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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.12.2008
Aktenzeichen: 3 D 2302/08
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 33
AufenthG § 33 Satz 1
Auch im Fall des § 33 Satz 1 AufenthG muss der Elternteil die dort genannten Aufenthaltstitel im Zeitpunkt der Geburt des Kindes besitzen.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 D 2302/08

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausländerrechts

hier: Prozesskostenhilfe

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Lehmann

am 8. Dezember 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers vom 10. Oktober 2008 gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 23. September 2008 - 4 K 1227/08.KS - PKH - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Auf das Prozesskostenhilfeverfahren entfallende außergerichtliche Kosten der Beteiligten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Kläger hat mit seiner Beschwerdebegründung vom 24. Oktober 2008 nicht darlegen können, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss seine Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg mit der Folge bietet, dass ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren wäre (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).

Der Kläger hat mit der Beschwerdeschrift nicht darlegen können, dass ihm ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG zusteht.

Gemäß § 33 Satz 1 AufenthG kann einem Kind, das im Bundesgebiet geboren wird, abweichend von den §§ 5 und 29 Abs. 1 Nr. 2 von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt. Gemäß § 33 Satz 2 AufenthG wird dem im Bundesgebiet geborenen Kind die Aufenthaltserlaubnis von Amts wegen erteilt, wenn zum Zeitpunkt der Geburt beide Elternteile oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil einer Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen.

Der Kläger ist am xxxxxxxxxxxxx in Kassel geboren worden, zu diesem Zeitpunkt war, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, seine Mutter lediglich im Besitz einer Aufenthaltsgestattung.

Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Klägers kann aus den unterschiedlichen Formulierungen der Sätze 1 und 2 des § 33 AufenthG nicht geschlussfolgert werden, dass nur im Fall des § 33 Satz 2 AufenthG maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen eines der dort genannten Aufenthaltstitel eines Elternteils der "Zeitpunkt der Geburt" des den Aufenthaltstitel erstrebenden Kindes ist. Vielmehr muss nach Auffassung des Senats auch im Fall des § 33 Satz 1 AufenthG im Zeitpunkt der Geburt des Kindes der Elternteil, von dem das Aufenthaltsrecht abgeleitet werden soll, im Besitz eines der dort näher aufgeführten Aufenthaltstitel sein.

Zwar ist mit dem Bevollmächtigten des Klägers davon auszugehen, dass der Wortlaut des § 33 Satz 1 AufenthG, wonach "einem Kind, das im Bundesgebiet geboren wird" ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, wenn ein Elternteil einen der dort genannten Aufenthaltstitel besitzt, offen ist, da der Zeitpunkt der Geburt dort nicht genannt ist und durch die Verwendung des Präsens (...geboren wird...) nicht zwingend ist, dass ausschließlich auf den Zeitpunkt der Geburt abzustellen ist. Vielmehr wird durch die Verwendung der Gegenwartsform der Zeitraum der Gegenwart insgesamt, nicht jedoch - nur - ein bestimmter Zeitpunkt innerhalb der Gegenwart erfasst.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einem Vergleich mit anderen möglich gewesenen (Gesetzes-) Formulierungen wie "einem im Bundesgebiet geborenen Kind", oder "...einem Kind, das im Bundesgebiet geboren wurde", worauf das Verwaltungsgericht und der Beklagte abgestellt haben. Zwar trifft es zu, dass bei den zuletzt genannten Formulierungen der Zeitpunkt der Geburt noch weniger in den Blick genommen wird, als vielmehr die Geburt im Bundesgebiet, dies besagt jedoch nichts darüber, ob der Gesetzgeber durch die von ihm verwendete Formulierung den Zeitpunkt der Geburt - ausschließlich - erfasst hat.

Das von dem Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis wird jedoch durch eine systematische bzw. teleologische Auslegung der Norm bestätigt, worauf es auch zutreffend verwiesen hat.

Durch § 33 AufenthG sollen bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis diejenigen Kinder privilegiert werden, die im Bundesgebiet geboren worden sind und deren Eltern bzw. Personensorgeberechtigten im Besitz eines der in § 33 AufenthG aufgezählten Aufenthaltstitel sind. Dies ergibt ein Vergleich mit den allgemeinen Anspruchsnormen des Kindernachzugs, insbesondere § 32 AufenthG.

Auch bei der Vorgängervorschrift des § 33 AufenthG, § 21 Abs. 1 AuslG vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354), der seinem Wortlaut nach keine wesentlichen Unterschiede zu dem entscheidungserheblichen Inhalt des § 33 AufenthG enthält (Einem Kind, das im Bundesgebiet geboren wird, ist von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn die Mutter eine Aufenthaltserlaubnis besitzt) wurde davon ausgegangen, dass durch die Vorschrift die Privilegierung der im Inland geborenen Kinder bezweckt ist, deren Integration durch die Gewährung eines Rechtsanspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gefördert werden soll (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand November 2000, § 21 Rdnr. 2) und bei denen die Mutter die Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung im Zeitpunkt der Geburt des Kindes besitzen muss (vgl. Hailbronner, a.a.O., § 21 Rdnr. 3; Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., München 1999, § 21 Rdnr. 3).

Die im Verhältnis zu § 32 AufenthG vorgenommene Privilegierung der im Bundesgebiet geborenen Kinder belegt zwar noch nicht abschließend, dass neben der Geburt im Bundesgebiet auch die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen zumindest bei einem Elternteil im Zeitpunkt der Geburt vorgelegen haben müssen, dies ergibt sich jedoch aus einer vergleichenden Betrachtung der Sätze 1 und 2 des § 33 AufenthG.

Durch § 33 Satz 2 AufenthG soll nach dessen eindeutigem Wortlaut das Kind privilegiert werden, bei dem im Zeitpunkt der Geburt beide Elternteile oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen, es soll einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis haben. Demgegenüber kann das Kind, das im Bundesgebiet geboren wird, abweichend von den §§ 5 und 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nach Ermessen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn ein Elternteil - ohne dass dieser die besonderen Anforderungen des § 33 Satz 2 AufenthG erfüllen muss - die dort genannten Aufenthaltstitel besitzt.

Wäre die von dem Bevollmächtigten des Klägers vertretene Rechtsauffassung zutreffend, dass § 33 Satz 1 AufenthG von seinen zeitlichen Anforderungen weiter als § 33 Satz 2 AufenthG ist und die dort genannten Aufenthaltstitel nicht bereits im Zeitpunkt der Geburt des Kindes, sondern erst im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bei Gericht vorliegen müssen, würde dies zu einer Umkehrung der von dem Gesetzgeber vorgesehenen Privilegierung führen. Kinder, bei denen ein Elternteil, unabhängig davon, ob personensorgeberechtigt oder nicht, im maßgeblichen Zeitpunkt der Geburt über eine aufenthaltsrechtlich gesicherte Position im Sinne des § 33 AufenthG verfügen und denen auf Grund der schwächeren familienrechtlichen Bindung "nur" ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zustehen soll, würden nämlich hinsichtlich des Vorliegens der Erteilensvoraussetzungen besser gestellt als Kinder, deren allein personensorgeberechtigter Elternteil oder deren beide Elternteile zwar nicht im Zeitpunkt ihrer Geburt, aber zu einem späteren Zeitpunkt über ein verfestigtes Aufenthaltsrecht verfügen. Dies entspricht weder dem Sinn und Zweck der Norm, noch könnte dies Ergebnis bei systematischer Auslegung der Norm gerechtfertigt werden.

Auch der Gesetzgeber geht in den Gesetzesmaterialen zu § 33 Satz 1 AufenthG von einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen der Geburt des Kindes und dem Vorliegen der Aufenthaltstitel auf Elternseite aus. Danach soll bei der Ausübung des Ermessens der besonderen Beziehung zwischen den Eltern und dem Kleinkind unmittelbar nach der Geburt im Interesse der Gewährung der Familieneinheit und zur Aufrechterhaltung der nach Art. 6 Abs. 1 GG besonders geschützten familiären Betreuungsgemeinschaft Rechnung getragen werden (BT-Drs. 16/5065, S.176).

Davon, dass die in § 33 genannten Aufenthaltstitel auch im Fall des Satzes 1 im Zeitpunkt der Geburt des Kindes vorliegen müssen, geht auch die Kommentarliteratur einhellig aus (vgl. Marx, in: GK-AufenthG, Band 1, Stand: August 2008, § 33 Rdnr. 16, 20; Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, Handkommentar, Baden-Baden, Juli 2008, § 33 Rdnr. 11; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand: Oktober 2008, § 33 Rdnr. 3; Vorläufige Anwendungshinweise des Bundesministerium des Innern zum Aufenthaltsgesetz und zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 22.12.2004, Nr. 1 33.2).

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Außergerichtliche Kosten eines Beteiligten, die auf das Prozesskostenhilfeverfahren entfallen, sind nicht zu erstatten (§ 166 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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