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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 15.10.2004
Aktenzeichen: 3 N 127/03
Rechtsgebiete: BauGB, VDI-Richtlinie


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 1 Abs. 6
VDI-Richtlinie 3471
Ein Bebauungsplan ist schon wegen fehlender Erforderlichkeit unwirksam, wenn anstelle tatsächlich gewollter Wohnbebauung in der Nähe eines emittierenden landwirtschaftlichen Betriebes ein Dorfgebiet festgesetzt wird. Hinzu kann ein Abwägungsfehler kommen.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

3 N 127/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Normenkontrolle des Bebauungsplans Nr. 7 "Die Leimenwiesen"

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Lehmann, Richter am Hess. VGH Dr. Dittmann, Richter am Hess. VGH Dr. Fischer

ohne mündliche Verhandlung am 15. Oktober 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Der am 21. Dezember 2000 als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 7 der Gemeinde Kefenrod im Ortsteil xxxxxxxx für das Gebiet "Die Leimenwiesen" ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung jedoch durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, sofern nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes mit etwa 70 ha Betriebsfläche und 500 Zuchtsauen. Der Betriebssitz ist im Ortsteil xxxxxxxxx in A-Stadt. Etwa 120 Zuchtsauen hält er in einem bis zum Jahr 2019 vom Verpächter Resch gepachteten Stallgebäude in der xxxxxxxxxxxxx in Kefenrod, Gemarkung xxxxxxxxx, Flur 2, Flurstück 103/1. Für das mit anderen Baulichkeiten verbundene Stallgebäude erhielt der Verpächter Resch zunächst die Baugenehmigung des Wetteraukreises vom 24. August 1998 für einen Abferkelstall mit etwa 76 Zuchtsauen und Nachzucht, d. h. etwa 700 Ferkeln. In diesem Genehmigungsverfahren erstellte das Ing.-Büro für Agrarberatung xxxxx ein Geruchsgutachten vom 17. April 1998. Für die Zuchtsauen mit Ferkeln wird nach der VDI-Richtlinie 3471 "Emissionsminderung Tierhaltung-Schweine" von 15,2 anrechenbaren Großvieheinheiten (GV) ausgegangen und von einem Richtlinienabstand von 122 m zur nächstgelegenen Bebauung in einem reinen Wohngebiet, halbiert auf 61 m in einem Bereich dörflicher Prägung. Aufgrund des Gutachtens erfolgte für das Stallgebäude eine zentrale Abluftführung mit einer Emissionsquelle an der westlichen Giebelwand.

Aufgrund der Baugenehmigung des Wetteraukreises vom 26. Februar 2002 für den Verpächter Resch erfolgte eine Veränderung des Tierbestandes auf die jetzt vom Antragsteller gehaltenen 120 Zuchtsauen ohne Nachzucht. In diesem Baugenehmigungsverfahren wurde auf ein erneutes Geruchsgutachten verzichtet, nachdem nach Rücksprache mit dem Sachbearbeiter Franke vom Hessischen Dienstleistungszentrum für Landwirtschaft, Gartenbau und Naturschutz in Kassel und dem Ing.-Büro xxxxx die Geruchsproblematik als in etwa gleich gelagert angesehen wurde.

Zur Ausweisung eines Wohnbaugebiets beschloss die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin am 17. Dezember 1992 die Aufstellung des streitbefangenen Bebauungsplans Nr. 7 im Ortsteil xxxxxxxx für das Gebiet "Die Leimenwiesen". Zunächst war westlich des Stallgebäudes auf dem überwiegend außerhalb des Plangebiets liegenden Flurstück 103/1 eine Grundstückszeile als Mischgebiet (MI) vorgesehen und weiter nach Westen hin über einen Weg hinweg drei Zeilen allgemeines Wohngebiet (WA). Der Planentwurf, der in der Zeit vom 25. April bis 26. Mai 2000 öffentlich auslag, sah dann schon wegen des Immissionskonflikts mit dem benachbarten Stallgebäude wie der endgültige Bebauungsplan auch zunächst zwei Zeilen Mischgebiet Dorf (MD) vor, weiter nach Westen hin dann zwei Zeilen allgemeines Wohngebiet.

Im Planaufstellungsverfahren brachte der Verpächter Resch mit Schreiben vom 20. November 1998, 27. April 2000 und 5. Mai 2000 Anregungen vor, in denen er sich wegen der Geruchsemissionen des landwirtschaftlichen Betriebs für eine Reduzierung der Bauplätze einsetzte, die beiden Bauplätze auf seinem Grundstück jedoch als Bauland wie als Erweiterungsfläche für den Betrieb erhalten wissen wollte. Der Antragsteller brachte mit Schreiben vom 27. April 2000 ebenfalls Anregungen vor, in denen er wegen des heranrückenden Baugebiets Nutzungseinschränkungen für seine landwirtschaftliche Tätigkeit befürchtete.

Mit Schreiben vom 15. Mai 2000 rügte das Kreisbauamt des Wetteraukreises, die Gestaltung der Baufenster in den beiden als Dorfgebiet ausgewiesenen Bauzeilen deute klar darauf hin, dass eine Umsetzung dieses Planungswillens nicht erfolgen, sondern nur eine Wohnbebauung entstehen werde. Das gemeindliche Prüfergebnis zu diesen Anregungen geht davon aus, dass die Schweinezucht neben bereits vorhandener Wohnbebauung auf Nachbargrundstücken genehmigt worden sei. Bei Einhaltung der zulässigen Grenzwerte durch den landwirtschaftlichen Betrieb und einer Festsetzung der angrenzenden Fläche als Dorfgebiet entstehe hier kein Konfliktpotenzial. Die Grundstückseinteilung im Bebauungsplan sei im Übrigen unverbindlich. Dörfliche Nutzungen der Grundstücke im Plangebiet seien möglich und auch erwünscht.

Die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin beschloss den Bebauungsplan am 21. Dezember 2000 einstimmig als Satzung. Die öffentliche Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses erfolgte in den "Amtlichen Bekanntmachungen" der Antragsgegnerin am 16. Januar 2001.

Am 13. Januar 2003 stellte der Antragsteller den vorliegenden Normenkontrollantrag. Zur Begründung verweist der Antragsteller auf den Immissionskonflikt zwischen heranrückender Wohnbebauung und seiner Schweinezucht. Für Wohnbebauung sei als Geruchsschwellenwert ein Abstand von 122 m einzuhalten, was nicht geschehe. Die vorgesehenen Grundstückszuschnitte deuteten darauf hin, dass es sich bei dem gesamten Baugebiet seinem Charakter nach um ein allgemeines Wohngebiet, nicht aber ein dörfliches Mischgebiet handele. Auch das zuständige Amt für Regionalentwicklung, Landschaftspflege und Landwirtschaft habe mit Schreiben vom 13. August 1996 und 13. April 2000 auf dieses Konfliktpotenzial selbst bei einer Ausweisung als Mischgebiet Dorf hingewiesen. Für die Sauenhaltung auf dem Flurstück 103/1 drohten schwere Nachteile durch die Ausweisung des Baugebiets. Der Abstand zwischen Sauenstall und vorgesehener erster Baureihe betrage weniger als 30 m. Alle ausgewiesenen Baugrundstücke befänden sich innerhalb des gutachterlich festgestellten Geruchsschwellenwertes für die Ausweisung als allgemeines Wohngebiet, in dessen Radius eine Wohnbebauung wegen nicht zu bewältigender Konflikte zu vermeiden sei.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Bebauungsplan Nr. 7 der Antragsgegnerin im Ortsteil Burgbracht für das Gebiet "Die Leimenwiesen", mit dem Satzungsbeschluss vom 21. Dezember 2000 öffentlich bekannt gemacht in den "Amtlichen Bekanntmachungen der Gemeinde Kefenrod" am 16. Januar 2001, für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin legt einen Übersichtsplan und eine Liste mit sieben landwirtschaftlichen Betrieben mit Viehbestand in xxxxxxxxx vor. Bei dem Ortsteil handele es sich durchgängig um ein Dorfgebiet und nicht, wie in den Ballungsräumen üblich, um eine Schlafstätte für Pendler. Im vorliegenden Fall vermittele die einschlägige VDI-Richtlinie 3471 nicht die richtige Sicht der Dinge. Diese Richtlinie sei aus Anlass der Rechtsprechung zu Fragen des Schutzes privilegierter Betriebe im Außenbereich vor herannahender Wohnbebauung entwickelt worden. Jedenfalls entspreche es der Systematik der abgestuften Nutzung im Sinne der Baunutzungsverordnung, wenn auf ein typisches Dorfgebiet ein weiteres Dorfgebiet, alsdann ein allgemeines Wohngebiet und sodann unter Umständen ein reines Wohngebiet folge. So wie im Dorfgebiet die Bewohner von Wohnhäusern sich die Geruchsbelästigungen durch die landwirtschaftlichen Betriebe gefallen lassen müssten, könnten auch Bewohner angrenzender Gebiete keine Abwehransprüche gegen die im Dorfgebiet ansässigen Landwirte geltend machen. Die Grenzen der Zumutbarkeit seien dann erreicht, wenn es sich um eine Massentierhaltung handele, was hier nicht der Fall sei. Sollte man der Auffassung sein, die Antragsgegnerin hätte sich intensiver mit dieser Problematik argumentativ befassen sollen, wäre ein entsprechender Mangel jedenfalls ohne Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen.

Dem Senat liegen zwei Bauakten des Wetteraukreises vor, die die Baugenehmigungen für das Stallgebäude auf dem Flurstück 103/1 von 1998 und 2002 betreffen. Darüber hinaus ist ein Ordner Planaufstellungsunterlagen der Antragsgegnerin beigezogen worden. Sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der Beratung gewesen. Auf ihren Inhalt wird ebenso wie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Mit Zustimmung der Beteiligten kann der Senat gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im schriftlichen Verfahren entscheiden, da eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist.

Der Normenkontrollantrag ist statthaft. Der Antragsteller wendet sich gegen einen nach § 10 Abs. 1 BauGB i. d. F. der Bekanntmachung vom 27. August 1997 (BGBl. I S. 2141, ber. BGBl. 1998 I S. 137) i. V. m. § 233 Abs. 1 BauGB i. d. F. des EAG Bau vom 24. Juli 2004 (BGBl. I S. 1359) als Satzung beschlossenen Bebauungsplan, dessen Gültigkeit vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO überprüft werden kann.

Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Der Antragsteller ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach den Antrag jede natürliche oder juristische Person stellen kann, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ein Antragsteller genügt seiner Darlegungspflicht, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des angegriffenen Bebauungsplans in eigenen Rechten verletzt wird (BVerwG, U. v. 24.09.1998 - 4 CN 2.98 - NJW 1999, 592). Nach dem tatsächlichen Vorbringen des Antragstellers ist eine Verletzung des drittschützenden Abwägungsgebots nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise unmöglich. Zu den abwägungserheblichen Belangen gehört auch das Interesse eines emittierenden landwirtschaftlichen Betriebes, dass in seiner unmittelbaren Nähe keine Wohnbebauung entsteht, bei deren Verwirklichung mit immissionsschutzrechtlichen Anordnungen gerechnet werden muss (Hess. VGH, U. v. 17.09.2002 - 4 N 2842/98 -; Dürr, in: Brügelmann, BauGB, Stand: November 2001, § 10 Rn. 572, Stichwort: Landwirt, m. w. N.). Dabei ist es unbeachtlich, dass der Antragsteller hier nicht Grundstückseigentümer, sondern lediglich Pächter einer Grundstücksfläche mit Stallgebäude ist. Insoweit hat er als Inhaber eines eingerichteten und ausgeübten landwirtschaftlichen Betriebs auch eine in der Abwägung zu berücksichtigende eigentumsrelevante Rechtsposition. Im Übrigen fällt ebenfalls nicht entscheidend ins Gewicht, dass sich das emittierende Stallgebäude außerhalb des Plangebiets befindet.

Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.

Allerdings begegnet der Bebauungsplan in formeller Hinsicht keinen Bedenken, denn derartige Mängel sind weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.

Der Bebauungsplan leidet jedoch in materieller Hinsicht an Fehlern, die seine Unwirksamkeit zur Folge haben.

Dies gilt zunächst für die MD-Festsetzung in den beiden östlichen Grundstückszeilen. Rechtsgrundlage für die im Bebauungsplan getroffene Festsetzung ist § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Danach setzt der Bebauungsplan die Art der baulichen Nutzung fest und bestimmt eines der in § 1 Abs. 2 BauNVO bezeichneten Baugebiete. Das von der Antragsgegnerin festgesetzte Dorfgebiet (§ 5 BauNVO) verstößt gegen § 1 Abs. 3 BauGB, denn es ist nicht erforderlich im Sinne dieser Vorschrift. Nach § 1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung erforderlich ist. Aus dem Erforderlichkeitsmerkmal lässt sich indes nicht ableiten, dass bauplanerische Festsetzungen nur zulässig sind, wenn sie zur Bewältigung einer bauplanungsrechtlichen Problemlage unentbehrlich oder gar zwingend geboten sind; vielmehr ist die Gemeinde schon dann zur Planung befugt, wenn sie hierfür hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinbelange ins Feld führen kann (BVerwG, B. v. 11.05.1999 - 4 BN 15.99 - BauR 1999, 1136 <1137>). Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus den Planungsleitlinien und Abwägungsbelangen des § 1 Abs. 5 BauGB. Ausreichend ist eine Planung, die von einem bodenrechtlich begründeten Konzept getragen ist und nach den Maßstäben des § 1 Abs. 5 und 6 BauGB nicht von vornherein als undurchführbar erscheint, somit vernünftigerweise geboten ist (BVerwG, U. v. 22.01.1993 - 8 C 46.91 - BauR 1993, 585 <587>). Für die Auswahl der Baugebiete (§§ 2 bis 9 BauNVO) ist die planerische Konzeption, d. h. der planerische Gestaltungswille der Gemeinde für die betroffene Fläche maßgebend. Passt hierauf eines der Baugebiete, setzt sie es fest. Die Konzeption und der Festsetzungsinhalt müssen übereinstimmen. Bei der Auswahl der Baugebiete hat die planende Gemeinde das Gebot der Typenkonformität zu beachten. Sie muss den von ihr gewählten Gebietstypus dafür einsetzen, um die von diesem charakterisierte städtebauliche Struktur zu verwirklichen und darf nicht eine bloße Verlegenheitsplanung oder gar einen "Etikettenschwindel" ins Werk setzen, hinter dem ihre wirkliche städtebauliche Konzeption in Wahrheit gar nicht tragend steht (vgl. Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, 3. Aufl., § 1 Rn. 22). Die Antragsgegnerin hat mit der Ausweisung eines Dorfgebiets gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO den § 5 BauNVO zum Bestandteil des Bebauungsplans gemacht. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dienen Dorfgebiete der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Satz 2 bestimmt, dass auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten vorrangig Rücksicht zu nehmen ist. Zulässig sind nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und die dazugehörigen Wohnungen und Wohngebäude, nach Nr. 2 Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäude mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen. Die zeichnerische und textliche Festsetzung eines Dorfgebiets entspricht jedoch nicht dem wahren Willen der Antragsgegnerin, wie dem Planungsvorgang, insbesondere der Begründung des Bebauungsplans zu entnehmen ist. Danach ist die Nachfrage nach Bauplätzen für Wohnhäuser größer als das Angebot auf dem Wohnungsmarkt. Diesen Wohnbedürfnissen soll mit den Festsetzungen des Bebauungsplans Rechnung getragen werden. Planungsziel - wie in der Begründung ausdrücklich aufgeführt - ist, nachdem die Bauplätze in zwei neuen Wohnbaugebieten in Bindsachsen und Kefenrod vergeben sind, im Ortsteil xxxxxxxxxx ein weiteres Wohnbaugebiet zu schaffen. Damit will die Antragsgegnerin die zulässige Nutzung im Wesentlichen auf die in § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO aufgeführte Nutzung beschränken, was auch mit der Größe der vorgesehenen Bauplätze von überwiegend um die 500 qm im Einklang steht, die für die Errichtung von Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe wenig oder gar nicht geeignet erscheinen. Die Antragsgegnerin verfolgt mit ihrer Planung allein das Ziel, der Nachfrage nach Wohnbauland zu entsprechen. Die Ansiedlung landwirtschaftlicher Wirtschaftsstellen war nicht wirklich gewollt und auch sonst kein Bedarf dafür angemeldet worden (vgl. dazu Hess. VGH, U. v. 17.09.2002 - 4 N 2842/98 -). Dabei fällt es nicht entscheidend ins Gewicht, dass sich der Verpächter Resch mit Schreiben vom 5. Mai 2000 an den zwei als Dorfgebiet ausgewiesenen Bauplätzen auf seinem Flurstück 103/1 interessiert gezeigt hat. Sie sollten zugleich als "Bauland", womit offenbar Wohnbauland gemeint ist, wie auch als Erweiterungsfläche für den Betrieb nutzbar sein. Nicht einmal beim Eigentümer des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks selbst stehen betriebliche Erweiterungsinteressen eindeutig im Vordergrund. Konkrete betriebliche Planungsabsichten fehlen. Es soll nur eine allgemeine Bebauungsmöglichkeit in der einen oder anderen Richtung in Reserve gehalten werden. Auch diese Anregung des Verpächters Resch ist nicht geeignet, die planerische Erforderlichkeit für eine Dorfgebietsfestsetzung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB zu belegen. Erweiterungsabsichten für landwirtschaftliche Gebäude ließ und lässt auch der Antragsteller, der den Hauptsitz seines Betriebes mit der überwiegenden Anzahl seiner Zuchtsauen in A-Stadt besitzt, nicht erkennen. Insgesamt ist es entgegen § 1 Abs. 3 BauGB nicht vernünftigerweise geboten, hier planerisch in zwei Grundstückszeilen ein Dorfgebiet auszuweisen.

Im Ergebnis führt dieser Umstand gleichwohl nicht nur zur entsprechenden teilweisen, sondern wegen eines im Übrigen bestehenden Abwägungsfehlers zur vollständigen Unwirksamkeit des Bebauungsplans.

Das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB verpflichtet den Träger der Bauleitplanung dazu, dass eine Abwägung überhaupt stattfindet. In die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, weder die Bedeutung der öffentlichen noch privaten Belange verkannt, noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (BVerwG, U. v. 12.12.1969, BVerwGE 34, 301, seither st. Rspr.).

Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belanges entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Die Kontrolle beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebotes auf die Frage, ob die Gemeinde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat.

Diese Grundsätze hat die Antragsgegnerin hier allerdings nicht ausreichend beachtet. Insbesondere hat sie den Immissionskonflikt zwischen der Schweinezucht des Antragstellers und der auch im festgesetzten Dorfgebiet erwartbar nah heranrückenden Wohnbebauung nicht hinreichend in den Blick genommen und nicht mit angemessenem Ergebnis abgewogen. Dabei ist die Antragsgegnerin zu Unrecht davon ausgegangen, der Schweinezuchtbetrieb des Antragstellers müsse bereits auf vorhandene Wohnnutzung an der xxxxxxxxxxx, etwa auf den Grundstücken 17, 19 und 22, ebenso viel Rücksicht nehmen wie auf die im streitbefangenen Plangebiet erwartbar heranrückende Wohnbebauung. Diese im gemeindlichen Prüfergebnis zu den Anregungen des Antragstellers zum Ausdruck kommende Annahme lässt den Umstand außer Acht, dass die Wohnbebauung an der xxxxxxxxxxx innerhalb einer dörflich geprägten Umgebung liegt, wie die Antragsgegnerin anhand einer Nutzungsübersicht mit der Einzeichnung verschiedener landwirtschaftlicher Betriebe mit Viehhaltung plausibel und unwidersprochen vorgetragen hat, während die im westlich gelegenen Plangebiet, dort auch im angeblichen Dorfgebiet, rechtlich oder tatsächlich nahezu durchgängig ermöglichte Wohnbebauung einen höheren Schutz vor Geruchsbeeinträchtigungen erfordert und verlangen kann als die Altwohnnutzung im östlichen Dorfbereich von xxxxxxxxx.

Die unmittelbare Nachbarschaft von rechtlich bzw. tatsächlich zugelassener Wohnbebauung zu einem emittierenden landwirtschaftlichen Schweinezuchtbetrieb hätte es erforderlich gemacht, nach der VDI-Richtlinie 3471 "Emissionsminderung Tierhaltung-Schweine" abhängig von der Bestandsgröße die Mindestabstandsregelung für Schweinehaltung in der Abwägung zu berücksichtigen, was hier nicht bzw. nicht hinreichend geschehen ist. Geht man mit dem Geruchsgutachten des Ing.-Büros Herdt vom 17. April 1998 auf Seite 7 davon aus, dass das vom Antragsteller genutzte Stallgebäude eine Bewertung von 115 Punkten, mithin mehr als 100 Punkten, rechtfertigt, ergeben sich bei 120 Zuchtsauen zu 0,3 Großvieheinheit pro Tier 36 Großvieheinheiten, die multipliziert mit dem Äquivalenzfaktor für Sauen von 0,5 nach der VDI-Richtlinie 3471 zu 18 anrechenbaren Großvieheinheiten und einem Betriebsabstand zu Wohnnutzung von gut 120 m führen. Nimmt man diesen Richtlinienabstand als Radius und legt ihn kreisförmig um die zentrale Abluftquelle an der westlichen Giebelwand des vom Antragsteller genutzten Stallgebäudes, überdeckt er sämtliche Baufenster des streitbefangenen Bebauungsplans. Damit ist der Emissionskonflikt planerisch nicht hinreichend bewältigt. Die von der Antragsgegnerin angeführten Gesichtspunkte, weshalb die VDI-Richtlinie 3471 hier in der Dorflage von xxxxxxxxx nicht als einschlägig anzusehen gewesen sei, sind nicht überzeugend. Soweit etwa bei der Wohnnutzung in Dorfgebieten ein höheres Maß an Geruchsstoffemissionen zumutbar ist, berücksichtigt dies die VDI-Richtlinie 3471 bereits im Abschnitt 3.2.3.2 bis zur möglichen Halbierung der notwendigen Mindestabstände, wie sie auch im Abschnitt 3.2.3.4 eine Sonderbeurteilung nennt.

Insgesamt besteht hier für eine Abstandsreduzierung auf weniger als 120 m zu im Plangebiet von Westen heranrückender neuer Wohnbebauung kein hinreichender Anlass, da das fälschlich so etikettierte Dorfgebiet nicht dem Erforderlichkeits- und dem Abwägungsgebot entspricht und im Übrigen eine Sonderbeurteilung im Planaufstellungsverfahren nicht vorgenommen worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 GKG 1975 i. V. m. § 72 Abs. 1 GKG 2004. Der Senat hat das Interesse des Antragstellers als Pächter eines landwirtschaftlichen Stallgebäudes an einem erfolgreichen Verfahrensausgang geschätzt und den Streitwert entsprechend festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG 1975 sowie § 72 Abs. 1 GKG 2004).

Ende der Entscheidung

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