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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.08.2000
Aktenzeichen: 12 UZ 2595/00
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 84 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5
Mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, kann gegenüber einem Gerichtsbescheid nicht die Zulassung der Berufung beantragt werden; insoweit geht der Antrag auf mündliche Verhandlung vor.
Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen den der Bevollmächtigten des Klägers am 26. Juni 2000 zugestellten Gerichtsbescheid ist zwar innerhalb der Antragsfrist von einem Monat gestellt, aber dennoch unzulässig, weil mit ihm ausreichende Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, nicht zulässigerweise dargelegt worden sind (§ 124 a Abs. 1 Sätze 1, 3 und 4 VwGO; Hess. VGH, 04.04.1997 - 12 TZ 1079/97 -, EZAR 625 Nr. 1 = NVwZ 1998, 195 = Hess. JuMiBl 1997, 768 m.w.N.).

Der Kläger beruft sich allein darauf, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhe (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), und macht dazu geltend, das Verwaltungsgericht habe entschieden, obwohl er noch keine ausreichende Möglichkeit rechtlichen Gehörs gehabt habe. Die zur Einsicht angeforderten Akten seien nämlich erst am 21. Juni 2000 bei seiner Bevollmächtigten eingegangen und am selben Tag zurückgegeben worden. Noch bevor die Akte in Ruhe habe durchgesehen werden können, habe das Gericht bereits am 23. Juni 2000 durch Gerichtsbescheid entschieden. Mit diesem Vorbringen, das noch weiter erläutert wird, kann jedoch eine Zulassung der Berufung wegen Verletzung rechtlichen Gehörs nicht erreicht werden, weil hierfür in erster Linie der Antrag auf mündliche Verhandlung zur Verfügung steht. Wenn es einem Beteiligten ohne weiteres möglich und zumutbar ist, sich durch einen Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht rechtliches Gehör zu verschaffen, ist es ihm verwehrt, mit der Rüge einer Verletzung rechtlichen Gehörs die Zulassung der Berufung gegen einen Gerichtsbescheid zu beantragen (für Streitigkeiten nach dem AsylVfG ebenso OVG Thüringen, 18.09.1996 - 3 ZO 397/95 -, EZAR 633 Nr. 28 = NVwZ-Beil. 1997, 44; Aulehner in Sodan/Zichow, VwGO, § 84 Rdnr. 36).

Es besteht zwar nach der gesetzlichen Regelung keine formelle Subsidiarität des Rechtsmittels nach §§ 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5, 124 a VwGO gegenüber dem Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß § 84 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, sondern ein Wahlrecht (zu letzterem Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 1999, § 84 Rdnr. 13; Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 84 Rdnr. 34; Redeker/von Oertzen, VwGO, 12. Aufl., 1997, § 84 Rdnr. 13); doch folgt bei der Entscheidung durch Gerichtsbescheid eine materielle Subsidiarität des Antrags auf Zulassung der Berufung wegen Versagung rechtlichen Gehörs daraus, dass die Garantie rechtlichen Gehörs nicht verletzt ist, wenn ein Beteiligter es versäumt, sich unter Einsatz der ihm nach der Prozessordnung zur Verfügung stehenden Mittel rechtliches Gehör zu verschaffen (OVG Thüringen, a.a.O.; m.w.N.; zur Pflicht, sich Gehör zu verschaffen, vgl. BVerwG, 30.08.1982 - 9 C 1.81 -, DÖV 1983, 247). Im Übrigen lässt die Vorrangregelung des § 84 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 VwGO deutlich erkennen, dass der Gesetzgeber schon im Hinblick auf die Garantie einer mündlichen Verhandlung nach Art. 6 EMRK dieser im allgemeinen den Vorzug gibt.

Im vorliegenden Verfahren hätte der Kläger den Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2000 dadurch gegenstandslos werden lassen können, dass er Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hätte (§ 84 Abs. 3 Halbsatz 2 VwGO). Dann hätte aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil entschieden werden müssen, und der Kläger hätte ausreichend Gelegenheit gehabt, sich noch in der ersten Instanz umfassend zu äußern und insbesondere aufgrund der Akteneinsicht im einzelnen zu den jetzt im Zulassungsantrag genannten Fragen Stellung zu nehmen und auch den bereits in dem Schriftsatz vom 15. Juni 2000 angekündigten Antrag auf Einholung eines Zustandsberichts des Psychiatrischen Therapeuten weiter zu verfolgen und in der mündlichen Verhandlung mit der Folge zu stellen, dass dieser nur durch eine Gerichtsbeschluss, der zu begründen ist, abgelehnt werden durfte (§ 86 Abs. 2 VwGO).

Der Zulassungsantrag ist nach alledem zu verwerfen; eine Umdeutung in einen Antrag auf mündliche Verhandlung kommt nicht in Betracht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., 1998, § 84 Rdnr. 34).

Die Entscheidungen über die Kosten und den Streitwert des Antragsverfahrens beruhen auf § 154 Abs. 1 VwGO und §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 GKG analog.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 124a Abs. 2 Satz 3 VwGO).

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