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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.05.2000
Aktenzeichen: 22 TL 4241/99
Rechtsgebiete: BPersVG


Vorschriften:

BPersVG § 9 Abs. 4
Die Übernahme Auszubildender gemäß § 9 Abs. 4 BPersVG ist nicht schon deswegen unzumutbar, weil aufgrund der in einer Koalitionsvereinbarung zum Ausdruck gebrachten Absicht, eine Behörde aufzulösen, ein verwaltungsinterner Einstellungsstopp verfügt wird.
Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1. nach Abschluss ihrer Ausbildung als Vermessungstechnikerin bei dem Amt für Regionalentwicklung, Landschaftspflege und Landwirtschaft Bad Hersfeld. Sie war Vorsitzende der Bezirksjugend- und Auszubildendenvertretung bei dem Hessischen Landesamt für Regionalentwicklung und Landwirtschaft. Sie legte Ende Juni 1999 ihre Abschlussprüfung ab.

Mit Schreiben vom 6. April 1999 - eingegangen beim Hessischen Landesamt für Regionalentwicklung und Landwirtschaft am 8. April 1999 - beantragte sie ihre Weiterbeschäftigung nach Beendigung ihres Ausbildungsverhältnisses.

Am 24. Juni 1999 hat das Hessische Landesamt für Regionalentwicklung und Landwirtschaft bei dem Verwaltungsgericht Kassel beantragt festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis mit der Beteiligten zu 1. nicht begründet wird. Der Antrag wurde von dem Leiter der Abteilung 1 dieser Behörde unterschrieben.

Bei der Anhörung vor dem Verwaltungsgericht am 15. September 1999 hat der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass das mit der Beteiligten zu 1. begründete Arbeitsverhältnis aufgelöst ist.

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom selben Tage dem Antrag stattgegeben.

Gegen den am 30. November 1999 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1. am 20. Dezember 1999 Beschwerde eingelegt, die sie nach Verlängerung der Beschwerdefrist um einen Monat am 7. Februar 2000 begründet hat. Sie vertritt die Ansicht, es liege kein wirksamer Antrag nach § 9 Abs. 4 BPersVG bzw. § 65 Abs. 4 HPVG vor. Im Übrigen habe der Arbeitgeber nicht nachgewiesen, dass keine freie Stelle vorhanden sei. Außerdem könne ein Einstellungsstop, wie er in der Form des Erlasses des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten vom 6. Mai 1999 ergangen sei, ihrem Übernahmeverlangen nicht entgegengehalten werden. Maßgeblich sei vielmehr die von der Landesregierung festgelegte Möglichkeit, bis zu 10 % der freien und freiwerdenden Stellen für Neueinstellungen und Übernahmen in den Landesdienst zu verwenden. Da etwa 210 Beschäftigte im Geschäftsbereich des Hessischen Landesamtes für Regionalentwicklung und Landwirtschaft zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr ständen und im Jahr 1999 aus Altersgründen neben weiteren Beschäftigten ausgeschieden seien, dürfte für eine Einstellungsmöglichkeit im Rahmen der 10-prozentigen Wiederbesetzungsregelung genügend Spielraum bestanden haben.

Die Beteiligte zu 1. beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 15. September 1999 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor, bei Beendigung des Ausbildungsverhältnisses der Beteiligten zu 1. sei beim Amt für Regionalentwicklung, Landschaftspflege und Landwirtschaft in Bad Hersfeld eine ausbildungsbezogene Stelle unbesetzt gewesen. Im Bereich des Landesamtes für Regionalentwicklung und Landwirtschaft seien in dem Zeitpunkt, in dem das Ausbildungsverhältnis der Beteiligten zu 1. geendet habe, 30 Stellen frei gewesen, darunter 11 im mittleren Dienst, so dass die Übernahme der Beteiligten zu 1. unter haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten möglich gewesen sei. Die vorhandene ausbildungsbezogene Stelle habe jedoch wegen des Erlasses des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten vom 6. Mai 1999 nicht besetzt werden können. Durch diesen Erlass sei wegen der in der Koalitionsvereinbarung zwischen den Regierungsparteien vorgesehenen Auflösung des Hessischen Landesamtes für Regionalentwicklung und Landwirtschaft und der vorgesehenen Verwaltungsreform ein allgemeiner Einstellungsstop verfügt worden. Konkretisierungen der Koalitionsvereinbarung seien allerdings erstmals nach dem 28.06.1999, also nach Beendigung der Ausbildung der Beteiligten zu 1., erfolgt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die von ihnen vorgelegten Unterlagen verwiesen.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg.

Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 1. ist der Antrag des Antragstellers allerdings wirksam gestellt worden. Für das Land Hessen als Arbeitgeber handelt in Verfahren nach § 9 Abs. 4 Bundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG - (in Hessen gemäß § 107 BPersVG entsprechend anwendbar) derjenige, der den Dienstherrn gerichtlich zu vertreten hat (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1994 - 6 P 48/93 - NVwZ-RR 1995, 330 = PersR 1995, 174 = PersV 1995, 232, und Beschluss vom 18. September 1996 - 6 P 16/94 - PersR 1997, 161 = PersV 1998, 335). Das Land Hessen wird gemäß Art. 103 Hessische Verfassung - HV - durch den Ministerpräsidenten vertreten, der seine Vertretungsbefugnis auf den zuständigen Minister oder nachgeordnete Stellen übertragen kann. Die Übertragung auf den Hessischen Minister des Innern und für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz war durch die Anordnung des Hessischen Ministerpräsidenten über die Vertretung des Landes Hessen vom 17. September 1996 (StAnz. S. 3230) erfolgt. Der Minister hat durch Anordnung vom 18. Juni 1997 (StAnz. S. 1954 in der Fassung der Anordnung vom 8. Dezember 1998, StAnz. S. 4042) die Vertretungsbefugnis in Verfahren vor den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit der Dienststelle übertragen, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat oder die für die Angelegenheit zuständig ist (Abschnitt II Nr. 8). Für die Einstellung von Angestellten im Bereich des Hessischen Landesamtes für Regionalentwicklung und Landwirtschaft war diese Dienststelle zuständig, so dass sie in diesem Verfahren zur Vertretung des Landes Hessen vor den Verwaltungsgerichten befugt war. Der Leiter der Abteilung 1, der die Antragsschrift unterzeichnet hat, war nach § 5 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Hessischen Landesamtes für Regionalentwicklung und Landwirtschaft vom 29. Juni 1994 (StAnz. S. 1916) als dienstältester Abteilungsleiter nach der Geschäftsverteilung zur Vertretung des Präsidenten berufen, falls dieser und dessen ständiger Vertreter verhindert waren. Da der Antragsteller unwidersprochen vorgetragen hat, diese Verhinderung habe vorgelegen, ist der Antrag von dem zuständigen Beamten unterzeichnet worden. Der Umstand, dass nicht "in Vertretung", sondern "im Auftrag" unterzeichnet wurde, ändert daran nichts, denn ein unzutreffender Zusatz führt nicht zur Unwirksamkeit der Unterschrift. Deshalb ist es unerheblich, dass der Leiter der Abteilung 1 davon ausgegangen sein soll, er habe auch dann "im Auftrag" zu zeichnen, wenn er als Vertreter des Präsidenten unterschreibe, weil er nicht dessen ständiger Vertreter sei.

Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrages ergeben sich auch nicht daraus, dass der Antrag mit dem Briefkopf des Hessischen Landesamtes für Regionalentwicklung und Landwirtschaft gestellt wurde, denn es bedarf keiner Erörterung, dass die Behörden des Landes Hessen, soweit sie im Rechtsverkehr unter ihrer Behördenbezeichnung tätig werden, für das Land Hessen handeln.

Der danach wirksam gestellte Antrag hat keinen Erfolg, weil keine Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Land Hessen unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1. nicht zugemutet werden konnte (§ 9 Abs. 4 BPersVG). Die haushaltsgesetzlichen Beschränkungen durch § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Hessen für die Haushaltsjahre 1998 und 1999 vom 18. Dezember 1997 (GVBl. S. 418), im folgenden: Haushaltsgesetz 1998/99, hinderten nicht, dass zwischen dem Land Hessen und der Beteiligten zu 1. im Anschluss an deren erfolgreiche Berufsausbildung ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet wurde (§ 9 Abs. 2 BPersVG). Nach dieser Gesetzesvorschrift durften freie und freiwerdende Stellen mit Ausnahme von für die Ausbildung bestimmten Stellen vorläufig nicht wieder besetzt werden. Die Bestimmung enthielt jedoch eine Ermächtigung für die Landesregierung zum Erlass näherer Bestimmungen über die Wiederbesetzung der gesperrten Stellen. Die Landesregierung hat durch Kabinettsbeschluss vom 19. Januar 1999 festgelegt, dass der Einstellungsstop 1998 (Beschlussfassung des Kabinetts vom 30. Juni 1998) im Haushaltsjahr 1999 mit gewissen Modifikationen fortgesetzt wird. Unter anderem wurde folgendes festgelegt:

"Neueinstellungen und Übernahmen in den Landesdienst können ... in Höhe von bis zu zehn v.H. der im Haushaltsjahr 1999 freiwerdenden Stellen vorgenommen werden. Soweit der Einstellungskorridor 1998 nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen wurde, können im Haushaltsjahr 1999 hierauf noch zusätzliche Einstellungen bzw. Übernahmen erfolgen."

Der Antragsteller hat selbst dargelegt, es seien 30 Stellen im Bereich des Landesamtes frei gewesen, als die Beteiligte zu 1. ihre Ausbildung beendete, darunter 11 Stellen des mittleren Dienstes, so dass im Rahmen der 10-prozentigen Wiederbesetzungsmöglichkeiten eine Übernahme der Beteiligten zu 1. möglich gewesen sei.

Der Erlass des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten vom 6. Mai 1999 (I A 69-55 a-2151/99), durch den verfügt worden war, dass auf Grund der geplanten Umstrukturierung in der Regionalentwicklungs- und Agrarverwaltung keine neuen Stellenbesetzungen möglich seien, so dass der Einstellungskorridor in Höhe von bis zu 10 % der im Haushaltsjahr 1999 freiwerdenden Stellen nicht in Anspruch genommen werden könne, was auch für die Übernahme von Auszubildenden gemäß § 65 HPVG gelte, führt ebenfalls nicht dazu, dass die Übernahme der Beteiligten zu 1. unzumutbar war.

Der Antragsteller hat in der mündlichen Anhörung dargelegt, dieser Erlass beruhe nicht auf normativen Regelungen irgendwelcher Art, sondern darauf, das nach der Koalitionsvereinbarung, die von den Regierungsparteien im März 1999 getroffen worden sei, das Hessische Landesamt für Regionalentwicklung und Landwirtschaft habe aufgelöst werden sollen.

Durch die Koalitionsvereinbarung werden Ziele und Absichten festgelegt. Rechtsverbindliche Festlegungen mit Außenwirkung erfolgen dadurch nicht. Solche sind den Beschlüssen der verfassungsmäßig bestellten Organe vorbehalten (Art. 71 Hessische Verfassung - HV -). Eine Organisationsregelung durch ein verfassungsmäßig bestelltes Organ - Parlament oder Regierung - lag zu der Zeit, als die Beteiligte zu 1. ihre Ausbildung am 28. Juni 1999 beendete, nach Darstellung des Antragstellers noch nicht vor und ist auch dem Gericht nicht bekannt. Soweit der Erlass vom 6. Mai 1999 von den in der Koalitionsvereinbarung zum Ausdruck gekommenen geplanten Umstrukturierungen ausgeht, enthält er selbst keine entsprechende Regelung, so dass hier nicht auf Fragen der Form und der Bekanntgabe von Organisationsakten der Regierung oder von Ministern einzugehen ist. Jedenfalls reicht der im Hinblick auf die nicht rechtsverbindlichen Absichtserklärungen in der Koalitionsvereinbarung ausgesprochene verwaltungsinterne Einstellungsstop allein als Grund für die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nicht aus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. März 1989 - 6 P 22.85 - NVwZ-RR 1989, 373 = PersV 1989, 357), denn nur verbindliche Planungsabsichten wären geeignet, die durch § 9 Abs. 4 BPersVG gesetzte hohe Schwelle der Unzumutbarkeit zu erreichen. Deswegen ist der verwaltungsgerichtliche Beschluss zu ändern und der Antrag des Antragstellers abzulehnen.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil es an den dafür erforderlichen Voraussetzungen fehlt (§ 111 Abs. 3 HPVG, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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