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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.08.2000
Aktenzeichen: 12 TZ 2454/00
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 17
AuslG § 19
AuslG § 23
AuslG § 53
Die Neuregelung des eigenständigen Aufenthaltsrechts des Ehegatten nach § 19 AuslG zum 1. Juni 2000 gilt nicht für Fälle, in denen die eheliche Lebensgemeinschaft vor diesem Zeitpunkt aufgehoben war.
Gründe:

Der Antrag ist zulässig (§ 146 Abs. 5 VwGO), aber nicht begründet; denn mit ihm ist ein Grund, der gemäß § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO die Zulassung der Beschwerde rechtfertigen kann, nicht dargetan.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne von § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann anzunehmen, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Hess. VGH, 04.04.1997 - 12 TZ 1079/97 -, EZAR 625 Nr. 1 = NVwZ 1998, 195 = HessJMBl. 1997, 768; VGH Baden-Württemberg, 27.02.1998 - 7 S 216/98 -, VBlBW 1998, 378; OVG Berlin, 09.03.1999 - 4 SN 158.98 -). Die zur Auslegung des Begriffs der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit in § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG entwickelten Grundsätze können zur Auslegung von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit der Maßgabe herangezogen werden, dass die Entscheidung über die Zulassung der Berufung weniger eilbedürftig ist als die Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO sowie in abgabe- und asylrechtlichen Eilverfahren (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG). Das Rechtsmittelgericht muss bei der Prüfung anhand der mit dem Zulassungsantrag vorgetragenen Beanstandungen zu der Meinung gelangen, dass das Rechtsmittel hinreichende Aussicht auf Erfolg oder - anders formuliert - das erstinstanzliche Gericht unrichtig entschieden hat (vgl. Sendler, DVBl. 1982, 157). Mit dieser Auslegung wird dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Ziel entsprochen, mit Hilfe des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an die gefestigte Rechtsprechung zu dem Begriff der ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung (vgl. dazu Schenke, JZ 1996, 1155 m. Nachw. d. Rspr. u. der davon abw. Lit. in Fußn. 729, 730; zu Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vgl. BVerfG, 14.05.1996 - 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94, 166 = EZAR 632 Nr. 25) anzuknüpfen, die Einzelfallgerechtigkeit zu verwirklichen (vgl. dazu Sendler, a.a.O.) und grob ungerechte Entscheidungen zu korrigieren (vgl. dazu BT-Drs. 13/3993 S. 13). Die Zulassung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ist aber damit nicht auf solche Fälle beschränkt, die dem Rechtsmittelgericht grob ungerecht gelöst erscheinen (ähnlich Hess. VGH, 17.02.1997 - 14 TZ 385/97 -); denn die für den Gesetzgeber ersichtlich maßgebliche Rechtsprechung zu § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO setzt eine derartige qualifizierte materielle Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht voraus. Die ernstlichen Zweifel müssen an der Richtigkeit des Ergebnisses der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen; ob sich die Entscheidung trotz formeller oder materieller Fehler letztlich doch als richtig erweist, ist im Zulassungsverfahren von Amts wegen anhand der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu prüfen (Hess. VGH, 26.03.1998 - 6 TZ 4017/97 -, NVwZ-RR 1998, 777 = DVBl. 1998, 1033 = ESVGH 48, 223 = InfAuslR 1998, 438 m.w.N.; Hess. VGH, 15.07.1997 - 13 TZ 1947/97 -, AuAS 1998, 6 = HessJMBl. 1997, 818; VGH Baden-Württemberg, 18.12.1997 - A 14 S 3451/97 -, NVwZ 1998, 414 = VBlBW 1998, 261; a. A. VGH Baden-Württemberg, 22.10.1997 - NC 9 S 20/97 -, NVwZ 1998, 197). Veränderte oder in erster Instanz nicht vorgetragene Tatsachen oder zwischenzeitliche Rechtsänderungen können grundsätzlich nicht zur Begründung ernstlicher Zweifel herangezogen werden (VGH Baden-Württemberg, 29.09.1999 - 7 S 1871/99 -, VBlBW 2000, 109; Hess. VGH, 01.03.2000 - 6 TZ 214/00; OVG Nordrhein-Westfalen, 05.11.1999 - 15 A 2923/99 -, NVwZ 2000, 334 = NWVBl. 2000, 140; anders bei Rechtsänderung vor Ablauf der Zulassungsantragsfrist: Hess. VGH, 10.11.1999 - 5 UZ 2876/99 -, NVwZ 2000, 85).

Das Vorbringen des Antragstellers trägt die Annahme ernstlicher Zweifel im vorstehenden Sinne an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht. Das Verwaltungsgericht hat den wesentlichen Sachverhalt und das gesamte Vorbringen des Antragstellers umfassend gewürdigt und hat im Ergebnis zutreffend wie die Antragsgegnerin entschieden, dass der Antragsteller insbesondere kein eigenständiges Aufenthaltsrecht gemäß § 19 Abs. 1 AuslG hat und dass seiner Abschiebung keine Hindernisse gemäß § 53 AuslG entgegenstehen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und des Antragstellers ist im vorliegenden Fall allerdings nicht die seit dem 1. Juni 2000 gültige Fassung des § 19 Abs. 1 Nr. 2 AuslG (Änderungsgesetz vom 25.05.2000, BGBl. I S. 742) anzuwenden. Sowohl nach der Systematik als auch nach dem Zweck der Vorschrift des § 19 AuslG knüpft die darin vorgesehene Verlängerung der bisher zum Zweck der Familienzusammenführung erteilten Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht an den Zeitpunkt an, zu dem die Grundlage für das zweckgebundene und akzessorische Aufenthaltsrecht gemäß § 23 bzw. § 17 AuslG, die familiäre/eheliche Lebensgemeinschaft, wegfällt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, 01.02.2000 - 18 B 1120/99 -, ZAR 2000, 137). Dies ist demzufolge auch der maßgebliche Zeitpunkt, zu dem das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 19 AuslG zu prüfen ist, und zwar nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht. Hierfür spricht desweiteren, dass die erstmalige Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht gemäß § 19 Abs. 1 AuslG unbeschadet des möglicherweise bestehenden Regelversagungsgrundes des Sozialhilfeempfangs befristet auf ein Jahr erteilt wird (§ 19 Abs. 2 Satz 1 AuslG (alte und neue Fassung)), während bei darauffolgenden Verlängerungen der Sozialhilfebezug als Regelversagungsgrund zu prüfen ist. Der Gesetzgeber hat keinerlei Übergangsregelungen für die Fälle vorgesehen, in denen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 19 AuslG noch zur Zeit der Geltung alten Rechts, mithin bis zum 31. Mai 2000 erfolgen musste und allein auf Grund der Durchführung von Verwaltungsverfahren und/oder gerichtlichen Verfahren die Entscheidung der Widerspruchsbehörde oder die gerichtliche Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt zu treffen sind (vgl. Hess. VGH, 07.06.2000 und 18.07.2000 - 12 TZ 1811/00). Im Fall des Antragstellers ist somit bei der Entscheidung über die Verlängerung der am 3. Februar 2000 abgelaufenen Aufenthaltserlaubnis der Zeitpunkt die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft und das seinerzeit geltende Recht zu Grunde zu legen.

Nach der deshalb maßgeblichen Fassung des § 19 AuslG a.F. erfüllt der Antragsteller die dortigen Voraussetzungen nicht, da die eheliche Lebensgemeinschaft seit dem Zeitpunkt der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis nicht vier Jahre bestanden hatte und es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte nicht erforderlich ist, dem Antragsteller den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen.

Mit der sinngemäßen, nicht näher substantiierten Behauptung im Zulassungsantrag, gegen den Antragsteller bestehe ein Haftbefehl eines türkischen Gerichts, können ernstliche Zweifel schon deshalb nicht dargelegt werden, weil es sich hierbei um einen neuen, dem Verwaltungsgericht nicht bekannten Sachverhaltsvortrag handelt.

Soweit der Antragsteller die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung geltend macht, genügt der Antrag nicht den Anforderungen an einen Zulassungsantrag. Es ist nicht dargelegt worden, welcher Frage der erforderliche allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Klärungsbedarf zukommen soll. Allein die von dem Antragsteller geäußerte Auffassung, dass in seiner Sache eine grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit gegeben sei, genügt den an die Begründung des Zulassungsantrags im Falle der Rüge der grundsätzlichen Bedeutung zu stellenden Anforderungen keines Falls. Der Zulassungsantrag verkennt im Übrigen, dass im Fall des Antragstellers § 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG in der bis zum 30. Mai 2000 geltenden Fassung anzuwenden ist und es deshalb auf die Auslegung des Begriffs der besonderen Härte nicht ankommt.

Die Entscheidungen über die Kosten und den Streitwert des Antragsverfahrens beruhen auf § 154 Abs. 1 VwGO und §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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