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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.03.2006
Aktenzeichen: 22 TL 2270/05
Rechtsgebiete: HPVG


Vorschriften:

HPVG § 40 Abs. 3 S. 2
Bei der Auswahl der für eine Freistellung vorzuschlagenden Personalratsmitglieder sind die im Personalrat vertretenen Gewerkschaften und freien Listen entsprechend ihrem Stimmenanteil nach dem Verteilungsverfahren Hare-Niemeyer zu berücksichtigen.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

22 TL 2270/05

In dem verwaltungsgerichtlichen Beschlussverfahren

wegen Personalvertretungsrechts des Landes/Freistellung von Personalratsmitgliedern

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe, ehrenamtlichen Richter Hartung, ehrenamtlichen Richter Fiehler

ohne mündliche Anhörung am 16. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel - Fachkammer für Personalvertretungssachen nach dem HPVG - vom 1. Juni 2005 - 23 L 1447/04 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Im vorliegenden Verfahren streiten der Antragsteller und der beteiligte Personalrat beim Polizeipräsidium Nordhessen über den Auswahlmodus der für eine Freistellung vorzuschlagenden Personalratsmitglieder.

In der vom 10. bis 14. Mai 2004 beim Polizeipräsidium Nordhessen durchgeführten Personalratswahl waren 15 Mitglieder zu wählen, und zwar für die Gruppe der Beamten/innen 9/1 Vertreter/in, für die Gruppe der Angestellten 1/2 Vertreter/innen und für die Gruppe der Arbeiter/innen 1/1 Vertreter/in.

Von den für die Gruppe der Beamten/innen abgegebenen 1.091 Stimmen entfielen bei 20 ungültigen Stimmzetteln auf die Liste der GdP 791, auf die Liste der DPolG 129 und auf die Liste des BdK 151 Stimmen. Zur Ermittlung der Verteilung der 10 der Beamtengruppe zustehenden Sitze wurde die Zahl der auf jede Liste entfallenen Stimmen mit der Zahl der Gruppensitze multipliziert und das Ergebnis durch die Zahl der für die Beamtengruppe insgesamt abgegebenen Stimmen geteilt, wobei sich die jeweiligen Sitzzahlen aus den errechneten ganzen Zahlen und den verbleibenden Zahlenbruchteilen ergab. Danach stellte die GdP 7, die DPolG 1 und der BdK 2 Personalratsmitglieder; der Antragsteller wurde erstes Personalratsmitglied der Liste des BdK.

In der konstituierenden Personalratssitzung vom 26. Mai 2004 wurde der Antragsteller zu einem von 7 Stellvertretern/innen des Personalratsvorsitzenden gewählt.

In der ersten Arbeitssitzung des Personalrats am 2. Juni 2004 fand die hier streitige Auswahl der für eine Freistellung vorzuschlagenden Personalratsmitglieder statt.

Der besuchsweise anwesende Beteiligte zu 1. wies darauf hin, dass vor dem Hintergrund des neuen Hessischen Personalvertretungsgesetzes (HPVG) kleinere Berufsvertretungen bei der Freistellung beteiligt werden müssten. Er habe von der kontroversen Diskussion über die Freistellungsproblematik gehört und wisse, dass sowohl ein Berechnungsverfahren nach Hare-Niemeyer als auch nach d`Hondt möglich sei, wobei seiner Auffassung nach das Hare-Niemeyer-Verfahren dem Willen des Gesetzgebers eher entspreche.

Nachdem auch der Personalratsvorsitzende beide Verfahren für zulässig erklärt hatte, beantragte der Antragsteller entsprechend einem von ihm schriftlich übergebenen Vorschlag, das Verfahren Hare-Niemeyer anzuwenden, weil dieses der Vorstellung des Gesetzgebers bei der Neufassung des § 40 HPVG entspreche und auch bei der Sitzverteilung im neugewählten Personalrat zur Anwendung gekommen sei.

Nachdem die Gruppenvertreter der Angestellten und der Arbeiter/innen auf eine Freistellung verzichtet und der Personalratsvorsitzende festgestellt hatte, dass dem Personalrat vier Freistellungen zustünden, weil die Beschäftigtenzahl in der Regel über 2.000 Mitarbeiter liege, beschloss der Personalrat auf Antrag der GdP-Liste mit 11:4 Stimmen, das Verfahren nach d`Hondt anzuwenden. Danach entfielen die vier Freistellungen auf die Liste der GdP; die freizustellenden Personalratsmitglieder dieser Liste wurden dann namentlich benannt und per Mehrheitsbeschluss mit 11:4 Stimmen bestimmt.

Daraufhin hat der Antragsteller am 8. Juni 2004 beim Verwaltungsgericht Kassel das vorliegende Beschlussverfahren mit dem Ziel eingeleitet, die Rechtswidrigkeit dieser Beschlüsse des beteiligten Personalrats vom 2. Juni 2004 festzustellen, den Beteiligten zu 1. zu verpflichten, die beantragten Freistellungen abzulehnen, und den Beteiligten zu 2. zu verpflichten, mit einem neuen Beschluss die freizustellenden Mitglieder nach dem Berechnungsverfahren Hare-Niemeyer zu bestimmen.

Zur Begründung hat er im Wesentlichen vortragen lassen:

Die Auswahl der Freistellungsberechtigten durch den Beteiligten zu 2. entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers bei der Neufassung des § 40 HPVG. Nach der Gesetzesbegründung sollten die Vorschlagslisten entsprechend ihrem Stimmenanteil berücksichtigt werden, was nach dem geltenden Wahlmodus (Hare-Niemeyer) bedeute, dass das Wahlergebnis der Liste mit der Gesamtzahl der möglichen Freistellungen zu multiplizieren und das Produkt durch die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen zu teilen sei, so dass die Freistellungen zunächst auf die Listen entfielen, bei denen diese Rechnung zu ganzen Zahlen führe, sodann auf diejenigen mit dem höchsten Zahlenbruchteil; der Vorsitzende komme bei seiner Liste in Anrechnung. Dieser Gesetzesänderung sei eine Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. November 1993 vorausgegangen, der in einem anderen Zusammenhang zu dem Schluss gekommen sei, dass die Anwendung des Verfahrens d`Hondt dem Minderheitenschutz, der dem Personalvertretungsrecht zu Grunde liege, zuwiderlaufe. Das vom Hessischen Gesetzgeber bei der Novellierung des Personalvertretungsgesetzes als Wahlmodus zu Grunde gelegte Hare-Niemeyer-Berechnungsverfahren sei deshalb durchgehend auf alle Berechnungen nach dem HPVG anzuwenden. Der Personalrat könne nicht durch einen Mehrheitsbeschluss seiner Entscheidung eine Berechnung nach d`Hondt zu Grunde legen und sich so über die Vorgaben des Gesetzes hinwegsetzen. Dadurch habe die stärkste Liste sämtliche Freistellungen für sich in Anspruch genommen, was vom gesetzgeberischen Willen nicht gedeckt sei. Bei einer Vorgehensweise nach Hare-Niemeyer hätte er, der Antragsteller, zur Freistellung vorgeschlagen werden müssen, weil er auf Listenplatz 1 des BdK stehe.

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, dass die Beschlüsse des Beteiligten zu 2. vom 2. Juni 2004 bezüglich der Freistellungen rechtswidrig seien.

Der Beteiligte zu 2. hat beantragt,

den Antrag abzulehnen,

und hat zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht:

Der Personalrat sei bei der Auswahl der freizustellenden Personalratsmitglieder nach § 40 Abs. 3 Satz 2 HPVG zwar nicht völlig frei, sondern müsse demokratische Grundsätze für diese Entscheidung zu Grunde legen. Dem trage aber auch eine Mehrheitsentscheidung nach dem Verteilungsverfahren d`Hondt in vollem Umfang Rechnung. Der Gesetzgeber habe in der Begründung der Gesetzesänderung zwar das Verfahren nach Hare-Niemeyer erwähnt, dies aber im Gesetz selbst nicht ausdrücklich vorgeschrieben; es stelle damit lediglich einen Vorschlag des Gesetzgebers dar. Es liege deshalb in der Entscheidungskompetenz des Personalrats, jedes geeignete Berechnungsverfahren anzuwenden, welches demokratischen Grundsätzen entspreche, z.B. auch eine prozentuale Berechnung oder das Verfahren nach d`Hondt. Dieses widerspreche auch nicht dem Minderheitenschutz.

Da in § 40 Abs. 3 Satz 2 HPVG ein Berechnungsverfahren nicht vorgeschrieben sei, sei zur Schließung dieser Lücke das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) heranzuziehen, wonach gemäß § 46 Abs. 3 Satz 3 BPersVG für Freistellungen die auf die einzelnen Wahlvorschlagslisten entfallenen Stimmen im Wege des Höchstzahlverfahrens nach d`Hondt zu berücksichtigen seien. Auf diese Weise werde dem Wählerwillen auch in Bezug auf die Freistellungen und werde dem Minderheitenschutz dadurch Rechnung getragen, dass die auf eine Minderheit entfallenen Stimmen nicht verloren gingen.

Der Beteiligte zu 1. hat dem Antragsteller in Ergebnis und Argumentation zugestimmt. Der Gesetzgeber sei in der Begründung des Gesetzentwurfs vom Wahlverfahren Hare-Niemeyer ausgegangen und in der Änderung der Wahlordnung zum HPVG sei für die Ermittlung der Sitzverteilung dieses Verfahren festgelegt worden. Der Mehrheitsbeschluss des Beteiligten zu 2. zur Anwendung des Verfahrens d`Hondt erscheine deshalb gesetzeswidrig und missbräuchlich. Er sehe jedoch keine Möglichkeit, die beantragten Freistellungen aus diesem Grunde abzulehnen, denn ihm stehe die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Personalratsbeschlusses nicht zu. Die Auswahl der freizustellenden Mitglieder sei allein Sache des Personalrats. Auf die telefonische Verfügung des Kammervorsitzenden werde er jedoch vorläufig nur drei Personalratsmitglieder freistellen.

Das Verwaltungsgericht Kassel - Fachkammer für Personalvertretungssachen nach dem HPVG - hat mit Beschluss vom 1. Juni 2005 - 23 L 1447/04 - festgestellt, dass die Beschlüsse des Beteiligten zu 2. vom 2. Juni 2004 bezüglich der Freistellungen rechtswidrig seien, und hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Wie die in § 40 Abs. 3 Satz 2 HPVG vorgeschriebene Berücksichtigung der Listen bei der Verteilung der Freistellungen erfolgen solle, sei im Gesetz nicht geregelt. Deshalb liege es in der Entscheidungskompetenz des Personalrates, jedes geeignete Berechnungsverfahren zu Grunde zu legen. Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2. sei er dabei aber nicht frei, sondern an die gesetzlichen Vorgaben des § 40 Abs. 3 Satz 2 HPVG gebunden, wonach er den Stimmenanteil der Listen zu berücksichtigen habe. Das im vorliegenden Fall angewandte Verfahren nach d`Hondt führe zur Freistellung allein von Personalratsmitgliedern der Liste mit dem stärksten Stimmenanteil; sogar eine weitere Freistellung würde ebenfalls von dieser Liste besetzt werden. Zwar müsse das in den Motiven zur Gesetzesänderung angeführte Verfahren Hare-Niemeyer nicht zwangsläufig zur Anwendung kommen, für die Kammer stehe aber fest, dass jedenfalls die nach d`Hondt durchgeführte Ermittlung der Freistellungen im vorliegenden Fall dem § 40 Abs. 3 Satz 2 HPVG nicht entspreche, zumal ein sachlicher Grund dafür, die Stimmenanteile unberücksichtigt zu lassen, weder vorgetragen noch sonst zu erkennen sei.

Gegen den seinen Verfahrensbevollmächtigten am 26. Juli 2005 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 2. am 24. August 2005 Beschwerde einlegen und diese am 20. September 2005 im Wesentlichen folgendermaßen begründen lassen:

Es liege allein im Ermessen des Personalrates, welches der den demokratischen Grundsätzen entsprechenden Wahlsysteme er anwenden wolle, denn § 40 Abs. 3 Satz 2 HPVG weise lediglich darauf hin, dass Gewerkschaften und freie Listen entsprechend ihrem Stimmenanteil zu berücksichtigen seien, nicht aber, wie dies zu erfolgen habe. Das d`Hondt`sche Wahlsystem sei ein allgemein anerkanntes Wahlsystem, welches demokratischen Grundsätzen entspreche und auch dem Rechtsgedanken des Minderheitenschutzes nicht widerspreche, denn es beruhe auf dem Verhältniswahlsystem, bei dem die auf die Minderheit entfallenen Stimmen dadurch berücksichtigt würden, dass die jeweiligen Stimmenanteile in ein Verhältnis zueinander gesetzt würden. Allein der Umstand, dass sich der in diesem Wahlsystem enthaltene Minderheitenschutz vorliegend im Auswahlergebnis nicht widerspiegele, mache dessen Anwendung nicht rechtswidrig. Es sei nicht auf den Einzelfall abzustellen, sondern auf die generelle Geeignetheit eines Wahlsystems, die auch für das Verfahren nach d`Hondt zu bejahen sei. Zwar werde in der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 40 HPVG das Verfahren nach Hare-Niemeyer vorgeschlagen, dieses sei aber im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, so dass die fehlende Festlegung auf ein bestimmtes Wahlverfahren gesetzlich gewollt sei und damit der Entscheidung des Personalrats überlassen bleiben sollte.

Eine Pflicht zur Anwendung des Verfahrens Hare-Niemeyer ergebe sich auch nicht aus der Heranziehung der Grundsätze der Wahlordnung für die Wahl der Personalratsmitglieder, da die Auswahl für die Beantragung der Freistellungen keinen Wahlvorgang darstelle. Dem Personalrat stehe bei dieser Auswahl ein Ermessensspielraum zu, wonach auch subjektive Voraussetzungen der für die Freistellung Vorzuschlagenden berücksichtigt werden könnten, wie spezielle Fähigkeiten, bestimmte Kenntnisse oder die Aufgabenverteilung innerhalb des Personalrates. Schließlich sei die bestehende Regelungslücke hinsichtlich des Wahlmodus durch Heranziehung des Bundespersonalvertretungsgesetzes zu schließen.

Der Beteiligte zu 2. beantragt - sinngemäß -,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel - Fachkammer für Personalvertretungssachen nach dem HPVG - vom 1. Juni 2005 - 23 L 1447/04 - abzuändern und den Antrag des Antragstellers abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

und macht zur Begründung noch u. a. geltend:

Auch wenn es sich bei dem Wahlsystem d`Hondt um ein allgemein anerkanntes Wahlsystem handele, entspreche es der gesetzlichen Vorgabe des § 40 Abs. 3 Satz 2 HPVG nicht, weil es dem Rechtsgedanken des Minderheitenschutzes nicht gerecht werde. Zudem werde auch in der Kommentarliteratur vorgeschlagen, für die Verteilung der Freistellungen auf die Gruppen und auf die konkurrierenden Gewerkschaften und freien Listen zweckmäßigerweise schon aus Gründen der Einheitlichkeit das auch für die Personalratswahl geltende Verfahren Hare-Niemeyer anzuwenden, da derzeit offensichtlich kein anderer Modus zur Verfügung stehe, der dem Minderheitenschutz gerecht werde. Im vorliegenden Fall führe die Berechnung nach d`Hondt zur Freistellung nur von Personalratsmitgliedern aus der stärksten Liste, so dass der vom Gesetzgeber geforderte Minderheitenschutz verletzt werde. Der Hinweis in der Beschwerdebegründung auf die Berücksichtigung subjektiver Voraussetzungen für die Freistellung gehe fehl, weil der Personalrat zum einen hiervon offensichtlich keinerlei Gebrauch habe machen wollen und zum anderen auch nicht ersichtlich sei, dass bei ihm, dem Antragsteller, insoweit "Ausschlusskriterien" vorliegen könnten. Hinsichtlich der Festlegung eines Wahlmodus bestehe auch keine bundesrechtlich zu schließende Regelungslücke.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens des Antragstellers und der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte verwiesen.

II.

Der Fachsenat kann über die Beschwerde im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 111 Abs. 3 HPVG i.V.m. § 90 Abs. 2 und § 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG ohne mündliche Anhörung entscheiden.

Die gemäß § 111 Abs. 3 HPVG i.V.m. § 87 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 1 ArbGG zulässige und insbesondere rechtzeitig am 24. August eingelegte und am 20. September 2005 begründete Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht Kassel mit dem angefochtenen Beschluss vom 1. Juni 2005 dem Antrag im Ergebnis zu Recht stattgegeben und festgestellt hat, dass die Beschlüsse des Beteiligten zu 2. vom 2. Juni 2004 bezüglich der Freistellungen rechtswidrig waren.

Die Vorschrift des § 40 Abs. 3 Satz 2 HPVG ist entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2. dahin auszulegen, dass bei der Auswahl der neben dem/der Vorsitzenden für eine Freistellung vorzuschlagenden Personalratsmitglieder die im Personalrat vertretenen Gewerkschaften und freien Listen entsprechend ihrem Stimmenanteil nach dem Berechnungssystem Hare-Niemeyer auszuwählen sind.

Das ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift, wohl aber aus einer an den Gesetzesmaterialien, an der systematischen Einordnung der Vorschrift und an deren Sinn und Zweck orientierten Auslegung.

Satz 2 des § 40 Abs. 3 HPVG ist mit Wirkung vom 1. Mai 2004 durch das Zweite Gesetz zur Beschleunigung von Entscheidungsprozessen innerhalb der öffentlichen Verwaltung vom 18. Dezember 2003 (GVBl. I. S. 494 ff.) in den § 40 Abs. 3 HPVG eingefügt worden.

In der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU vom 1. Juli 2003 (LT/Ds. 16/317) ist dazu u. a. ausgeführt:

"Begründung:

A. Allgemeines

...

Schließlich sollen die Freistellungen zukünftig dadurch gerechter zwischen den Listen verteilt werden, dass sie entsprechend dem Anteil der bei der Wahl erzielten Stimmen erfolgen.

B. Im Einzelnen

...

Zu Art. 1 Nr. 3 (§ 40):

Nach den bisherigen Bestimmungen wird über die Freistellung von Personalratsmitgliedern mit einfacher Mehrheit entschieden. Dies hat zur Folge, dass die stärkste Liste alle Freistellungen für sich in Anspruch nehmen kann. Damit hier eine gerechtere Verteilung erfolgt und auch andere Listen zum Zuge kommen, ist vorgesehen, dass die Vorschlagslisten entsprechend ihrem Stimmenanteil zu berücksichtigen sind. Nach dem geltenden Wahlmodus (Hare-Niemeyer) bedeutet dies, dass das Wahlergebnis der Liste mit der Gesamtzahl der möglichen Freistellungen zu multiplizieren und das Produkt durch die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen zu teilen ist. Die Freistellungen entfallen zunächst auf die Listen, bei denen diese Rechnung zu ganzen Zahlen führt, sodann auf diejenigen mit dem höchsten Zahlenbruchteil (vgl. anl. Berechnungsbeispiele). Der Vorsitzende kommt bei seiner Liste in Anrechnung.

...

Berechnungsbeispiele zu § 40 Abs. 3 (neu):

Nach der neuen Fassung des § 40 Abs. 3 sind Freistellungen nach folgender Formel zu berechnen (Verfahren Hare-Niemeyer):

..."

Daraus ergibt sich der eindeutige Wille des Gesetzgebers, das Verfahren Hare-Niemeyer auch im Rahmen des § 40 Abs. 3 Satz 2 HPVG anzuwenden. Dabei sieht der Gesetzgeber diese Auswahl der für eine Freistellung vorzuschlagenden Personalratsmitglieder als einen Wahlvorgang an, auf den ein wahlrechtliches Verteilungsverfahren anzuwenden ist, wie sein Hinweis auf den "Wahlmodus" Hare-Niemeyer zeigt.

Unter systematischen Gesichtspunkten - die der Gesetzgeber danach ebenfalls im Auge hatte - kommt hinzu, dass als Folge der Beratungen zum Ersten Beschleunigungsgesetz vom 6. Juli 1999 (GVBl. I S. 338 ff.) durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Wahlordnung zum HPVG vom 4. Februar 2000 (GVBl. I S. 98 ff.) mit Wirkung zum 29. Februar 2000 in § 5 Abs. 2 und § 24 Abs. 1 WO - HPVG das Auszählverfahren für die Verteilung der den Gruppen zustehenden Sitze und der gewählten Mitglieder entsprechend den Stimmanteilen der Listen von dem System d`Hondt auf das Verfahren nach Hare-Niemeyer umgestellt worden ist. Das spricht im Sinne einer einheitlichen Handhabung im Rahmen des HPVG dafür, nicht nur die Verteilung der Personalratssitze nach Gruppen und Listen, sondern auch die der freizustellenden Mitglieder nach demselben Verteilungssystem, nämlich nach Hare-Niemeyer, vorzunehmen.

Schließlich spricht dafür auch Sinn und Zweck der neu eingeführten Regelung in § 40 Abs. 3 Satz 2 HPVG.

Zu dem Verfahren nach Hare-Niemeyer hatte der Senat bereits mit Beschluss vom 4. November 1993 (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 4. November 1993 - TK 1734/93 - ESVGH 44 S. 102 ff. = PersR 1994 S. 327 ff. = juris, Rdnr. 36) ausgeführt:

"Der Senat hat allerdings erhebliche Zweifel daran, ob das von dem Verordnungsgeber vorgeschriebene d`Hondt`sche System von der gesetzlichen Ermächtigung in § 17 Abs. 1 BPersVG gedeckt wird. § 17 Abs. 2 BPersVG bestimmt zwar, daß die Verteilung der Sitze auf die Gruppen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu erfolgen hat. Um aber dem gesetzlichen Gebot des § 17 Abs. 1 Satz 1 BPersVG gerecht zu werden, das die Vertretung jeder Gruppe im Personalrat entsprechend ihrer Stärke zwingend vorschreibt ("muß"), ist für die Verteilung unter den anerkannten Verhältniswahlsystemen dasjenige auszuwählen, das diesem Gebot am ehesten gerecht wird.

Das ist das Verhältniswahlsystem nach Hare-Niemeyer, dessen Verteilungsmaßstab, anders als beim d`Hondt`schen System, die zu verteilenden Sitze sind. Außerdem hat das d`Hondt`sche System die Tendenz die größeren gegenüber den kleineren Gruppen zu bevorzugen ..., was sich bei Gremien mit verhältnismäßig wenigen Mitgliedern wie den Personalvertretungen stärker auswirkt als bei großen Gremien. Dadurch läuft die Sitzverteilung nach dem d`Hondt`schen System auch dem Minderheitenschutz zuwider, der dem Personalvertretungsrecht zugrunde liegt."

Dadurch, dass der Gesetzgeber nach dieser obergerichtlichen Entscheidung sowohl die Wahlordnung im Jahre 2000 auf das Verfahren Hare-Niemeyer umgestellt und im Jahre 2003 für das Auswahlverfahren der freizustellenden (nach dem Verfahren Hare-Niemeyer bestimmten) Personalratsmitglieder zwingend vorgeschrieben hat, dass diese "entsprechend ihrem Stimmenanteil zu berücksichtigen" sind und dabei in der Begründung als heranzuziehendes Verfahren nur "den geltenden Wahlmodus (Hare-Niemeyer)" für die Berechnungsbeispiele verwendet und dabei ausdrücklich formuliert hat, dass nach der neuen Fassung des § 40 Abs. 3 HPVG die Freistellungen nach folgender Formel (Verfahren Hare-Niemeyer) zu berechnen "sind", wird hinreichend deutlich, dass dieses Verfahren nach dem gesetzgeberischen Willen, nach dem System des HPVG und nach Sinn und Zweck der neu eingefügten Vorschrift trotz des nicht eindeutigen Wortlautes grundsätzlich anzuwenden ist und ein Ermessenspielraum des Personalrates insoweit nicht mehr besteht.

Nach der von § 46 Abs. 3 Satz 3 BPersVG ("Bei weiteren Freistellungen sind die auf die einzelnen Wahlvorschlagslisten entfallenden Stimmen im Wege des Höchstzahlverfahrens zu berücksichtigen") abweichenden, nämlich enger auf die Stimmanteile der Listen abstellenden Fassung des neu in § 40 Abs. 3 HPVG eingefügten Satzes 2 und dem dadurch im obigen Sinne hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers erscheint die vom Beteiligten zu 2. herangezogene Auffassung nicht (mehr) vertretbar, dass jedes geeignete Berechnungsverfahren herangezogen werden könne und dies allein in der Entscheidungskompetenz des Personalrates liege, so dass z. B. auch eine prozentuale Berechnung oder auch das Verfahren nach d`Hondt angewandt werden könne (so aber: Dobler, in v. Roetteken/Rothländer, Hessisches Bedienstetenrecht, 7. Aufl., Stand: Januar 2006, Rdnr. 101 zu § 40 HPVG; VG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27. September 2004 - 23 L 3458/04 - PersV 2005 S. 179 ff., juris LS).

Ob danach die Anwendung des Verfahrens nach Hare-Niemeyer zwingend und ohne Ausnahmemöglichkeit vorgeschrieben oder entsprechend einer Soll-Vorschrift im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses als das "am ehesten dem Minderheitenschutzes gerecht werdende Verfahren" (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 4. November 1993 a. a. O.) nur in der Regel heranzuziehen ist und in besonders gelagerten Ausnahmefällen aus sachlichen, an dem Zweck der Freistellung orientierten und tragende Grundsätze des Personalvertretungsrechts berücksichtigenden Gründen Abweichungen möglich sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 1984 - 6 P 30/83 - Buchholz 238.3 A § 46 BPersVG Nr. 14 = juris, Rdnrn. 15 ff., zu der allerdings abweichenden Regelung des § 46 Abs. 3 Satz 2 BPersVG zur Auswahl unter den Vorstandsmitgliedern, für die eine Berücksichtigung der Gruppengröße oder Stimmenanteile dort nicht vorgeschrieben ist), kann hier letztlich offen bleiben. Solche besonderen Gründe hat nämlich der Beteiligte zu 2. weder seinen angegriffenen Beschlüssen zu Grunde gelegt noch im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht; sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

Danach ist die Beschwerde des Beteiligten zu 2. zurückzuweisen.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 111 Abs. 3 HPVG i.V.m. § 92 Abs. 1 und § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen, weil es um die Auslegung spezifischen Landesrechts geht.

Ende der Entscheidung

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