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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 04.12.2003
Aktenzeichen: 3 N 2463/01
Rechtsgebiete: BauNVO


Vorschriften:

BauNVO § 1 Abs. 9
SB-Markt ist eine gemäß § 1 Abs. 9 BauNVO typisierbare Nutzungsunterart. Festsetzungen nach § 1 Abs. 9 BauNVO können ein Verbot von SB-Märkten mit Waren für den täglichen Bedarf beinhalten, die nach Sortimenten bestimmt sind.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

3 N 2463/01

Verkündet am 04.12.2003

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Normenkontrolle der 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 A "Hauptzentrum der Stadt A-Stadt"

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Schott, Richterin am Hess. VGH Lehmann, Richter am Hess. VGH Dr. Saenger

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, sofern nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich gegen die 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 A "Hauptzentrum" der Antragsgegnerin.

Sie ist Eigentümerin des mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks "xxxxxxxxxxxx" (Flur ..., Flurstück ...).

Die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin beschloss am 13. Juni 1996 die Aufstellung der 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 A. Der Aufstellungsbeschluss wurde am 15. Juni 1996 in der "Oberhessischen Presse" bekannt gemacht.

Die Bürgerbeteiligung gemäß § 3 Abs. 1 BauGB wurde in der Zeit vom 22. September 1998 bis einschließlich 29. September 1998 durchgeführt. Die öffentliche Darlegung der allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung sowie die Bürgeranhörung erfolgten in einer Veranstaltung am 29. September 1998. Nach einer ersten Offenlegung im Herbst 1998 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin am 18. März 1999 gemäß § 3 Abs. 2 BauGB die erneute Offenlegung der 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 A. Die öffentliche Bekanntmachung der zweiten Offenlegung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB erfolgte am 4. Mai 1999. Der Bebauungsplanentwurf mit Begründung hat gemäß § 3 Abs. 2 BauGB in der Zeit vom 17. Mai 1999 bis einschließlich 17. Juni 1999 öffentlich ausgelegen. Am 26. August 1999 hat die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin die 3. Änderung des Bebauungsplans gemäß § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung beschlossen. Der Satzungsbeschluss wurde gemäß § 10 Abs. 3 BauGB am 11. September 1999 in der "Oberhessischen Presse" bekannt gemacht.

In seinem zeichnerischen Teil gibt der Bebauungsplan den vorhandenen Bestand, der zwischen den Beteiligten unstreitig ist, wieder. Im textlichen Teil sind folgende Festsetzungen getroffen worden:

"2.0 Art der baulichen Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) MK - Kerngebiet (§ 7 BauNVO).

Nach § 7 Abs. 2 BauNVO sind allgemein zulässig:

- Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude,

- Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes und Vergnügungsstätten,

- Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke.

Nur oberhalb des Erdgeschosses sind gemäß § 1 Abs. 7 BauNVO zulässig:

- Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie Betriebsinhaber und Betriebsleiter,

- Sonstige Wohnungen.

Nicht zulässig sind nach § 1 Abs. 5 und 6 BauNVO:

- Vergnügungsstätten,

- Gewerbebetriebe, auch nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe,

- Tankstellen, auch nicht im Zusammenhang mit Parkhäusern und Großgaragen.

Nicht zulässig sind nach § 1 Abs. 9 BauNVO:

- Einzelhandelsbetriebe mit Waren für den täglichen Bedarf (Sortiment: Nahrung und Genussmittel, Gebrauchskosmetik, Putz- und Waschmittel, Schreibwaren, saisonbedingte Geschenkartikel, Hausrat und Zeitschriften), soweit es sich um SB-Märkte handelt."

Mit am 11. September 2001 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin Antrag auf Normenkontrolle gestellt und zur Begründung ausgeführt, sie habe zwischen zwei Ladenlokalen im Erdgeschoss die Trennwand entfernt und den so vergrößerten Laden an die Firma Aldi vermietet, ohne eine Genehmigung des Mietvertrages nach § 144 BauGB herbeizuführen, deren es nicht bedurft hätte. Nach mehreren verlorenen Rechtsstreiten habe die Firma Aldi das Ladenlokal geräumt. Die Fläche sei nunmehr von einem KIK-Textilmarkt angemietet mit deutlichen Verlusten im Vergleich zu dem ursprünglichen Mietvertrag mit Aldi.

Die 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 A sei nichtig, da es an einer Ermächtigung in § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO fehle. § 1 Abs. 5 BauNVO ermögliche im Bebauungsplan die Festsetzung, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 und 13 BauNVO allgemein zulässig seien, nicht zulässig seien oder ausnahmsweise zugelassen werden könnten, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibe. Gegenüber dieser Grundvorschrift ermögliche § 1 Abs. 9 BauNVO eine weitere Unterdifferenzierung hinsichtlich bestimmter Arten. Es müsse sich allerdings um Differenzierungen der Art nach handeln. Reine Maßdifferenzierungen reichten nicht aus. Außerdem müssten die Differenzierungen entsprechenden Kategorien im Markt entsprechen. Die Art des jeweils festgesetzten Baugebiets dürfe nicht beeinträchtigt werden. Diesen Anforderungen werde die 3. Änderung des Bebauungsplans nicht gerecht. Der Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben mit Waren des täglichen Bedarfs, soweit es sich um SB-Märkte handele, beziehe sich nicht auf eine klar abgrenzbare Marktform und damit nicht auf eine bestimmte Art der baulichen Nutzung. Die Handelsformen eines SB-Marktes seien fließend. Mit der diesbezüglichen Begründung des Bebauungsplans würde keine genau abgrenzbare Art von Nutzungen beschrieben. Es gebe vielmehr zwischen dem "Einzelhandel über die Theke" und Selbstbedienungsläden vielfältige Mischformen, die eine genaue Abgrenzung nicht gestatteten. Die 3. Änderung sei auch deshalb unwirksam, weil mit dem vorgenommenen Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben auch unterhalb der Schwelle des § 11 Abs. 3 BauNVO der Charakter eines Kerngebiets verändert werde. Großflächige Einzelhandelsbetriebe mit den Auswirkungen des § 11 Abs. 3 BauNVO seien gerade typisches Merkmal für Kerngebiete. Dies gelte auch für nicht großflächige Einzelhandelsbetriebe, die auch in sonstigen Baugebieten zulässig sein könnten. Derartige Einzelhandelsbetriebe generell in einem Kerngebiet auszuschließen, stelle die Identität des Kerngebiets in Frage. Die im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen, die sich auf SB-Märkte bezögen, entsprächen nicht dem Bestimmtheitsgebot, denn es bleibe danach unklar, welche Betriebe im Einzelnen ausgeschlossen seien und welche Einzelhandelsnutzungen noch zulässig blieben. Darüber hinaus handele es sich um eine unzulässige Planung eines Einzelfalles, denn sie beziehe sich dem räumlichen Gegenstand nach ausschließlich auf ihr - der Antragstellerin - Grundstück. Ferner verstoße die 3. Änderung des Bebauungsplans gegen das Gebot der qualifizierten Abwägung. Nach der Planbegründung werde im unmittelbaren Nachbarbereich ein Konkurrenzvorhaben (Lidl-Markt) zugelassen. Dieses Gebiet liege zwar formal außerhalb des Sanierungsbereichs, kommuniziere aber in vielfältiger Weise mit diesem. Eine derartige ausschließlich an den Konkurrenzinteressen ausgerichtete Einzelfall- und Verhinderungsplanung entspreche aber nicht dem Gebot der gerechten Abwägung. Als Änderungsplanung unterliege das Planvorhaben zusätzlichen rechtlichen Anforderungen, die als Gebot der qualifizierten Abwägung bezeichnet werden könnten.

Die Antragstellerin beantragt,

die 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 A "Hauptzentrum" der Antragsgegnerin vom 26. August 1999, bekannt gemacht am 11. September 1999, für nichtig zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

Zur Begründung führt sie aus, soweit die Antragstellerseite materielle Mängel geltend mache, habe sich der 4. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs im Verfahren 4 UE 952/99 inzident mit der damals zum Bebauungsplanentwurf vorliegenden Begründung befasst und die städtebauliche Zielrichtung des nunmehr angefochtenen Bebauungsplans nachvollzogen. Der materielle Inhalt des Bebauungsplans sei letztlich die Fortschreibung der seinerzeit gefassten Ziele der Entwicklungsmaßnahme, um die von der Gegenseite ergebnislos gestritten worden sei. Eine Gemeinde dürfe den Interessen der Allgemeinheit an einer gemeinwohlfördernden städtebaulichen Entwicklung den Vorrang vor dem Interesse eines Eigentümers an einer höheren Miete einräumen. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot einer gesetzlichen oder einer satzungsrechtlichen Regelung sei nicht erkennbar. Sie - die Antragsgegnerin - habe auf der Grundlage des § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO eindeutig festgesetzt, welche Nutzungsart zulässig bzw. nicht zulässig sein solle. In der Begründung des Bebauungsplans habe sie darauf abgehoben, dass die Größe eines Einzelhandelsbetriebes nach der Lebenserfahrung Rückschlüsse auf die Art der Nutzung zulasse. Was die von der Antragstellerin angeführten Zwischenformen von Einzelhandelsnutzungen betreffe, sei darauf hinzuweisen, dass keine bundesrechtliche, landesrechtliche oder kommunalrechtliche Vorschrift eine Einzelfallregelung darstellen könne, die einer jeglichen Auslegung entbehre. Selbstverständliche könne sich eine Festsetzung, die aus besonderen städtebaulichen Gründen geboten sei, gegen die von Grundstückseigentümern erwünschte Nutzung richten. Es komme dabei nicht darauf an, ob es sich um mehrere oder um nur ein Grundstück handele.

Auch ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot liege ausweislich der Protokolle über die Behandlung der eingegangenen Anregungen nicht vor. Die besondere Zielsetzung der Zentrumsplanung sei unmissverständlich dargestellt worden. So habe sie auch deutlich dargelegt, dass die Verkehrssituation (Anordnung der öffentlichen Parkplätze und der privaten Stellflächen) eine anderweitige Nutzung des streitigen Bereichs nicht zulasse. Es komme daher nicht darauf an, dass im benachbarten Bereich andere Nutzungen zulässig seien.

Dem Senat haben ein Ordner Aufstellungsunterlagen der 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 A, ein Ordner Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin, ein Ordner 7. Änderung des Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin sowie ein Ordner mit der Hauptsatzung der Antragsgegnerin (jeweils mit mehreren Mehrausfertigungen) sowie die Restakte des Verfahrens 4 UE 952/99 und Beschlussabdrucke der Verfahren 4 TG 4585 und 4586/98 vorgelegen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gemacht wurden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie den Inhalt der beigezogenen Akten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist statthaft. Die Antragstellerin wendet sich im Wege der Normenkontrollklage gegen einen Bebauungsplan und damit gegen eine Satzung nach dem Baugesetzbuch, deren Gültigkeit von dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO überprüft werden kann.

Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des hier zur Anwendung kommenden § 47 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO. Ebenso wie bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen nach § 42 VwGO reicht für die Geltendmachung von Rechten aus, dass die Verletzung von subjektiven Rechten des Antragstellers möglich erscheint. Das ist hier der Fall. Wendet sich - wie hier - die Antragstellerin als Eigentümerin eines im Plangebiet liegenden Grundstücks gegen die Festsetzungen eines Bebauungsplans, so ist die erforderliche Antragsbefugnis gegeben.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

Hinsichtlich des Aufstellungsverfahrens sind von der Antragstellerin Mängel nicht geltend gemacht worden und aus den vorliegenden Unterlagen auch nicht ersichtlich.

Der Bebauungsplan verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der planungsrechtlichen Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 BauGB), wonach die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen haben, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung erforderlich ist. An der Erforderlichkeit der Bauleitplanung fehlt es nur dann, wenn sie von keiner erkennbaren Konzeption getragen ist. Welche städtebaulichen Ziele sich die Gemeinde setzt, liegt in ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die "Städtebaupolitik" zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (BVerwG, B. v. 14. 08. 1995 - 4 NB 21.95 -, Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 86). Ein Bebauungsplan ist im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich, soweit er nach der städtebaulichen Konzeption der Gemeinde vernünftigerweise geboten ist (BVerwG, U. v. 07.05.1971 - IV C 76.68 - BRS 24 Nr. 15). Die städtebaulichen - auch die besonderen nach § 1 Abs. 9 BauNVO - Gründe ergeben sich in ausreichendem Umfang aus der streitgegenständlichen 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 A und der Planbegründung vom August 1999. Planungsziel ("Aufgabe und Anlass") war danach auszuschließen, dass sich in dem im Geltungsbereich der 3. Änderung festgesetzten Kerngebiet Einzelhandelsgeschäfte für den täglichen Bedarf, soweit es sich um SB-Märkte oder Discount-Märkte handelt, niederlassen können. Bestimmte räumliche Bereiche des Stadtzentrums sollen nach der städtebaulichen Konzeption dem kleinteiligen Facheinzelhandel vorbehalten bleiben. Nach Ansicht der Antragsgegnerin war dies nach den bisherigen planerischen Festsetzungen nicht gewährleistet, weil sich dort auch SB-Märkte niederlassen könnten, die in ihrer Betriebsstruktur und den damit verbundenen Anforderungen den vorgegebenen Rahmen sprengten und - bei weiteren Konzentrationen - ein einseitiges Warenangebot förderten, was den Zielsetzungen des Zentrums zuwiderliefe.

Der räumliche Geltungsbereich der 3. Änderung des Bebauungsplans liegt im Bereich der Verordnung der Hessischen Landesregierung über die förmliche Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs in der Stadt A-Stadt vom 27. Februar 1974 (GVBl. I 1974, 143 - Entwicklungsbereich A-Stadt-Mitte -). Der streitgegenständliche Planbereich soll das Geschäftszentrum und das "Herzstück" der Stadt bilden. Nach den planerischen Vorstellungen der Landesregierung und auch der Antragsgegnerin soll das Geschäftszentrum die zentrale Funktion Stadtallendorfs auch hinsichtlich des Konsumgüter- und Dienstleistungssektors stärken, das hinsichtlich des Fachhandels unzureichende Warenangebot verbessern helfen und den Wohnwert steigern. Für die an das Plangebiet angrenzenden Bereiche handelt es sich nach der Planbegründung um Standorte eines Discount-Marktes und eines größeren SB-Marktes mit Lebensmittel- und "non food"-Angebot. Hierfür sei es erforderlich, den Verkaufsflächen ein ausreichendes Stellplatzangebot zur Verfügung zu stellen. Die bauliche Entwicklung habe danach gezeigt, dass nach sich abzeichnenden Entwicklungstendenzen eine ausgewogene Branchenstruktur in der Innenstadt gefährdet sei.

Alle diese Erwägungen belegen deutlich die Erforderlichkeit der Bauleitplanung im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB. Ihnen stellt der Normenkontrollantrag nichts Wesentliches entgegen. Sie belegen darüber hinaus die von der Antragsgegnerin gesehene Notwendigkeit einer weiteren Binnendifferenzierung gemäß § 1 Abs. 9 BauNVO, wie der Planbegründung auf den Seiten 8 bis 11, auf die hiermit verwiesen wird, entnommen werden kann.

Diese Binnendifferenzierung ist auch hinreichend bestimmt und orientiert sich an marktüblichen Gegebenheiten, wie das Bundesverwaltungsgericht dies in einem allerdings anders gelagerten Fall verlangt hat (Beschluss vom 27.07.1998 - 4 BN 31.98 - BRS 60 Nr. 29). Sie beschreibt in dem von der Antragstellerin angegriffenen Teil die Erscheinungsform eines Supermarktes heutiger Prägung, der nicht dadurch zum "Facheinzelhandel" wird, dass einzelne - auch organisatorisch ausgegliederte - Abteilungen (Fleisch, Backwaren, Frischkäse) räumlich damit verbunden sind, in denen "über die Theke" verkauft wird. Es bleibt im allgemeinen Verbraucherverständnis ein SB-Markt, auch wenn Mischformen nicht ungewöhnlich sind. Auch hierzu kann auf die angegriffene Planbegründung Bezug genommen werden. Aus ihr wird insbesondere deutlich, warum der Ausschluss von "Einzelhandelsbetrieben" i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO nach § 1 Abs. 5 BauNVO dem planerischen Anliegen, die Innenstadt von A-Stadt aufzuwerten, nicht gerecht werden kann. "Besondere städtebauliche Gründe" rechtfertigen daher die gegenüber § 1 Abs. 5 BauNVO noch feinere Ausdifferenzierung der im Planbereich zulässigen Nutzungen (vgl. dazu BVerwG, U. v. 22.05.1987 - 4 C 77.84 - BVerwGE 77, 317). In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass Fragen der weitergehenden Binnendifferenzierung gemäß § 1 Abs. 9 BauNVO bislang im Rahmen der Problematik des § 11 Abs. 3 BauNVO behandelt wurden. Die angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist darüber hinaus verallgemeinerungsfähig, soweit es bei der Differenzierung um die Orientierung an marktüblichen Gegebenheiten sowie darum geht, dass gegenüber § 1 Abs. 5 BauNVO spezielle Gründe eine weitere Ausdifferenzierung rechtfertigen können (zum Ausschluss von sog. innenstadtrelevanten Hauptsortimenten im Gewerbegebiet vlg. auch rechtskräftiges Urteil des Senats vom 19.09.2002 - 3 N 78/00 - BauR 2003, 501).

Auch eine nach § 1 Abs. 3 BauGB schädliche, weil nicht erforderliche "Einzelfallplanung" ist nicht erkennbar, denn die Textfestsetzungen betreffen das gesamte Plangebiet und damit auch künftige Nutzungsänderungen im Bestand. Außerdem zeigt die Antragsgegnerin in der Planbegründung Flächen auf, für die die textlichen Festsetzungen in Betracht kommen können. Eine gezielte Verhinderungsplanung bezogen gerade auf das Grundstück der Antragstellerin ist daher nicht ersichtlich.

Die Planbegründung ergibt damit für den Senat mit hinreichender Deutlichkeit "besondere städtebauliche Gründe" für die Antragsgegnerin, festgestellten Fehlentwicklungen entgegenzuwirken.

Ein Verstoß gegen das drittschützende Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB liegt ebenfalls nicht vor.

Das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB verpflichtet den Träger der Bauleitplanung dazu, dass

1. eine Abwägung überhaupt stattfindet,

2. in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss,

3. weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt, noch

4. der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 - BVerwGE 34, 301 - seither ständige Rechtsprechung).

Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Die Kontrolle beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots auf die Frage, ob die Gemeinde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat. Diese Grundsätze hat die Antragsgegnerin bei der Aufstellung des Änderungs-Bebauungsplans beachtet. Es ist ihr weder ein Fehler im Abwägungsvorgang noch im Abwägungsergebnis unterlaufen.

Die Antragsgegnerin hat ausführlich (S. 8 bis 11 der Planbegründung) dargelegt, warum die Belange der Antragstellerin, ihr Grundstück wirtschaftlich möglichst noch effizienter nutzen zu können, bei der Planungsentscheidung nicht berücksichtigt wurden. Hierbei sind Defizite oder Fehlgewichtungen nicht ersichtlich. Im Gegenteil durfte die Antragsgegnerin die wirtschaftlichen Belange der Antragstellerin in der Abwägung gering bewerten: Mit notariellem Kaufvertrag vom 4. Juni 1992 erwarb der jetzige Geschäftsführer der Antragstellerin das streitgegenständliche Grundstück. Die Anregungen (und Bedenken) gegen die Änderungsplanung wurden von der Ehefrau des Geschäftsführers der Antragstellerin als zwischenzeitlicher Geschäftsführerin der Antragstellerin vorgebracht, wobei angenommen werden darf, dass zwischen dem Rechtsvorgänger und der Rechtsnachfolgerin (in Wirklichkeit also Eheleuten) keine Verständigungsprobleme bestanden haben. Dies vorausgeschickt sei auf § 6 des Kaufvertrages mit der Hessischen Landesentwicklungs- und Treuhandgesellschaft mbH - HLT hingewiesen, in dem es in § 6 u.a. heißt:

" 1. Auf der unter § 2 näher bezeichneten Parzelle wird ein Wohn- und Geschäftshaus mit nachstehend aufgeführten Nutzflächen errichtet:

Erdgeschoss:

Im Erdgeschoss mit einer Nutzfläche von ca. 980 qm sollen neben einem Restaurant Einzelhandelsbetriebe angesiedelt werden, die den vorhandenen Branchenmix im Zentrum erweitern und ergänzen. Die einzelnen Nutzungen sind mit der Stadt abzustimmen ...

3. Grundsätzlich sollen ausgeschlossen bleiben:

Einzelhandelsgeschäfte für den kurzfristigen Bedarf, soweit es sich um Discount- Märkte, Supermärkte oder SB-Märkte handelt, Fachmärkte mit mehr als 500 qm Nutzfläche ...

5. Bei einer eventuellen Weiterveräußerung von Grundstücksteilen oder Teileigentum wird der Käufer seinen Vertragspartner im Rahmen seiner eigenen eingegangenen vertraglichen Zusage weiter verpflichten. Eine Weiterveräußerung ist gemäß § 144 BauGB bis zur Aufhebung der Erklärung zum städtebaulichen Entwicklungsbereich nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Stadt A-Stadt möglich ..."

Daraufhin wurde dem jetzigen Geschäftsführer der Antragstellerin mit Bescheid vom 13. September 1994 vom Kreisausschuss des Landkreises Marburg-Biedenkopf die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit einer Geschossfläche von ca. 4.500 qm und einem umbauten Raum von ca. 20.000 cbm genehmigt. Die in der Folgezeit geführten Prozesse belegen, dass sich die Antragstellerin, in welcher gesellschaftsrechtlichen Konstellation auch immer, jedenfalls personell immer der Person des derzeitigen Geschäftsführers zuzuordnen, zu keiner Zeit an den mit der HLT abgeschlossenen Vertrag zu halten gedachte (vgl. Verfahren vor dem Hess. VGH, 4 TG 4585 und 4 TG 4586/98 und insbesondere 4 UE 952/99, bestätigt vom BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 1999 - 4 B 100.99 -; die Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss vom 31. August 2000 - 1 BvR 778/00 -).

Der Antragstellerin war nach alledem bei Erwerb keineswegs unbekannt, was bauplanungsrechtlich auf ihrem Grundstück möglich war und was nicht. Eine von Art. 14 Abs. 1 GG vermittelte besonders geschützte Position ist daher nicht erkennbar.

Der planerische Wille der Antragsgegnerin, das Zentrum von A-Stadt attraktiver zu machen und damit aufzuwerten, ist ein nach § 1 Abs. 5 Sätze 1 und 2 Nrn. 2 und 8 BauGB abwägungserheblicher Belang. Er verfolgt ebenso wie die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme von 1974 das Ziel, Fehlentwicklungen beim schnellen Wachstum der Stadt nach dem 2. Weltkrieg entgegenzuwirken und sie nach Möglichkeit zu korrigieren. Es ist nicht abwägungsfehlerhaft, Teile des Stadtzentrums dem Facheinzelhandel mit diversifiziertem Angebot und Branchenmix (z.B. Apotheken, Optikerfachgeschäfte, aber auch z.B. Buchhandel in SB-Form) vorzubehalten und beispielsweise vor einer Ansammlung von Filialen überörtlicher Drogerieketten u. ä. zu schützen, welche im Wettbewerb zur Zahlung hoher Ladenmieten bereit und in der Lage sind, bekanntermaßen aber in der Häufung ihrer Geschäfte nicht zur Bereicherung der Innenstädte beitragen. Dem steht auch nicht entgegen, dass in an das Plangebiet angrenzendem Bereichen SB- und Discount-Märkte zulässig sind, denn diese können als "Frequenzbringer" Menschen in das Stadtzentrum locken, wovon auch der kleinteilige Facheinzelhandel profitieren kann.

Bei der Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten im streitgegenständlichen Planbereich durfte und musste die Antragsgegnerin auch berücksichtigen, dass SB- und Discount-Märkte wesentlich mehr Stellplatzfläche erfordern (und verbrauchen) als kleinere Geschäfte des Facheinzelhandels. Wegen der Erreichbarkeit der PKWŽs mit gefüllten Einkaufswagen müssen diese Stellplatzflächen in der Regel an der Erdoberfläche vorgehalten werden, da Tiefgaragen oder Parkhäuser sich nicht überall realisieren lassen. Diese Flächen fallen für eine anderweitige Nutzung weg, obwohl sie für ein attraktives Stadtzentrum unentbehrlich sind.

Nach alledem ergibt sich, dass die angegriffene Planänderung rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.

Hinweis: Streitwert 40.000,- €

Ende der Entscheidung

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