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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.03.2000
Aktenzeichen: 12 UZ 4014/99.A
Rechtsgebiete: AsylVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 78 Abs. 3
AsylVfG § 78 Abs. 4
1. Zum ordnungsgemäßen Vortrag des Zulassungsgrundes einer Divergenz im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG gehört jedenfalls grundsätzlich die substantiierte Darlegung, dass die angegriffene Entscheidung auf der gerügten Abweichung von der in Bezug genommenen Entscheidung eines dort genannten übergeordneten Gerichts beruht.

2. Die Berufung kann auch wegen Abweichung von einem Beschluss zugelassen werden, wenn und soweit dieser die Entscheidung einer Grundsatzfrage enthält.

3. Bei einer wesentlichen Veränderung der für eine Gruppenverfolgung erheblichen Verhältnisse im Herkunftsstaat kommt die Zulassung der Berufung gegen ein hierauf gestütztes Urteil wegen (erneuter) Klärungsbedürftigkeit in Betracht; eine Divergenzrüge ist bei dieser Konstellation ungeeignet.


Gründe:

1. Der Antrag der Beklagten ist unzulässig, weil mit ihm innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, nicht ordnungsgemäß dargelegt worden sind (§ 78 Abs. 4 Sätze 1 und 4 AsylVfG). Mit dem Antrag ist nämlich nicht hinreichend erläutert, aus welchen Gründen die Berufung zugelassen werden soll (vgl. BVerfG - Kammer -, 15.08.1994 - 2 BvR 719/93 -, EZAR 633 Nr. 24 = InfAuslR 1995, 15; Hess. VGH, 17.01.1983 - X TE 29/82 -, EZAR 633 Nr. 5; OVG Nordrhein-Westfalen, 15.11.1982 - 18 B 20044/82 -, EZAR 633 Nr. 1 = DÖV 1983, 40).

Mit der Rüge, das Verwaltungsgericht lege seinem Urteil erkennbar eine Rechtsauffassung zugrunde, die einem vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Rechtssatz widerspreche, dieser habe in seinen Urteilen vom 5. Mai 1997 (12 UE 500/96), vom 10. November 1997 (12 UE 2278/97.A) und vom 7. Dezember 1998 (12 UE 232/97.A) eine örtlich begrenzte Gruppenverfolgung in den Notstandsprovinzen und eine inländische Fluchtalternative außerhalb derselben, vor allem in Ankara und Istanbul bejaht und das Urteil des Verwaltungsgerichts verneine dagegen ausdrücklich eine inländische Fluchtalternative, ist der Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG nicht ordnungsgemäß dargetan.

In Asylrechtsstreitigkeiten ist die Berufung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG zuzulassen, wenn das verwaltungsgerichtliche Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Divergenzrüge kann im Hinblick auf die Funktion des Rechtsmittels der Berufung und die Aufgaben der Berufungsinstanz gerade in Asylstreitigkeiten - ähnlich wie die grundsätzliche Bedeutung bei der Grundsatzberufung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG (vgl. dazu: BVerwG, 31.07.1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24 = EZAR 633 Nr. 9; Hess. VGH, 27.12.1982 - X TE 29/82 -, EZAR 633 Nr. 4 = NVwZ 1983, 237) - sowohl rechtliche als auch tatsächliche Fragenbereiche betreffen (BVerwG, a.a.O.; Hess. VGH, 18.02.1985 - 10 TE 263/83 -). Dabei setzt eine die Berufungszulassung rechtfertigende Divergenz im rechtlichen Bereich voraus, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil bei objektiver Betrachtung von einem Rechtssatz abweicht, den z. B. das Bundesverwaltungsgericht aufgestellt hat. Erforderlich ist hierfür nicht, dass die Abweichung bewusst oder gar vorsätzlich erfolgt; es genügt vielmehr ein Abgehen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Weise, dass das Verwaltungsgericht dem Urteil erkennbar eine Rechtsauffassung zugrunde legt, die einem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz widerspricht (Hess. VGH, 10.07.1986 - 10 TE 641/86 -; Hess. VGH, 14.10.1987 - 12 TE 1770/84 -, EZAR 633 Nr. 13). Andererseits kann eine zur Berufungszulassung führende Abweichung dann nicht festgestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht gegen vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Grundsätze verstößt, indem es diese stillschweigend übergeht oder sie übersieht (vgl. dazu BVerwG, 23.08.1976 - III B 2.76 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 147), den Sachverhalt nicht in dem erforderlichen Umfang aufklärt, eine rechtlich gebotene Prüfung tatsächlicher Art unterlässt (Hess. VGH, 15.02.1995 - 12 UZ 191/95 -, EZAR 633 Nr. 25 = AuAS 1995, 127) oder den festgestellten Sachverhalt fehlerhaft würdigt (vgl. dazu BVerwG, 17.01.1975 - VI CB 133.74 -, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 128) und damit Rechtsgrundsätze des Bundesverwaltungsgerichts unzutreffend auslegt oder anwendet; denn nicht jeder Rechtsverstoß in der Form einer unzutreffenden Auslegung oder Anwendung von Rechtsgrundsätzen gefährdet die Einheit der Rechtsprechung, die durch die Vorschrift des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG (ähnlich wie durch die Vorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO über die Divergenzrevision) gesichert werden soll (vgl. Hess. VGH, 14.10.1987 - 12 TE 1770/84 -, EZAR 633 Nr. 13 m.w.N.). Die Divergenzzulassung setzt voraus, dass das erstinstanzliche Urteil auf der festgestellten Abweichung beruht. Sie kann aber nicht mit der Begründung versagt werden, das Urteil erweise sich aus anderen Gründen als richtig (a. A. OVG Nordrhein-Westfalen, 05.11.1991 - 22 A 3120/91 A -, EZAR 633 Nr. 18); für die Berufungszulassung fehlt nämlich eine dem § 144 Abs. 4 VwGO vergleichbare Vorschrift (Hess. VGH, 12.06.1995 - 12 UZ 1178/95 -; Hess. VGH, 20.12.1993 - 12 UZ 1635/93 -; vgl. dazu Kopp, VwGO, 9. Aufl., 1992, Rdnr. 19 zu § 132).

Danach rechtfertigt die Abweichung von einer Entscheidung eines der im Gesetz genannten Gerichte allein noch nicht die Zulassung der Berufung, das angegriffene Urteil muss vielmehr auf der gerügten Divergenz beruhen. Demzufolge muss auch im Zulassungsverfahren gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt werden, dass das angegriffene Urteil auf der geltend gemachten Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung beruht (Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, Rdnr. 168 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt der Zulassungsantrag der Beklagten nicht. Es kann zwar als bloße Formulierungsschwäche gewertet werden, wenn in dem Zulassungsantrag die Kernaussagen der drei genannten Berufungsurteile hinsichtlich der Annahme einer Gruppenverfolgung und einer inländischen Fluchtalternative kurz umrissen werden und die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der inländischen Fluchtalternative als Widerspruch zu einem von dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Rechtssatz gekennzeichnet wird, obwohl die Abweichung nicht einen Rechtsgrundsatz betrifft, sondern einen aus der Bewertung von Tatsachen gewonnenen tatsächlichen Grundsatz über verfolgungsrelevante Auslandssachverhalte. Es fehlt aber die für eine Divergenzrüge unerlässliche substantiierte Darlegung des Kausalzusammenhangs zwischen Abweichung und angegriffenem Urteil.

Es kann für das vorliegende Verfahren offen bleiben, ob auf eine derartige Darlegung ausnahmsweise verzichtet werden kann, wenn es ohne weiteres auf der Hand liegt, dass die geltend gemachte Divergenz für das angegriffene Urteil ursächlich war. So liegt es nämlich hier nicht. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zur Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in der Person des Klägers verpflichtet und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat aber schon nicht deutlich werden lassen, aus welchen Gründen es letztlich die Asylanerkennung aufgrund Art. 16a GG versagt und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG mit der Begründung bejaht hat, der Kläger müsse die begründete Furcht haben, im Heimatstaat wegen der kurdischen Volkszugehörigkeit oder wegen einer politischen Überzeugung einer Gefahr für Leib und Leben oder Beschränkungen der persönlichen Freiheiten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt zu sein. Die von dem Verwaltungsgericht zugrunde gelegte verfolgungsfreie Ausreise des Klägers im August 1996 allein hat nicht zur Folge, dass ihm trotz drohender politischer Verfolgung die Asylanerkennung versagt werden kann; denn es handelt sich bei der vom Verwaltungsgericht angenommenen Veränderung der Verfolgungslage für kurdische Volkszugehörige im Laufe des Jahres 1999 nicht um einen Nachfluchttatbestand im Sinne des § 28 AsylVfG, der nur ausnahmsweise anerkannt werden kann, sondern um eine von dem Verhalten des Klägers unabhängige objektive Entstehung eines Verfolgungstatbestands, der nicht nur die Flüchtlingsanerkennung nach § 51 Abs. 1 AuslG, sondern auch die Asylanerkennung aufgrund von Art. 16a GG rechtfertigen kann. Zudem hat das Verwaltungsgericht zwar im Zusammenhang mit der Feststellung einer Gruppenverfolgung im Südosten der Türkei auf zwei Urteile des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (14.10.1998 - 6 UE 214/98.A - und 27.01.1999 - 6 UE 1253/96.A -) hingewiesen, dann aber im Rahmen seiner Ausführungen über eine fehlende inländische Fluchtalternative und über die Gefährdung von Rückkehrern bei den Überprüfungen anlässlich der Einreise die Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs nicht ausdrücklich erwähnt, die inzwischen die festgestellte Gruppenverfolgung in den Notstandsprovinzen der Türkei im Anschluss an die klärende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als örtlich begrenzte und nicht als regionale Gruppenverfolgung gekennzeichnet hat und deswegen die Prüfung einer internen Fluchtalternative in Fällen dieser Art für entbehrlich hält (zuletzt: Hess. VGH, 24.01.2000 - 12 UE 176/99 - m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung keine grundsätzlichen Feststellungen über die Entwicklungen in der Türkei in den letzten Monaten aufgestellt, die einschlägigen Feststellungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ausdrücklich zuwider laufen. Das Verwaltungsgericht hat sich vielmehr zur Begründung einer besonderen Gefährdung von kurdischen Rückkehrern ausschließlich auf zwei Sätze aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 7. September 1999 berufen (S. 22: "Misshandlungen vor allem in den ersten Tagen nach einer Festnahme vor, und zwar in Staatssicherheitsfragen deutlich häufiger als in sonstigen Strafsachen... Der regionale Schwerpunkt derartiger Vorwürfe liegt in den Notstandsgebieten und den Großstädten des Westens."). Dabei hat es auf eine eigene Bewertung und vor allem auf eine Heranziehung und Auswertung anderer Erkenntnisquellen jedenfalls der schriftlichen Begründung zufolge gänzlich verzichtet und sich daher auch nicht mit der insoweit tatsächlich abweichenden Bewertung durch den beschließenden Senat auseinandergesetzt. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen, dass sich das Auswärtige Amt in diesem Lagebericht auf die Wiedergabe von Tatsachen und Ereignissen beschränkt und von rechtlichen Wertungen und Schlussfolgerungen ausdrücklich abgesehen hat. Zur Begründung des Fehlens einer inländischen Fluchtalternative hat das Verwaltungsgericht eine Gefahrensituation für Leib und Leben in der gesamten Türkei angenommen und sich dabei ausdrücklich nur auf eine weitere Bemerkung in dem Lagebericht Türkei des Auswärtigen Amts vom 7. September 1999 bezogen (S. 26: "Angesichts der hochemotionalen Atmosphäre im Zusammenhang mit dem Öcalan-Prozess ist davon auszugehen, dass ein erhöhtes Risiko einer besonderen Gefährdung für solche abzuschiebenden Personen besteht, die sich bisher in der Kurdenfrage engagiert haben."). Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht diese Aussage einer tatsächlichen und rechtlichen Wertung unterzogen, sich mit den grundsätzlichen Aussagen des beschließenden Senats über die Möglichkeit eines verfolgungsfreien Lebens von aus den Notstandsprovinzen der Türkei stammenden kurdischen Volkszugehörigen befasst, die von dem beschließenden Senat herangezogenen zahlreichen Erkenntnisquellen in seine Betrachtungen einbezogen und dieses Faktenmaterial beurteilt und rechtlich bewertet hat. Dies alles wäre schon deswegen erforderlich gewesen, weil der erwähnte Lagebericht insgesamt 36 Seiten umfasst und zu der Gefährdung außerhalb der Notstandsgebiete und bei Grenzkontrollen weitaus mehr und differenziertere Aussagen getroffen worden sind als die vom Verwaltungsgericht herausgegriffenen drei kurzen Sätze und weil der Kläger nicht aus den Notstandsprovinzen, sondern aus Istanbul stammt und dort gelebt hat und mangels anderweitiger Anhaltspunkte auch dorthin zurückkehren wird. Ungeachtet dessen ist in diesen Feststellungen zu den für die Verfolgungssituation außerhalb der Notstandsgebiete und bei Grenzkontrollen maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen durch das Verwaltungsgericht bei objektiver Betrachtung in der Sache eine Abweichung von hierzu getroffenen Feststellungen des beschließenden Senats in seiner ständigen Rechtsprechung zu sehen. Dennoch kann, da dies jedenfalls nicht auf der Hand liegt, nicht auf eine substantiierte Darlegung dazu verzichtet werden, dass die angegriffene Entscheidung auch auf dieser Divergenz im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG beruht.

2. Der Antrag des Bundesbeauftragten ist zulässig (§ 78 Abs. 4 Sätze 1 bis 4 AsylVfG), aber nicht begründet; denn mit ihm ist ein Grund, der gemäß § 78 Abs. 3 AsylVfG die Zulassung der Berufung rechtfertigen kann, nicht dargetan.

a) Der Bundesbeauftragte bezeichnet zwar durch teilweise Wiedergabe der Urteilsgründe die von ihm in erster Linie geltend gemachte Divergenz näher und führt auch im Unterschied zu der Beklagten im Einzelnen aus, aus welchen Gründen das angegriffene Urteil auf dieser Divergenz beruht. Er hat jedoch eine Grundsatzrechtsprechung, von der das Verwaltungsgericht abgewichen sein soll, nicht ordnungsgemäß bezeichnet.

Indem sich der Bundesbeauftragte zur Darlegung einer Divergenz hinsichtlich des Bestehens einer inländischen Fluchtalternative für kurdische Volkszugehörige auf die ständige Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs beruft und dazu als Beispiele die Beschlüsse vom 15. September 1999 (12 UZ 2676/99.A) und vom 12. November 1999 (12 UZ 3398/99.A) anführt, hat er eine Divergenz zwischen einem vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof einerseits und dem Verwaltungsgericht andererseits aufgestellten Grundsatz nicht aufgezeigt. Denn die Berufung auf eine nicht näher bezeichnete "ständige Rechtsprechung" genügt dem Darlegungserfordernis nicht, und in den von ihm genannten Entscheidungen des beschließenden Senats sind Rechts- oder Tatsachengrundsätze, von denen das Verwaltungsgericht grundsätzlich abgewichen sein könnte, nicht aufgestellt worden.

Allerdings steht es einer für die Berufungszulassung geeigneten Divergenz nicht entgegen, dass der Bundesbeauftragte als Divergenzentscheidungen Beschlüsse anführt, die in einem Berufungszulassungsverfahren ergangen sind. Formelle Anforderungen an die Art der Divergenzentscheidungen stellt § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG ebenso wenig wie § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für die Revisionszulassung. Die Fähigkeit, die Grundlage für eine Divergenz zu bilden, kommt demnach neben Urteilen auch Beschlüssen zu, wenn und soweit sie die Entscheidung einer Grundsatzfrage enthalten, von der abgewichen werden könnte (zu § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vgl.: Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 132 Rdnr. 63; Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, Rdnr. 100; Redeker/von Oertzen, VwGO, 12. Aufl., 1997, § 132 Rdnr. 12; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., 1998, § 132 Rdnr. 15). Deshalb kommt eine Abweichung von einem Beschluss über die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht als Zulassungsgrund in Betracht (BVerwG, 28.08.1998 - 2 B 70.98 -, NVwZ 1999, 406 = BayVBl. 1999, 219 = ÖD 1999, 80 = ZTR 1999, 46; Hess. VGH, 15.06.1999 - 10 UZ 1052/99.A -). Entsprechend der unterschiedlichen Funktionen der Revisionsinstanz einerseits und der Berufungsinstanz andererseits kann das Zulassungsbegehren für die Revision lediglich auf eine Abweichung in einer Rechtsfrage, für das Berufungsverfahren daneben aber auch auf eine Abweichung hinsichtlich einer grundsätzlichen Tatsachenfeststellung gestützt werden (Göbel-Zimmermann, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 1999, Rdnr. 439; Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., 1999, § 78 AsylVfG Rdnr. 18; BVerwG, 31.07.1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24 = EZAR 633 Nr. 9 = NVwZ 1985, 199; Hess. VGH, 18.02.1985 - 10 TE 263/83 -; Hess. VGH, 07.09.1999 - 12 UZ 3284/98.A -). Im Hinblick auf die Eigenart grundsätzlicher Aussagen zu Tatsachen ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich diese nur dann widersprechen können, wenn sie jeweils für den selben Zeitpunkt oder Zeitraum aufgestellt worden sind. Deshalb liegt eine zur Zulassung der Berufung führende Abweichung dann nicht vor, wenn ein Verwaltungsgericht aufgrund geänderter Verhältnisse Grundsätze aufstellt, die mit einer früheren Entscheidung eines höherinstanzlichen Gerichts, welche auf die damalige Situation abgestellt war, nicht übereinstimmen (Renner, a.a.O., § 78 AsylVfG Rdnr. 22; Hess. VGH, 15.01.1990 - 12 TE 3516/88 -; Hess. VGH, 06.07.1998 - 13 UZ 3218/97.A -). So aber liegt es hier. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung - ohne allerdings die Voraussetzungen einer Vorverfolgung, einer Gruppenverfolgung und einer Rückkehrprognose im Einzelnen geordnet und im Zusammenhang zu prüfen und die vermeintlich notwendige Unterscheidung zwischen den Feststellungen zu Art. 16a GG und § 51 Abs. 1 AuslG zu erklären - erkennbar auf die zwei bereits zitierten Aussagen in dem neuen Lagebericht des Auswärtigen Amts und damit auf eine Veränderung der innenpolitischen Lage im Zusammenhang mit der Verhaftung von Öcalan gestützt. Bei dieser Konstellation kommt aber grundsätzlich nicht die Divergenzzulassung in Betracht, sondern die Zulassung wegen (erneuter) Klärungsbedürftigkeit der allgemeinen Verhältnisse im Herkunftsstaat im Hinblick auf eine Gruppenverfolgung.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist es zwar unschädlich, dass der Bundesbeauftragte die Abweichung von zweitinstanzlichen Berufungszulassungsentscheidungen rügt, die von ihm herangezogenen Entscheidungen enthalten aber keine grundsätzlichen Aussagen tatsächlicher Art, die der Auffassung des Verwaltungsgerichts über das Nichtbestehen einer internen Fluchtalternative widersprechen könnten. In diesen Beschlüssen ist die Zulassung der Berufung wegen geltend gemachter grundsätzlicher Bedeutung mit der Begründung abgelehnt worden, es sei nicht ausreichend dargetan, dass in einem künftigen Berufungsverfahren anhand des jeweils vorliegenden Falls über die damalige Grundsatzrechtsprechung hinausgehende verallgemeinerungsfähige Aussagen zur Frage der Gruppenverfolgung von Kurden und der ihnen eröffneten Möglichkeit, außerhalb der Notstandsprovinzen der Türkei verfolgungsfrei zu leben, zu erwarten seien. Dabei ist jeweils Bezug genommen auf die seit dem Urteil vom 24. Januar 1994 in dem Verfahren 12 UE 200/91 (NVwZ-RR 1994, 48) aufrecht erhaltene Grundsatzrechtsprechung des beschließenden Senats und die damals neuesten Urteile vom 7. Dezember 1998 (12 UE 232/97.A und 12 UE 2091/98.A) und vom 17. März 1999 (12 UE 463/94), ohne dass damit in den die Zulassung der Berufung ablehnenden Beschlüssen selbst grundsätzliche Aussagen zur Frage einer internen Fluchtalternative getroffen worden sind. Soweit auf die Verhaftung Öcalans (vgl. 12 UZ 2676/96.A) und auf die besondere Gefährdung von Rückkehrern (vgl. 12 UZ 3398/99.A) eingegangen ist, sind keine Grundsatzaussagen getroffen; es ist nur ein weiterer Klärungsbedarf aufgrund des jeweiligen Zulassungsantrags verneint. Bei alledem ist weiter zu berücksichtigen, dass der beschließende Senat mit Urteilen vom 7. Dezember 1998 (12 UE 232/97.A und 12 UE 291/98.A) bereits im Anschluss an die zwischenzeitliche klärende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, 30.04.1996 - 9 C 171.95 -, BVerwGE 101.134 = EZAR 203 Nr. 8; BVerwG, 09.09.1997 - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 24 = EZAR 203 Nr. 11) dahin erkannt hatte, dass die seinen Feststellungen zufolge Angehörigen der kurdischen Volksgruppe seit Mitte 1993 in den Notstandsprovinzen der Türkei wegen ihrer Volkszugehörigkeit drohende Verfolgung nicht als regionale, sondern als örtlich begrenzte Gruppenverfolgung einzustufen ist und dass es bei einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung für Personen, die der Gruppe angehören, aber nicht in dem Verfolgungsgebiet leben, keiner Prüfung einer internen Fluchtalternative bedarf. Infolge dessen könnte eine Abweichung auch dann nicht angenommen werden, wenn unterstellt würde, dass der Senat in den Beschlüssen vom 15. September und 12. November 1999 mittelbar auch die grundsätzlichen Aussagen zu einer Gruppenverfolgung von Kurden in der Türkei wiederholt hätte; denn der beschließende Senat hat in diesen Urteilen jedenfalls grundsätzliche Aussagen über eine Fluchtalternative nicht zu treffen brauchen und auch nicht getroffen. Soweit das Verwaltungsgericht dem gegenüber auf der Grundlage einer scheinbar angenommenen regionalen Gruppenverfolgung Feststellungen zu einer internen Fluchtalternative getroffen hat, könnte möglicherweise hierin eine Abweichung von der Rechtsprechung des beschließenden Senats und des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der rechtlichen Notwendigkeit einer solchen Prüfung gesehen werden; eine derartige Divergenz ist von dem Bundesbeauftragten aber weder ausdrücklich noch sinngemäß gerügt worden.

b) Der Rechtssache kommt die ihr mit dem Zulassungsantrag beigelegte grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG hat eine Rechtsstreitigkeit nur dann, wenn sie eine rechtliche oder eine tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer Klärung bedarf (BVerwG, 31.07.1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24 = EZAR 633 Nr. 9; Hess. VGH, 27.12.1982 - X TE 29/82 -, EZAR 633 Nr. 4 = NVwZ 1983, 237; Hess. VGH, 14.10.1987 - 12 TE 1770/84 -, EZAR 633 Nr. 13). Die Rechts- oder Tatsachenfrage muss allgemein klärungsbedürftig sein und nach Zulassung der Berufung anhand des zugrundeliegenden Falls mittels verallgemeinerungsfähiger Aussagen geklärt werden können.

Entgegen der Darstellung des Bundesbeauftragten bedarf es keiner grundsätzlichen Klärung, ob aufgrund der jüngsten politischen Entwicklung in der Türkei (wie z.B. durch die Festnahme und Verurteilung Öcalans) die Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative für Kurden zu verneinen ist. Wie bereits ausgeführt, kommt es nach gefestigter neuer Rechtsprechung des beschließenden Senats auf die Feststellung einer internen Fluchtalternative für Kurden in der Türkei nicht an, weil danach eine regionale Gruppenverfolgung kurdischer Volkszugehöriger nicht festzustellen ist.

3. Die Entscheidungen über die Kosten des Antragsverfahrens beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO i.V.m. § 100 ZPO und auf § 83b Abs. 1 AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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