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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 19.08.2002
Aktenzeichen: 12 UE 1473/02
Rechtsgebiete: StAG, AuslG, GK


Vorschriften:

StAG § 8
AuslG §§ 85 ff.
GK Art. 34
1. Bei der Prüfung ausreichender Deutschkenntnisse im Einbürgerungsverfahren kann grundsätzlich auf die Fähigkeit, eigene oder fremde Gedanken schriftlich in deutscher Sprache wiederzugeben, nicht verzichtet werden.

2. Verwaltungsvorschriften eines Landes, die eine schriftliche Sprachprüfung bei Einbürgerungsbewerbern nach § 85 AuslG oder § 8 StAG nicht vorsehen, sind mit Bundesrecht nicht vereinbar.

3. Es besteht keine rechtliche Verpflichtung, bei der Einbürgerung von anerkannten Asylberechtigten oder Konventionsflüchtlingen geringere Sprachkenntnisse genügen zu lassen als allgemein bei Anspruchs- und Ermessenseinbürgerungen üblich; das besondere Schicksal anerkannter politisch Verfolgter kann aber im Einzelfall auch bei der Deutschprüfung berücksichtigt werden.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

12. Senat

12 UE 1473/02

In dem Verwaltungsstreitverfahren

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 12. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Renner, Richterin am Hess. VGH Thürmer, Richter am Hess. VGH Univ.-Prof. Dr. Gornig, ehrenamtliche Richterin Klose, ehrenamtlichen Richter Oesterling

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 6. März 2002 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, falls nicht der Kostengläubiger seinerseits Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1965 in der Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und lebt seit 1988 im Bundesgebiet. Er ist als Asylberechtigter anerkannt und besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. In der Türkei hat er fünf Jahre die Schule besucht und den Beruf eines Frisörs erlernt. In Deutschland ist er als Maler tätig.

Zu dem Einbürgerungsantrag des Klägers vom 24. März 1997 teilte die Gemeinde W. im Juli 1997 mit, es bestünden Bedenken bezüglich der schriftlichen Sprachkenntnisse, und fügte einen Text bei, den der Kläger nach Diktat geschrieben hatte. Dieser Text gibt den Leitsatz einer arbeitsgerichtlichen Entscheidung wieder und lautet im Original:

"Abfindung

Bei der Aufstellung von Sozialplänen dürfen ausländische Mitarbeiter nicht schlechtergestellt werden als ihre deutschen Kollegen (hier: Nichtberücksichtigung der in der Heimat lebenden Tochter eines Spaniers).

Die Niederschrift des Klägers lautete wie folgt: "

Nachdem die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag zunächst zurückgestellt worden war, wurde dieser mit Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 25. November 1997 abgelehnt, weil die am 30. Mai 1997 gefertigte Schriftprobe nicht dem Erfordernis genüge, dass der Einbürgerungsbewerber insbesondere die deutsche Sprache in Wort und Schrift in dem Maße beherrschen solle, wie dies von Personen seines Lebenskreises erwartet werde. Eine Privilegierung anerkannter Asylberechtigter sei insoweit nicht vorgesehen. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe lediglich die Grundschule in der Türkei besucht und dies liege schon einige Zeit zurück, so dass auch die türkische Sprache schriftlich nur mangelhaft beherrscht werde. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 7. Mai 1998 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Aufgrund der fünfjährigen Schulausbildung in der Türkei könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger kein Analphabet und eine schriftliche Verständigung für seinen Lebenskreis üblich sei. Die von ihm abgelegte Schriftprobe zeige demgegenüber unzureichende schriftliche Deutschkenntnisse. Zu einer Verbesserung seiner Deutschkenntnisse in schriftlicher Form, die in seinem Alter von 33 Jahren durchaus zumutbar sei, sei ihm im Laufe des Verfahrens Gelegenheit gegeben worden.

Mit der hiergegen am 12. Juni 1998 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, das Wohlwollensgebot des Art. 34 GK gebiete, die Einbürgerung so weit wie möglich zu erleichtern. Wegen des gruppentypischen Schicksals bestehe ein staatliches Interesse an der Einbürgerung, die deshalb nur versagt werden dürfe, wenn andere staatliche Interessen überwögen. Er sei in deutsche Lebensverhältnisse integriert und seit fünf Jahren bei der gleichen Firma beschäftigt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 25. November 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 7. Mai 1998 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, ihn in den deutschen Staatsverband einzubürgern,

hilfsweise,

das beklagte Land zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, auch eine im April 2001 nach den geänderten Richtlinien angefertigte Diktatprobe sei eindeutig negativ ausgefallen. Diesen Angaben zufolge wurde dem Kläger der folgende Text übergeben:

Den Angaben des Beklagten zufolge wurde dieser Zeitungsartikel zunächst spaltenübergreifend gelesen und der Kläger nach den ersten drei Zeilen darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um zwei Spalten handele, und ihm erklärt, wie der Text zu lesen sei. Da jedoch ein lautes Vorlesen praktisch gar nicht oder nur völlig unverständlich und extrem langsam möglich gewesen sei, wurde das Lesen nach dem zweiten Absatz abgebrochen und dem Kläger Gelegenheit gegeben, sich den Text noch einmal kurz leise durchzulesen. Danach wurde er nach dem Inhalt befragt, konnte jedoch überhaupt nichts von dem Zeitungsartikel nacherzählen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Erörterung in dem Termin vor dem Einzelrichter am 8. Februar 2002 mit Urteil vom 6. März 2002 im schriftlichen Verfahren abgewiesen. Dabei hat das Verwaltungsgericht offen gelassen, ob sich das Einbürgerungsbegehren nach § 85 ff. AuslG oder nach § 8 StAG beurteilt, da beide Vorschriften ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verlangten. Das Gericht habe aber unter Berücksichtigung der lediglich fünfjährigen Schulausbildung in der Türkei und des derzeit ausgeübten Berufs des Klägers im Erörterungstermin nicht festzustellen vermocht, dass dieser über von Personen seines Lebenskreises zu verlangende ausreichende Deutschkenntnisse verfüge. Von einer Person gleichen Bildungsstands könne nach mehr als 13jähriger Anwesenheit im Bundesgebiet erwartet werden, zumindest gut Deutsch zu sprechen und einfache Zeitungsartikel, wenn auch nicht fehlerfrei, lesen und verstehen zu können. Der Kläger sei jedoch lediglich in der Lage gewesen, sich auf einfache Weise zu verständigen. Er habe angegeben, auf den Baustellen, auf denen er arbeite, überwiegend mit Landsleuten zu verkehren und mit ihnen nicht Deutsch zu sprechen und auch in der Familie mit seinen Kindern nur gelegentlich Deutsch zu sprechen. Seine mündlichen Sprachkenntnisse seien derzeit noch so wenig ausgeformt, dass er das Gericht im Gespräch geduzt habe - offenkundig nicht aus Respektlosigkeit, sondern weil er der deutschen Sprache noch nicht ausreichend mächtig sei. Das Gericht habe keinen Anlass, geringere Sprachkenntnisse als die in den Verwaltungsvorschriften geforderten für eine Einbürgerung genügen zu lassen. Erleichterungen für Asylbewerber sähen die Ermessensvorschriften bezüglich der Sprachkenntnisse nicht vor. Dies sei auch kraft internationalen Rechts nicht geboten. Art. 34 GK verpflichte lediglich, die Eingliederung und Einbürgerung zu erleichtern, insbesondere das Einbürgerungsverfahren zu beschleunigen und die Kosten hierfür soweit wie möglich herabzusetzen. Dem sei der Richtliniengeber in ausreichendem Maße nachgekommen.

Mit der hiergegen vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Einbürgerungsbegehren weiter und macht geltend, Einbürgerungsbehörde und Verwaltungsgericht hätten nicht ausreichend die Verpflichtung in Art. 34 GK berücksichtigt, die Einbürgerung anerkannter Flüchtlinge soweit als möglich zu erleichtern. Es sei von einem besonderen staatlichen Interesse an der Einbürgerung auszugehen, das nur durch ein entgegenstehendes überwiegendes staatliches Interesse beseitigt werden könne. Hintergrund der Genfer Konvention sei die staatsangehörigkeitsrechtliche Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingen und Asylberechtigten. Die Bedeutung von Art. 34 GK erschöpfe sich keineswegs darin, die Einbürgerung durch Beschleunigung und Kostensenkung zu erleichtern. Unstreitig seien deutsche Sprachkenntnisse, ohne die eine Integration nicht denkbar sei, ebenfalls als staatliche Interessen anzusehen. Die Anforderungen hieran seien jedoch bei Asylberechtigten an dem Zweck der Integration zu messen. In seinem Fall sei daher zu berücksichtigen, dass er seit Jahren in der Lage sei, sämtliche anfallenden Dinge des täglichen Lebens, Kontakte mit der Ausländerbehörde, dem deutschen Arbeitgeber, Arbeitsvertrag, Versicherungen, Schulen, Ärzte usw. ohne Probleme zu regeln und darüber hinaus beispielsweise auch kompliziertere Sachverhalte (Abschluss eines notariellen Kaufvertrags ohne Dolmetscher) zu bewältigen. Die Tatsache, dass er in der mündlichen Verhandlung das Gericht geduzt habe, stehe dem nicht entgegen. Bekanntermaßen stelle die Anrede "Sie" im Deutschen selbst für eingebürgerte Personen ausländischer Herkunft ein besonderes Problem dar, aus dem sich jedoch keine mangelnde Integration herleiten lasse. Entsprechend seien die mündlichen Sprachkenntnisse auch bereits 1996 von der Stadtverwaltung Weiterstadt als ausreichend angesehen worden.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des angegriffenen Urteils und Aufhebung des Bescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 25. November 1997 und des Widerspruchsbescheids vom 7. Mai 1998 zu verpflichten, ihn in den deutschen Staatsverband einzubürgern,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zu der Einbürgerungspraxis in Hessen teilt er auf gerichtliche Anfrage mit, schriftliche Deutschkenntnisse spielten seit der Gesetzesnovellierung im Jahre 1999 in Hessen keine Rolle mehr. Das Leseverständnis werde lediglich insoweit geprüft, als beim Zuhören des vorgelesenen Textes darauf geachtet werde, ob man den Sinn des Vorgelesenen ohne Blick auf die Vorlage verstehe. Fehler in diesem Zusammenhang spielten keine Rolle. Beim rein phonetischen Vorlesen ohne erkennbaren Sinnzusammenhang müsse das Leseverständnis verneint werden. Vom Leseverständnis fast nicht zu trennen sei die Fähigkeit, das Vorgelesene in eigenen Worten wiederzugeben. Wer schon beim Vorlesen eklatante Mängel zeige, werde in der Regel auch das Gelesene nicht verstanden haben und somit auch bei der Wiedergabe scheitern. Zunächst werde der Bewerber gebeten, das zu erzählen, was er verstanden habe. Er dürfe auch nochmals auf den Text schauen. Er müsse ihn nicht auswendig wissen. Erforderlichenfalls würden Zusatzfragen gestellt. Die Auswahl des aktuellen Zeitungsausschnitts für die Prüfung des Leseverständnisses sei den unteren Verwaltungsbehörden überlassen. Es gebe weder hessenweit noch auf Regierungsbezirksebene vorgegebene Texte. Soweit es bei der Auswahl der Texte bei den unteren Verwaltungsbehörden zu Qualitätsunterschieden komme, sei dem dadurch Rechnung getragen, dass dem Bewerber das Recht eingeräumt werde, den Test beim Regierungspräsidium zu wiederholen. Im Übrigen könne die untere Verwaltungsbehörde bereits selbst darum bitten, dass der Deutschtest bei dem Regierungspräsidium wiederholt werde. Außerdem macht der Beklagte geltend, das deutsche Einbürgerungsrecht habe die Forderung der Genfer Konvention zur Einbürgerungserleichterung in zweierlei Hinsicht konkretisiert, nämlich in Bezug auf die Beschleunigung des Verfahrens und im Hinblick auf die Kosten. Eine Einbürgerung sei im Gegensatz zum Normalfall (acht Jahre Aufenthalt) bereits nach einem rechtmäßigen Aufenthalt von sechs Jahren möglich, und der Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit sei für Asylberechtigte generell aufgehoben; sie brauchten kein Entlassungsverfahren aus ihrer Heimatstaatsangehörigkeit mehr zu durchlaufen. Der Auffassung des Klägers, aus dem Erleichterungsgebot der Genfer Konvention folge auch, dass die Einbürgerungsvoraussetzungen der ausreichenden Deutschkenntnisse qualitativ geringer anzusiedeln seien als bei normalen Einbürgerungsbewerbern, könne sich das beklagte Land nicht anschließen. Art. 34 GK spreche sowohl von der Einbürgerungs- als auch von der Eingliederungserleichterung, die der aufnehmende Staat soweit wie möglich vornehmen solle. Dem letztgenannten korrespondiere eine Eingliederungsbereitschaft des Flüchtlings. Der Staat, der Erleichterungen vornehme, dürfe erwarten, dass der Flüchtling seinerseits alles unternehme, um die Eingliederung zu fördern. Ein entscheidendes Integrationsmittel sei das Erlernen der Sprache des Aufnahmestaats. Bei Flüchtlingen, die davon ausgehen müssten, dass eine Rückkehr in den Heimatstaat jedenfalls kurzfristig nicht möglich sei, sei die Notwendigkeit, die Sprache des Aufnahmestaats zu erlernen, sogar höher anzusiedeln als bei anderen, die jederzeit in ihr Heimatland zurückkehren könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Behördenakten der Einbürgerungsbehörde Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist vom Senat zugelassen und auch sonst zulässig (§§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 5 Satz 5, Abs. 6, 125 Abs. 1 VwGO), aber nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage im Ergebnis zu Recht in vollem Umfang abgewiesen. Der Kläger ist durch die Ablehnung der Einbürgerung nicht in seinen Rechten verletzt (§§ 113 Abs. 1 und 5, 114 VwGO); er kann weder die Verpflichtung des Beklagten zur Einbürgerung noch zur erneuten Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verlangen, wobei es hinsichtlich des anzuwenden Rechts und der tatsächlichen Verhältnisse auf den Zeitpunkt der Berufungsverhandlung ankommt.

Der Senat kann ebenso wie das Verwaltungsgericht offen lassen, ob das Einbürgerungsbegehren des Klägers nach den Bestimmungen der §§ 85 ff. AuslG oder des § 8 StAG zu beurteilen ist, weil in beiden Fällen ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verlangt werden (dazu 1.) und der Kläger diese nicht besitzt (dazu 4.). Allerdings trifft es nicht zu, dass für beide Fälle, wie das Verwaltungsgericht ohne nähere Erklärung meint, "inhaltsgleiche Anwendungshinweise" ergangen seien. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Ausschlussgrund nicht ausreichender Sprachkenntnisse nach § 86 Nr. 1 AuslG zwingend und ausnahmslos nur für den Einbürgerungsanspruch des § 85 AuslG gilt (dazu 1.), Schreibkenntnisse nicht grundsätzlich außer Acht gelassen werden dürfen (dazu 2.) und für anerkannte Asylberechtigte und Konventionsflüchtlinge nicht im Rahmen des Einbürgerungsanspruchs nach § 85 AuslG, sondern allenfalls bei der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG Erleichterungen hinsichtlich der Sprachkenntnisse vorgesehen werden können (dazu 3.).

1. Für den Einbürgerungsanspruch nach § 85 AuslG bestimmt § 86 Nr. 1 AuslG, dass dieser nicht besteht, wenn der Einbürgerungsbewerber nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Dazu ist in Nr. 86.1 der aufgrund § 39 StAG erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht (StAR-VwV) vom 13. Dezember 2000 (BAnz. 2001 Nr. 21a = GMBl. 2001, 122; Text auch in Renner, Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeits- und zum Ausländerrecht, 2001, S. 1 ff.) bestimmt:

"86.1.1 Begriffsbestimmung

Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache liegen vor, wenn sich der Einbürgerungsbewerber im täglichen Leben einschließlich der üblichen Kontakte mit Behörden in seiner deutschen Umgebung sprachlich zurecht zu finden vermag und mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch geführt werden kann. Dazu gehört auch, dass der Einbürgerungsbewerber einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens lesen, verstehen und die wesentlichen Inhalte mündlich wiedergeben kann. Auf Behinderungen, die dem Einbürgerungsbewerber das Lesen oder Sprechen nachhaltig erschweren, ist Rücksicht zu nehmen.

Die Fähigkeit, sich auf einfache Art mündlich verständigen zu können, reicht nicht aus.

86.1.2 Nachweis der Sprachkenntnisse

Der Ausschlussgrund nicht ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache ist von der Einbürgerungsbehörde zu prüfen. Die erforderlichen Sprachkenntnisse sind in der Regel nachgewiesen, wenn der Einbürgerungsbewerber

a) das Zertifikat Deutsch oder ein gleichwertiges Sprachdiplom erworben hat,

b) vier Jahre eine deutschsprachige Schule mit Erfolg (Versetzung in die nächsthöhere Klasse) erworben hat,

c) einen Hauptschulabschluss oder wenigstens gleichwertigen deutschen Schulabschluss erworben hat,

d) in die zehnte Klasse einer weiterführenden deutschsprachigen Schule (Realschule, Gymnasium oder Gesamtschule) versetzt worden ist oder

e) ein Studium an einer deutschsprachigen Hochschule oder Fachhochschule oder eine deutsche Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hat.

Sind die erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend nachgewiesen, soll das persönliche Erscheinen des Einbürgerungsbewerbers zur Überprüfung der Sprachkenntnisse angeordnet werden, vergleiche Nummer 91.1. Die Anforderungen des Zertifikats Deutsch (ISBN 3-933908-17-5) sind dafür ein geeigneter Maßstab."

Dagegen heißt es in Nr. 8.1.2.1 bis Nr. 8.1.2.1.2 StAR-VwV zu der Ermessenseinbürgerungsvorschrift des § 8 StAG:

"8.1.2.1 Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse, insbesondere ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache

Der Einbürgerungsbewerber muss sich in die deutschen Lebensverhältnisse eingeordnet haben, insbesondere über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen.

8.1.2.1.1 Sprachkenntnisse

Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache liegen vor, wenn sich der Einbürgerungsbewerber im täglichen Leben einschließlich der üblichen Kontakte mit Behörden in seiner deutschen Umgebung sprachlich zurecht zu finden vermag und mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch geführt werden kann. Dazu gehört auch, dass der Einbürgerungsbewerber einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens lesen, verstehen und die wesentlichen Inhalte mündlich wiedergeben kann. Die Fähigkeit, sich auf einfache Art mündlich verständigen zu können, reicht nicht aus. Bei den Anforderungen an die deutschen Sprachkenntnisse ist zu berücksichtigen, ob sie von dem Einbürgerungsbewerber wegen einer körperlichen oder geistigen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllt werden können.

8.1.2.1.2 Nachweis der Sprachkenntnisse

Ob ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache vorliegen, ist von der Einbürgerungsbehörde zu prüfen. Die erforderlichen Sprachkenntnisse sind in der Regel nachgewiesen, wenn der Einbürgerungsbewerber

a) das Zertifikat Deutsch oder ein gleichwertiges Sprachdiplom erworben hat,

b) vier Jahre eine deutschsprachige Schule mit Erfolg (Versetzung in die nächsthöhere Klasse) besucht hat,

c) einen Hauptschulabschluss oder wenigstens gleichwertigen deutschen Schulabschluss erworben hat,

d) in die zehnte Klasse einer weiterführenden deutschsprachigen Schule (Realschule, Gymnasium oder Gesamtschule) versetzt worden ist oder

e) ein Studium an einer deutschsprachigen Hochschule oder Fachhochschule oder eine deutsche Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hat.

Sind die erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend nachgewiesen, soll das persönliche Erscheinen des Einbürgerungsbewerbers zur Überprüfung der Sprachkenntnisse angeordnet werden. Die Anforderungen des Zertifikats Deutsch (ISBN 3-933908-17-5) sind dafür ein geeigneter Maßstab."

Im vorliegenden Verfahren ergibt sich insoweit eine Besonderheit, als das Verwaltungsverfahren noch unter der Geltung des früheren Einbürgerungsrechts abgewickelt worden ist und es nunmehr auch hinsichtlich der Sprachkenntnisse auf die neue Rechts- und Sachlage ankommt. Nach früher geltender Rechts- und Erlasslage wurden die Sprachkenntnisse des Einbürgerungsbewerbers in der Weise überprüft, dass ihm ein Text über eine alltägliche Angelegenheit zum Diktat gegeben wurde, da von ihm verlangt wurde, er solle "insbesondere die deutsche Sprache in Wort und Schrift in dem Maße beherrschen, wie dies von Personen seines Lebenskreises erwartet wird." (Nr. 3.1.1 Abs. 2 Satz 1 Einbürgerungsrichtlinien vom 01.07.1977, GMBl. 1978, 16, zuletzt geändert am 07.03.1989, GMBl. S 197; Text auch in Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 2. Aufl., 1998, S. 863 ff.). Auf dieser Grundlage hat der Kläger den oben wiedergegebenen Text über eine Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts zum Diktat erhalten. Weil dann nach Klageerhebung das reformierte Staatsangehörigkeitsrecht mit den neuen Bestimmungen für das Verwaltungsverfahren in Kraft getreten war, hat man dem Kläger den Zeitungsartikel über die Auseinandersetzung zwischen einem betrunkenen Radfahrer und einem Fußgänger zum Lesen und zur anschließenden Wiedergabe des Inhalts gegeben. Diese geänderte Verfahrensweise ist auf die nachfolgend dargestellte neue Erlasslage zurückzuführen, die vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt zu sein scheint, obwohl es für die Verpflichtungsklage auch insoweit auf die neuen Bestimmungen ankommt. Das Verwaltungsgericht zitiert zwar die einschlägigen bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften, setzt sich aber nicht damit auseinander, dass sich diese gegenüber früher in entscheidenden Punkten geändert haben und dass vor allem für die hessischen Staatsangehörigkeitsbehörden gesonderte Verwaltungsvorschriften des Landes Hessen ergangen sind. Die oben wiedergegebenen Verwaltungsvorschriften des Bundes zu § 8 StAG und zu §§ 85, 86 AuslG unterscheiden sich weder hinsichtlich der Erforderlichkeit der Nachprüfung noch hinsichtlich des Verfahrens und des Inhalts der Feststellung von ausreichenden deutschen Sprachkenntnissen, wobei das Erfordernis ausreichender Deutschkenntnisse für die Ermessenseinbürgerung letztlich in derselben Weise - positiv - vorgeschrieben ist, wie § 86 Nr. 1 AuslG für die Anspruchseinbürgerung das Fehlen solcher Kenntnisse - negativ - als Ausschlussgrund enthält. Die Staatsangehörigkeitsbehörde hat in beiden Fällen, falls die im Einzelnen aufgeführten Nachweise nicht vorgelegt werden können, die Sprachkenntnisse selbst zu überprüfen und soll das persönliche Erscheinen des Einbürgerungsbewerbers anordnen, wobei für die Überprüfung der Sprachkenntnisse die Anforderungen des Zertifikats Deutsch (ISBN 3-933908-17-5) ein geeigneter Maßstab sein sollen. Für beide Fälle ist darüber hinaus bestimmt, dass die Fähigkeit, sich auf einfache Art mündlich zu verständigen, nicht ausreicht und dass sich der Einbürgerungsbewerber im täglichen Leben einschließlich der üblichen Kontakte mit Behörden in seiner deutschen Umgebung sprachlich zurechtfinden und mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch geführt werden können muss. Die anschließende Regelung darüber, dass der Einbürgerungsbewerber einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens lesen, verstehen und die wesentlichen Inhalte mündlich wiedergeben können muss, könnte darauf hindeuten, dass die Fähigkeit, Deutsch zu schreiben, nicht verlangt wird; dem steht aber entgegen, dass dieser Satz mit "Dazu gehört auch, dass..." eingeleitet wird.

Ein entscheidender Unterschied bei dem Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse ist aber darin zu sehen, dass dieser für den Einbürgerungsanspruch nach § 85 AuslG zwingend und ausnahmslos verlangt wird, im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG aber berücksichtigt wird, dass diese dem Gesetzeswortlaut nach Deutschkenntnisse nicht ausdrücklich voraussetzt. Infolge dessen handelt es sich bei den Vorschriften der Nr. 8.1.2.1 bis 8.1.2.1.2 StAR-VwV um ermessenslenkende Richtlinien für die Einbürgerungsbehörde, deren Bedeutung, Inhalt und Grenzen allein nach dem gesetzlichen Zweck des Einbürgerungsermessens nach § 8 StAG zu beurteilen sind. Wenn danach von dem Einbürgerungsbewerber die Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse und in diesem Zusammenhang insbesondere ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verlangt werden, so liegt dies schon deshalb innerhalb des gesetzlichen Ermessensrahmens, weil derartige Sprachkenntnisse sogar von demjenigen Ausländer verlangt werden, der nach § 85 AuslG über einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung verfügt. Darüber hinaus ist es mit den gesetzgeberischen Zielen der Einbürgerungsvorschrift des § 8 StAG grundsätzlich vereinbar, wenn die Einbürgerungsbehörde bei der Ermessenseinbürgerung verpflichtet wird, (nur) zu berücksichtigen, ob die Anforderungen an die deutschen Sprachkenntnisse von dem Einbürgerungsbewerber wegen einer körperlichen oder geistigen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllt werden können (Nr. 8.1.2.1.1 Satz 4 StAR-VwV), während bei einem Anspruch auf Einbürgerung nach § 85 AuslG auf Behinderungen, die dem Einbürgerungsbewerber das Lesen oder Sprechen nachhaltig erschweren, Rücksicht zu nehmen ist (Nr. 86.1.1 Satz 3 StAR-VwV). Dabei kann hier offen bleiben, ob sich die letztere Regelung trotz der insoweit zwingend formulierten Ausschlussvorschrift des § 86 Nr. 1 AuslG innerhalb der Ermächtigung des § 39 StAG hält, allgemeine Verwaltungsvorschriften über die Ausführung der §§ 85 ff. AuslG zu erlassen. Hinsichtlich der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass insoweit keine Bedenken dagegen bestehen, Besonderheiten im Einzelfall über die allein auf typische Fallgestaltungen zugeschnittenen Regelungen der StAR-VwV hinaus Rechnung zu tragen, wobei insoweit wie auch sonst den obersten Landesbehörden die Möglichkeit eröffnet ist, ergänzende Verwaltungsvorschriften zu erlassen, soweit dies nicht durch die StAR-VwV ausgeschlossen oder mit dieser unvereinbar ist.

Zu der Überprüfung der Deutschkenntnisse ist in Nr. 17 der vom Hessischen Ministerium des Innern und für Sport am 25. Juni 2001 erlassenen Verwaltungsvorschrift über das Verfahren bei Anspruchs- und Ermessenseinbürgerungen (StAnz 2001, 2479) - VfVEbg. - ergänzend bestimmt, dass mit dem Einbürgerungsbewerber ein Gespräch zu führen ist, das sich mit Voraussetzungen und Motiven des Einbürgerungsantrags beschäftigt, und dass dieses Gespräch eine Dauer von 10 Minuten nicht überschreiten soll. Anschließend sind danach Feststellungen zum Leseverständnis anhand eines aktuellen Zeitungsausschnitts zu treffen, wobei bei der Auswahl der anzuwendenden Texte darauf zu achten ist, dass sie möglichst keine schwierigen grammatikalischen Formen, wie z. B. indirekte Rede, Konjunktiv oder überlange Sätze enthalten und der Text möglichst 30 einspaltige Zeitungszeilen nicht unterschreiten und 50 Zeilen nicht überschreiten soll. Daraus lässt sich entnehmen, dass hinsichtlich der Deutschkenntnisse zwischen den Fällen des § 85 AuslG und des § 8 StAG nicht unterschieden und in der Verwaltungspraxis des Landes Hessen Schreibkenntnisse von dem Einbürgerungsbewerber anders als noch unter Geltung der oben zitierten Einbürgerungsrichtlinien allgemein nicht mehr verlangt werden. Dies hat das beklagte Land auf gerichtliche Anfrage bestätigt. Dagegen werden zum Beispiel in Bayern nach den dort geltenden Verwaltungshinweisen, auf die in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden ist, Einbürgerungsbewerber zum Test "Deutsch" eingeladen, der eine 45-minütige, von Fachpersonal der Volkshochschule durchgeführte Prüfung umfasst, an der 12 bis 15 Personen teilnehmen sollen und in dem als kommunikative Aufgaben außer Hörverstehen, Leseverstehen und mündlicher Ausdrucksfähigkeit auch der schriftliche Ausdruck geprüft wird, zum Beispiel im Modelltest einer Ansichtskarte aus dem Urlaub mit sechs Sätzen (Bayer. Staatsministerium des Innern, Erläuternde Hinweise Nr. 2 vom 01.06.2001 zu Nr. 8.1.2.1.2, 9.1.2.1 und Nr. 2 zu 86.1.2 StAR-VwV, Stand 01.05.2002). Während in der hessischen Verwaltungsvorschrift lediglich ein Verzicht auf die Sprachprüfung bei Kindern, die das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ihrer Schulpflicht nachkommen, vorgesehen ist, enthalten die bayerischen Hinweise darüber hinaus Sonderregelungen für Analphabeten ("Test Deutsch alpha"), ältere Personen und Behinderte (Nr. 3 zu Nr. 8.1.2.1.2 und Nr. 3.2 zu Nr. 86.1.2 StAR-VwV). Außerdem ist allgemein für die Sprachprüfung vorgeschrieben, dass auch Gesichtspunkte wie Vorbildung, Ausbildung und ausgeübter Beruf sowie die maßgebliche Rechtsgrundlage der Einbürgerung zu berücksichtigen sind (Nr. 3 zu Nr. 86.1.2.1.2 und Nr. 3 zu Nr. 86.1.2 StAR-VwV). Privilegierungen für anerkannte Asylberechtigte oder Konventionsflüchtlinge sind weder in der StAR-VwV noch in den bayerischen oder hessischen Verwaltungsvorschriften enthalten.

2. Entgegen den in Hessen geltenden verwaltungsinternen Regelungen darf grundsätzlich weder für den Einbürgerungsanspruch nach § 85 AuslG noch für die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG auf den Nachweis der Fähigkeit, Deutsch zu schreiben, verzichtet werden. Gesetzestext, Zweck und Systematik der Einbürgerungsvorschriften sowie deren Entstehungsgeschichte schließen es aus, ausreichende Sprachkenntnisse im Sinne von § 86 Nr. 1 AuslG von vornherein auf die Fähigkeit zu beschränken, Deutsch zu sprechen und zu lesen; bei zutreffender Auslegung gehört vielmehr zur Sprachkenntnis auch die Fähigkeit, sich schriftlich auszudrücken (a.A. Berlit in GK-StAR, § 86 AuslG Rdnr. 35 - 40, 57 - 59.1).

Der Ausschlussgrund nicht ausreichender Sprachkenntnisse in § 86 Nr. 1 AuslG ist eingefügt worden, weil ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache als Voraussetzung für eine erfolgreiche Eingliederung in Deutschland und für eine Beteiligung am politischen Willensbildungsprozess für erforderlich gehalten wurden. Entsprechendes gilt für die Regelungen der StAR-VwV hinsichtlich der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG. Zudem ist der Begriff der ausreichenden Sprachkenntnisse im Vergleich zu ähnlichen Begriffen in §§ 20 Abs. 4 Nr. 1, 24 Abs. 1 Nr. 1, 26 Abs. 1 Nr. 2 AuslG, vor allem aber im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte und den Zweck der Erleichterung der Einbürgerung durch das Staatsangehörigkeitsreformgesetz von 1999 auszulegen (vgl. dazu Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drs. 14/533 und Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 14/867; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Aufl., 2001, § 8 StAG Rdnr. 52 f., § 86 AuslG Rdnr. 1 bis 4; Renner, Ausländerrecht, Nachtrag zur 7. Aufl., 2001, § 86 AuslG Rdnr. 15 bis 18). Daraus kann insgesamt geschlossen werden, dass mit ausreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache kein ideales oder optimales Niveau verlangt wird, sondern lediglich ein für die Kommunikation mit anderen Menschen und mit staatlichen und privaten Stellen erforderliches Mindestmaß, dass aber die schriftliche Wiedergabe eigener oder fremder Gedanken grundsätzlich eingeschlossen ist.

Berücksichtigt man außer der reinen Textauslegung den systematischen Zusammenhang, in dem ausreichende Sprachkenntnisse für die Einbürgerung verlangt werden, spricht dies dafür, dass nach dem gesetzgeberischen Willen auch die Fähigkeit des Schreibens eingeschlossen sein soll. Während für die Zulassung des Nachzugs des ledigen über 16 Jahre alten Kindes im Wege des Ermessens die Beherrschung der deutschen Sprache notwendig ist (§ 20 Abs. 4 Nr. 1 AuslG) und dies Lesen wie Schreiben selbstverständlich mit umfasst (dazu Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., 1999, § 20 AuslG Rdnr. 16), genügt für die unbefristete Aufenthaltserlaubnis im Allgemeinen und für Ehegatten die Fähigkeit, sich mündlich auf einfache Art zu verständigen (§§ 24 Abs. 1 Nr. 4, 25 Abs. 3 Satz 1 AuslG). Dagegen fordert das Gesetz für die unbefristete Aufenthaltserlaubnis an volljährige nachgezogene Kinder ebenfalls ausreichende Sprachkenntnisse (§ 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AuslG), und diese werden in der Verwaltungspraxis als gegeben angenommen, wenn der Ausländer im Bundesgebiet länger als vier Jahre eine deutschsprachige Schule besucht hat oder im täglichen Leben einschließlich der üblichen Kontakte mit Behörden keinen Dolmetscher benötigt (Nr. 26.1.2.4 Satz 1 und 2 AuslG-VwV vom 07.06.2000, BAnz. Nr. 188a = GMBl. S. 618, Text auch in Renner, Verwaltungsvorschriften, S. 53 ff.). Nicht zuletzt aus diesen beiden Nachweistatbeständen muss darauf geschlossen werden, dass hier jedenfalls grundsätzlich auch Kenntnisse der Schriftsprache in der Form des Schreibens gemeint sind (Renner, Ausländerrecht, § 26 AuslG Rdnr. 9); ohne die Fähigkeit zu schriftlichen Äußerungen ist in aller Regel weder der vierjährige Besuch einer deutschen Schule noch der Verkehr mit deutschen Behörden, Arbeitgebern oder Kunden möglich, weil auch letzterer zumindest das Ausfüllen von Formularen und schriftliche Willenserklärungen wenn auch einfachen Inhalts erfordert. Wenn aber die Einbürgerung einer schon weitgehend gelungenen Integration zum endgültigen Erfolg verhelfen oder sogar eine bereits beendete Integration abschließen soll, dann widerspräche es dem System der stufenweisen Aufenthaltsverfestigung mit anschließender Einbürgerung, wenn für letztere geringere Anforderungen an die Kenntnis der deutschen Sprache gestellt würden als bei Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis an volljährige Kinder.

Dieses Auslegungsergebnis wird durch Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Staatsangehörigkeitsreform von 1999 bestätigt. Deren Ziel bestand zusammengefasst darin, durch Erleichterung der Einbürgerung Deckungsgleichheit zwischen der dauernd in Deutschland lebenden Bevölkerung und dem allein stimmberechtigten deutschen Staatsvolk, die verloren zu gehen drohte oder bereits verloren gegangen war, zu sichern (dazu und zu Folgendem ausführlich Renner, Ausländerrecht, Nachtrag 2000, Vorb § 85 AuslG Rdnr. 4 ff.). Während auf der einen Seite die notwendigen Aufenthaltszeiten erheblich verkürzt und die Fälle der Hinnahme von Mehrstaatigkeit vermehrt wurden, wurden andererseits die auf die Fähigkeit zur politischen Mitbestimmung abzielenden Anforderungen durch Einführung des Verfassungstreuebekenntnisses und der Loyalitätserklärung sowie des Ausschlussgrundes der nicht ausreichenden Deutschkenntnisse verschärft. Mit diesen gesetzgeberischen Überlegungen und Zielsetzungen wäre es aber nicht vereinbar, Art und Umfang der für die Einbürgerung unerlässlichen Sprachkenntnisse geringer zu bemessen als für die unbefristete Aufenthaltserlaubnis in dem erwähnten Nachzugsfall erforderlich und nach der früheren Einbürgerungspraxis allgemein üblich (dazu unten).

Bei der Auslegung darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass in den Fällen, in denen in der Verwaltungspraxis nach der bundeseinheitlichen StAR-VwV auf eine gesonderte Prüfung der Deutschkenntnisse durch die Staatsangehörigkeitsbehörden verzichtet wird, weil diese in der Regel als nachgewiesen gelten, Kenntnisse der Schriftsprache und vor allem auch die Fähigkeit, das gesprochene Wort niederzuschreiben und eigene wie fremde Gedanken schriftlich auszudrücken, ohne Weiteres eingeschlossen sind. Nicht nur der erfolgreiche Abschluss eines Studiums an einer deutschsprachigen Hochschule oder Fachhochschule oder einer deutschen Berufsausbildung oder ein deutscher Hauptschulabschluss belegen ausreichende Kenntnisse der deutschen Schriftsprache, sondern auch das Zertifikat Deutsch oder ein gleichwertiges Sprachdiplom (zu den Lernzielen und dem Testformat des Zertifikats Deutsch vgl. Goethe-Institut u.a., Zertifikat Deutsch, 1. Aufl., 1999). Wenn es in Nr. 8.1.2.1.2 Satz 4 und in Nr. 86.1.2 Satz 4 StAR-VwV heißt, dass die Anforderungen des Zertifikats Deutsch für die Überprüfung der Sprachkenntnisse ein geeigneter Maßstab sind, dann kann jedenfalls grundsätzlich bei dieser Sprachprüfung auf die Kenntnis der Schriftsprache einschließlich des Schreibens nicht verzichtet werden. Anders wäre eine bundeseinheitliche Auslegung der grundsätzlichen Anforderungen an die Einbürgerung nicht sicher zu stellen. Der Vollzug der Einbürgerungsvorschriften des Ausländergesetzes und des Staatsangehörigkeitsgesetzes ist zwar Ländersache, bei diesem Verwaltungsvollzug ist jedoch anders als bei den der Gesetzeskompetenz der Länder unterliegenden Angelegenheiten in besonderer Weise auf eine einheitliche Auslegung und Anwendung des materiellen und formellen Rechts zu achten (zur besonderen Bindung der Einbürgerungsbehörden an Bundesrecht allgemein vgl. Horn, ZAR 2001, 99 betr. die Zustimmungsbedürftigkeit bei Einbürgerung). Auch wenn die Aufnahme näherer Vorschriften über die Sprachprüfung in die Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundes an der mangelnden Einigung der Länder im Bundesrat gescheitert ist, sind diese bei dem Erlass eigener ergänzender Verwaltungsvorschriften an das materielle und formelle Bundesrecht gebunden, wobei die aufgrund § 39 StAG erlassene Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundes nicht zuletzt wegen der Zustimmung des Bundesrats eine auch insoweit richtungsweisende Grundlage darstellt.

Schließlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass nach der einheitlichen Verwaltungspraxis bis zum Jahre 1999 bei Einbürgerungen allgemein auch Schriftsprachkenntnisse in der Weise verlangt worden sind, dass - wie im Falle des Klägers - regelmäßig ein Diktat geschrieben wurde. Sowohl durch die Einführung von Einbürgerungsansprüchen durch §§ 85 ff. AuslG seit 1. Januar 1991 als auch insbesondere durch die Erweiterung der Einbürgerungsansprüche, die Vereinfachung der Voraussetzungen und die vermehrte Hinnahme von Mehrstaatigkeit aufgrund der Staatsangehörigkeitrechtsreform 1999 sollte einerseits die Einbürgerung der bereits lange Zeit in Deutschland lebenden und hier integrierten Ausländer erleichtert werden, der Gesetzgeber hat aber - wie bereits oben erwähnt - durch die erstmalige Einführung des Ausschlusstatbestands der nicht ausreichenden Kenntnis der deutschen Sprache verhindern wollen, dass Personen eingebürgert werden, die nicht die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Teilnahme an dem staatsbürgerlichen Leben erfüllen.

Der weiterhin in Bayern und auch in anderen Bundesländern wie einheitlich in der Vergangenheit verlangte Nachweis schriftlicher Sprachkenntnisse stimmt auch insoweit mit den Intentionen des Gesetzgebers überein, als jeder Einbürgerungsbewerber aufgrund des reformierten deutschen Staatsangehörigkeitsrechts eine schriftliche Erklärung abgeben muss, in der er sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennt und verfassungsfeindlichen Bestrebungen abschwört (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG; Nr. 85.1.1.1 StAR-VwV; für die Ermessenseinbürgerung vgl. Nr. 8.1.2.5 StAR-VwV). Die Einzelheiten dieser Erklärungen setzen vertiefte Kenntnisse der deutschen Staatsorganisation und Verfassungsordnung voraus, die grundsätzlich ohne das Vermögen, gut Deutsch zu lesen und das Gelesene auch gut zu verstehen, nicht erworben sein können. Um das Bekenntnis und die Loyalitätserklärung abgeben zu können, bedarf es einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Grundlagen der deutschen Verfassungsordnung, die ihrerseits in aller Regel häufiges Lesen nicht ganz einfacher Texte über nicht nur alltägliche Geschehnisse und Verhältnisse in einem Maße voraussetzt, dass dabei Schreibfähigkeiten mehr oder weniger von selbst ebenfalls erworben werden. Wenn diese Erklärungen nicht nur äußerlich zur Kenntnis genommen und unterschrieben, sondern auch inhaltlich verstanden und gebilligt werden sollen, dann erscheint dies im Allgemeinen ohne aktive Schriftsprachkenntnisse kaum möglich. Dasselbe gilt für die verantwortungsvolle Teilnahme an Wahlen, die im Vordergrund der durch die Einbürgerung erworbenen staatsbürgerlichen Rechte steht.

Bei der Auslegung des Begriffs der ausreichenden Sprachkenntnisse ist schließlich neben den gesetzgeberischen Zielen der Staatsangehörigkeitsrechtsreform und der früheren bundeseinheitlichen Einbürgerungspraxis die in den letzten Jahren verstärkte Bedeutung der Deutschsprachkenntnisse von Ausländern zu berücksichtigen, die sich auch sonst in der Rechtsordnung, niedergeschlagen hat.

So wird die Integration von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in Deutschland künftig nach dem neuen Zuwanderungsrecht unter anderem durch Integrationskurse unterstützt, die Ausländer an die Sprache, die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte in Deutschland heranführen sollen und sowohl einen Basis- und einen Aufbausprachkurs zum Erlernen ausreichender Sprachkenntnisse als auch einen Orientierungskurs zur Vermittlung von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland umfassen (§ 43 AufenthG vom 20.06.2002, BGBl. I S. 1946). Von dem Kursangebot wird auch das Erlernen der Fähigkeit, Deutsch zu schreiben, umfasst (vgl. dazu Griesbeck, demn. in ZAR 2002, 303), weil anders das gesetzliche Ziel der bis zu 600 Stunden umfassenden Kurse, die Ausländer so weit mit den hiesigen Lebensverhältnissen vertraut zu machen, dass sie ohne die Hilfe oder Vermittlung Dritter in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens selbstständig handeln können (so § 43 Abs. 2 Satz 3 AufenthG), nicht erreicht werden kann.

Zudem ist für Hessen hervorzuheben, dass seit 1. August 2002 schulpflichtige Kinder, die nicht über die für den Schulbesuch erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse verfügen, von der Schulleiterin oder dem Schulleiter nach Anhörung der Eltern für ein Jahr von der Teilnahme am Unterricht zurückgestellt werden können, wobei die Zurückstellung unter dem Vorbehalt erfolgen kann, dass der Erwerb hinreichender Deutschkenntnisse bis zur Aufnahme des Unterrichts in der Jahrgangsstufe 1 nachgewiesen wird, und hierfür der Besuch eines schulischen Sprachkurses angeordnet werden kann (§ 58 Abs. 5 Hess. Schulgesetz vom 17.06.1992, GVBl. I S. 233, i.d.F. von Art. 1 des 2. Gesetzes zur Qualitätssicherung vom 21.03.2002, GVBl. I S. 58). Dementsprechend hat das Hessische Kultusministerium in den vergangenen Jahren ein neues Programm zur Sprachförderung für Kinder aus Zuwandererfamilien ohne ausreichende Deutschkenntnisse ins Werk gesetzt und die Anzahl der Deutschförderkurse an hessischen Schulen in den vergangenen drei Jahren mehr als verdoppelt (Presseerklärungen vom 1. und 5. Juli 2002).

3. Obwohl nach alledem die Fähigkeit zum aktiven Gebrauch der deutschen Schriftsprache bei der Einbürgerung jedenfalls nicht grundsätzlich vernachlässigt werden darf und weder die Bundes- noch die in Bayern und Hessen geltenden Landesverwaltungsvorschriften eine derartige Privilegierung vorsehen, ist es jedenfalls im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG nicht ausgeschlossen, von diesen grundsätzlichen Anforderungen zu Gunsten von anerkannten Asylberechtigten und Konventionsflüchtlingen ausnahmsweise abzuweichen; allerdings besteht eine dahingehende rechtliche Verpflichtung nicht.

Die Grundrechtsbestimmung des Art. 16a Abs. 1 GG enthält unmittelbar keine Anforderungen für die Rechtsstellung anerkannter politisch Verfolgter, diesen sind aber grundsätzlich die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein in Deutschland zu schaffen (BVerwG, 07.10.1975 - 1 C 46.69 -, BVerwGE 49, 202 = EZAR 134 Nr. 1). Ob hierzu auch Erleichterungen bei der Einbürgerung gehören, ist bisher weder vom Bundesverfassungsgericht noch vom Bundesverwaltungsgericht entschieden worden; insbesondere gibt es in der Rechtsprechung keine Aussagen zu dem Maß der von einem einbürgerungswilligen Asylberechtigten zu fordernden Sprachkenntnisse. Nicht wesentlich anders stellt sich die Rechtslage bei anerkannten Konventionsflüchtlingen dar. Gemäß Art. 34 GK werden die vertragsschließenden Staaten soweit wie möglich die Eingliederung und Einbürgerung der Flüchtlinge erleichtern und insbesondere bestrebt sein, Einbürgerungsverfahren zu beschleunigen und die Kosten dieses Verfahrens so weit wie möglich herabzusetzen. Diese konkrete vertragliche Verpflichtung ist Ausdruck der Erkenntnis, dass eine befriedigende Regelung des Schicksals der politisch Verfolgten, die in Deutschland Aufnahme gefunden haben, eine staatlichen Interessen dienende und von den Staatsorganen zu beachtende Aufgabe darstellt (BVerwG, 01.07.1975 - 1 C 44.70 -, BVerwGE 49, 44 = EZAR 271 Nr. 1). Das damit verbundene Wohlwollensgebot wirkt zwar auch auf das Ermessen bei der Einbürgerung lenkend, belässt aber den Behörden einen weiten Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen sie andere durch die Einbürgerung berührte Interessen angemessen berücksichtigen können (Hailbronner/Renner, a.a.O., § 8 StAG Rdnr. 95 m.w.N.). Wie der Beklagte zu Recht geltend macht, ist im deutschen Recht das Gebot von Art. 34 GK, die Einbürgerung anerkannter Flüchtlinge zu erleichtern, in zweierlei Hinsicht umgesetzt. Einmal ist die Einbürgerung bei diesem Personenkreis anders als im Normalfall schon nach sechs Jahren und nicht erst nach acht Jahren rechtmäßigem Aufenthalt möglich (Nr. 8.1.3.1 StAR-VwV), und außerdem wird Mehrstaatigkeit bei Asylberechtigten grundsätzlich hingenommen, diese brauchen sich also nicht aus ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit entlassen zu lassen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 AuslG; Nr. 8.1.2.6.3.5 StAR-VwV). Darüber hinaus können die Kosten der Einbürgerung im Rahmen von § 38 Abs. 2 StAG und § 90 AuslG ermäßigt und es können Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Urkunden im Einbürgerungsverfahren berücksichtigt werden (Nr. 8.1.3.1 StAR-VwV). Auch der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen in Deutschland entnimmt Art. 34 GK kein konkretes Gebot, bei der Einbürgerung von dem Nachweis von Sprachkenntnissen abzusehen oder anerkannte Flüchtlinge in bestimmter Weise insoweit zu privilegieren, er hat lediglich die Auffassung vertreten, dass an die Deutschkenntnisse von Flüchtlingen keine zu weitgehenden Anforderungen gestellt werden sollten (Stellungnahme gegenüber dem Bundestags-Innenausschuss vom 23.02.1999, Innenausschuss des Deutschen Bundestags, Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, 1999, S. 353 ff.).

Nach alledem ist es zwar nicht zwingend geboten, dass das besondere Schicksal anerkannter politisch Verfolgter aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung oder einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift bei der Einbürgerung berücksichtigt wird, damit bleibt der Einbürgerungsbehörde jedoch im Einzelfall zumindest im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG die Möglichkeit, besonderen persönlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen und erforderlichenfalls aus diesem Grunde auch die Anforderungen an die Schriftsprachkenntnisse des Einbürgerungsbewerbers zu modifizieren. Die Folgen politischer Verfolgung und der erzwungenen Flucht können auch die Möglichkeiten des Erwerbs ausreichender Deutschkenntnisse beeinträchtigen und daher in ähnlicher Weise bei deren Überprüfung berücksichtigt werden wie sonstige Nachteile bei Bildung und Vorbildung.

4. Die Berufung des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben; denn er hat ausreichende Deutschkenntnisse nicht hinreichend nachgewiesen.

Er verfügt über keinen formalen Schul- oder sonstigen Bildungsabschluss, der eine Überprüfung der Deutschkenntnisse erübrigt. Die im Jahre 1997 festgestellten Kenntnisse der Schriftsprache sind nicht ausreichend. Das damals von ihm geschriebene Diktat belegt, dass er seinerzeit keine irgendwie geartete Übung im Schreiben der deutschen Sprache besaß und deswegen das gehörte Wort lautmalerisch in deutsche Schriftsprache zu übertragen versuchte. Dabei verwendete er zwar das lateinische Alphabet, es scheint aber so, als habe er teilweise die diktierten Wörter in die türkische Sprache übertragen und in dieser Weise wiedergegeben. Die im Laufe des Klageverfahrens vorgenommene Überprüfung des Leseverständnisses hat nicht den Nachweis erbracht, dass der Kläger einen einfachen deutschen Text lesen und wiedergeben kann. Wenn er nicht einmal zu erkennen vermag, dass ein Zeitungsartikel in zwei Spalten gesetzt ist und deshalb nicht spaltenübergreifend durchgehend gelesen werden kann, dann offenbart dies eine mangelnde Übung, deutsche Texte zu lesen. Erst recht fehlt es dann aber an der Fähigkeit, auch Deutsch nach Diktat oder aufgrund eigenen Denkens zu schreiben. Trotz dieser Mängel bei den Sprachkenntnissen des Klägers ist allerdings festzuhalten, dass weder der erste Text (mit einem einzigen Bandwurmsatz vorwiegend juristischen Inhalts) noch der zweite Text (mit einem eher komplizierten und schlecht formulierten und mit eher schwierigen Begriffen versehenen Bericht über eine nächtliche Auseinandersetzung) besonders sach- und zweckgerecht ausgewählt sind.

Allerdings kann anhand des Diktats von 1997 und der Leseprobe von 2001 allein nicht zuverlässig festgestellt werden, ob der Kläger über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügt. Das neue Prüfungsverfahren in Hessen genügt nämlich weder nach seinem Gegenstand noch nach seinen formalen Voraussetzungen den Anforderungen in vollem Umfang, und vor allem kommt es auch hinsichtlich der Sprachkenntnisse auf die aktuellen Verhältnisse im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat an. Insoweit fehlt es jedoch an verwertbaren eigenen Feststellungen des Senats, und auf verwertbare Feststellungen des Verwaltungsgerichts kann nicht zurückgegriffen werden. Das Verwaltungsgericht hat schriftliche Sprachkenntnisse des Klägers nicht selbst geprüft und hinsichtlich der mündlichen Sprachkenntnisse im Wesentlichen nur festgestellt, dass er das Gericht im Gespräch geduzt und damit bewiesen habe, dass er der deutschen Sprache noch nicht ausreichend mächtig sei. Falls sich eine Überprüfung im Gerichtsverfahren als notwendig erweist, müsste wohl regelmäßig mangels eigener Sachkunde des Gerichts die Hilfe eines Sachverständigen in Anspruch genommen werden.

Obwohl die aktuellen Deutschkenntnisse des Klägers nicht wie danach grundsätzlich erforderlich geprüft sind, ist die Sache in dem Sinne spruchreif, dass die Berufung in vollem Umfang zurückzuweisen und das beklagte Land auch nicht unter Aufhebung der angegriffenen Behördenbescheide zur Neubescheidung zu verpflichten ist. Der von Verfahrensbeginn an anwaltlich vertretene Kläger hat nicht geltend gemacht, dass sich seine Deutschkenntnisse im Laufe des nunmehr insgesamt fünf Jahre dauernden Behörden- und Gerichtsverfahrens so verbessert haben, dass sie den dargestellten Anforderungen genügen. Selbst wenn er inzwischen über ein wesentlich besseres Leseverständnis als bei dem Test im Jahre 2001 verfügen sollte, könnten seine Sprachkenntnisse nicht als ausreichend angesehen werden, weil es ihm an der Fähigkeit, wenigstens einen einfachen deutschen Text nach Diktat zu schreiben, offenbar weiter mangelt. Wie oben (unter 3.) ausgeführt, könnte zwar sein besonderes Schicksal als anerkannter politisch Verfolgter auch im Rahmen der Sprachprüfung aufgrund der Einzelfallumstände berücksichtigt werden, obwohl dies weder in den Verwaltungsvorschriften des Bundes noch in denen des Landes Hessen ausdrücklich vorgesehen ist. Aber auch in diesem Fall könnte auf die Fähigkeit, Deutsch zu schreiben, nicht von vornherein gänzlich verzichtet werden. Soweit nach Nr. 17 VfVEbg. ohnehin nur das Leseverständnis geprüft werden soll und die Einbürgerungsbehörde insoweit bei dem Kläger wegen seines Verfolgungsschicksals zumindest im Rahmen des Ermessens nach § 8 StAG noch geringere Anforderungen genügen lassen könnte, kann sich der Kläger hierauf nicht berufen; denn die dem zugrunde liegende Annahme des hessischen Vorschriftengebers, auf Schreibkenntnisse könne grundsätzlich verzichtet werden, lässt sich wie oben (unter 2.) ausgeführt mit dem Bundesrecht nicht vereinbaren.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 2, 167 VwGO i.V.m. 711 ZPO und auf § 132 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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