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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.08.2001
Aktenzeichen: 12 TJ 2176/01
Rechtsgebiete: AuslG, DVAuslG, AsylVfG


Vorschriften:

AuslG § 8 Abs. 1
AuslG § 17 Abs. 1
AuslG § 23 Abs. 1
AuslG § 36
AuslG § 44 Abs. 1
DVAuslG § 9 Abs. 2
AsylVfG § 71 Abs. 7
AsylVfG § 80
1. Bei dem Streit um die Durchsetzung der fortdauernden örtlichen Beschränkung des Aufenthalts nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens handelt es sich nicht um eine Streitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz, wenn die Ausländerbehörde die Androhung von Zwangsmaßnahmen ausschließlich auf §§ 44 Abs. 5 und 36 AuslG gestützt hat.

2. Ebenso verhält es sich, wenn die Ausländerbehörde die Bescheidung eines Antrags auf Erteilung einer familienbezogenen Aufenthaltsgenehmigung unter Berufung auf eine asylverfahrensrechtliche Aufenthaltsbeschränkung wegen örtlicher Unzuständigkeit verweigert.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

12 TJ 2176/01 12 TJ 2235/01

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

wegen Ausländerrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Renner, Richter am Hess. VGH Pertek, Richterin am Hess. VGH Thürmer

am 13. August 2001 beschlossen:

Tenor:

Auf Antrag der Antragstellerin wird die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 13. Juli 2001 zugelassen. Insoweit wird das Verfahren als Beschwerdeverfahren unter dem Az.: 12 TJ 2235/01 fortgesetzt.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird dieser unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Kassel vom 13. Juli 2001 Prozesskostenhilfe für das Antragsverfahren gewährt und ihr insoweit Rechtsanwalt Langefeld zur Vertretung beigeordnet.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

Das mit Schriftsatz vom 23. Juli 2001 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13. Juli 2001 vorgebrachte Rechtsschutzbegehren ist trotz der Formulierung ("Beschwerde") entsprechend dem wirklichen Willen, insbesondere wegen der Geltendmachung "ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses" zu Beginn der Begründung, als Antrag auf Zulassung der Beschwerde auszulegen und als solcher zulässig (§ 146 Abs. 4 und 5 i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO) und begründet.

Gegen die Zulässigkeit des Antrags auf Zulassung der Beschwerde könnten allerdings insofern Bedenken bestehen, als Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz gemäß § 80 AsylVfG - vorbehaltlich des hier nicht einschlägigen § 133 VwGO - nicht mit der Beschwerde angefochten werden können. Nach ständiger Rechtsprechung des beschließenden Senats und der übrigen für Ausländer- und Asylrecht zuständigen Senate des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs gehören zu den Verfahren, in denen nach § 80 AsylVfG die Beschwerde ausgeschlossen ist, auch alle selbständigen und unselbständigen Nebenverfahren (vgl. etwa Hess. VGH, 03.02.1999 - 3 TZ 4241/98 -, 08.11.1999 - 6 TJ 2850/99.A -, 22.11.1998 - 7 TZ 3254/98 -, 30.11.1998 - 10 TZ 4030/98 -, 11.12.1997 - 12 TZ 4109/97 -, EZAR 630 Nr. 35 = NVwZ-Beil. 1998, 46 = DÖV 1998, 391, 20.01.1998 - 13 TZ 3765/97 -, NVwZ-Beil. 1998, 45). An der Einheitlichkeit der Rechtsprechung könnten allenfalls insofern Zweifel aufkommen, als der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einer asylrechtlichen Abschiebungsandrohung zwar unter § 80 AsylVfG subsumiert worden ist, nicht aber die gleichlautenden Anträge weiterer Familienangehöriger (Hess. VGH, 30.04.2001 - 3 TZ 757/01.A -) und das Präsidium des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in einem Fall eine Asylverfahrensstreitigkeit angenommen hat, in dem das Verwaltungsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung eine Ausländerbehörde zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für einen ehemaligen Asylbewerber verpflichtet hatte, wobei mangels Bekanntgabe der Gründe des Präsidiumsbeschlusses die dabei zugrundegelegten Kriterien unklar erscheinen müssen.

Im vorliegenden Verfahren sprechen einige Gesichtspunkte für das Vorliegen einer Rechtsstreitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz im Sinne von § 80 AsylVfG, weil die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zum einen die Anordnung verlangt, der Ausländerbehörde die zwangsweise Durchsetzung der Verlassenspflicht durch unmittelbaren Zwang zu untersagen, und zum anderen die Verpflichtung der Ausländerbehörde begehrt, über ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise zu entscheiden; denn beide Begehren haben ebenso wie die angegriffenen Behördenentscheidungen ihren eigentlichen Ursprung und Sitz in der Anwendung asylverfahrensrechtlicher Vorschriften. Die Ausländerbehörde hat nämlich in ihrem Bescheid vom 21. März 2001 unter Bezugnahme auf die während des Asylverfahrens der Antragstellerin ergangene Zuweisungsentscheidung der Bezirksregierung Arnsberg die Antragstellerin verpflichtet, den Landkreis Kassel, in dem sie sich der räumlichen Beschränkung zuwider aufhalte, unverzüglich zu verlassen, und ihr für den Fall der Nichtbeachtung bis zum 10. April 2001 die zwangsweise Durchsetzung der Verlassenspflicht durch Einsetzung unmittelbaren Zwangs angedroht, und mit der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs wäre die Abschiebungsandrohung in dem rechtskräftig gewordenen Ablehnungsbescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 18. Juli 1997 gegenstandslos, weil die Ausreiseverpflichtung der Antragstellerin damit entfiele. Gleichwohl hegt der beschließende Senat erhebliche Bedenken gegen die Anwendung der Ausschlussvorschrift des § 80 AsylVfG, weil die Ausländerbehörde ihre Verlassensaufforderung ausschließlich auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 36, 44 Abs. 6, 64 Abs. 2 AuslG gestützt und die speziellen asylverfahrensrechtlichen Bestimmungen des § 59 AsylVfG nicht angewandt hat und weil es der Antragstellerin bei dem Begehren um eine familienbezogene Aufenthaltserlaubnis um die Durchsetzung eines materiellen Aufenthaltsanspruchs und nicht um die Beendigung einer asylverfahrensrechtlichen Ausreiseverpflichtung geht.

Der Senat sieht hier trotz gewisser Zweifel die Voraussetzungen des § 80 AsylVfG nicht als erfüllt an und bejaht deshalb seine eigene Zuständigkeit und nicht die des 3. Senats, der für Asylverfahren armenischer Staatsangehöriger zuständig ist. Er hält diese Verfahrensweise für gerechtfertigt, weil sonst die Gefahr bestünde, dass wirksamer Rechtsschutz nicht rechtzeitig gewährt werden kann, wenn zunächst das Präsidium über die gerichtsinterne Zuständigkeit im vorliegenden Verfahren betreffend Zulassung der Beschwerde wegen Bewilligung von Prozesskostenhilfe entscheiden müsste und damit auch die alsbald notwendige Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts weiter verzögert würde.

Gegen die Richtigkeit des angegriffenen Beschlusses bestehen ernstliche Zweifel. Solche Zweifel im Sinne von § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann anzunehmen, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Hess. VGH, 04.04.1997 - 12 TZ 1079/97 -, EZAR 625 Nr. 1 = NVwZ 1998, 195 = HessJMBl. 1997, 768; VGH Baden-Württemberg, 27.02.1998 - 7 S 216/98 -, VBlBW 1998, 378; OVG Berlin, 09.03.1999 - 4 SN 158.98 -). Die zur Auslegung des Begriffs der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit in § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG entwickelten Grundsätze können zur Auslegung von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit der Maßgabe herangezogen werden, dass die Entscheidung über die Zulassung der Berufung weniger eilbedürftig ist als die Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO sowie in abgabe- und asylrechtlichen Eilverfahren (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG). Das Rechtsmittelgericht muss bei der Prüfung anhand der mit dem Zulassungsantrag vorgetragenen Beanstandungen zu der Meinung gelangen, dass das Rechtsmittel hinreichende Aussicht auf Erfolg oder - anders formuliert - das erstinstanzliche Gericht unrichtig entschieden hat (vgl. Sendler, DVBl. 1982, 157). Mit dieser Auslegung wird dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Ziel entsprochen, mit Hilfe des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an die gefestigte Rechtsprechung zu dem Begriff der ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung (vgl. dazu Schenke, JZ 1996, 1155 m. Nachw. d. Rspr. u. der davon abw. Lit. in Fußn. 729, 730; zu Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vgl. BVerfG, 14.05.1996 - 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94, 166 = EZAR 632 Nr. 25) anzuknüpfen, die Einzelfallgerechtigkeit zu verwirklichen (vgl. dazu Sendler, a.a.O.) und grob ungerechte Entscheidungen zu korrigieren (vgl. dazu BT-Drs. 13/3993 S. 13). Die Zulassung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ist aber damit nicht auf solche Fälle beschränkt, die dem Rechtsmittelgericht grob ungerecht gelöst erscheinen (ähnlich Hess. VGH, 17.02.1997 - 14 TZ 385/97 -); denn die für den Gesetzgeber ersichtlich maßgebliche Rechtsprechung zu § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO setzt eine derartige qualifizierte materielle Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht voraus. Die ernstlichen Zweifel müssen an der Richtigkeit des Ergebnisses der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen; ob sich die Entscheidung trotz formeller oder materieller Fehler letztlich doch als richtig erweist, ist im Zulassungsverfahren von Amts wegen anhand der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu prüfen (Hess. VGH, 26.03.1998 - 6 TZ 4017/97 -,NVwZ-RR 1998, 777 = DVBl. 1998, 1033 = ESVGH 48, 223 = InfAuslR 1998, 438 m.w.N.; Hess. VGH, 15.07.1997 - 13 TZ 1947/97 -, AuAS 1998, 6 = HessJMBl. 1997, 818; VGH Baden-Württemberg, 18.12.1997 - A 14 S 3451/97 -, NVwZ 1998, 414 = VBlBW 1998, 261; a. A. VGH Baden-Württemberg, 22.10.1997 - NC 9 S 20/97 -, NVwZ 1998, 197). Veränderte oder in erster Instanz nicht vorgetragene Tatsachen oder zwischenzeitliche Rechtsänderungen können grundsätzlich nicht zur Begründung ernstlicher Zweifel herangezogen werden (VGH Baden-Württemberg, 29.09.1999 - 7 S 1871/99 -, VBlBW 2000, 109; Hess. VGH, 01.03.2000 - 6 TZ 214/00; OVG Nordrhein-Westfalen, 05.11.1999 - 15 A 2923/99 -, NVwZ 2000, 334 = NWVBl. 2000, 140; anders bei Rechtsänderung vor Ablauf der Zulassungsantragsfrist: Hess. VGH, 10.11.1999 - 5 UZ 2876/99 -, NVwZ 2000, 85).

Das Verwaltungsgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung von Rechtsanwalt Langefeld für das Antragsverfahren zu Unrecht mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt.

Soweit sich die Antragstellerin mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die in dem Bescheid vom 21. März 2001 angedrohte zwangsweise Durchsetzung der Verlassenspflicht durch unmittelbaren Zwang wendet, hat dieser Antrag deswegen hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil zwar die während des Asylverfahrens angeordnete Aufenthaltsbeschränkung auf den Kreis Gütersloh auch nach rechtskräftiger Ablehnung des Asylantrags und zweier Folgeanträge fortwirkt (vgl. § 44 Abs. 6 AuslG; § 71 Abs. 7 Satz 1 AsylVfG), Ausländerbehörde und Verwaltungsgericht aber in diesem Zusammenhang den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend beachtet haben. Das Verlangen der Ausländerbehörde, die Antragstellerin solle entsprechend ihrer Zuweisung während des Asylverfahrens den Landkreis Kassel verlassen, und die Androhung der zwangsweisen Durchsetzung lassen außer Acht, dass die Antragstellerin seit 21. Juni 2000 mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist und seit dieser Zeit zusammen mit ihm und dem am 12. Juli 2000 geborenen Kind im Landkreis Kassel lebt und mit der zwangsweisen Verbringung der Antragstellerin eine unter dem besonderen Schutz von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG stehende familiäre Lebensgemeinschaft auseinandergerissen würde. Durch die Trennung der Familie würde der Antragstellerin sowohl die Führung der Ehe mit ihrem deutschen Ehemann als auch die Ausübung der Personensorge über das gemeinsame Kind, das ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und von der Antragstellerin deren Angaben zufolge noch gestillt wird, zumindest für eine gewisse Übergangszeit unmöglich gemacht. Wenn aber schon die kurzzeitige Trennung eines ausländischen Vaters von seinem deutschen Kleinkind im Alter von zwei Jahren im Blick auf Art. 6 GG nicht zu verantworten ist (vgl. BVerfG-Kammer, 31.08.1999 - 2 BvR 1523/99 -, EZAR 622 Nr. 37 = NVwZ-Beil. 2000, 59 betr. VG Kassel, 23.07.1999 - 4 G 1922/99 -), dann gilt dies umso mehr, wenn die ausländische Mutter von ihrem etwa 13 Monate alten Kind getrennt wird und außer dessen sonstiger Versorgung und Betreuung sogar dessen natürliche Ernährung unterbrochen wird. Nicht weniger unverhältnismäßig wäre eine Trennung in der Weise, dass die Antragstellerin ihr Kind bei dem Verlassen des Landkreises Kassel mitnimmt und dieses nicht nur der Betreuung seines Vaters entzieht, sondern auch zusätzlich völlig ungewissen Lebensbedingungen aussetzt, weil keineswegs gesichert ist, dass die Antragstellerin in dem ihr ursprünglich zugewiesenen Aufenthaltsbezirk in Nordrhein-Westfalen eine Unterkunft und Versorgung findet, in der auch ihr nicht zum Kreis der Asylbewerber gehörendes Kind seinem Alter entsprechend versorgt werden kann. Hinzu kommt, dass - wie nachfolgend auszuführen ist - gewichtige Bedenken auch gegen die Ansicht der Ausländerbehörde und des Verwaltungsgerichts bestehen, dass die Antragstellerin das Visumsverfahren einzuhalten hat, und weil die Ausländerbehörde die Verweigerung ihrer Zustimmung zum Zuzug der Antragstellerin in den Landkreis Kassel ausschließlich auf diesen Gesichtspunkt stützt.

Auch hinsichtlich der in dem weiteren Bescheid vom 21. März 2001 ausgesprochenen Weigerung einer Bescheidung der Genehmigungsanträge unter Berufung auf die örtliche Unzuständigkeit verspricht die Rechtsverfolgung der Antragstellerin entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hinreichende Erfolgsaussichten. Die Ausländerbehörde war gehalten, über die gestellten Genehmigungsanträge zu entscheiden, und durfte sich nicht auf die Ablehnung einer Bescheidung beschränken. Wenn sie ihre örtliche Zuständigkeit verneinen wollte, hätte sie zumindest vorab die Antragstellerin wegen einer Zustimmung zur Abgabe an die örtlich zuständige Behörde befragen müssen. Hätte die Antragstellerin auf einer Bescheidung bestanden - und dies war aufgrund der Äußerung im Anhörungsverfahren durchaus nicht sicher - blieb der Ausländerbehörde um einer sachgerechten Antragsbehandlung Willen nur die Möglichkeit einer Sachentscheidung. Anderenfalls wäre der Antragstellerin die Möglichkeit eröffnet worden, von der Ausländerbehörde des Landkreises Gütersloh eine Bescheidung in der Sache zu erhalten. In beiden Fällen hätte der Genehmigungsantrag mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit Erfolg haben müssen.

Zur Frage der Zustimmung der Ausländerbehörde in Gütersloh zu einem Aufenthaltswechsel in den Landkreis Kassel und einer möglichen Zustimmung des Landrats des Landkreises Kassel sowie zur Begründetheit des Genehmigungsantrags ist festzustellen, dass gegen die Ausführungen zur materiellen Rechtslage in dem ausländerbehördlichen Bescheid und dem verwaltungsgerichtlichen Beschluss gewichtige Bedenken bestehen. Obwohl sich in den vorliegenden ausländerbehördlichen Akten ein dahingehender schriftlicher Genehmigungsantrag nicht feststellen lässt, ist zumindest für den gegenwärtigen Verfahrensstand mit der hier für die Frage der Prozesskostenhilfe ausreichenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der erstmalig am 16. Juli 1998 ausgestellten und dann zuletzt bis 30. September 2000 verlängerten ausländerbehördlichen Bescheinigung über eine fiktive Aufenthaltserlaubnis nach § 69 Abs. 3 AuslG ein derartiger Genehmigungsantrag zugrundelag.

Da der Asylantrag der Antragstellerin zwar mit Bescheid des Bundesamts vom 18. Juli 1997 abgelehnt worden war, die Zulassung der Berufung gegen das entsprechende verwaltungsgerichtliche Urteil aber erst mit Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 1998 abgelehnt wurde, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Antragstellerin einen (damals auch mündlich zulässigen; vgl. dazu jetzt Nr. 69.0.2 AuslG-VwV) Genehmigungsantrag zu einem Zeitpunkt gestellt hat, in dem sie noch im Besitz einer Aufenthaltsgestattung war, wobei es auf den Zeitpunkt des Erlöschens der Aufenthaltsgestattung nach § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG ankommt und nicht darauf, dass tatsächlich die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung von der Ausländerbehörde in Gütersloh bis 22. Oktober 1998 verlängert worden ist. Besaß die Antragstellerin aber im Zeitpunkt ihres Genehmigungsantrags eine Aufenthaltsgestattung, so hielt sie sich rechtmäßig in Deutschland auf und konnte ihr Genehmigungsantrag die Aufenthaltsrechtsfiktion des § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG auslösen. Gegen diese Annahme könnte sprechen, dass die Antragstellerin schon mit Schreiben vom 26. Juni 1998 zur Ausreise aufgefordert worden war. Die zugrundeliegenden Verhältnisse hätten aber zumindest durch eine Auskunft der Ausländerbehörde des Kreises Gütersloh aufgeklärt werden müssen, bevor Ausländerbehörde und Verwaltungsgericht Kassel die Rechtswidrigkeit der dann noch mehrmals verlängerten Bescheinigung vom 16. Juli 1998 feststellen durften. Immerhin enthält die Behördenakte einige Hinweise darauf, dass der Ausländerbehörde schon im Mai 1998 die Beziehungen der Beschwerdeführerin zu dem späteren Ehemann und die Heiratsabsichten bekannt waren. Da sich eine Ablehnung des in Gütersloh gestellten Genehmigungsantrags nicht bei den Behördenakten befindet (und dieser Antrag allenfalls mit dem ausländerbehördlichen Bescheid des Landkreises Kassel vom 20. März 2001 als abgelehnt angesehen werden könnte), hielt sich die Antragstellerin danach jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt fiktiv erlaubt im Bundesgebiet auf. Infolge dessen erwarb sie aufgrund der Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen am 21. Juni 2000 einen Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 AuslG, da sie seither offenbar mit ihrem Ehemann in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammenlebt. Der Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung steht zwar, wie Ausländerbehörde und Verwaltungsgericht zu Recht angenommen haben, der absolute Versagungsgrund der Einreise ohne erforderliches Visum (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG) entgegen, von dem auch nicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 AuslG abgewichen werden kann, weil die Antragstellerin bei ihrer Einreise wegen ihrer Staatsangehörigkeit visumspflichtig war und nicht nur wegen des Zwecks oder der Dauer des beabsichtigten Aufenthalts. Entgegen der Ansicht der Ausländerbehörde und des Verwaltungsgerichts darf der Antragstellerin aber eine Aufenthaltsgenehmigung nach der Einreise aufgrund § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 DVAuslG erteilt werden, weil die Antragstellerin nach ihrer Einreise durch Eheschließung im Bundesgebiet den erwähnten Rechtsanspruch auf Aufenthaltserlaubnis erworben hat und aufgrund der Fiktion des § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG sich im Zeitpunkt der Eheschließung zumindest bis Erlass des ausländerbehördlichen Bescheids vom 20. März 2001 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob etwa die Ausreisepflicht oder die Abschiebungsandrohung des Bundesamts vom 18. Juli 1997 inzwischen nicht mehr vollziehbar war und deshalb eine Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise auch aufgrund § 9 Abs. 2 Satz 2 DVAuslG erteilt werden durfte. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass der Antragstellerin inzwischen auch deswegen ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise zusteht, weil sie sehr wahrscheinlich hinsichtlich des am 12. Juli 2000 geborenen Kindes sorgeberechtigt ist (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 DVAuslG i. d. F. von Art. 1 Nr. 3 Bst. b der 10. Verordnung zur Änderung der DVAuslG vom 02.12.2000, in Kraft seit 15.12.2000; BGBl. I S. 1682).

Das Verfahren wird gemäß § 124 Abs. 2 Satz 4 VwGO als Beschwerdeverfahren fortgesetzt, ohne dass es der Einlegung einer Beschwerde bedarf. Angesichts der Eilbedürftigkeit wird sogleich über die Beschwerde entschieden. Die notwendige weitere Aufklärung kann im Eilverfahren selbst erfolgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Erstattung von Kosten findet nicht statt (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO). Gerichtsgebühren werden nur in Höhe einer Festgebühr von 50,- DM fällig (entsprechen Nr. 2502 der Anlage I zum GKG; vgl. VGH Baden-Württemberg, 16.10.1998 - 10 S 2222/98 - und 02.05.1995 - 9 S 3481/94 -; Hess. VGH, 08.09.1997 - 13 TJH 3004/97 -; OVG Sachsen-Anhalt, 09.02.1998 - F 2 S 810/97 -, JMBIST 1998, 442; OVG Thüringen, 23.07.1998 - 3 ZZO 161/97 -). Daher bedarf es auch keiner Streitwertfestsetzung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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