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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 29.08.2001
Aktenzeichen: 2 UE 1491/01
Rechtsgebiete: BImSchG, HVwVG, HGO


Vorschriften:

BImSchG § 22
BImSchG § 24
HVwVG § 73
HGO § 145
Der allgemeine Grundsatz des Verwaltungsrechts, dass Ordnungsbehörden (hier das für den Immissionsschutz zuständige Regierungspräsidium) ohne besondere gesetzliche Ermächtigung nicht obrigkeitlich in die hoheitliche Verwaltungstätigkeit einer anderen Behörde, insbesondere einer Kommune, eingreifen dürfen, gilt auch für den Erlass feststellender Verwaltungsakte und auch für den Bereich des Immissionsschutzrechts, soweit nicht genehmigungsbedürftige Anlagen betroffen sind.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

2 UE 1491/01

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Anfechtung eines immissionsschutzrechtlichen Feststellungsbescheides, der gegenüber einer Stadt als Trägerin eines Schwimmbads erlassen worden ist,

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 2. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Habbe, Richter am Hess. VGH Dr. Zysk, Richter am Hess. VGH Pabst, ehrenamtliche Richterin Dr. Brenneis, ehrenamtlichen Richter Dal

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. August 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 22. September 1998 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der außergerichtlichen Kosten der Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die klagende Stadt Frankfurt am Main wendet sich gegen einen Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt, durch den ein Immissionsrichtwert von 50 dB(A) für den Einwirkungsbereich des Panoramabades festgestellt wird.

Die Klägerin betreibt in dem Stadtteil Bornheim das als "Erlebnisbad" konzipierte Panoramabad. Das ursprüngliche Hallenbad wurde 1990 durch ein ca. 300 m² großes Freibecken, eine Wasserrutsche und andere Anlagen im Außenbereich erweitert. Nach Inbetriebnahme der Außenanlagen kam es zu Beschwerden über Lärmbeeinträchtigungen der Bewohner der Mehrfamilienhäuser Buchwaldstraße 51, 53 und 55, die südlich des Panoramabades liegen und im Bebauungsplan als reines Wohngebiet ausgewiesen sind. Nachdem erste Immissionsmessungen eine deutliche Überschreitung der Richtwerte ergeben hatten, erreichte die Klägerin eine Reduzierung der Lärmbeeinträchtigung durch organisatorische Maßnahmen. Die letzten, im Auftrag des (damaligen) Staatlichen Amtes für Immissions- und Strahlenschutz - SAIS - im März/April 1995 durchgeführten Messungen ergaben Mittelungspegel um 60 dB(A).

Durch Bescheid vom 2. August 1995 ordnete das SAIS unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und unter Androhung eines Zwangsgeldes an, durch Errichtung eines großräumigen Schallschirmes (Schallschutzwand) oder durch andere geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass an den Häusern Buchwaldstraße 51 bis 55 ein Mittelungspegel von 50 dB(A) (am Tag außerhalb der Ruhezeiten) eingehalten wird.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch, dessen aufschiebende Wirkung das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 7. November 1995 - 6 G 2594/95 -, bestätigt durch Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. März 1996 - 14 TG 3967/95 -) wiederherstellte.

Durch Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 1997 stellte das Regierungspräsidium Darmstadt unter Änderung und teilweiser Aufhebung der Anordnungen in dem Bescheid vom 2. August 1995 fest, dass für den Einwirkungsbereich des Panoramabades vor den geöffneten Fenstern der Wohnhäuser Buchwaldstraße 51 bis 55 (am Tag - außerhalb der Ruhezeiten -) ein Immissionsrichtwert von 50 dB(A) gelte. Zur Einhaltung des Immissionsrichtwertes wurde die Errichtung einer großräumigen Schallschutzwand oder die Durchführung anderer geeigneter technischer oder organisatorischer Maßnahmen "empfohlen". Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus, auch wenn es ihm verwehrt sei, mit Befehl und Zwang in den hoheitlichen Zuständigkeitsbereich der Klägerin einzugreifen, stehe ihm die Befugnis offen festzustellen, welchen Immissionsrichtwert die Klägerin bei dem Betrieb des Panoramabades einzuhalten habe.

Am 11. März 1997 hat die Klägerin bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Klage erhoben mit der Begründung, der Beklagte greife auch mit der Feststellung des maßgeblichen Immissionsrichtwertes in ihren eigenen hoheitlichen Zuständigkeitsbereich ein. Durch die Festlegung des Grenzwertes werde die Frage nach der bauplanungsrechtlichen Einordnung des Gebietes präjudiziert. Der Bebauungsplan sei schon aus formellen Gründen unwirksam. Die Bewohner der fraglichen Häuser seien auf Grund der Randlage verpflichtet, Rücksicht auf das Panoramabad zu nehmen. Schließlich sei auch eine Beeinträchtigung der Wohnhäuser durch Verkehrsanlagen, insbesondere die Bundesautobahn A 661, zu beachten. Der Beklagte hat im Wesentlichen erwidert, der fragliche Bereich sei auch im Falle einer Unwirksamkeit des Bebauungsplans als reines Wohngebiet einzuordnen. Das Gebot der Rücksichtnahme gelte nicht für Anlagen im Sinne der 18. BImSchV. Die Verkehrsgeräusche würden deutlich durch die von dem Panoramabad ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen überlagert.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 22. September 1998 den Bescheid vom 2. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 1997 aufgehoben. Wegen der Begründung wird auf den Inhalt des Urteils verwiesen.

Durch Beschluss vom 21. Mai 2001 hat der erkennende Senat die Berufung des Beklagten wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Der Beklagte wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, der Betrieb des Panoramabades gehöre zumindest nicht zum Kernbereich der kommunalen Daseinsvorsorge. Die Klägerin sei als Betreiberin des Bades an die immissionsschutzrechtlichen Vorschriften gebunden. Die bloße Feststellung des maßgeblichen Immissionsrichtwertes greife weder in ihre Rechte ein noch verletze sie die Vorschriften über die Kommunalaufsicht. Das gelte auch, soweit durch diese Maßnahmen Kosten verursacht worden seien. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze und die Vorschriften über die Kommunalaufsicht würden hier von den immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen verdrängt. Auf dem Gebiet des Immissionsschutzrechts seien grundsätzlich auch Hoheitsträger den Anordnungen der Immissionsschutzbehörden unterworfen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf deren Schriftsätze verwiesen. Die Behördenvorgänge des Beklagten (1 Ordner und 4 Hefte) sowie die Gerichtsakte VG Frankfurt am Main 6 G 2594/95 sind beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg; das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Bescheid des (damaligen) Staatlichen Amtes für Immissions- und Strahlenschutz Frankfurt vom 2. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 14. Februar 1997 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die für den Immissionsschutz zuständige Ordnungsbehörde (Regierungspräsidium) ist nicht befugt, durch Verwaltungsakt festzustellen, dass für den Einwirkungsbereich des Panoramabades der Klägerin ein bestimmter Immissionsrichtwert gilt. Das verstößt gegen den in der Rechtsprechung und Literatur entwickelten allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts, dass Ordnungsbehörden ohne besondere gesetzliche Ermächtigung nicht mit obrigkeitlichen Mitteln in den hoheitlichen Zuständigkeitsbereich einer anderen Verwaltungsbehörde eingreifen dürfen (BVerwG, Urteil vom 16. Januar 1968, BVerwGE 29, 52 <59 f.>; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., Rdnr. 224; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl., Rdnr. 82; - grundlegend - Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 240 ff.; Gebhard, DÖV 86, 545, und Rudolf, Polizei gegen Hoheitsträger, S. 18 ff.). Denn nach der staatlichen Kompetenzordnung ist jeder Hoheitsträger durch die Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet, bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben die ordnungsrechtlichen Vorschriften - hier die Bestimmungen des Immissionsschutzrechts - zu beachten. Die Ordnungsbehörden haben ihrerseits die Kompetenz anderer Hoheitsträger zu respektieren.

Hierzu ist allerdings zweierlei vorweg klarzustellen: Zum einen wird durch diesen allgemeinen Rechtsgrundsatz die Klägerin als Betreiberin des Panoramabades nicht von den materiell-rechtlichen Verpflichtungen entbunden, die sich aus den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen - hier insbesondere der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) - ergeben. Es geht hier allein um die Art und Weise der Durchsetzung der aus dem Immissionsschutzrecht resultierenden Pflichten. Soweit der Hoheitsträger seinen immissionsschutzrechtlichen Verpflichtungen nicht in ausreichendem Maß nachkommt, kann die Aufsichtsbehörde um Einschreiten ersucht werden; immissionsbetroffene Bürger können auch unmittelbar gegen den Hoheitsträger als Betreiber der störenden Anlage vorgehen. Zum anderen verliert das Regierungspräsidium als Ordnungsbehörde nicht jegliche Kompetenz in Bezug auf das Panoramabad. Es bleibt ihm unbenommen, die Anlage zu überwachen, Ermittlungen durchzuführen, Empfehlungen an die Klägerin als Betreiberin der Anlage auszusprechen, sich mit Anregungen an die Aufsichtsbehörde zu wenden oder auf Ersuchen dieser Behörden tätig zu werden.

Der Grundsatz, dass Ordnungsbehörden nicht mit obrigkeitlichen Mitteln in die hoheitliche Verwaltungstätigkeit einer anderen Behörde eingreifen dürfen, kommt in Vorschriften des Vollstreckungsrechts zum Ausdruck. Nach § 73 des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes - HVwVG - (ebenso § 17 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Bundes) darf gegen Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts nur vollstreckt werden, soweit dies aufgrund von Rechtsvorschriften ausdrücklich zugelassen ist. Vorschriften dieser Art haben in der historischen Entwicklung als Ausprägung des oben dargelegten Grundsatzes Eingang in die Vollstreckungsgesetze gefunden (vgl. Sadler, Verwaltungsvollstreckungsgesetz, 3. Aufl., § 17, Rdnr. 1). Sie haben eine für den Bereich des Vollstreckungsrechts klarstellende Funktion und lassen keinen dahingehenden Umkehrschluss zu, dass andere Maßnahmen als Vollstreckungsakte auch gegen Behörden zulässig seien. Auch diese Vorschriften beruhen auf der Erwartung, das Hoheitsträger ihre Aufgaben rechtmäßig erfüllen; anderenfalls ist die Aufsichtsbehörde zu bemühen (vgl. Erlenkämper, Verwaltungsvollstreckungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl., § 76, Anm. 3).

Eine weitere Bekräftigung erfährt dieser Grundsatz im vorliegenden Verfahren durch die Vorschriften über die Kommunalaufsicht. Nach §§ 135 ff. der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) dürfen die Kommunalaufsichtsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen Maßnahmen - auch Zwangsmaßnahmen - gegenüber Kommunen ergreifen, wenn deren Verwaltungstätigkeit gegen Rechtsvorschriften verstößt. Andere Behörden und Stellen als die Kommunalaufsichtsbehörden können sich im Benehmen mit der Kommunalaufsichtsbehörde über Angelegenheiten der Gemeinde unterrichten, an Ort und Stelle prüfen und besichtigen sowie Berichte anfordern, soweit ihnen nach besonderer gesetzlicher Vorschrift ein solches Recht zusteht (§ 145 Satz 1 HGO). Im Übrigen sind sie zu Eingriffen in die Gemeindeverwaltung nicht befugt (§ 145 Satz 2 HGO). Auch diese Vorschriften belegen, dass Ordnungsbehörden, die nicht zugleich Kommunalaufsichtsbehörden sind, nur dann mit hoheitlichen Mitteln in die Verwaltungstätigkeit einer Gemeinde eingreifen dürfen, wenn eine besondere gesetzliche Ermächtigung besteht.

Dieser Grundsatz ist entgegen der Auffassung des Beklagten hier nicht deshalb unanwendbar, weil der Bescheid vom 2. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 1997 die Verwaltungsaufgaben der Klägerin unberührt lässt. Die Bescheide tangieren vielmehr die hoheitliche Tätigkeit der Klägerin. Bei dem Panoramabad handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung im Sinne des § 19 Abs. 1 HGO, die die Gemeinden in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit für ihre Bürger vorzuhalten haben. Ob die Unterhaltung eines Schwimmbads zum Kernbereich der kommunalen Daseinsvorsorge gehört, was der Beklagte bestreitet, ist rechtlich unerheblich. Im vorliegenden Zusammenhang kommt es allein darauf an, dass die Klägerin in ihrer hoheitlichen Verwaltungstätigkeit betroffen ist. Für den Fall, dass die angefochtenen Bescheide Bestandskraft erlangen sollten, wäre die Klägerin verpflichtet, entweder erhebliche Investitionen für die Aufrechterhaltung des Schwimmbadbetriebes zu tätigen oder durch andere technische oder organisatorische Maßnahmen unmittelbar auf den Betrieb des Schwimmbades einzuwirken.

Das Verbot, mit obrigkeitlichen Mitteln in den Hoheitsbereich einer anderen Verwaltungsbehörde einzugreifen, soweit keine besondere gesetzliche Ermächtigung es rechtfertigt, hindert die für den Immissionsschutz zuständigen Behörden auch, durch einen feststellenden Verwaltungsakt einen bestimmten Immissionsrichtwert für den Einwirkungsbereich eines kommunalen Schwimmbades festzulegen. Die oben dargelegten Grundsätze sind nicht nur dann einschlägig, wenn gegenüber der Kommune als Betreiberin eines Schwimmbades Befehle oder Anordnungen ausgesprochen werden. Ein unzulässiger Eingriff in den hoheitlichen Tätigkeitsbereich liegt vielmehr auch schon dann vor, wenn einseitig verbindliche Regelungen getroffen, also belastende Verwaltungsakte jeder Art erlassen werden. Der Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 1997 erschöpft sich nicht in einem Hinweis auf die (abstrakte) Rechtslage oder in der Darstellung eines Sachverhaltes. Mit der Festlegung eines bestimmten Immissionsrichtwertes wird zugleich die Verpflichtung der Klägerin begründet, diesen Wert auch einzuhalten. Die Rechtsordnung geht davon aus, dass Hoheitsträger die sie betreffenden Feststellungen - insoweit unterscheidet sich ein feststellender Verwaltungsakt nicht von einem Feststellungsurteil - beachten und die aus einer Feststellung resultierenden Verpflichtungen erfüllen. Mit der Feststellung wird in die Rechtsposition der Klägerin eingegriffen, weil die zwischen den Beteiligten streitige Rechtslage hinsichtlich mehrerer Aspekte von dem Beklagten einseitig hoheitlich bestimmt wird. Da die Feststellung der Rechtslage durch den Beklagten hinsichtlich mehrerer Gesichtspunkte von der Rechtsauffassung der Klägerin abweicht, wird sie durch die verbindliche Bestimmung nachteilig betroffen. Diese nachteilige Betroffenheit oder belastende Wirkung der Festsetzung des Immissionsrichtwertes stellt sich somit entgegen der Auffassung des Beklagten auch als Eingriff im Sinne des § 145 Satz 2 HGO dar. Hinsichtlich des Kompetenzkonfliktes macht es keinen Unterschied, ob die Ordnungsbehörde eine (nicht vollstreckbare) Anordnung oder eine verbindliche Feststellung trifft.

Im Einzelnen ergeben sich aus der Feststellung der Maßgeblichkeit eines bestimmten Immissionsrichtwertes für die Klägerin folgende rechtliche Konsequenzen: Die präjudizierende Wirkung dieser Feststellung gilt vor allem für die Qualifizierung des fraglichen Bereiches als reines Wohngebiet, die in der Festsetzung des nur für reine Wohngebiete geltenden Richtwertes von 50 dB (A) zum Ausdruck kommt. Weiterhin werden mit der Festlegung eines Immissionsrichtwertes von 50 dB (A) die Einwendungen der Klägerin abgeschnitten, dass die Bewohner der Häuser Buchwaldstraße 53 bis 55 wegen der Randlage innerhalb ihres Baugebietes Rücksicht auf das auf dem Nachbargrundstück als Hallenbad ausgewiesene Panoramabad nehmen und den von der A 661 ausgehenden Verkehrslärm gegen sich gelten lassen müssten. Die Feststellung, dass der Immissionsrichtwert von 50 dB (A) "für den Einwirkungsbereich des Panoramabades, 0,5 m vor den geöffneten Fenstern der Wohnhäuser Buchwaldstraße 51 - 55," gelte, enthält zugleich die Bestimmung, dass die Klägerin ihre immissionsschutzrechtlichen Verpflichtungen nur durch aktiven Schallschutz erfüllen kann mit der weiteren Folge, dass die passiven Schallschutzmaßnahmen, die die Klägerin nach den Darlegungen ihres Vertreters in der mündlichen Verhandlung bereits in die Wege geleitet hat, nach dem Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 1997 nicht geeignet wären, ihre aus diesem Bescheid resultierende Verpflichtungen zu erfüllen.

Das Verbot, durch Verwaltungsakt in die hoheitliche Verwaltungstätigkeit einer anderen Behörde einzugreifen, gilt grundsätzlich auch für die für den Vollzug des Immissionsschutzrechts zuständigen Behörden. Dieses Verbot kann allerdings - entsprechend den Vorbehalten in § 73 HVwVG und § 145 HGO - durch eine Rechtsvorschrift außer Kraft gesetzt werden (zu Beispielsfällen vgl. Götz, a.a.O., Rdnr. 224). Entgegen einer in der Rechtsprechung (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. April 2001, NUR 01, 464 <465>, und VG Berlin, Beschluss vom 20. Oktober 1982, UPR 84, 101 <102>) und in der Kommentarliteratur (vgl. Führ in: GK-BImSchG, Rdnr. 15 zu § 2 und - allerdings mit Einschränkungen - Stich/Porger, Immissionsschutzrecht des Bundes und der Länder, Band 1, Anm. 25 zu § 52 BImSchG) vertretenen Auffassung lässt sich dem Immissionsschutzrecht keine Regelung entnehmen, die die Immissionsschutzbehörden generell ermächtigt, gegenüber anderen Behörden Verwaltungsakte zu erlassen (vgl. Kutscheidt in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band 1, Rdnr. 3a zu § 2 BImSchG; Hess. VGH, Beschluss vom 7. März 1996 - 14 TG 3967/95 -, NVwZ 97, 304 <305 f.>).

Hierzu ist vorab klarzustellen, dass die spezielle Ermächtigung, gegen andere Hoheitsträger Verwaltungsakte erlassen zu dürfen, nicht aus den §§ 22 und 24 BImSchG hergeleitet werden kann. Diese Vorschriften begründen die materiell-rechtliche Befugnis der Immissionsschutzbehörden, gegen den Betreiber einer störenden Anlage vorgehen zu können. Für die kompetenzrechtliche Frage, ob sie auch gegen Hoheitsträger mit obrigkeitlichen Mitteln einschreiten dürfen, lässt sich aus den materiell-rechtlichen Normen nichts herleiten. Deshalb folgt die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten auch nicht allein aus dem Umstand, dass der Hoheitsträger Betreiber einer Anlage im Sinne des BImSchG ist. Daraus folgt die Verbindlichkeit des materiellen Immissionsschutzrechts, aber keine Befreiung der Immissionsschutzbehörde von dem grundsätzlichen Verbot des Erlasses von Verwaltungsakten gegenüber anderen Hoheitsträgern.

Für die Auffassung, dass Immissionsschutzbehörden zum Erlass von Verwaltungsakten gegenüber anderen Hoheitsträgern berechtigt sind, werden insgesamt vier Argumente ins Feld geführt, die sich aber bei näherer Betrachtung als nicht überzeugend erweisen: Zunächst wird geltend gemacht, der Einsatz der Immissionsschutzbehörden sei auch gegenüber hoheitlichen Anlagenbetreibern sinnvoll, weil sie über die erforderliche spezielle personelle und technische Ausstattung verfügten. Abgesehen davon, dass eine besondere Fachkunde einer Behörde zur Wahrnehmung einer Aufgabe nicht geeignet ist, eine gesetzliche Kompetenzordnung zu verdrängen, trifft dieser Aspekt auch in der Sache nicht zu. Denn es wurde eingangs dargelegt, dass die Immissionsschutzbehörden nicht gehindert sind, hoheitliche Anlagen zu überwachen, Ermittlungen durchzuführen, Empfehlungen auszusprechen und andere Behörden mit sachverständigem Rat zu unterstützen. Hierbei kann die Sachkunde und technische Ausstattung der Immissionsschutzbehörden genutzt werden.

Eine generelle Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten gegenüber anderen Hoheitsträgern wird - zweitens - mit dem Argument begründet, die Spezialvorschriften für Anlagen der Landesverteidigung (§§ 10 Abs. 11, 59 und 60 BImSchG) ließen den Umkehrschluss zu, dass die Immissionsschutzbehörden gegen alle anderen Hoheitsträger mittels Verwaltungsakt vorgehen dürften. Dieser Umkehrschluss ist allerdings nicht gerechtfertigt. Denn die oben zitierten Vorschriften befassen sich überhaupt nicht mit dem hier erörterten Kompetenzkonflikt. Um den entsprechenden Umkehrschluss ziehen zu können, müssten die oben zitierten Vorschriften den (allgemeinen) Immissionsschutzbehörden - ausnahmsweise - untersagen, mittels Verwaltungsakt gegen Behörden der Landesverteidigung vorzugehen. Diese Vorschriften betreffen aber andere Regelungsbereiche: Nach § 10 Abs. 11 BImSchG kann für Anlagen der Landesverteidigung ein von dem allgemeinen Genehmigungsverfahren (nach § 10 Abs. 1 bis 9 BImSchG i.V.m. der 9. BImSchV) abweichendes Verfahren zugelassen werden. Der Regelungsgegenstand des § 60 BImSchG ist ein Befreiungstatbestand. Bei Anlagen und Einrichtungen, die der Landesverteidigung dienen, gelten unter besonderen Voraussetzungen nicht die Bestimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes und der zur seiner Ausführung erlassenen Rechtsverordnungen. Die §§ 10 Abs. 11 und 60 BImSchG befreien also die Anlagen der Landesverteidigung in beschränktem Umfang von dem formellen und materiellen Immissionsschutzrecht. Will man aus diesen Vorschriften einen Umkehrschluss ziehen, dann ist nur der zulässig, dass für alle anderen hoheitlichen Anlagen das formelle Immissionsschutzrecht (Genehmigungsverfahren) und materielle Immissionsschutzrecht gilt (so z.B. für einen entsprechenden Umkehrschluss aus § 35 StVO: Denninger, a.a.O., Rdnr. 81).

§ 59 BImSchG schließlich ermächtigt die Bundesregierung, die Zuständigkeit für den Vollzug dieses Gesetzes bei Anlagen der Landesverteidigung auf Bundesbehörden zu übertragen, was durch Rechtsverordnung vom 9. April 1986 - 14. BImSchV - weitgehend geschehen ist. Die Übertragung nach dieser Vorschrift bewirkt einen Zuständigkeitswechsel. Die Kompetenz zum Vollzug des Immissionsschutzrechts liegt dann allein in der Hand der Bundesbehörde, so dass der hier erörterte Kompetenzkonflikt, ob die sonst für das Immissionsschutzrecht zuständigen Behörden Verwaltungsakte gegenüber Bundesbehörden erlassen dürfen, von vornherein nicht entstehen kann. § 59 BImSchG rechtfertigt allein den Umkehrschluss, dass es in allen anderen Fällen bei den - landesrechtlich bestimmten - Zuständigkeiten verbleiben soll. Rückschlüsse für Kompetenzkonflikte zwischen zwei Behörden lassen sich aus dieser Vorschrift nicht ableiten.

Hinzu kommt Folgendes: Mit den §§ 10 Abs. 11, 59 und 60 BImSchG wollte der Gesetzgeber nicht das Problem der Handlungskompetenzen zwischen mehreren "an sich" zuständigen Hoheitsträgern im Bereich des Immissionsschutzrechts abschließend regeln. Diese Bestimmungen sollen vielmehr das - offenkundige - Spannungsverhältnis zwischen den für die Landesverteidigung notwendigen, aber häufig immissionsträchtigten Anlagen der Bundeswehr einerseits und dem gesetzlichen Auftrag der Immissionsschutzbehörden andererseits lösen. Es entspricht im Übrigen einem besonderen Anliegen des Bundesgesetzgebers, das sich wie ein roter Faden durch das Ordnungsrecht des Bundes zieht, Sondervorschriften für die Bundeswehr zu erlassen (vgl. §§ 30 und 53 LuftVG; 35 StVO; 2 StVZ AusnV; 26 Abs. 2 BtMG; 25 I GastG; 58 KrW-/AbfG; 24 Abs. 3 AtG; 70 IfSchG; 40 Abs. 2 LMBG; 78 BSeuchenG und 23 BodSchG). Auch diese Zielsetzung verbietet es, die Spezialvorschriften für die Bundeswehr als Regelung oder gar abschließende Regelung der Frage aufzufassen, welche Handlungskompetenzen den (allgemeinen) Immissionsschutzbehörden gegenüber den hoheitlichen Betreibern von Anlagen zustehen.

Für eine Eingriffsbefugnis der Immissionsschutzbehörden in den hoheitlichen Tätigkeitsbereich einer anderen Verwaltungsbehörde wird - drittens - geltend gemacht, es sei nicht einsichtig, dass hoheitliche Anlagen einer Genehmigung bedürften, die zuständigen Immissionsschutzbehörden aber nicht in der Lage sein sollten, Auflagen und andere Anforderungen des Immissionsschutzrechts im Wege des Verwaltungsaktes durchzusetzen (Führ, a.a.O., Rdnr. 15). Richtig ist, dass der Gesetzgeber mit der Anordnung der Genehmigungspflicht für bestimmte Anlagen die Betreiber dieser Anlagen, auch wenn es sich um eine hoheitliche Anlage handelt, den mit dem Genehmigungsverfahren verbundenen Regularien unterworfen hat, so dass die Genehmigungsbehörde auch gegenüber Hoheitsträgern Auflagen anordnen, also belastende Verwaltungsakte erlassen darf. Wie weit diese Befugnis im Einzelnen reicht, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls ergibt sich daraus keine Notwendigkeit, Eingriffsbefugnisse der Immissionsschutzbehörden außerhalb des Genehmigungsverfahrens herzuleiten. Denn die Unterscheidung zwischen genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungspflichtigen Anlagen zieht eine grundlegende Trennungslinie durch das Immissionsschutzrecht. Mit der Anordnung der Genehmigungspflicht hat der Gesetzgeber bestimmte Anlagen einem Regime von Maßnahmen der Genehmigungsbehörde unterworfen, das für genehmigungsfreie Anlagen gerade nicht gilt. Deshalb besteht keine rechtliche Veranlassung, die mit dem Genehmigungsverfahren zwangsläufig verbundenen Eingriffsermächtigungen auf das weite Feld der Überwachung nicht genehmigungspflichtiger Anlagen zu übertragen.

Schließlich - und viertens - leitet der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschluss vom 3. April 2001, a.a.O., S. 465) eine Eingriffsbefugnis der Immissionsschutzbehörden gegenüber einem hoheitlichen Anlagenbetreiber aus der Zuständigkeitsregelung des Landes ab. Die Zuständigkeitsverordnung gehe von einer Anordnungsbefugnis aus, wenn sie vorschreibe, dass die Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde von der höheren wahrzunehmen seien, wenn die Gebietskörperschaft selbst Adressat einer Anordnung oder sonstigen Maßnahme sei. Es bestehen keine grundsätzlichen Bedenken, dass der hier erörterte Kompetenzkonflikt organisations- und damit landesrechtlich gelöst wird, soweit keine Bundesbehörden betroffen sind. Die im vorliegenden Verfahren angefochtenen Verwaltungsakte lassen sich jedoch aus zwei Gründen nicht auf die Hessische Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz in der hier noch maßgeblichen Fassung vom 21. Juli 1994 (GVBl. I S. 313) stützen. Zum einen enthält zwar § 2 Abs. 4 dieser Verordnung in der Sache eine ähnliche Regelung wie das baden-württembergische Landesrecht, verzichtet aber auf Begriffe wie Anordnung oder sonstige Maßnahmen (auch § 2 Abs. 2 der jetzt geltenden Fassung vom 22. August 1997 - GVBl. I S. 346 - beschränkt sich auf die Formulierung, dass das Regierungspräsidium anstelle des Kreisausschusses oder Magistrats zuständig ist, wenn ...). Zum anderen besteht der hier streitige Kompetenzkonflikt nur bei hoheitlich betriebenen Anlagen. Soweit eine Kommune eine Anlage außerhalb des Bereichs der hoheitlichen Verwaltung - gleichsam wie eine private Person oder Gesellschaft - unterhält, sind - wie eingangs dargelegt - die Eingriffsbefugnisse der für den Immissionsschutz zuständigen Behörden nicht eingeschränkt. Insoweit würde in jedem Fall ein Zuständigkeitsbereich verbleiben, in dem die Immissionsschutzbehörden belastende Verwaltungsakte gegenüber anderen Hoheitsträgern erlassen dürfen.

Nach allem bietet das Immissionsschutzrecht - soweit es nicht genehmigungspflichtige Vorhaben betrifft - keinen hinreichenden Anhalt, von dem allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts abzuweichen, dass Immissionsschutzbehörden keine belastenden Verwaltungsakte gegenüber Hoheitsträgern erlassen dürfen, soweit in deren hoheitliche Verwaltungstätigkeit eingegriffen wird.

Der Einwand des Beklagten, Ziffer 3 des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1997 sei ausdrücklich als bloße Empfehlung formuliert und deshalb nicht zu beanstanden, führt nicht zur Teilabweisung der Klage. Diese Empfehlung ist zwar - wegen der Änderung der Ziffer 2 des Bescheides vom 2. August 1995 - in den Tenor des Widerspruchsbescheides aufgenommen, enthält aber keine von der Feststellung in Ziffer 1 des Widerspruchsbescheides abtrennbare Regelung. Aus der Formulierung "Zur Einhaltung des unter Ziffer 1 genannten Immissionsrichtwertes wird als Abhilfemaßnahme ..." ergibt sich, dass dieser Hinweis eine Bedeutung nur in Verbindung mit der Ziffer 1 erlangen soll und deshalb ohne die Regelung in Ziffer 1 keinen rechtlichen Bestand haben kann. Dieser Hinweis wird mit der Aufhebung der Ziffer 1 gegenstandslos. Das Verwaltungsgericht hat deshalb den Widerspruchsbescheid zu Recht insgesamt aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Vollstreckbarkeitserklärung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Frage nach der Eingriffsbefugnis der Immissionsschutzbehörden gegenüber anderen Verwaltungsträgern als Betreiber hoheitlicher Anlagen grundsätzlich klärungsbedürftig ist (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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