung erledigt hat und die für diesen Fall eingeräumte Ausreisefrist von einer Woche zum Tragen gekommen ist (vgl. §§ 49 Abs. 2, 50 Abs. 1 und 5 AuslG).

Die Entscheidung über die Kosten und den Streitwert des Beschwerdeverfahrens ergeben sich aus § 154 Abs. 2 VwGO und §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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