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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 06.08.2002
Aktenzeichen: 2 A 3013/01
Rechtsgebiete: HVwVfG, LuftVG


Vorschriften:

HVwVfG § 75 Abs. 2
LuftVG § 6 Abs. 2 Satz 3
LuftVG § 6 Abs. 2 Satz 4 (i.d.F. v. 27. März 1999, BGBl. I S. 550)
1. Als Rechtsgrundlage für eine nachträgliche Einschränkung der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung zum Betrieb eines Verkehrslandeplatzes, die gegenüber den Klägern bestandskräftig geworden ist, kommt allein § 6 Abs. 2 Sätze 3 und 4 LuftVG in Betracht.

2. Ein Anspruch auf Teilwiderruf der Genehmigung setzt voraus, dass die Lärmbelastung die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung erreicht, die deutlich über der Erheblichkeitsgrenze liegt, die bei dem Neubau oder einer wesentlichen Änderung eines Flugplatzes einzuhalten ist.

3. Die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung wird nicht erreicht

a) durch einen nächtlichen Flugverkehr in einem Umfang von ca. 60 Starts oder Landungen in einem Zeitraum von ca. 180 Tagen, von denen die Hälfte auf die Zeit vor 23.00 Uhr entfällt, und

b) durch einen täglichen Flugverkehr, durch den ein äquivalenter Dauerschallpegel (berechnet nach AzB-L) von maximal 57 dB(A) an Sonn- und Feiertagen verursacht wird.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

2. Senat

2 A 828/01 2 A 3013/01

Verkündet am 6. August 2002

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Luftverkehrsrechts (nachträglicher Einschränkung der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung des Verkehrslandeplatzes Reichelsheim)

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 2. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Habbe, Richter am Hess. VGH Hassenpflug, Richter am Hess. VGH Dr. Zysk, Richter am Hess. VGH Pabst, Richter am Hess. VGH Heuser, ehrenamtliche Richterin Appell, ehrenamtlichen Richter Ueberhorst

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. August 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Verfahren 2 A 828/01 und 2 A 3013/01 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die Gebührenfestsetzungen in den Ablehnungsbescheiden des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 11. Juli 2000 und 6. Februar 2001 betrifft.

Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen haben die Klägerin zu 1/3 und der Kläger zu 2/3 zu tragen.

Das Urteil ist wegen der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweiligen Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren, die luftverkehrsrechtliche Genehmigung des Verkehrslandeplatzes Reichelsheim im Wege eines Teilwiderrufs nachträglich zu beschränken.

Der Verkehrslandeplatz Reichelsheim verfügt über eine ca. 730 m lange, asphaltierte Start- und Landebahn, die in etwa von Norden nach Süden ausgerichtet ist, sowie eine nahezu rechtwinklig dazu konfigurierte Grasbahn mit einer Länge von 460 m. Die Bahnen, Rollwege, Gebäude und sonstigen Einrichtungen des Flugplatzes liegen in dem Gebiet der Stadt Reichelsheim.

Der Flugplatz wurde Anfang der 60er Jahre als betriebliche Einrichtung hergestellt und erstmals als Verkehrslandeplatz durch Bescheid vom 23. Dezember 1968 befristet bis zum 31. Dezember 1973 luftverkehrsrechtlich genehmigt. Die Genehmigung wurde mehrfach, zuletzt am 25. November 1985 bis zum 31. Dezember 1990 verlängert.

Mit Bescheid vom 30. November 1990 erteilte das Regierungspräsidium Darmstadt der Beigeladenen eine "Neufassung" der Genehmigung, die keine Befristung mehr enthielt. Nach dieser Genehmigung darf die Zahl von 48.000 Flugbewegungen im Jahr nicht um mehr als 10 % überschritten werden (Teil B, 22 des Bescheides). Die Genehmigung gilt für Flugzeuge bis 3.500 kg bzw. 5.700 kg bei PPR-Betrieb, Hubschrauber bis 5.700 kg, selbststartende Motorsegler und Luftschiffe.

Nach den Angaben der Beigeladenen wurden in den vorangegangenen Jahren folgende Starts bzw. Flugbewegungen durchgeführt:

1995: 18467 + 793 (Ultraleicht) = 19260 Starts - 38520 Flugbewegungen 1996: 15949 + 1341 (Ultraleicht) = 17290 Starts - 34580 Flugbewegungen 1997: 15955 + 2845 (Ultraleicht) = 18800 Starts - 37600 Flugbewegungen 1998: 15545 + 4958 (Ultraleicht) = 20503 Starts - 41006 Flugbewegungen 1999: 16396 + 6420 (Ultraleicht) = 22816 Starts - 45632 Flugbewegungen 2000: 17947 + 6238 (Ultraleicht) = 24185 Starts - 48370 Flugbewegungen 2001: 15955 + 5857 (Ultraleicht) = 21812 Starts - 43624 Flugbewegungen

Die Klägerin zu 1. ist seit 1988 Miteigentümerin des Flurstücks der Flur in der Gemarkung sowie Miteigentümerin einer Doppelhaushälfte ( ), die 1984 errichtet wurde. Das Grundstück liegt südlich der Start- und Landebahn des Verkehrslandeplatzes Reichelsheim.

Der Kläger zu 2. ist Miteigentümer des im gelegenen Anwesens .........; das von 1978 bis 1981 sanierte Wohnhaus ist vermietet. Der Kläger zu 2. wohnt in dem ebenfalls in gelegenen Anwesen , das seiner Mutter gehört. Dieses Wohnhaus wurde Ende der 70er Jahre umgebaut und erweitert.

Die Klägerin zu 1.(mit Schreiben vom 7. Mai 1999) und der Kläger zu 2. (mit Schreiben vom 22. Mai 2000) beantragten bei dem Regierungspräsidium Darmstadt, die der Beigeladenen erteilte Betriebsgenehmigung für den Verkehrslandeplatz Reichelsheim durch folgende "Auflagen" zu beschränken:

1. Nachtflugverbot für sämtliche Luftfahrzeuge,

2. An- und Abflug nur für Luftfahrzeuge bis zu einem höchstzulässigen Gesamtfluggewicht bis 2.000 kg,

3. Flugbetrieb nur von

a) montags bis freitags von 7.00 bis 13.00 Uhr und 15.00 bis 18.00 Uhr,

b) samstags von 9.00 bis 13.00 Uhr,

c) nicht an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen,

4. keine Schwebeflugübungen von Hubschraubern innerhalb des Verkehrslandeplatzes, insbesondere nicht im Bereich der Grasbahn und Landestreifen 09/27 sowie dem angrenzenden Naturschutzgebiet.

Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, der Verkehrslandeplatz sei in der Vergangenheit stetig ausgebaut worden. Nachdem mehrere Pappeln südlich der Start- und Landebahn gefällt worden seien, würden die Piloten unterhalb der vorgeschriebenen Mindesthöhe fliegen, wodurch eine unerträgliche Lärmbelästigung verursacht werde. Der Verkehrslandeplatz erfülle keine nennenswerte Verkehrsfunktion, sondern diene dem Interesse weniger Privatpersonen.

Im Februar 2000 erstellte das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG) im Auftrag des Beklagten und der Beigeladenen ein schalltechnisches Gutachten, in dem die 55 dB(A)-Konturen als Tagesmittelungspegel für Werktage, Samstage sowie Sonn- und Feiertage dargestellt sind (vgl. Band 11, Bl. 1036 ff., der Beiakten zu 2 UE 641/02). Nach einer ergänzenden Stellungnahme des Gutachters vom 29. Juli 2002 (Bl. 297 ff. der Akte 2 A 3013/01) ergibt eine Einzelpunktberechnung für die Anwesen und Tagesdauerschallpegel für einen mittleren Sonn- oder Feiertag von 57 bzw. 54 dB(A).

Die Anträge der Kläger lehnte das Regierungspräsidium Darmstadt durch Bescheide vom 11. Juli 2000 und 6. Februar 2001 mit im Wesentlichen folgender Begründung ab: Der Flugbetrieb sei in den letzten Jahren nicht wesentlich erweitert worden, so dass aus diesem Grund keine Änderungsgenehmigung nach § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG erforderlich gewesen sei. Die Erhöhung der Flugzahlen halte sich im Rahmen der allgemeinen Entwicklung des Luftverkehrs. Es bestehe auch keine Veranlassung, die Genehmigung teilweise zu widerrufen oder einzuschränken. Nach §§ 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 53 Abs. 1 Satz 1 LuftVZO gelte für den Verkehrslandeplatz eine Betriebspflicht, die sich grundsätzlich auch auf die Nacht erstrecke. Nach der Betriebsregelung der Beigeladenen sei für die Nacht (ab spätestens 21.00 Uhr) PPR-Betrieb (prior permission required) angeordnet, wobei nur Flugbewegungen bis 23.00 Uhr und nach 06.00 Uhr akzeptiert würden. Nach dieser Regelung sei es beispielsweise im Februar 2000 zu 27, im März 2000 zu 34 und im April 2000 zu 9 nächtlichen Flugbewegungen gekommen. In der "Kernnachtzeit" zwischen 23.00 und 06.00 Uhr seien nur Sanitätsflüge zulässig. Für eine weitergehende Einschränkung des Flugbetriebes und auch des zugelassenen Fluggerätes bestehe kein Grund, zumal die Beigeladene auf den Bestand der seit vielen Jahren erteilten Genehmigung vertrauen dürfe. In diesen Bestandsschutz dürfe nur auf Grund gravierender Umstände eingegriffen werden, die hier nicht vorlägen. Für den Flugplatz gelte die Landeplatz-Lärmschutz-Verordnung (LLV), nach der für propellergetriebene Flugzeuge und Motorsegler, die nicht erhöhten Lärmschutzanforderungen genügten, ein Start- und Landeverbot von montags bis freitags vor 7.00, zwischen 13.00 und 15.00 Uhr und nach Sonnenuntergang sowie samstags, sonntags und an Feiertagen vor 9.00 und nach 13.00 Uhr bestehe. Bei mehreren unangekündigten Kontrollen seien keine Verstöße gegen die Einhaltung der Mindestflughöhe festgestellt worden. Selbst wenn einzelne Piloten gegen diese Vorschrift verstoßen haben sollten, rechtfertige das keine Einschränkung der Betriebserlaubnis. Schließlich komme auch kein Verbot von Schwebeflügen von Hubschraubern in Betracht, weil diese Flüge notwendiger Bestandteil der Flugausbildung seien.

Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin zu 1. am 29. Januar 2001 Klage bei dem Verwaltungsgericht Gießen erhoben, das die Streitigkeit durch Beschluss vom 14. März 2001 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof verwiesen hat. Ursprünglich hat die Klägerin zu 1. mit ihrer Klage die im Verwaltungsverfahren gestellten Anträge weiterverfolgt. Nunmehr begehrt sie, die luftverkehrsrechtliche Genehmigung des Verkehrslandeplatzes Reichelsheim im Wege eines teilweisen Widerrufs nachträglich dahingehend zu beschränken, dass in den Wohn- und Schlafräumen kein gesundheitsbeeinträchtigender Fluglärm auftrete. Mit diesem Begehren hat der Kläger zu 2. am 19. November 2001 bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof Klage erhoben.

Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger vor, der Verkehrslandeplatz Reichelsheim habe sich allmählich zu dem zweitgrößten Verkehrslandeplatz in Hessen entwickelt. Neben dem Flugbetrieb mit bis zu 5.700 kg schweren Flugzeugen seien auch der Hubschrauberbetrieb und der Betrieb von Ultraleichtflugzeugen zugelassen. Durch den Fluglärm würden sie, die Kläger, erheblich beeinträchtigt. Während des Überflugs seien Gespräche, Lesen und konzentriertes Arbeiten nicht mehr möglich; Fernsehen und Radio würden übertönt. Der Fluglärm lasse sie aus dem Mittags- und Nachtschlaf erwachen. Besonders störend seien die Schwebeflüge der Hubschrauber. Eine Ermittlung des Fluglärms mit Hilfe der einschlägigen DIN-Vorschriften habe Spitzenpegel in seltenen Fällen von 102 bis 108 dB(A) und in häufigen Fällen von 91 bis 101 dB(A) ergeben. Diese Werte müssten für die gesetzlich definierten Ruhezeiten um 6 dB(A) erhöht werden. Die Mittelungspegel lägen unter Berücksichtigung der Ruhezeiten bei ca. 65 dB(A). Der Beklagte habe es zu Unrecht abgelehnt, Lärmminderungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Lärmbelastung in ihren Wohnräumen habe sich unvorhersehbar gesteigert, so dass ihnen ein Anspruch aus § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG zustehe. Die Lärmbelastung dürfe in der Nacht innen einen Dauerschallpegel von 30 dB(A) und einen Maximalpegel von 45 dB(A) sowie am Tag innen einen Dauerschallpegel von 50 dB(A) und einen Maximalpegel von 72 dB(A) - mit Ausnahme von 10 x 82 dB(A) - nicht überschreiten. In den Ruhezeiten seien um jeweils 10 dB(A) verringerte Werte einzuhalten. Diese Richtwerte würden hier deutlich überschritten, so dass eine nachträgliche Schutzanordnung geboten sei. Die erstrebte Minderung des Fluglärms könne durch unterschiedliche Maßnahmen, z. B. durch Betriebszeitenregelungen oder durch Lärmkontingentierungen erreicht werden.

Die Kläger beantragen,

die Bescheide des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 11. Juli 2000 und 6. Februar 2001 sowie dessen Widerspruchsbescheide vom 8. Januar 2001 und 15. Oktober 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Genehmigung des Verkehrslandeplatzes Reichelsheim im Wege eines teilweisen Widerrufs dahingehend nachträglich zu beschränken, dass in den Wohn- und Schlafräumen der Anwesen - und keine gesundheitsbeeinträchtigenden Lärmimmissionen auftreten, hilfsweise, Anordnungen nach den im Verwaltungsverfahren gestellten Anträgen zu erlassen.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Klagen abzuweisen.

Sie tragen vor, die Klagen seien bereits unzulässig, weil die Kläger ihre Rechte verwirkt hätten. Außerdem fehle es an dem erforderlichen Vorverfahren, weil die Kläger jetzt ein anderes Ziel verfolgten als in dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren. In dem Klageverfahren der Klägerin zu 1) liege darüber hinaus eine Klageänderung vor, der widersprochen werde und die nicht als sachdienlich zugelassen werden dürfe. Die von dem Flugverkehr ausgehende Lärmbelastung sei zumutbar. Das Gutachten der HLUG sei durch ein im Auftrag der Gemeinde Florstadt erstelltes Gutachten bestätigt worden. Schließlich müsse auch die Vorbelastung der klägerischen Anwesen durch den Flugverkehr berücksichtigt werden. Durch die Erklärungen der Kläger in der mündlichen Verhandlung seien die Klagen erneut geändert worden; auch dieser Änderung werde widersprochen.

Wegen des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf deren Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten ( je 1 Heft), die Bauakten des Wetteraukreises betreffend die Anwesen und sowie die Beiakten zu dem Verfahren 2 UE 641/02 (8 Ordner und 5 Hefte) verwiesen; diese sind beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Soweit die Streitsachen hinsichtlich der Gebührenfestsetzungen von den Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden sind, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

Im Übrigen haben die Klagen keinen Erfolg. Sie sind allerdings entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen zulässig.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof ist zur Entscheidung über die Klagen berufen. Für die Klägerin zu 1. ergibt sich das schon aus der verbindlichen Verweisung durch das Verwaltungsgericht (§ 83 Satz 2 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG). Bezüglich des Verfahrens des Klägers zu 2. folgt die erstinstanzliche Zuständigkeit aus § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwGO. Da diese Vorschrift (im Gegensatz zu Nrn. 7 bis 9) auch Betriebsregelungen außerhalb des Planfeststellungsverfahrens erfasst, würde der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Mai 2000 (NVwZ 2000, 1168) der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Senats selbst dann nicht entgegenstehen, wenn die Klage, wie die Kläger meinen, ihre gesetzliche Grundlage in § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG finden würde. Bei dem Flugplatz Reichelsheim handelt es sich um einen Verkehrslandeplatz im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwGO. Die Ausweisung des beschränkten Bauschutzbereiches war gegenüber dem Kläger zu 2) schon im Zeitpunkt der Erhebung der Klage unanfechtbar.

Die Zulässigkeit der Klage scheitert nicht daran, dass die Kläger die luftverkehrsrechtliche Genehmigung für den Verkehrslandeplatz Reichelsheim nicht angefochten und ihr Klagerecht insoweit verwirkt haben. Denn sie greifen hier nicht die Genehmigung mit dem Ziel der rückwirkenden Aufhebung oder Teilaufhebung an, sondern sie begehren die Verpflichtung des Beklagten, diese Genehmigung durch Anordnung von Lärmminderungsmaßnahmen nachträglich zu ändern. Das Bestehen eines solchen Genehmigungsergänzungs- oder -änderungsanspruchs kann angesichts der Lärmbetroffenheit der Kläger nicht von vornherein ausgeschlossen werden, so dass ihnen auch die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis zusteht.

Die Kläger haben zwar im gerichtlichen Verfahren ihr Begehren umfassender formuliert als im Verwaltungsverfahren. Daraus folgt aber nicht die Notwendigkeit, ihr jetziges Verlangen zunächst in einem neuen Verwaltungsverfahren geltend zu machen. Denn bei verständiger Würdigung zielte das Begehren der Kläger von Anfang an darauf ab, dass der Beklagte, sollten die konkret geltend gemachten Anträge keinen Erfolg haben, überhaupt Lärmminderungsmaßnahmen ergreift. Der Beklagte hat es auch erkennbar generell abgelehnt, die der Beigeladenen erteilte luftverkehrsrechtliche Genehmigung nachträglich einzuschränken, so dass es nicht mit den Grundsätzen der Verfahrensökonomie und der Effektivität des Rechtsschutzes zu vereinbaren wäre, wenn das Gericht die Kläger zunächst auf ein erneutes, als bloße Formalie anzusehendes Verwaltungsverfahren verweisen würde. Im Übrigen würden auch die Einlassungen der Hauptbeteiligten zur Sache ein erneutes Vorverfahren entbehrlich machen. Daraus ergibt sich, dass auch die Neuformulierung der Anträge der Klägerin zu 1. im gerichtlichen Verfahren nicht als Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO anzusehen ist. Jedenfalls wäre eine eventuelle Klageänderung als sachdienlich im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO zuzulassen, weil sie den Streitstoff nicht wesentlich verändert hat und zu einer endgültigen Erledigung der Streitsache beiträgt. Entsprechendes gilt für die Erklärungen, die die Kläger zur Konkretisierung ihrer Anträge in der mündlichen Verhandlung abgegeben haben.

Die Klagen sind jedoch nicht begründet.

Eine Verpflichtung der Behörde zu einer oder mehreren bestimmten Lärmminderungsmaßnahmen oder zur Einhaltung bestimmter Innenpegel scheitert an der fehlenden Spruchreife (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Selbst wenn man unterstellt, dass den Klägern ein Anspruch auf Lärmminderung zusteht, stünde der Behörde ein Ermessensspielraum offen, ob sie aktiven oder passiven Schallschutz anordnet. Als aktive Schallschutzmaßnahmen können wiederum unterschiedliche und kombinierte Maßnahmen in Betracht gezogen werden (z. B. Betriebszeitenregelungen, Fluggerätbeschränkungen, Flugbewegungskontingentierung, Fluglärmkontingentierung). Auch hinsichtlich der Frage, ob im Falle einer gebotenen Lärmminderung auf Innen- oder Außenpegel bzw. Dauer- oder Maximalpegel abzustellen ist, steht der Genehmigungsbehörde ein gewisser Gestaltungsspielraum offen, der nicht von vornherein auf nur eine der Möglichkeiten reduziert ist.

Den Klägern steht aber auch kein Anspruch auf Neubescheidung ihrer Anträge zu. Denn der Beklagte hat es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt, die der Beigeladenen erteilte luftverkehrsrechtliche Genehmigung überhaupt nachträglich über das bisherige Maß hinaus einzuschränken.

Entgegen der Auffassung der Kläger lässt sich ein derartiger Anspruch auf Einschränkung der Genehmigung nicht aus § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG herleiten. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Anordnung nachträglicher Schutzauflagen, wenn sich nach Unanfechtbarkeit eines festgestellten oder genehmigten Plans unvorhersehbare Nachteile ergeben. Diese Vorschrift dürfte entsprechend auf Flugplätze anwendbar sein, die keiner Planfeststellung bedürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. September 1999, UPR 2000, 116 <117>), wäre aber inhaltlich auf einen Genehmigungsergänzungsanspruch (durch Anordnung in der Regel passiver Schallschutzmaßnahmen) gerichtet, so dass fraglich ist, ob aus dieser Norm ein Anspruch auf Einschränkung des genehmigten Flugbetriebs im Wege eines Teilwiderrufs der ursprünglichen Genehmigung hergeleitet werden kann (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 2. Mai 1996, DVBl. 97, 73 <76>; Wysk, in: Flughafenplanung, Hrsg. J. Ziekow, 2001, S. 34). Problematisch ist die Anwendbarkeit des § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG auch unter dem zeitlichen Aspekt. Denn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vorschrift am 1. Januar 1977 war der Flugplatz Reichelsheim schon als Verkehrslandeplatz luftverkehrsrechtlich bestandskräftig genehmigt und § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG entfaltet ebenso wenig eine Rückwirkung wie § 17 Abs. 6 Satz 2 FStrG -1974 - (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. August 1999, NVwZ 2000, 70 m.w.N.).

Diese Fragen können jedoch auf sich beruhen. Denn die Entwicklung des Verkehrslandeplatzes Reichelsheim hat sich nicht unvorhersehbar vollzogen. Bei verständiger Würdigung der Situation müssen Anlieger eines Verkehrslandeplatzes damit rechnen, dass der Flugplatz im Zuge der allgemeinen Entwicklung des Luftverkehrs bzgl. der technischen und baulichen Einrichtungen, hinsichtlich der verwendeten Fluggeräte und insbesondere der Zahl der Flugbewegungen expandiert und die Kapazität im Rahmen der Genehmigung ausgeschöpft und mit der Folge erweitert wird, dass auch die Lärmbelastung zunimmt. Atypische Geschehensabläufe sind hier nicht erkennbar und insbesondere nicht darin zu erblicken, dass einige Pappeln gefällt worden sind, die in den von Hindernissen freizuhaltenden Luftraum hineingewachsen waren. Wenn, wie die Kläger meinen, die Lärmbelastung unvorhersehbar das Maß einer Gesundheitsgefährdung erreicht haben sollte, würde das hier schon deshalb keine analoge Anwendung des § 75 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG auf bloß genehmigungsbedürftige Flugplätze rechtfertigen, weil für diesen Fall wegen § 6 Abs. 2 Sätze 3 und 4 LuftVG keine Regelungslücke besteht.

Als gesetzliche Grundlage für das klägerische Begehren kommt daher allein § 6 Abs. 2 Sätze 3 und 4 LuftVG in Betracht (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 28. Oktober 1996 - 4 L 154/95 - Jur. Dok. S. 10, OVG Lüneburg, Urteil vom 9. Juni 1997 - 12 K 325/96 - Jur. Dok. S. 35). Nach dieser Bestimmung kann die luftverkehrsrechtliche Genehmigung - auch teilweise - widerrufen werden, wenn sich nach Erteilung der Genehmigung Tatsachen ergeben, die die Annahme rechtfertigen, dass durch den Flugbetrieb u. a. die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet wird. In Bezug auf Lärmbeeinträchtigung lässt sich aus dieser Vorschrift ein Anspruch auf Einschreiten der Genehmigungsbehörde nur unter der Voraussetzung ableiten, dass die Lärmimmissionen - sei es infolge einer Zunahme oder sei es infolge einer wissenschaftlich gebotenen Neubewertung - einen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) darstellen (OVG Schleswig, Urteil vom 28. Oktober 1996, a.a.O. S. 10 und OVG Lüneburg, Urteil vom 9. Juni 1997, a.a.O. S. 35). Aus § 48 LuftVZO (i.V.m. §§ 53 Abs. 1 und 60 LuftVZO) lassen sich keine weitergehenden Rechtspositionen ableiten (OVG Schleswig, Urteil vom 28. Oktober 1996, a.a.O. S. 10).

Diese Schwelle zur Gesundheitsgefährdung, die auch als Eingriffs-, Enteignungs- oder Sanierungsschwelle bezeichnet wird, ist hier nicht erreicht. Sie ist zu unterscheiden von der sog. Erheblichkeitsschwelle, bei deren Überschreitung bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung (hinsichtlich dieser Veränderung) einer Verkehrsanlage Schutzauflagen anzuordnen sind. Die Gesundheitsgefährdungsgrenze ist aber auch zu unterscheiden von derjenigen Grenze oder Schwelle, unterhalb der aus präventivmedizinischer Sicht Gesundheitsbeeinträchtigungen auszuschließen sind. Diese Präventivschwelle markiert Vorsorgewerte, auf die bei der Anwendung des § 6 Abs. 2 Sätze 3 und 4 LuftVG nicht abgestellt werden darf (OVG Lüneburg, Urteil vom 9. Juni 1997, a.a.O. S. 44 f.). Denn diese Vorschrift knüpft mit der Verwendung des Begriffs der Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung an den ordnungsrechtlichen Gefahrenbegriff, aber nicht an den Vorsorgegrundsatz an.

Die Grenze, ab der Fluglärm die Gesundheit gefährdet, ist nicht normativ bestimmt. Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm ist nicht auf Verkehrslandeplätze anwendbar. Die Landeplatz-Lärmschutz-Verordnung vom 5. Januar 1999 (BGBl. I S. 35) sieht zeitliche Einschränkungen des Betriebs von propellergetriebenen Flugzeugen und Motorseglern vor, die nicht den erhöhten Lärmschutzanforderungen entsprechen. Die Verordnung enthält aber keine allgemeinen Richtwerte für die Zumutbarkeit von Fluglärm (vgl. zu sonstigen - nicht anwendbaren - Normierungen die Zusammenfassung bei: OVG Hamburg, Urteil vom 3. September 2001 - 3 E 32/98.P - S. 83 f.). Das vorliegende Verfahren gibt dem Senat keine Veranlassung, näher auf die Frage einzugehen, bei welchem Schwellen- oder Richtwert eine Lärmbelastung das Maß einer Gesundheitsgefährdung erreicht. Denn die Bandbreite, innerhalb der dieser Wert anzusiedeln ist, wird hier deutlich unterschritten:

Bzgl. der Nachtzeit folgt das schon aus der geringen Anzahl der Flugbewegungen. Nach den Angaben der Beigeladenen, gegen deren Richtigkeit keine substantiierten Einwendungen vorgebracht oder sonst ersichtlich sind, lag die Zahl der Flugbewegungen von April bis September 2001 in der Zeit von 21.00 bis 23.00 Uhr (Ortszeit) bei 31 und in der Zeit von 23.00 bis 6.00 Uhr bei 29 Starts oder Landungen von Flugzeugen. Von den insgesamt 60 Flugbewegungen entfällt allenfalls die Hälfte auf die An- und Abflugrichtung 18 (Süd), so dass die Anwesen der Kläger in einem Zeitraum von 180 Tagen der Lärmbelastung durch 30 startende oder landende Flugzeuge ausgesetzt waren. Die nächtlichen Hubschrauberbewegungen vollziehen sich in Ost-West-Richtung im Bereich der Grasbahn, wodurch nach dem HLUG-Gutachten (S. 4) am Ortsrand von Ober-Ramstadt Maximalpegel von bis zu 55 dB(A) erreicht werden. Bei diesem Außenmaximalpegel ist zweifelhaft, ob in den Schlafräumen die Aufwachschwelle überschritten wird. Dies bedarf jedoch keiner weitergehenden Ermittlung. Denn selbst wenn man die Anzahl der nächtlichen Störereignisse oberhalb der Aufwachschwelle verdoppeln würde, hätte das zur Folge, dass durchschnittlich auf jede dritte Nacht ein Aufweckereignis fällt, wovon wiederum die Hälfte der Zeitspanne vor 23.00 Uhr zuzurechnen ist. Angesichts der vielfältigen nächtlichen Störungen, denen Menschen auch in äußerst ruhigen Wohnlagen - zumal vor 23.00 Uhr - ausgesetzt sind, ohne dass dadurch die Gefahr einer Gesundheitsbeeinträchtigung herbeigeführt wird, werden die Kläger durch den nächtlichen Fluglärm des Verkehrslandeplatzes Reichelsheim nach der Überzeugung des Senats nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

Neue Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung, auf die sich die Kläger berufen, rechtfertigen keine andere Beurteilung. In der Literatur wird die Frage der Gesundheitsgefährdung durch nächtlichen Fluglärm in der Regel im Zusammenhang mit dem Problem der Schlafstörungen erörtert. Untersuchungen über Schlafstörungen durch nächtlichen Fluglärm beziehen sich, soweit ersichtlich, auf Situationen, in denen Menschen mehreren Störereignissen in einer Nacht ausgesetzt sind. Als besonders schutzwürdig wird der zweite Abschnitt der Nacht, beginnend um 1.00 Uhr, angesehen. Die Diskussion der Gesundheitsgefährdungsgrenze befasst sich deshalb im Wesentlichen mit der Frage, welche Maximalpegel nach Anzahl, Höhe und Verteilung auf eine Nacht zugemutet werden können, ohne Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Schlafstörungen befürchten zu müssen (vgl. z. B. Ortscheid/Wende, Umweltbundesamt, Fluglärmwirkungen, Berlin 2000; Griefahn/Jansen/Scheuch/Spreng, Erarbeitung von Fluglärmkriterien für ein Schutzkonzept, Februar 2002; Maschke/Hecht/Wolf, Nächtliches Erwachen durch Fluglärm, Bundesgesundheitsblatt 2001, S. 1001 ff.).

Rein vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass auch eine diese Schwelle überschreitende nächtliche Lärmbelastung in den Wohn- und Schlafräumen nicht zu einem Verbot der nächtlichen Ambulanzflüge führen würde, auf die sich der Flugverkehr zwischen 23.00 und 6.00 Uhr beschränkt. Insoweit könnte den Klägern allenfalls ein Anspruch auf passiven Schallschutz zustehen, sofern die Wohnhäuser über keine ausreichende Schalldämmung verfügen.

Auch die Lärmbelastung, denen die Anwesen der Kläger am Tag ausgesetzt sind, erreicht nicht das Maß einer Gesundheitsgefährdung.

Die Lärmbelastung ist nach dem HLUG-Gutachten vom Februar 2000 und der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters vom 29. Juli 2002 an Sonn- und Feiertagen am stärksten und beträgt für das Anwesen 57 dB(A) und das Anwesen .................. 54 dB(A) - jeweils als äquivalente Dauerschallpegel. Für das Anwesen ............... liegt keine spezielle Berechnung vor; die Belastung liegt wohl zwischen den oben genannten Werten, jedenfalls aber nicht über 57 dB(A).

Diese Berechnung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht auf der "Leitlinie zur Ermittlung und Beurteilung der Fluglärmimmissionen in der Umgebung von Landeplätzen" vom 14. Mai 1997 (Landeplatz-Fluglärmleitlinie), die von dem Länderausschuss für Immissionsschutz (LAI) herausgegeben worden ist und sich an die für Immissionsschutz zuständigen Behörden der Länder in der Raumordnung und Bauleitplanung richtet. Das Berechnungsverfahren wird in der Leitlinie selbst durch eine modifizierte Verweisung auf die Anleitung zur Berechnung von Lärmkonturen - AzB - (Verwaltungsvorschrift vom 27. Februar 1975, GMBl. S. 162, i.d.F. vom 20. Februar 1984) geregelt. Dieses für Landeplätze entwickelte Berechnungsverfahren (AzB-L) trägt der Kritik Rechnung, die gegen die AzB vorgebracht worden ist, indem es insbesondere den Halbierungsparameter q = 3 verwendet (vgl. Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums - "Eckpunkte" - der Novelle des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm vom Januar 2000) und - im Gegensatz zu der AzB - nicht den Fluglärm bei weniger als 100.000 Flugbewegungen unterschätzt (vgl. Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen - Sondergutachten - vom Dezember 1999, BT-Drs. 14/2300, S. 194 <Abs. 485>).

Es bedarf daher keines Rückgriffs auf die DIN 45684 (Ermittlung von Fluggeräuschimmissionen an Landeplätzen, Teil 2: Berechnungsverfahren), die bislang ohnehin nur als Entwurf vorliegt. Die gravierenden Unterschiede zwischen dem Ergebnis des HLUG-Gutachtens und den Berechnungen des Klägers zu 2. auf der Grundlage der DIN 45684 beruhen, wie der Kläger zu 2. in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, auch nicht auf Differenzierungen im Berechnungsverfahren, sondern auf unterschiedlichen Eingabegrößen und auf Zuschlägen, die der Kläger zu 2. im Gegensatz zu dem Gutachter für geboten erachtet. Aber auch unter diesem Aspekt besteht für den Senat keine Veranlassung, in eine weitere Ermittlung des Sachverhalts einzutreten. Die von dem Gutachter verwendeten Daten über die Flugzeugbewegungen und den Flugzeugmix beruhen zwar auf Angaben der Beigeladenen, diese ist aber als Betreiberin des Flugplatzes gehalten, diese Zahlen insbesondere im Flugbuch zu dokumentieren. Die Beigeladene hat auch zu dem von den Klägern vorgelegten "Flugzeitenbuch" substantiiert Stellung genommen. Anhaltspunkte, dass die Angaben der Beigeladenen in einem das Ergebnis der schalltechnischen Untersuchung beeinflussenden Ausmaß unrichtig sein könnten, sind weder von den Klägern vorgetragen noch sonst ersichtlich. Hinsichtlich der Flugrouten haben sich die Flugzeugführer an die Vorgaben der Flugsicherung und des Betreibers des Flugplatzes zu halten (vgl. insbesondere Sichtanflugkarte, Anlage 5 zu dem HLUG-Gutachten). Die der Berechnung zugrunde zu legenden Flughöhen werden letztlich durch die AzB-L selbst festgelegt; sie ergeben sich aus den An- und Abflugwinkeln, die in der AzB-L je nach dem Flugzeugtyp, also nach flugtechnischen Aspekten, vorgegeben sind.

Die Kläger machen zwar zu Recht geltend, dass diese - errechneten - Werte nicht immer mit den tatsächlichen Fluglinien und Flughöhen übereinstimmen mögen, das beeinträchtigt aber nicht die Verwertbarkeit des HLUG-Gutachtens. Denn zum einen werden derartige Abweichungen zum Teil schon in den Berechnungsvorschriften der AzB-L berücksichtigt. Darüber hinaus sind solche Vorschriften nur praktikabel, wenn sie mit Pauschalierungen einhergehen. So mag es sein, dass bestimmte Abweichungen von der errechneten Fluglinie oder nicht erfasste einzelne schalltechnische Phänomene eine tatsächliche Lärmbelastung unterschätzen. Dafür wirken sich andere Pauschalierungen zugunsten der Anlieger aus, wie insbesondere die sog. 100 %-Regelung, die - verkürzt formuliert - rechnerisch unterstellt, dass alle Flüge auf der Nord-Süd-Achse von und nach Süden landen oder starten. Sollten Piloten in Einzelfällen von den Vorgaben der Flugsicherung abweichen oder ihre Verpflichtung zur Lärmminderung (vgl. § 29b Abs. 1 LuftVG) verletzen, darf das nicht der Beigeladenen durch Einschränkung der Betriebsgenehmigung angelastet werden. Schließlich ist das HLUG-Gutachten durch das im Auftrag der Gemeinde Florstadt erstellte Gutachten des Instituts ADU-cologne vom September 2000 bzgl. der Methode und des Ergebnisses der Berechnungen bestätigt worden (Bl. 82 ff. d. A. 2 A 828/01).

Die Ausführungen des Gutachters Dr. K. in der mündlichen Verhandlung und in seiner Stellungnahme vom 5. August 2002 rechtfertigen keine andere Beurteilung der Lärmbelastung der Kläger. Ein darin liegender neuer Sachvortrag wäre, wenn er entscheidungserheblich wäre sowie weitere Ermittlungen und damit Verzögerungen auslösen würde, als verspätet zurückzuweisen (§ 87b Abs. 3 VwGO). Der Gutachter Dr. K. gelangt aber nur unter der Voraussetzung zu anderen Ergebnissen als das HLUG-Gutachten, dass andere Eingabedaten verwendet werden; deshalb kann auf das zu den Berechnungen des Klägers zu 2) Gesagte verwiesen werden.

Für Zuschläge, wie sie die Kläger fordern, bietet die Berechnung nach der AzB-L keinen Raum. In den Berechnungsvorschriften ist eine separate Kennzeichnungszeit für Sonn- und gesetzliche Feiertage vorgesehen, so dass der höhere Flugbetrieb an diesen Tagen nicht in eine Mittelung mit anderen Tagen eingeht. Flugzeitbeschränkungen sieht, wie oben dargelegt, die Landeplatz-Lärmschutzverordnung für bestimmte Flugzeugtypen vor. Weitergehende Zuschläge für Ruhezeiten oder Wochenenden sehen die AzB-L im Gegensatz zu anderen Normierungen (z. B. TA-Lärm), aber in Übereinstimmung mit dem sonstigen Verkehrslärmschutz (vgl. 16. BImSchV) nicht vor. Der erhöhten Lästigkeit des Fluglärms gegenüber Schienen- und Straßenverkehrslärm kann, solange keine verbindlichen Berechnungsvorschriften (wie z. B. zum Schienenbonus) erlassen worden sind, auf der Ebene der Lärmbewertung bzw. Richtwertdiskussion Rechnung getragen werden.

Die nach allem zutreffend ermittelte Lärmbelastung am Tag von maximal 57 dB(A) an Sonn- und Feiertagen liegt deutlich unterhalb der Bandbreite, innerhalb der der Beginn einer Gesundheitsgefährdung liegen könnte, so dass der Senat im vorliegenden Verfahren auch hinsichtlich des Tageszeitraums nicht gehalten ist, die genaue Grenze zu ermitteln, ab der Fluglärm die Gesundheit gefährdet.

Da hier Anzahl und Höhe der Einzelschallereignisse (vgl. Anlage 10 des HLUG-Gutachtens) keine ungewöhnliche Verkehrslärmcharakteristik abbilden, stellt der äquivalente Dauerschallpegel, der neben den Einzelschallereignissen auch die Dauer der Lärmbeeinträchtigung in Relation zu den Ruhezeiten widerspiegelt, einen geeigneten Beurteilungsmaßstab dar. Die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung wird auch von denjenigen Autoren und Institutionen, die für eher niedrige Ansätze eintreten, in der Größenordnung von um die 65 dB(A) angesiedelt, wobei gelegentlich von dem sonst im Verkehrsrecht angenommenen Wert von 70 dB(A) am Tag ausgegangen und dieser Wert um einen Fluglärmmalus gekürzt wird (vgl. insbesondere Ortscheid/Wende, a.a.O. S. 20; Griefahn/Jansen/Scheuch/Spreng, a.a.O. S. 6, die 65 dB(A) als Präventivrichtwert benennen; Sondergutachten, a.a.O. S. 174 <Abs. 434>; Eckpunkte der Novelle des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm, a.a.O. S. 3). Die Kläger können sich demgegenüber nicht mit Erfolg auf die "Neufahrner Resolution" berufen, weil es sich bei dem dort genannten Wert von 60 dB(A) am Tag um eine Präventiv- oder Vorsorgeschwelle handelt, die für die Auslegung des § 6 Abs. 2 Sätze 3 und 4 LuftVG, wie oben dargelegt, nicht herangezogen werden kann. Darüber hinaus wird der Wert von 60 dB(A) unmittelbar nur in der Stellungnahme von Hecht und Maschke begründet und - durch Abzug eines Fluglärmmalus - aus dem Sondergutachten abgeleitet (vgl. Nachtfluglärmproblematik, Schriftenreihe des Vereins für Wasser-, Boden- und Lufthygiene, Hersg.: Bartels und Ising, S. 136 f.). Diese Argumentation überzeugt nicht ohne weiteres, weil sich die von Hecht und Maschke in Bezug genommenen Ausführungen in dem Sondergutachten auf alle Arten von Verkehrslärm beziehen, so dass ein weiterer Abzug von 5 dB(A) unter Berücksichtigung eines allgemein ermittelten Fluglärmmalus von 3 dB(A) einer eingehenden Begründung bedarf, um in einem gerichtlichen Verfahren als Maßstab herangezogen werden zu können. Schließlich ist für den Senat nicht erkennbar, dass diese Resolution, wie die Kläger meinen, auf einem Konsensführen der Umweltmediziner beruht. Insoweit wird auf die gemeinsame Erklärung von Basner, Griefahn, Jansen und Scheuch vom 16. Dezember 2001 (an das Regierungspräsidium Darmstadt) verwiesen.

Auch unter Berücksichtigung der Maximalpegel lässt sich nicht feststellen, dass von dem Verkehrslandeplatz Reichelsheim eine gesundheitsgefährdende Lärmbelastung am Tag ausgeht. Die ermittelten Maximalpegel (vgl. HLUG-Gutachten, Anlage 10) liegen nicht nur unter dem sog. Jansen-Kriterium von 19 x 99 dB(A) (vgl. Scheuch/Jansen, Zeitschrift für Lärmbekämpfung 2002, S. 7 ff.; dazu auch: VG Mainz, Urteil vom 28. August 2001, NVwZ-RR 2002, 495), sondern auch unter dem von Griefahn/Jansen/Scheuch/Spreng, a.a.O. S. 6, als Präventivwert vorgeschlagenen Kriterium von 25 x 90 dB(A).

Schließlich geht eine Gesundheitsgefährdung - als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 6 Abs. 2 Sätze 3 und 4 LuftVG - nicht von dem Hubschrauberflugverkehr am Tag aus. Nach dem HLUG-Gutachten (S. 4) verursachen die Schwebeflüge mit Hubschraubern im Bereich der Grasbahn am Ortsrand von Ober-Florstadt Maximalpegel von bis zu 55 dB(A), die zwar deutlich wahrgenommen werden, aber im Vergleich zu sonstigen Fluggeräuschen keinen Beitrag zum Gesamtpegel liefern. Auch diese gutachterliche Aussage ist weder von dem Gutachter Dr. K. noch von den Klägern substantiiert in Frage gestellt oder erschüttert worden. Zu den tatsächlichen Eingabedaten gelten hier die Ausführungen zu dem Flugzeugverkehr entsprechend. Die in der mündlichen Verhandlung von den Klägern vorgelegten "Eidesstattlichen Versicherungen" gebieten keine Beweisaufnahme. Der in diesen Erklärungen zum Ausdruck kommende neue Sachvortrag über Flugverhalten der Hubschrauberpiloten wäre, wenn er eine Beweisaufnahme veranlassen und damit das Verfahren verzögern würde, als verspätet zurückzuweisen (§ 87b Abs. 3 VwGO). Darüber hinaus sind Erklärungen, die von nicht sachkundigen Personen nach einem vorgefertigten Muster über Flugbewegungen abgegeben werden, keine taugliche Grundlage für eine alternative Fluglärmberechnung. Schließlich gilt auch hier, wie bereits oben dargelegt, dass ein von den Anweisungen des Flugplatzunternehmers abweichendes Flugverhalten einzelner Piloten keine Einschränkung der Betriebserlaubnis des Flugplatzes rechtfertigt. Für den von Hubschraubern verursachten Fluglärm sehen die AzB-L keinen Zuschlag vor, obwohl gerade an Verkehrslandeplätzen ein Flugverkehr mit Hubschraubern, insbesondere auch zu Schulungszwecken, häufig anzutreffen ist. Für Zuschläge wegen einer besonderen Störqualität fehlen hinreichende Anhaltspunkte (vgl. hierzu: OVG Hamburg, Beschluss vom 19. Februar 2002, NVwZ-RR 2002, 493; VG Mainz, Urteil vom 28. August 2001, a.a.O. S. 495).

Abschließend sieht sich der Senat zu der Klarstellung veranlasst, dass hier keine Entscheidung über die Erheblichkeit, Lästigkeit oder allgemeine Zumutbarkeit des von dem Verkehrslandeplatz Reichelsheim ausgehenden Fluglärms getroffen worden ist. Die Kläger haben den von dem - genehmigten - Verkehrslandeplatz verursachten Fluglärm unabhängig von seiner Erheblichkeit grundsätzlich zu dulden. Ein Anspruch auf Lärmminderung besteht nur für den Fall der Überschreitung der Schwelle zur Gesundheitsgefährdung. Diese Schwelle wird hier, ohne dass es einer konkreten Grenzziehung bedarf, deutlich unterschritten.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens in vollem Umfang zu tragen. Zwar wäre - für sich betrachtet - hinsichtlich des erledigten Verfahrensteils eine Beteiligung des Beklagten an der Kostenlast entsprechend § 160 VwGO billig gewesen im Sinne des § 161 Abs. 2 VwGO, insgesamt ist aber das Maß des Unterliegens des Beklagten sowohl im Hinblick auf den Anteil am Gesamtstreitwert als auch im Hinblick auf die verursachten Gebühren als geringfügig anzusehen, so dass den Klägern die Kosten des gesamten Verfahrens - entsprechend dem auf sie entfallenden Anteil am Streitwert - aufzuerlegen sind (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO), und zwar einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die sich durch ihren Sachantrag am Kostenrisiko beteiligt hat (§§ 162 Abs. 3 i.V.m. 154 Abs. 3 VwGO).

Die Vollstreckbarkeitserklärung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor

Ende der Entscheidung

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