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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.01.2006
Aktenzeichen: 3 TG 3214/05
Rechtsgebiete: BGB, BauGB


Vorschriften:

BGB § 125
BGB § 242
BGB § 311 b
BauGB § 144 Abs. 2
BauGB § 145
BauGB § 169
Haben sich die Vertragspartner einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme notariell beurkundet zur Verschwiegenheit verpflichtet und vereinbart Presseerklärungen nur abzugeben, wenn diese zuvor von der Gegenpartei freigegeben wurden, stellt das bloße Schweigen auf eine übersandte Presseerklärung keine Freigabeerklärung dar.

Die Berufung auf das vertraglich sanktionierte Erlöschen einer notariell beurkundeten und auf den Erwerb von Grundstücken abzielenden Kaufoption stellt sich auch dann nicht als rechtsmissbräuchlich dar, wenn nach dem Erlöschen zwischen den Beteiligten noch weitere Verhandlungen geführt werden, bei denen die Beteiligten irrtümlich vom Fortbestand der Kaufoption ausgehen.

Die §§ 144, 145, 169 BauGB dienen ausschließlich der - hoheitlichen - Sicherung der Entwicklungsziele. Vertragliche Bindungen zu Dritten können außerhalb des Regelungsgefüges der §§ 144, 145, 169 BauGB den öffentlich-rechtlich bestimmten Handlungsspielraum der Gemeinde weder überlagern noch verändern.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 TG 3214/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Städtebaulicher Entwicklungsmaßnahme

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Lehmann

am 5. Januar 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Dezember 2005 - 8 G 4906/05 (2) - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung für beide Rechtszüge auf je 350.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg, da das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht den Eilantrag der Antragstellerin abgelehnt hat. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen im Ergebnis keine andere Entscheidung in der Sache.

Dabei kann dahinstehen, ob das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin an der Durchführung des Beschwerdeverfahrens durch die am 22. Dezember 2005 erfolgte Genehmigung von vier Erbbauverträgen durch die Antragsgegnerin entfallen ist - was von der Antragstellerin in Abrede gestellt wird -, da die Beschwerdebegründung auch in der Sache keine andere Entscheidung rechtfertigt.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die zwischen der Antragstellerin und der ... mbH durch notariellen Vertrag vom 2. Dezember 2003 vereinbarte Kaufoption erloschen ist und von Seiten der Antragstellerin daher kein zu sichernder Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden ist (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO), der es rechtfertigen könnte, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung einstweilen zu untersagen, zu Kaufverträgen zwischen Dritten und Eigentümern von Grundstücken, die im Gebiet der Kaufoption belegen sind, die Zustimmung nach § 144 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 169 Abs. 1 Nr. 3 BauGB zu erteilen.

Soweit die Antragstellerin meint, die Kaufoption sei schon deshalb nicht erloschen, weil die von ihr herausgegebene Presseerklärung ausweislich der von der Antragsgegnerin eingereichten eidesstattlichen Erklärung des Herrn Norbert L. ( Bl. 124 GA ), tätig bei der ... Agentur GmbH, von der Antragsgegnerin an die Treuhänderin weitergeleitet worden sei und daher für diese die Möglichkeit bestanden habe, hiergegen Einwendungen zu erheben - was jedoch nicht geschehen sei -, ändert dies nichts an dem von dem Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnis. Gemäß Nr. 2.7 des zwischen der ... mbH und der Antragstellerin am 2. Dezember 2003 geschlossenen notariellen Vertrags (im Folgenden Anpassungsvertrag) haben sich die Parteien wechselseitig auferlegt, Pressemitteilungen, -interviews und -erklärungen hinsichtlich des vertragsgegenständlichen Investments von ..., soweit sie nicht das allgemeine Konzept der Parkstadt 2000 betreffen, innerhalb der nächsten 2 Jahre nur dergestalt gemeinsam abzugeben, dass diese jeweils vor der Abgabe von der Gegenpartei freigegeben werden. Zuständig für die Freigabe sollte für ... der Geschäftsführer Herr K., für die Treuhänderin die ... sein. Abgesehen von der Frage, ob die Übersendung der Presseerklärung an die Antragsgegnerin und die Weiterleitung dieser an die Treuhänderin als ausreichend im Lichte der vertraglichen Vereinbarungen angesehen werden kann, stellt das bloße Schweigen auf eine zur Kenntnis gebrachte beabsichtigte Presseerklärung keine Freigabe im Sinne von Nr. 2.7 des Anpassungsvertrages dar. Die Freigabe einer Erklärung erfordert vielmehr aktives Handeln in Form von Zustimmung für die von der Gegenseite beabsichtigten Schritte. Die Antragstellerin hat mithin das Fortbestehen der Kaufoption nicht glaubhaft machen können, da gemäß Nr. 2.8 des Anpassungsvertrages bei Zuwiderhandlungen gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung oder die Abstimmungsverpflichtung für Pressemitteilungen, -interviews und -erklärungen gemäß Nr. 2.7, die unter Nr. 2.9 zu vereinbarte Kaufoption erlischt.

Soweit die Beschwerdeführerin meint, die Antragsgegnerin dürfe sich auf das Erlöschen der Kaufoption nicht berufen, da sie in Kenntnis der Presseerklärung die unveränderte Fortgeltung der Zusammenarbeit mit der Antragstellerin auf der Grundlage der uneingeschränkten Geltung des städtebaulichen Vertrages sowie des dritten Anpassungsvertrages (einschließlich der Kaufoption) mehrfach bekräftigt habe und unter diesen Umständen die Berufung auf das Erlöschen dieser Kaufoption eine unzulässige Rechtsausübung darstelle, kann dem nicht gefolgt werden. Zunächst gilt auch insoweit, dass der notarielle Anpassungsvertrag inklusive der dort vereinbarten Kaufoption nicht zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin, sondern zwischen der Antragstellerin und der Treuhänderin geschlossen worden ist. Gespräche zwischen der Antragstellerin und Vertretern der Antragsgegnerin, in denen der Wille bekräftigt wurde, an dem städtebaulichen Vertrag vom 8. September 1999 mit all seinen Nachträgen, also einschließlich der Kaufoption, festhalten zu wollen, was der Geschäftsführer der Antragstellerin in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 24. November 2005 (Bl. 154 GA) bestätigt hat, führen daher nicht zu der Annahme eines Sachverhalts, der die Berufung auf das Erlöschen der Kaufoption als einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) als gerechtfertigt erscheinen lässt. Die Antragstellerin hat insoweit auch weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass die an dem nach der Presseerklärung stattfindenden Gespräch teilnehmenden Personen befugt waren, verbindliche Erklärungen für die Antragstellerin, die Antragsgegnerin und die Treuhänderin abzugeben. Die Antragstellerin hat keinen Sachverhalt glaubhaft gemacht, der einen Verstoß gegen Treu und Glauben und damit den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs belegt. Im Übrigen hat das strenge, der Rechtsklarheit dienende Formerfordernis des § 311 b BGB grundsätzlich Vorrang vor Erwägungen zu Treu und Glauben. Ausnahmen hiervon sind nur ausnahmsweise zulässig, wenn es nach den Beziehungen der Partei und den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, das Rechtsgeschäft an dem Formmangel scheitern zu lassen; dabei muss das Ergebnis - so eine von der Rechtsprechung ständig verwandte Formel - für die betroffene Partei nicht bloß hart, sondern schlechthin untragbar sein, wobei die Umstände, die für die Aufrechterhaltung des Rechtsgeschäfts sprechen, von dem zu beweisen sind, der aus dem Rechtsgeschäft Rechte herleiten will (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 64. Auflage, § 311 b Rdnr. 45, § 125 Rdnr. 16 jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen). Ein derart extrem gelagerter Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Zum einen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt, der auf die zwischen der Antragstellerin und der Treuhänderin vereinbarte Kaufoption rechtliche Auswirkungen haben könnte. Zum anderen handelt es sich bei der Antragstellerin und der Treuhänderin um gleichgeordnete Geschäftspartner, die um die Auswirkungen der von ihnen vereinbarten Vertragssanktionen wissen mussten und die keines besonderen Schutzes bedurften. Die Berufung auf das vertraglich sanktionierte Erlöschen einer notariell beurkundeten und auf den Erwerb von Grundstücken abzielenden Kaufoption stellt sich auch dann nicht als rechtsmissbräuchlich dar, wenn nach dem Erlöschen zwischen den Beteiligten noch weitere Verhandlungen geführt werden, bei denen die Beteiligten irrtümlich vom Fortbestand der bereits erloschenen Kaufoption ausgegangen sind. Nach Erlöschen der Kaufoption hätte es des Abschlusses eines neuen notariell beurkundeten Vertrages zwischen der Antragstellerin und der Treuhänderin bedurft, um Ansprüche aus einer - neu vereinbarten - Kaufoption herleiten zu wollen.

Im übrigen dienen die §§ 144, 145, 169 BauGB ausschließlich der - hoheitlichen - Sicherung der Entwicklungsziele. Vertragliche Bindungen zu Dritten können außerhalb des Regelungsgefüges der §§ 144, 145, 169 BauGB den öffentlich rechtlich bestimmten Handlungsspielraum der Gemeinde hinsichtlich der Genehmigung von rechtsgeschäftlichen Grundstücksveräußerungen weder überlagern noch verändern.

Soweit die Antragstellerin schließlich meint, die Antragsgegnerin könne sich auf das Erlöschen der Kaufoption deshalb nicht berufen, weil sie selbst vertragsbrüchig geworden sei, wird aus ihrem Vortrag zunächst nicht deutlich, ob der behauptete Vertragsbruch durch die Antragsgegnerin oder durch die Treuhänderin erfolgt sein soll. Soweit der behauptete Vertragsbruch der Treuhänderin und mithin der Vertragspartnerin der Antragstellerin zuzurechnen sein sollte, handelt es sich jedoch allenfalls um einen weiteren Nachweis für das Erlöschen der Kaufoption, da die in Nr. 2.8 des Anpassungsvertrages vereinbarte Sanktion bei Verletzung der Verschwiegenheitspflicht auf beiden Seiten greift. Im Übrigen ist die von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang vorgelegte eidesstattliche Versicherung vom 12. Dezember 2005 (Bl. 183 B GA) - deren Inhalt von der Antragsgegnerin bestritten wird - zu unbestimmt, um den Nachweis einer Vertragsverletzung führen zu können. Der Geschäftsführer der Antragstellerin führt in der eidesstattlichen Versicherung vom 12. Dezember 2005 lediglich aus, nach Abschluss des Anpassungsvertrags vom 2. Dezember 2003 habe die ... Agentur GmbH durch ihre Mitarbeiter und/oder dafür beauftragte Personen Erklärungen/Interviews gegenüber der Presse abgegeben, die sodann zu entsprechenden Presseveröffentlichungen geführt hätten, welche das vertragsgegenständliche Investment von ... behandelten und sich nicht nur auf das allgemeine Konzept der Parkstadt 2000 beschränkten. Insbesondere seien von der ... Agentur GmbH Angaben zu Grundstücks- (Einstands-) preisen, Vermarktungsstand, Behandlung der Erschließungskosten-/und Situation etc. gemacht worden. Zu keinem Zeitpunkt habe die ... Agentur GmbH im Zeitraum seit Dezember 2003 bis heute eine ihrer Presseerklärungen/Interviews mit ihm abgestimmt.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 29. Dezember 2005 eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht nachhaltig bestritten hat, reicht die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung, mit der allgemein behauptet wird, es habe entsprechende Presseerklärungen gegeben, für die Glaubhaftmachung einer Vertragsverletzung nicht aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 50 Abs. 2 GKG entsprechend sowie den §§ 52, 47, 53 GKG. Zwar findet § 50 Abs. 2 GKG aufgrund der Tatsache, dass es sich nicht um ein vergaberechtliches Verfahren handelt, keine unmittelbare Anwendung , die dort zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedanken hat der Senat jedoch im Rahmen der von ihm zu treffenden Ermessensentscheidung nach § 52 Abs. 1 GKG mit berücksichtigt. In Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung (§ 63 GKG) hält der Senat im Eilverfahren einen Streitwert von 350.000,00 € in beiden Rechtszügen für angemessen, da nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragstellerin, den diese durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung vom 12. Dezember 2005 glaubhaft gemacht hat (Bl. 183 A GA), der kalkulierte Überschuss lediglich rund 14.000.000,00 € und nicht wie zuvor veranschlagt, 35.000.000,00 € beträgt. Unter Berücksichtigung der in § 50 Abs. 2 GKG enthaltenen Rechtsgedanken legt auch der Senat 5 % dieses Betrages als Streitwert zu Grunde, der aufgrund der Vorläufigkeit eine Entscheidung im Eilverfahren nur hälftig zum Ansatz zu bringen ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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