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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: 3 UE 191/07.A
Rechtsgebiete: AufenthG, QRL


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 3
AufenthG § 60 Abs. 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7
AufenthG § 60 Abs. 11
QRL Art. 1
QRL Art. 2
QRL Art. 4
QRL Art. 8
1. Die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - Qualifikationsrichtlinie - hat zu Änderungen der Prüfungsmaßstäbe hinsichtlich der Zuerkennung von Flüchtlingsschutz geführt.

2. Bei der Frage, welcher Maßstab an die zu prüfende Verfolgungswahrscheinlichkeit zu stellen ist, ist gemäß Art. 4 Abs. 3 QRL stets eine individuelle Prüfung vorzunehmen.

3. Auch unter Geltung der QRL besteht hinsichtlich der Gefährdungsprognose ein Unterschied, ob der Flüchtling sein Heimatland vorverfolgt oder nicht verfolgt verlassen hat.

4. Nach Art. 4 Abs. 4 QRL ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist. Nur wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht ist, greift die Vermutungsregel des Art. 4 Abs. 4 QRL nicht.

5. Ein nicht vorverfolgt ausgereister Flüchtling muss begründete Furcht vor Verfolgung (Art. 2 c) QRL) geltend machen, d.h. er muss bei Rückkehr in sein Heimatland erwartbar Verfolgungsmaßnahmen befürchten müssen. Dies entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.

6. Die Differenzierung zwischen örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung, die zur Konsequenz hatte, dass Flüchtlinge, die "lediglich" einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung ausgesetzt waren, mit Verlassen des Verfolgungsgebietes, spätestens aber mit Rückkehr aus dem Ausland mangels Orts- bzw. Gebietsbezug voraussetzungsgemäß nicht mehr von Verfolgung betroffen sind und ihnen daher eine Rückkehr in andere Gebiete des Heimatstaates ohne weitere asyl- bzw. flüchtlingsrechtliche Prüfung einer inländischen Fluchtalternative zuzumuten war, ist mit den Vorgaben der QRL nicht - mehr - zu vereinbaren.

7. Art. 8 Abs. 2 QRL stellt hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen des internen Schutzes auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag, mithin grundsätzlich in gerichtlichen Verfahren die mündliche Verhandlung, ab, ohne bei der Frage der Vorverfolgung Differenzierungen nach örtlich oder regional begrenzter Verfolgung vorzunehmen.

8. Der Beibehaltung des Instituts der "örtlich begrenzten Gruppenverfolgung" stehen kompetenzrechtliche Erwägungen entgegen, da diese im Vergleich zu den Anforderungen der QRL (Art. 4 Abs. 4, Art. 8 QRL) auf Grund des dann anzuwendenden eingeschränkten Prüfprogramms - keine Prüfung des internen Schutzes im Zeitpunkt der Rückkehr - zu einer Schlechterstellung der nur einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung ausgesetzten Flüchtlinge führt und damit dem Ziel der QRL, Mindestnormen für den Flüchtlingsschutz verbindlich festlegen zu wollen (Art. 1 QRL), entgegensteht.

9. Der vom Bundesverfassungsgericht so bezeichneten "Zwiegesichtigkeit eines Staates" (BVerfGE 80, 315 ff.) trägt Art. 8 QRL Rechnung, indem er den Flüchtling ohne weitere Differenzierung nur dann auf eine interne Schutzmöglichkeit bei Rückkehr in sein Heimatland verweist, wenn dort für ihn keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält, wobei sich nach Art. 8 Abs. 2 QRL eine rein generalisierende Prüfung verbietet.

10. Bei der Prüfung der existentiellen Gefährdungen am Ort des internen Schutzes entfällt unter Geltung der QRL die bisher von der Rechtsprechung geforderte vergleichende Betrachtung - eine inländische Fluchtalternative konnte bisher bei Vorliegen existentieller Gefährdungen dort nur dann angenommen werden, wenn diese so am Herkunftsort nicht bestünden - da eine derartige Betrachtung Art. 8 QRL fremd ist.

11. Tschetschenische Volkszugehörige aus Tschetschenien sind im Herbst 2000 vorverfolgt im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL aus ihrer Heimatregion Tschetschenien ausgereist, da dort ihr Leben und ihre Freiheit allein wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe ethnischer Tschetschenen aus Tschetschenien unmittelbar durch staatliche Stellen bedroht war (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, Art. 2 c) QRL, Art. 4 Abs. 4 QRL).

12. Im Herbst 2000 sind die in Tschetschenien stationierten russischen Einheiten und Sicherheitskräfte bei der Bekämpfung der tschetschenischen Rebellen bzw. Separatisten weit über das hinaus gegangen, was unter dem Gesichtspunkt einer legitimen Terrorismusbekämpfung bzw. der legitimen Bekämpfung von Separatismusbestrebungen eines Staates hingenommen werden kann, wobei die tschetschenische Zivilbevölkerung gezielten Drangsalierungen, willkürlichen Verhaftungen, Verschleppungen, Verfolgungen bis hin zu Mord, Folterungen, Vergewaltigungen ausgesetzt war.

13. Tschetschenische Volkszugehörige aus Tschetschenien, denen keine tatsächliche oder unterstellte frühere Mitwirkung bzw. Einbindung bei den Rebellentruppen oder im Regime Maschadow entgegengehalten werden kann, können heute nach Tschetschenien zurückkehren. Bei ihnen sprechen stichhaltige Gründe dagegen, dass sie erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden - wie im Herbst 2000 -bedroht sein werden (Art. 4 Abs. 4 QRL). Insoweit hat sich die Sicherheitslage in Tschetschenien sowohl im Vergleich zum Ausreisezeitpunkt der Kläger im Herbst 2000 als auch zum vormaligen Entscheidungszeitpunkt des Senats am 2. Februar 2006 - 3 UE 3021/03.A - maßgeblich verändert.

14. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gibt den Wortlaut des Art. 15 c) QRL nicht ordnungsgemäß wieder, da er das Tatbestandselement "infolge willkürlicher Gewalt" nicht mit aufnimmt. Im Übrigen kann die Ausschlussklausel des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG auf Konstellationen nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG keine Anwendung finden, da es sich nach Art. 18 QRL auch bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes um eine gebundene Entscheidung handelt. In Fällen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bleibt es bei den Wahscheinlichkeitsmaßstäben der QRL.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 UE 191/07.A

verkündet am 21. Februar 2008

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der 3. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs durch

Vorsitzender Richter am Hess. VGH Blume Richter am Hess. VGH Dr. Michel Richterin am Hess. VGH Lehmann ehrenamtliche Richterin Rahusen-Marsch ehrenamtlicher Richter Tipi

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2003 - 1 E 519/02.A -, soweit es noch streitgegenständlich ist, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die nach ihren Angaben xxxx, xxxx und xxxx in xxxxxxxxx, Tschetschenien, geborenen Kläger beantragten am 6. November 2000 gemeinsam mit dem damals noch im Verfahren befindlichen Ehemann der Klägerin zu 1. und Vater der Kläger zu 2. und 3. - dem vormaligen Kläger zu 1. - ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Das Verfahren des Ehemannes bzw. Vaters der Kläger wurde im Berufungsverfahren durch Beschluss vom 19. Januar 2004 nach Ablauf einer Betreibensaufforderung gemäß § 81 AsylVfG wegen unbekannten Aufenthalts eingestellt.

Im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, die in russischer Sprache durchgeführt wurde, trug die Klägerin zu 1. im Wesentlichen vor, sie beherrsche sowohl die russische als auch die tschetschenische Sprache. Sie sei tschetschenische Volkszugehörige und gehöre dem Kaschgilkinskij-Stamm an. 1997 hätten sie in Gudermes Inlandspässe ausgestellt bekommen, die sie jedoch bei ihrer Mutter zurückgelassen habe. In Gudermes lebe noch ihre Mutter, ihr Vater und ihre Schwester seien bereits verstorben. Des Weiteren lebten in Tschetschenien Cousins von ihr, sonstige Verwandte in der Russischen Förderation habe sie nicht. Sie habe von 1970 bis 1980 die Schule bzw. ein Mädcheninternat besucht und danach zwei Jahre lang eine Ballettschule. 1983 habe sie mit dem Studium der russischen Philologie an der Universität begonnen, das sie 1988 abgeschlossen habe. Sie habe dann in Gudermes an der ersten Schule angefangen zu arbeiten. Dort habe sie zwei oder drei Jahre lang gearbeitet, 1990 habe sie geheiratet und ihr erstes Kind bekommen, ein Jahr später sei das zweite Kind gekommen und dann habe der Krieg angefangen und sie habe nicht mehr weiter arbeiten können. Am 13. Oktober 2000 seien sie von Tschetschenien aus per Zug nach Rostow gereist, wo sie am nächsten Tag angekommen seien. Dort hätten sie sich eine Woche lang aufgehalten und seien mit dem LKW und schließlich mit einem PKW bis in die Nähe von Berlin gefahren. Die Familie sei dort zunächst für vier bis fünf Tage getrennt worden.

Aus Tschetschenien seien sie weggegangen, da sie Angst um ihre Kinder und ihre Familie gehabt habe. Sie habe nicht gewollt, dass jemand von ihrer Familie getötet werde. Ihre Kinder seien auf der Straße von den Leuten, die dort Dokumente kontrollierten, schlecht behandelt worden. Sogar Putin habe gemeint, die Kinder ab 11 Jahren würden wie Terroristen behandelt. Ihr Mann sei oft geschlagen und zum Posten der Sicherheitskräfte gebracht worden. Er sei auch festgenommen worden. Außerdem habe er nicht am Krieg teilnehmen wollen, da er ein friedlicher Mensch sei. Ihm sei gedroht worden, dass er dies nach dem Krieg verantworten müsse. Schon im Winter 1995 sei ihr Mann einmal nicht mehr nach Hause gekommen, sie habe ihn dann bei der Polizei ausfindig gemacht und 200 Dollar zahlen müssen, um ihn freizukaufen. Dies sei insgesamt dreimal geschehen. 1995 seien sie deswegen nach Nijnewartowsk in Sibirien gegangen, da ihr Mann dort Bekannte gehabt habe. Sie hätten gehofft, dort ein neues Leben anfangen zu können, ihr Mann habe jedoch keine Arbeit bekommen, woraufhin sie 1997 zurückgekehrt seien. Für den Schlepper hätten sie 1.000,00 Dollar pro Person zahlen müssen. Der letzte Vorfall sei im September 2000 gewesen, als ihr Mann sich nach einem in Grozny lebenden Neffen habe erkundigen wollen. Sie seien mit dem Bus nach Grozny gefahren und in eine Kontrolle geraten, ihr Mann sowie ein weiterer Mann, der sich im Bus aufgehalten habe, seien zu dem Kontrollposten mitgenommen und dort geschlagen worden. Sie habe wiederum Geld bezahlen müssen, um ihren Mann freizukaufen. Sie habe Angst um ihren Ehemann und um ihre Kinder gehabt. Jede Nacht, wenn sie einschlafen wolle, habe sie Angst vor dem nächsten Tag, nachts höre sie ständig Schüsse. Während des ersten Krieges habe sie lange Zeit mit den Kindern in einem Keller zubringen müssen, sie habe gesehen, wie ihre Kinder Angst gehabt hätten, wie sie vor Angst geschrien hätten, als Militärflugzeuge angeflogen gekommen seien. Sie seien als Tschetschenen schlecht behandelt worden, obwohl sie niemandem etwas getan hätten. Ihre Wohnung sei zerstört worden, diese sei ausgebrannt, sie hätten kein Zuhause mehr. Sie hätten dann bei dem Bruder ihres Ehemanns von ihren Ersparnissen gelebt. Auch habe ihr Mann selbst während des Krieges noch versucht Geld zu verdienen, er habe z.B. mit seinem Bruder Bausteine der zerstörten Häuser verkauft, für 1000 Bausteine hätten sie 500 Rubel erhalten. Bei einer Rückkehr nach Tschetschenien habe sie sehr große Angst. Es gebe kein Zuhause mehr, die Lage werde sich nach ihrer Einschätzung auch in den nächsten Jahren nicht beruhigen. Es sei unerträglich, wie die Russen dort aufträten, ihr Mann habe sogar Angst gehabt, auf die Straße zu gehen. Wenn die Kinder auf die Straße gingen, müsse man immer dabei sein, da diese sonst entführt werden könnten.

Der Ehemann der Klägerin zu 1. und Vater der Kläger zu 2. und 3. trug im Rahmen seiner Anhörung im Wesentlichen vor, er habe eine Ausbildung als Schweißer gemacht und nach Ableistung seines Militärdienstes im Jahr 1981 in diesem Beruf in Gudermes gearbeitet. 1982 sei er nach Sibirien, nach Nijnewartowsk im Kreis Tjumenskaja gegangen, wo er bis zum Jahr 1989 sehr gut Geld verdient habe. Er sei dann zurück nach Gudermes gegangen und habe 1990 geheiratet. Tschetschenien habe er verlassen, um für seine Kinder und seine Familie Sicherheit zu bekommen. Als Mann sei es in Tschetschenien besonders schwierig, da man dort oft kontrolliert werde. Er sei oft festgenommen und geschlagen worden, man habe ihm die Nase zerschlagen, die Zähne und seine Rippen seien gebrochen worden. 1995 sei er erstmals von den Omonen-Einheiten, das seien die Föderalen, festgehalten und misshandelt worden. Auch Ende 1999 habe es einen derartigen Vorfall gegeben. Im September 2000 sei er gemeinsam mit seinem Bruder anlässlich einer Säuberung festgenommen worden. Es gebe keinen Grund für derartige Festnahmen, es reiche vielmehr aus, ein Mann zu sein. Das gleiche gelte sogar schon für seine Kinder, seine Söhne. Sie würden bereits als potentielle Terroristen eingestuft. So verdächtigten die Russen auch kleine Kinder, dass sie als Selbstmordattentäter unterwegs seien. Eine Rückkehr nach Russland sei nicht möglich, da überall ein sehr starker Hass gegen Tschetschenen vorhanden sei. Als er während des ersten Krieges nach Sibirien, dort nach Nijnewartowsk gegangen sei, habe er deshalb keine Arbeit gefunden, weil er Tschetschene sei. Er habe sich zwar dagegen verwehrt, jedoch ohne Erfolg. Bei Rückkehr nach Tschetschenien befürchte er kämpfen und töten zu müssen, was er jedoch nicht wolle. Als er in der Armee gewesen sei, sei er in der Raketenabteilung im Einsatz gewesen, er sei jedoch der einzige Tschetschene gewesen. Dort habe er nicht einmal ein Gewehr bekommen, so groß sei das Misstrauen gegenüber Tschetschenen gewesen.

Mit Bescheid vom 14. Januar 2002 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag der Kläger sowie des Ehemannes bzw. Vaters der Kläger ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Des Weiteren wurden sie aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bzw. im Falle einer Klageerhebung innerhalb eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist wurde ihnen ihre Abschiebung in die Russische Föderation oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht.

Gegen den am 1. Februar 2002 zugestellten Bescheid haben die Kläger gemeinsam mit dem Ehemann der Klägerin zu 1. und Vater der Kläger zu 2. und 3. am 13. Februar 2002 Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main - 1 E 519/02.A(3) - erhoben. Im Rahmen des dieses Verfahrens trugen sie über ihren Bevollmächtigten im Wesentlichen vor, sie müssten befürchten, soweit sie in Flüchtlingslager zurückkehren würden, dort von russischen Behörden aufgespürt und inhaftiert zu werden. Nachdem der Krieg in Tschetschenien im Jahre 1999 wieder aufgeflammt sei, habe ein Cousin des Ehemanns der Klägerin zu 1. bei der Regierung unter Kadyrow als Pressesekretär gearbeitet. Nachdem sich der Cousin zusammen mit dem Ehemann der Klägerin zu 1. entschlossen habe, für den Untergrund zu arbeiten, habe er die Aufgabe übernommen, der Widerstandsbewegung Geld zu liefern. Ebenso sei der Ehemann der Klägerin zu 1. damit betraut gewesen, Verletzte von der Front zu holen und für sie die ärztliche Versorgung zu organisieren. Die Schwester des Ehemanns der Klägerin zu 1. sei in der zweiten Stadtklinik als Chirurgin beschäftigt gewesen. Der Cousin habe ein Netzwerk für Geldtransporte organisiert und schließlich auch dafür gesorgt, dass die Familie habe ausreisen können. Der Ehemann der Klägerin zu 1. habe nach seiner Ankunft in Deutschland über diesen Vorfall nicht gesprochen, da er Angst gehabt habe, auf diese Weise seinen Cousin bzw. die Mitkämpfer zu gefährden. Er habe zudem befürchtet, nunmehr auch bei den russischen Behörden bekannt zu sein und bei einer Rückkehr schon aus diesem Grund verfolgt zu werden. Schließlich gebe es für sie auch weder in den Flüchtlingslagern noch in anderen Gebieten der Russischen Förderation eine Existenzmöglichkeit. Für die russischen Behörden seien tschetschenische Volkszugehörige Kriminelle, für die generell gelte, dass sie am besten nicht existierten. Entgegen der in dem angefochtenen Bescheid geäußerten Ansicht habe die ethnisch bedingte Diskriminierung im Verkehr mit russischen Behörden bei der Polizei durchaus rechtliche Intensität. Sie hätten keine Chance, bei einer Rückführung in die Russische Föderation eine Arbeit oder eine Wohnung zu erhalten.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht trug die Klägerin zu 1.vor - ihr Ehemann war zu diesem Zeitpunkt bereits unbekannten Aufenthalts -, über Sammlungen oder Lieferungen von Geld durch ihren Mann könne sie nichts sagen, darüber wisse sie nichts. Sie wisse jedoch, dass ihr Mann Verletzten geholfen habe, sie in das Krankenhaus oder zu seiner Schwester, die Chirurgin sei, zu bringen.

Nachdem die Kläger ihre Klage auf Anerkennung als Asylberechtigte zurückgenommen haben, haben sie beantragt,

das Bundesamt zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 Abs. AuslG vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 24. September 2003 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main das Verfahren eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde. Im Übrigen hat es den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 14. Januar 2002 hinsichtlich der Feststellungen zu den §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG und der Abschiebungsandrohung aufgehoben und das Bundesamt verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Kläger vorliegen. Auf Antrag des Bundesamtes vom 14. Oktober 2003 hat der 3. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluss vom 3. November 2003 - 3 UZ 2858/03.A - die Berufung gegen das am 2. Oktober 2003 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2003 zugelassen.

Mit Urteil vom 2. Februar 2006 - 3 UE 3021/03.A - hat der Senat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2003 - 1 E 519/02.A (3) - zurückgewiesen.

Auf die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 2. Februar 2006 hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Januar 2007 - BVerwG 1 B 47.06 - das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Februar 2006 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.

Zur Berufungsbegründung trägt das Bundesamt unter Verweis auf entsprechende obergerichtliche Rechtsprechung vor, es sei grundsätzlich klärungsbedürftig, ob in der Russischen Förderation tschetschenische Volkszugehörige, die in den Auseinandersetzungen mit Russland auf der tschetschenischen Seite aktiv gewesen seien, in andere russische Landesteile zurückkehren könnten (Schriftsatz - SS - vom 02.12.2003, Bl. 128 GA und vom 13.10.2003, Bl. 119 GA). Insoweit sei auch die von dem Beteiligten in seinem Schriftsatz vom 22. Februar 2007 (Bl. 301 GA) genannte obergerichtliche Rechtsprechung zu beachten (SS vom 05.03.2007, Bl. 307 GA). Die behauptete ethnische Verfolgung in Tschetschenien stelle - wenn überhaupt - allenfalls eine örtlich begrenzte Gruppenverfolgung mit der Konsequenz dar, dass die Kläger als potentielle Rückkehrer aus dem Ausland in die Russische Föderation als Ganzes überhaupt nicht zu dem nach Ort, Zeit und näheren Umständen bestimmten, betroffenen Kreis der potentiellen Opfer gehörten, die Frage der Existenz einer inländischen Fluchtalternative könne dabei offen bleiben.

Die Kläger seien weder vorverfolgt ausgereist, noch drohe ihnen heute bei Rückkehr in ihr Heimatland politische Verfolgung, auch seien die Voraussetzungen für das Vorliegen internen Schutzes im Sinne von Art. 8 QRL auch unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände der Kläger gegeben. Nach Auskunft des Gutachters Prof. Dr. Luchterhandt könne zudem ein Pass nach der seit Dezember 2006 geltenden Regelung in der Russischen Föderation am Wohnort, am Aufenthaltsort oder am Ort der Antragstellung ausgestellt werden, so dass eine Rückkehr nach Tschetschenien nicht zwingend sei.

Im Übrigen sei auf die Entscheidung des BVerwG vom 01.Februar 2007 -1 C 24.06 - zu verweisen, wonach es unzulässig ist, im Hinblick auf die Verfolgungsdichte bei "nichtstaatlicher" Gruppenverfolgung alle Übergriffe, egal von welcher Seite und mit welcher zu vermutenden Zielrichtung, unkritisch zusammen zu zählen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2003 - 1 E 519/02.A (3) -, soweit unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten zu den §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG die Beklagte verpflichtet wurde festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2006 vor dem Senat trug die Klägerin zu 1. im Wesentlichen vor, ihr Ehemann habe die Familie im Juli 2003 verlassen, Kontakt habe sie seitdem zu ihm nicht mehr. Zu Verwandten oder Bekannten, die in Tschetschenien bzw. der Russischen Föderation zurückgeblieben seien, habe sie ebenfalls keinen Kontakt mehr, dies gelte auch für die Bekannten ihres Ehemannes in Sibirien. Ab und an telefoniere sie mit ihrer Mutter, wenn es dieser gelinge in eine benachbarte Republik von Tschetschenien zu kommen. Sie gehe davon aus, dass die 1997 ausgestellten Pässe mittlerweile abgelaufen seien, die Kinder seien damals in ihren Pass mit eingetragen gewesen.

Der Beteiligte hat keinen Antrag gestellt, mit Schriftsatz vom 22. Februar 2007 (Bl. 301 GA) jedoch zur Sache unter Bezugnahme auf verschiedene Entscheidungen anderer Obergerichte Stellung genommen.

Der Senat hat zur Situation tschetschenischer Volkszugehöriger aus Tschetschenien in der Russischen Föderation Beweis durch Einholung sachverständiger Auskünfte erhoben, hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die in der Gerichtsakte befindlichen Schriftstücke, den Verwaltungsvorgang der Beklagten (1 Aktenheft) sowie den der Ausländerbehörde des Landrates des Landkreises Offenbach hinsichtlich des Ehemannes der Klägerin zu 1. ( 1 Aktenheft) sowie auf die den Beteiligten mitgeteilten Erkenntnisse zur Situation in der Russischen Föderation (Erkenntnisquellenliste Russische Föderation - Tschetschenien - Stand: Januar 2008) Bezug genommen. Die Unterlagen sind insgesamt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Berufung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2003 in dem hier noch streitgegenständlichen Umfang begehrt, ist aufgrund der Zulassung durch den Senat und auch sonst zulässig und auch begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, hinsichtlich der noch im Berufungsverfahren beteiligten Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, der gemäß Art. 15 Abs. 3 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 seit dem 1. Januar 2005 durch § 60 Abs. 1 AufenthG abgelöst wurde, festzustellen; denn die Ablehnung der Feststellung von Flüchtlingsschutz gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I Nr. 42 S. 1970 ff.) - AufenthG - stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) als rechtmäßig dar.

Gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft.

Eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 kann ausgehen von

a. dem Staat,

b. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder

c. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter Buchstabe a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land ein staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht,

es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, sind Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29. April 2004 (ABl. EU L 304 S.12, ber. ABL. 2005 L 204 S. 24 - Qualifikationsrichtlinie/QRL -) ergänzend anzuwenden.

Nach der nunmehr in § 60 Abs. 1 AufenthG in Bezug genommenen und im Übrigen aufgrund des Ablaufs ihrer Umsetzungsfrist zum 10. Oktober 2006 ohnehin in weiten Teilen unmittelbar geltenden Qualifikationsrichtlinie (vgl. zur unmittelbaren Geltung von Richtlinien EuGH, Urteil vom 19. 01. 1982 - Rs. 8 /81 -, EuGHE 1982, 53 Rz 21 ff. und vom 20. 09. 1988 - Rs 190/87 -, EuGHE 1988, 4689 Rz 22 ff.; Herdegen, Europarecht, 8. Aufl., 2006, § 9 Rdnr 44 ff.) haben sich die vorwiegend richterrechtlich entwickelten Prüfungsmaßstäbe hinsichtlich der Zuerkennung von Flüchtlingsschutz unmittelbar am Wortlaut der QRL und des AufenthG zu messen, wobei dies teils zu gravierenden Änderungen, teils jedoch zur Beibehaltung auch bisher geltender Prüfmaßstäbe führt. Dabei ist bei der Auslegung der von dem deutschen Gesetzgeber so formulierten "ergänzenden" Anwendung der Vorschriften der QRL - § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG - zu beachten, dass gem. Art. 1 QRL die Richtlinie verbindliche Mindestnormen für die Mitgliedstaaten festschreibt, die durch den nationalen Gesetzgeber nicht unterschritten werden dürfen. Wesentliches Ziel der Richtlinie ist nämlich die Schaffung einer gemeinsamen Asylpolitik einschließlich eines "Gemeinsamen Europäischen Asylsystems". Die Richtlinie soll auf "kurze Sicht zur Annäherung der Bestimmungen über die Zuerkennung und Merkmale der Flüchtlingseigenschaft führen" (vgl. Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung, Erläuterungen zur Richtlinie 2004/83/EG, 2005, Vorwort zur Neugestaltung des Handbuchs, III)

Bei der Frage, welcher Maßstab an die zu prüfende Verfolgungswahrscheinlichkeit unter Geltung der QRL anzulegen ist, ist zunächst auf Art. 4 Abs. 3 QRL zu verweisen, nach dem stets eine individuelle Prüfung zu erfolgen hat, mithin eine rein generalisierende Sichtweise nicht mehr mit dem Wortlaut der Richtlinie zu vereinbaren wäre (vgl. Hruschka/Löhr, Der Prognosemaßstab für die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft nach der Qualifikationsrichtlinie, ZAR 2007, S. 180 ff.)

Soweit nach der bisherigen Rechtsprechung für die Beurteilung der Frage, ob einem Flüchtling nach den Maßstäben des § 60 Abs. 1 AufenthG Schutz zu gewähren ist, unterschiedliche Maßstäbe anzulegen waren, je nach dem, ob dieser seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (vgl. BVerfGE 80, 315 = NVwZ 1990, 151 = NJW 1990, 974), nimmt zwar die QRL eine entsprechende Unterscheidung ebenfalls auf, allerdings mit Verschiebungen des Prüfungsumfangs hinsichtlich der vorverfolgt ausgereisten Personen sowie hinsichtlich des anzustellenden Prüfungsumfangs im Zeitpunkt der Ausreise.

Nach den bisher richterrechtlich entwickelten Maßgaben durfte ein - landesweit - vorverfolgt ausgereister Flüchtling grundsätzlich nur dann in sein Heimatland zurückgeschickt werden, wenn er dort hinreichend sicher vor - erneuter politischer - Verfolgung war (sog. herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab), wobei hinreichende Sicherheit in diesem Zusammenhang bedeutete, dass aufgrund der bereits einmal erlittenen Verfolgung hohe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Ausschlusses erneuter Verfolgung zu stellen waren. Es musste mehr als überwiegend wahrscheinlich sein, dass keine erneute Verfolgung droht (BVerwGE 70, 169 <171>). Demgegenüber konnte ein unverfolgt Ausgereister bei zu berücksichtigenden objektiven Nachfluchtgründen auf sein Heimatland verwiesen werden, wenn ihm dort nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung drohte, was anzunehmen war, wenn er in absehbarer Zeit dort nicht mit Verfolgungsmaßnahmen ernsthaft zu rechnen hatte (vgl. BVerwGE 68, 106 <109>).

Auch die QRL nimmt bei der anzustellenden Verfolgungsprognose eine Differenzierung vor, indem sie in Art. 4 Abs. 4, auf den § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ausdrücklich Bezug nimmt, ausführt, dass die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

Zwar ist zutreffend, dass Art. 4 Abs. 4 QRL damit lediglich eine Prognoseregelung für den Fall trifft, dass eine Person verfolgt wurde oder eine Verfolgung unmittelbar bevorstand, nicht jedoch eine Vermutungsregel für unverfolgt ausgereiste Flüchtlinge enthält (vgl. Hruschka/Löhr, a.a.O., S.181). Nach der Systematik des Art. 4 Abs. 4 QRL stellt für den erstgenannten Personenkreis die stattgefundene bzw. unmittelbar drohende Vorverfolgung den ernsthaften Hinweis auf eine auch im Fall der Rückkehr zu erwartende Verfolgung dar, während bei nicht vorverfolgten Flüchtlingen der in Art. 4 Abs. 4 QRL so bezeichnete "ernsthafte Hinweis" auf zu erwartende Gefährdungen entfällt, es im Übrigen aber bei der Prüfung bleibt, ob der Flüchtling heute bei Rückkehr in sein Heimatland erwartbar Verfolgungsmaßnahmen oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erleiden wird oder hiervon unmittelbar bedroht ist. Insoweit kann auch auf die Begriffsbestimmung des Art. 2 c) QRL zurückgegriffen werden, wonach "Flüchtling" im Sinne der QRL einen Drittstaatsangehörigen bezeichnet, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will und auf den Art. 12 keine Anwendung findet. Der letztgenannte Maßstab entspricht dabei dem in der Rechtsprechung entwickelten Maßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" in Anlehnung an die britische Rechtsprechung des "real risk", wobei auch ein Verfolgungsrisiko von unter 50% als beachtlich wahrscheinliches Risiko angesehen werden kann.

Der von der Rechtsprechung entwickelte Maßstab der "hinreichenden Sicherheit" bei vorverfolgt ausgereisten Flüchtlingen wird demgegenüber nunmehr durch die in Art. 4 Abs. 4 QRL enthaltene Rückausnahme abgelöst, wonach eine erfolgte oder unmittelbar drohende Vorverfolgung den ernsthaften Hinweis nach sich zieht, dass die Furcht des Antragsteller vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sein wird (a.A. Bay. VGH, Urteil vom 31. 08. 2007, 11 B 02.31774, Rdnr 29, in juris online, der davon ausgeht, dass es auch unter Geltung der QRL bei beiden bisher richterrechtlich entwickelten Prognosemaßstäben bleibt). Bei der Auslegung des Art. 4 Abs. 4 QRL können zwar die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien der "hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung" mit herangezogen werden, da auch der Richtliniengeber davon ausgeht, dass der bereits einmal verfolgte Flüchtling einen erhöhten Schutzstandard genießt, stellt doch die Vorverfolgung einen ernsthaften Hinweis auf eine auch bei Rückkehr zu befürchtende Verfolgung dar, es sei denn es greift die Rückausnahme des Art. 4 Abs. 4 a.E. QRL. Allerdings sollte sich die Rechtsanwendung nunmehr den neuen - europaweit gültigen - Begrifflichkeiten zuwenden, die als Rechtsnormen die richterrechtlich entwickelten Begriffe ablösen und sich auch einer europaweiten Vergleichbarkeit werden stellen müssen.

Unter zeitlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten hat der relevante Prüfungsumfang der Verfolgungssituation des Flüchtlings durch die Regelungen der QRL maßgebliche Änderungen, insbesondere hinsichtlich der richterrechlich entwickelten Kriterien einer örtlich oder regional begrenzten Verfolgung (vgl. BVerwGE 105, 204; BVerwG Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 231; BVerwGE 105, 204; BVerwG, Beschluss vom 04.01.2007, 1 B 47.06) erfahren, da es auf diese Differenzierungen nach Inkrafttreten der QRL nicht mehr ankommt. Insoweit folgt der Senat der gegenteiligen Auffassung des Beteiligten (SS vom 22.02.2007, Bl. 301 GA) sowie der Beklagten (SS vom 05.03.2007, Bl. 307 GA) nicht, worauf weiter unten noch eingegangen wird.

Die Differenzierung zwischen örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung, die zur Konsequenz hatte, dass Flüchtlinge, die "lediglich" einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung ausgesetzt waren, mit Verlassen des Verfolgungsgebiets, spätestens aber mit Rückkehr aus dem Ausland, mangels Orts- bzw. Gebietsbezug voraussetzungsgemäß nicht mehr von Verfolgung betroffen seien und ihnen daher eine Rückkehr in andere Gebiete des Heimatstaates ohne weitere asyl- bzw. flüchtlingsrechtliche Prüfung einer inländischen Fluchtalternative zuzumuten war (BVerwG, Beschluss vom 04.01.2007, 1 B 47.06, Rdnr. 5), ist mit den Vorgaben der QRL nicht - mehr - zu vereinbaren.

Maßgeblich ist dabei, welche zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben insbesondere Art. 8 QRL für die Prüfung der Voraussetzungen einer inländischen Fluchtalternative bzw. eines internen Schutzes vorgibt und welche Veränderungen sich hieraus zu den bisherigen Maßstäben ergeben.

Aufgrund der Tatsache, dass auch Art. 8 QRL - eine nach ihrem Wortlaut nicht grundsätzlich umsetzungspflichtige Norm - durch § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in Bezug genommen worden ist und das Institut der inländischen Fluchtalternative/des internen Schutzes zudem ausdrücklich in § 60 Abs. 1 Satz 4 a. E. AufenthG gesetzliche Erwähnung erfährt, sind nunmehr das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative/internen Schutzes und die in diesem Zusammenhang anzustellenden rechtlichen Erwägungen ausschließlich an den Maßstäben und dem Wortlaut der Art. 8 QRL und Art. 4 Abs. 4 QRL zu messen.

Art. 8 QRL bestimmt, dass bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz die Mitgliedsstaaten feststellen können, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält (Abs. 1). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllt, berücksichtigen die Mitgliedsstaaten die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag (Abs. 2). Schließlich kann Abs. 2 auch dann angewandt werden, wenn praktische Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland bestehen (Abs. 3).

Art. 8 QRL trägt unterschiedslos der Tatsache Rechnung, dass sich Verfolgungssituationen innerhalb eines Staates für einzelne Personen oder Personengruppen unterschiedlich darstellen können, mit anderen Worten, der Staat bestimmte Personen und/oder Gruppen von Personen in einem Teil seines Staatsgebietes verfolgt, während er sie anderenorts mehr oder weniger unbehelligt lässt. Der von dem Bundesverfassungsgericht so bezeichneten "Zwiegesichtigkeit des Staates" (BVerfGE 80, 315 ff.) trägt Art. 8 QRL Rechnung, indem dem Flüchtling ohne Differenzierung nach regional oder örtlich begrenzter Verfolgung eine Rückkehr in einen anderen Landesteil seines Heimatstaates nur dann, und zwar im Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag, zugemutet wird, wenn dort für ihn keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält, wobei sich nach Art. 8 Abs. 2 QRL eine rein generalisierende Prüfung verbietet. Vielmehr ist bei Auslegung des Tatbestandsmerkmals "vernünftigerweise erwartet werden kann" (Art. 8 Abs. 1 QRL) unter Anlegung objektiver Maßstäbe zu prüfen, wie sich ein durchschnittlich vernünftiger Mensch in der Situation des Flüchtlings verhalten würde und bei der Frage, ob dieses vernünftige Verhalten von dem konkreten Flüchtling auch tatsächlich erwartet werden kann, seine persönlichen Besonderheiten zu berücksichtigen sind.

War nach bisheriger Rechtsprechung bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft insbesondere zur Ermittlung der anzuwendenden Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe unter zeitlichen Gesichtspunkten grundsätzlich eine doppelte Prüfung vorzunehmen, nämlich ob die Flüchtlingseigenschaft sowohl im Zeitpunkt der Ausreise als auch im Zeitpunkt der gedachten Rückkehr landesweit anzunehmen war bzw. ist, stehen dem nunmehr der Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 QRL sowie seine systematische Stellung zu Art. 4 Abs. 4 QRL entgegen.

Art. 4 Abs. 4 QRL stellt ausschließlich darauf ab, dass der Antragsteller - im Zeitpunkt der Ausreise - bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ohne hierbei das Institut des internen Schutzes - mit der Konsequenz der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Art. 13 QRL) - mit in den Blick zu nehmen. Ob eine angenommene Vorverfolgung bei regional oder örtlich begrenzten Verfolgungsmaßnahmen auch zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führt, ist gemäß Art. 8 Abs. 2 QRL nach Prüfung der Voraussetzungen des internen Schutzes zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu entscheiden. Mit anderen Worten, es reicht für die Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 4 QRL die Tatsache, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Ausreise, und sei es nur in einem Teil seines Heimatstaates, verfolgt war oder unmittelbar von Verfolgung bedroht war, während für die Beantwortung der Frage, ob dies auch zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führt, im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag, im gerichtlichen Verfahren also in der Regel im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG), gemäß den von Art. 8 QRL angelegten Vorgaben zu prüfen ist, ob eine interne Schutzmöglichkeit für den Verfolgten besteht oder nicht.

Da Art. 8 Abs. 2 QRL, wie bereits ausgeführt, hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen des internen Schutzes auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abstellt, ohne hierbei bei der Frage der Vorverfolgung (Art. 4 Abs. 4 QRL) Differenzierungen nach örtlich oder regional begrenzten Verfolgungssituationen vorzunehmen, verbietet bereits dieser systematische Zusammenhang eine Beibehaltung der richterrechtlich entwickelten Differenzierungen, die zur Konsequenz hatten, dass bei lediglich örtlich begrenzter Gruppenverfolgung die Prüfung internen Schutzes gerade im Fall der Rückkehr aus dem Ausland entfiel, da der Flüchtling voraussetzungsgemäß nicht - mehr - zu der verfolgten Gruppe gehörte.

Darüber hinaus stehen kompetenzrechtliche Gründe der Beibehaltung der genannten Differenzierungen zwischen örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung entgegen, da ihre Beibehaltung entgegen den Vorgaben der QRL (Art. 4 Abs. 4, Art. 8 QRL) zu einer Schlechterstellung der "nur" einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung ausgesetzten Flüchtlinge führen würde - in ihrem Fall würde das Vorliegen der Vorraussetzungen des Art. 8 QRL im Zeitpunkt der Rückkehr gerade nicht geprüft - und dies dem Ziel der QRL, verbindliche Mindestnormen für den Flüchtlingsschutz festlegen zu wollen (Art. 1 QRL), entgegenstünde.

Eine weitere Änderung nach Inkrafttreten der QRL stellt der Prüfungsumfang der existentiellen Gefährdungen am Ort des internen Schutzes dar. Unter Geltung der QRL entfällt nämlich bei der Prüfung des internen Schutzes hinsichtlich der dort zu beachtenden existentiellen Gefährdungen die bisher von der Rechtsprechung geforderte vergleichende Betrachtung - eine inländische Fluchtalternative konnte bisher bei Vorliegen existentieller Gefährdungen dort nur dann angenommen werden, wenn diese so am Herkunftsort nicht bestünden (BVerfGE 80, 315 ff.) -, da eine derartige vergleichende Betrachtung Art. 8 QRL fremd ist. Dementsprechend gehen auch sowohl die amtliche Begründung zu dem Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 3. Januar 2006 als auch die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 13. Oktober 2006 davon aus, dass der Flüchtling am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinden muss, d.h., es muss zumindest das Existenzminimum gewährleistet sein, und dies auch dann gilt, wenn im Herkunftsgebiet die Lebensverhältnisse gleichermaßen schlecht sind.

Zu dieser Einschätzung hinsichtlich der anzuwendenden Prognosemaßstäbe, des maßgeblichen Zeitpunktes der Entscheidung sowie des für das Vorliegen eines internen Schutzes anzulegenden Prüfprogramms gelangt der Senat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Entscheidung vom 4. Januar 2007 - 1 B 47.03 - sowie unter Auseinandersetzung mit den von der Beklagten eingeführten Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte mit ihren Schriftsätzen vom 13. Oktober 2003 (Bl. 105 GA), 05. März 2007 (Bl. 307 GA) und 04. Dezember 2007 (Bl. 653 GA) unter Bezugnahme auf den Schriftsatz des Beteiligten vom 22. Februar 2007 (Bl. 301 GA) sowie die dort gemachten Ausführungen.

Dabei weisen der Beteiligte in seinem Schriftsatz vom 22. Februar 2007 (Bl. 301 GA) sowie die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 05. März 2007 (Bl. 307 GA) darauf hin, es sei nicht erkennbar, dass sich durch das Inkrafttreten der QRL an den richterrechtlich entwickelten Grundsätzen, insbesondere hinsichtlich der Differenzierung von örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen, etwas geändert habe. Bei der Verfolgung der Kläger habe es sich allenfalls um eine örtlich begrenzte Gruppenverfolgung gehandelt, wobei das BVerwG in seinem die Entscheidung des Senats vom 2. Februar 2006 - 3 UE 3021/03.A aufhebenden Beschluss vom 04. Januar 2007 - 1 B 47.06 - zutreffend darauf hingewiesen habe, dass dann möglicherweise zwar bis zur Ausreise die dort lebenden Tschetschenen als zur verfolgten Gruppe gehörig zu zählen gewesen seien, wer jedoch - wie vorliegend - aus dem Ausland zurückkehre, könne von vornherein nicht (mehr) zur verfolgten Gruppe gezählt werden, da nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Rückkehr nicht ausschließlich nach Tschetschenien in Betracht komme, und es daher auf die weiteren Voraussetzungen für eine etwaige inländische Fluchtalternative außerhalb Tschetscheniens nicht ankomme.

Der Senat folgt dieser Auffassung aus den oben ausgeführten Gründen nicht, wobei dem die Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO nicht entgegensteht, da sich diese auf die entscheidungstragende Auffassung des Revisionsgerichts beschränkt (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 2. Auflage, § 144 Rdnr. 70; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Auflage, § 144 Rdnr. 12). Tragender Grund für die Zurückweisung war die von dem Revisionsgericht festgestellte Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten, nicht die des Weiteren gemachten Ausführungen zu den bei einer örtlich oder regional begrenzten Gruppenverfolgung zu beachtenden Prüfungsmaßstäbe. Im Übrigen entfällt die Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO auch dann, wenn sich die entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtslage inzwischen geändert hat (vgl. Sodan/Ziekow, a.a.O., § 144 Rdnr. 75), was hinsichtlich der mittlerweile umgesetzten QRL durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 anzunehmen ist.

Hinsichtlich der von der Beklagten angeführten anderen obergerichtlichen Entscheidungen, die sich mit den Differenzierungen zwischen örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung, den danach anzuwendenden Prüfungsmaßstäben sowie allgemein mit der Situation tschetschenischer Binnenvertriebener in der Russischen Föderation befassen, sieht der Senat von einer differenzierten Ausführung zu den dort gemachten Feststellungen ab, da sich, wie bereits dargestellt, durch Umsetzung bzw. unmittelbare Anwendung der QRL die Prüfungskriterien für das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative/des internen Schutzes und der Zuerkennung von Flüchtlingsschutz maßgeblich verändert haben und die von der Beklagten aufgeführten Entscheidungen anderer Obergerichte daher für den Senat nicht mehr von entscheidender Bedeutung sind. Gleiches hat für die tatsächlichen Verhältnisse in der Russischen Föderation und dort insbesondere in Tschetschenien zu gelten, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine entscheidungserhebliche Veränderung erfahren haben.

Unter Zugrundelegung der oben genannten Prüfungsmaßstäbe sind die Kläger vorverfolgt im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL aus ihrer Heimatregion Tschetschenien ausgereist, da dort ihr Leben und ihre Freiheit im Zeitpunkt ihrer Ausreise im Oktober 2000 allein wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der ethnischen Tschetschenen aus Tschetschenien unmittelbar bedroht war (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, Art. 4 Abs. 4 QRL).

Die Bedrohung der Kläger ging dabei unmittelbar aus von staatlichen Stellen (§ 60 Abs. 1 Satz 4 a AufenthG), nämlich den dort stationierten russischen Einheiten und Sicherheitskräften, die in der Bekämpfung der tschetschenischen Rebellen bzw. Separatisten weit über das hinaus gegangen sind, was unter dem Gesichtspunkt einer legitimen Terrorismusbekämpfung bzw. der legitimen Bekämpfung von Separatismusbestrebungen eines Staates hingenommen werden kann, wobei die tschetschenische Zivilbevölkerung gezielten Drangsalierungen, willkürlichen Verhaftungen, Verschleppungen, Verfolgungen bis hin zu Mord, Folterungen und Vergewaltigungen ausgesetzt war (vgl. auch AA, Ad hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Tschetschenien) vom 15.11.2000). Hierbei hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung an seiner Einschätzung der Situation in Tschetschenien im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger fest. Hierzu hatte der Senat in dem aufgehobenen Urteil vom 2. Februar 2006 - 3 UE 3021/03.A - ausgeführt:

"Aus Anlass des Einfalls tschetschenischer Rebellengruppen in Dagestan und der Ausrufung eines islamischen Staates dort sowie Bombenattentaten auf ein Einkaufszentrum und ein Wohnhaus in Moskau, die von Seiten der russischen Regierung tschetschenischen Rebellen zugeschrieben wurden, aber auch im Hinblick auf den Präsidentschaftswahlkampf in der Russischen Föderation setzte die Führung der Russischen Föderation ab September 1999 Bodentruppen, Artillerie und Luftwaffe in Tschetschenien ein mit dem erklärten Ziel, die tschetschenischen Rebellengruppen zu vernichten, die das Ziel der Unabhängigkeit Tschetscheniens und die Errichtung eines islamischen Staates anstrebten. Im Verlauf der Kämpfe brachte die russische Armee Anfang des Jahres 2000 Grozny, das dabei fast völlig zerstört worden ist, und im Frühjahr des Jahres 2000 große Teile Tschetscheniens unter ihre Kontrolle. Die Rebellengruppen zogen sich in die südlichen Bergregionen zurück; sie sind seitdem zum Partisanenkrieg und zu terroristischen Anschlägen übergegangen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.04.2001; Bundesamt, Der Tschetschenienkonflikt, Januar 2001; UNHCR, Stellungnahme über Asylsuchende aus der Russischen Föderation im Zusammenhang mit der Lage in Tschetschenien, Januar 2002). Die russische Armee ihrerseits ging unter dem Vorwand der Terroristenbekämpfung mit äußerster Brutalität auch gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien vor, die zum damaligen Zeitpunkt nach Schätzungen bereits im Wesentlichen aus tschetschenischen Volkszugehörigen bestand (vgl. UNHCR, Stellungnahme über Asylsuchende aus der Russischen Föderation im Zusammenhang mit der Lage in Tschetschenien, Januar 2002).

Schon zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges im September 1999 ist es zu großen Fluchtbewegungen gekommen. Aufgrund des Einmarschs der russischen Armeeeinheiten und der Bombardierung der Städte flohen große Teile der Bevölkerung aus ihren Wohnorten in Tschetschenien. Die russische Armee hinderte die Flüchtlinge zum Teil bereits am Verlassen des Kampfgebietes, teilweise am Übertritt in die Nachbarrepubliken wie Inguschetien (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 15. Februar 2000). Dabei wurden auch Flüchtlingstrecks von der russischen Luftwaffe angegriffen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass von den zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges in Tschetschenien lebenden 450.000 Einwohnern 350.000 gewaltsam aus ihren Wohnorten vertrieben worden sind, davon 160.000 an andere Orte in Tschetschenien und die übrigen in andere Teile der Russischen Föderation und das Ausland (UNHCR, Stellungnahme über Asylsuchende aus der Russischen Föderation im Zusammenhang mit der Lage in Tschetschenien, Januar 2002; Bundesamt, Russische Föderation, Checkliste Tschetschenien, August 2003). Die russischen Armeeeinheiten haben, wie schon im ersten Tschetschenienkrieg, an vielen Orten in Tschetschenien sogenannte Filtrationslager eingerichtet. In diese Lager wurden wahllos tschetschenische Einwohner gebracht, wo nach den Erklärungen der russischen Stellen Terroristen aufgespürt werden sollten. In den Lagern wurden die tschetschenischen Volkszugehörigen systematisch misshandelt, vergewaltigt, gefoltert und getötet (ai, Stellungnahme vom 08.10.2001; Stellungnahme des Europäischen Parlaments zur Lage in Tschetschenien vom 08.03.2001). Internationale und russische Menschenorganisationen (z.B. Human Right Watch-Bericht vom 18. Februar 2000, ai Bericht vom 22. Dezember 1999 sowie Nachforschungen der Russischen Menschenorganisation "Memorial") gingen aufgrund von Augenzeugenberichten zunächst von dem Betreiben mindestens eines solchen russischen "Filtrationslagers" an der Grenze zwischen Inguschetien und Tschetschenien aus. Dort soll es abgeschirmt von der Öffentlichkeit zu Folterungen (z.B. Elektroschocks, Schläge u.a. auf den Kopf und den Rücken mit Metallhammer) durch russische Spezialkräfte gekommen sein. Durch Augenzeugenberichte und aufgrund von Filmaufnahmen musste dann jedoch davon ausgegangen werden, dass es in und um Grozny weitere Filtrationslager gab, in denen auch systematisch gefoltert wurde, u.a. in dem Gefängnis Tschernokosowo, nördlich von Grozny. Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Gil-Robles, konnte bei seinem Besuch in Tschetschenien zwar auch Haftanstalten besuchen, ihm wurden jedoch ausschließlich frisch gestrichene Zellen gezeigt und Gespräche mit Gefangenen nur in Anwesenheit von russischen Bewachern erlaubt. Die Foltervorwürfe konnten dadurch nicht widerlegt werden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 22. Mai 2000). Auf der Suche nach Terroristen überfielen russische Militäreinheiten ganze Dörfer, nahmen deren Bewohner willkürlich fest und misshandelten sie (ai vom 20.02.2002 an VG Braunschweig). Gespräche mit Flüchtlingen in den Lagern Inguschetiens haben die Greultaten der russischen Armee bestätigt. Die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen waren gravierend. Es kam zu willkürlichen Racheakten an der Zivilbevölkerung. Bei einer Explosion auf einem belebten Markt in Grozny am 21. Oktober 1999 kamen nach Augenzeugenberichten 140 Menschen ums Leben, 400 wurden zum Teil schwer verletzt. Widersprüchliche Angaben gibt es über die Täter und deren Motive. Recherchen von internationalen Menschenrechtsorganisationen (Human Rights Watch, Bericht vom 20.01.2000) und Äußerungen von Angehörigen russischer Spezialkräfte legen die Vermutungen sehr nahe, dass es sich bei dieser Tat um eine "Sonderkommandoaktion" russischer Spezialkräfte handelte, die auf dem Marktplatz Waffen und Sprengstoff tschetschenischer Rebellen vermuteten. Frauen berichteten gegenüber Vertreterinnen von internationalen Hilfsorganisationen von Vergewaltigungen seitens russischer Soldaten bei der Eroberung von Ortschaften in Tschetschenien, so z.B. bei der Einnahme der Ortschaft Alkhan-Yurt, südwestlich von Grozny im Dezember 1999 durch russische Verbände. Dabei soll es auch Exekutionen (41 Opfer), Plünderungen und Brandstiftungen unter der Zivilbevölkerung gegeben haben (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 22. Mai 2000). Kriegsverbrechen und Massaker blieben ungesühnt, da die russische Führung kein Interesse an einer Aufklärung und strafrechtlichen Verfolgung zeigte (Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Russische Föderation, der Tschetschenienkonflikt, Stand Januar 2001). Im Zusammenhang mit dem Militäreinsatz der russischen Armee in Tschetschenien berichteten internationale (z.B. Human Rights Watch) und russische (z.B. Memorial) Menschenrechtsorganisationen über massive Rechtsverletzungen (willkürliche Tötungen von Zivilisten, Folter, zahlreiche Vergewaltigungen, Geiselnahme und Plünderungen) durch die russischen Streitkräfte, aber auch durch die tschetschenischen Partisanen. Bestand der Verdacht, dass sich in einem Dorf Rebellen versteckt halten, fanden Säuberungsaktionen durch russische Soldaten statt. Die Männer wurden auf körperliche Spuren von Kampfhandlungen untersucht, der Ort geplündert und oftmals kam es zu Gewaltanwendungen gegenüber der Bevölkerung (vgl. Bundesamt, Russische Föderation, der Tschetschenienkonflikt, Januar 2001).

Angesichts dieses trotz der weitgehenden Behinderung unabhängiger Berichterstattung durch die Behörden in vielen Einzelheiten dokumentierten Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien und der dabei erfolgenden massenhaften und massiven Verletzung asylrechtlich geschützter Rechtsgüter ist davon auszugehen, dass tschetschenische Volkszugehörige in Tschetschenien unabhängig davon, ob bei ihnen der konkrete Verdacht der Unterstützung von separatistischen Gruppierungen bestand, unmittelbar und jederzeit damit rechnen mussten, selbst Opfer der Übergriffe der russischen Armeeeinheiten zu werden, weshalb davon auszugehen ist, dass sie im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger einer gegen sie als tschetschenische Volkszugehörige gerichteten - örtlich begrenzten - Gruppenverfolgung unterlagen (ebenso OVG Bremen, Urteil vom 23. März 2005 Az.: 2 A 116/03.A; VG Kassel, Urteil vom 15.04.2003 Az.: 2 E 802/02.A unter Hinweis auf weitere erstinstanzliche Rechtsprechungen; die Frage der Vorverfolgung offen lassend Bay. VGH, Urteil vom 31.01.2005 Az.: 11 B 02.31597; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.07.2005 Az.: 11 A 2307/03.A; OVG des Saarlands, Urteil vom 23.06.2005 Az.: 2 R 17.03; anderer Auffassung insoweit auch das Vorliegen einer regionalen Gruppenverfolgung verneinend: Thüringer OVG, Urteil vom 16.12.2004 - 3 KO 1003/04 -).

Der Senat hält hierbei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Bremen (Urteil vom 23. März 2005 - 2 A 116/03.A -) auch das für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Kriterium der Verfolgungsdichte für gegeben. Er legt zugrunde, dass aufgrund der in den bezeichneten Berichten seit Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges geschilderten unzähligen und durchgehenden und ihrer Intensität nach asylerheblichen Vorkommnisse gegenüber der tschetschenischen Zivilbevölkerung eine derartige Verfolgungsdichte besteht, dass jeder Tschetschene und jede Tschetschenin im Alter der Kläger ein den genannten Vergleichsfällen entsprechendes Verfolgungsschicksal für sich befürchten musste (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 185.94 - NVwZ 95, 175) und es den Tschetschenen bei objektiver Betrachtung der in Tschetschenien aus den genannten Vorkommnissen herzuleitenden Gefährdungslage nicht zumutbar war, dort zu verbleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.07.1991 - 9 C 154.80 - NVwZ 92, 578; BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991 - 2 BvR 902/85, 518.89, BVerfGE 83, 219; OVG Bremen, Urteil vom 23.03.2005 - 2 A 116/03.A - in juris-online). Dabei hat das OVG Bremen in der bereits zitierten Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass die Zahl der von den asylerheblichen Eingriffen der genannten Art in Tschetschenien Betroffenen nicht exakt beziffert werden kann. Nach der geschätzten Bevölkerungsentwicklung in Tschetschenien und unter Abzug der von den Eingriffen nicht betroffenen jüngeren Kinder dürfte sie sich auf unter 400.000 Personen belaufen. Bei der Volkszählung 1998 wurden in der noch ungeteilten Republik 734.000 Tschetschenen gezählt (UNHCR, Januar 2002). Anfang 2002 lebten wegen des nur durch eine dreijährige Pause unterbrochenen jahrelangen Krieges in Tschetschenien schon aus der Zeit vor dem neuerlichen Tschetschenienkrieg ca. 600.000 der insgesamt 1.000.000 Tschetschenen nicht in Tschetschenien, sondern in anderen russischen Regionen bzw. GUS-Staaten (vgl. Auswärtiges Amt, Ad hoc-Bericht vom 07.05.2002). Die Volkszählung im Oktober 2002 ergab nach offiziellen Angaben zwar eine Zahl von über 1.000.000 in Tschetschenien, der aber nicht gefolgt werden kann, nachdem unabhängige Beobachter und Nichtregierungsorganisationen diesem Ergebnis sehr kritisch gegenüberstehen und teilweise von einer Mehrfachregistrierung von Personen ausgehen, deren Gründe in finanziellen Anreizen der Registrierung und in der Furcht vor Säuberungsaktionen bei zu geringer Zahl in Tschetschenien liegen könnten. Vorherige Schätzungen waren von einer durch Flüchtlinge, Auswanderung und Kriegsopfer erheblich gesunkenen Einwohnerzahl für Tschetschenien ausgegangen und hatten zwischen 450.000 bis 800.000 Tschetschenen in Tschetschenien geschwankt (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 27.11.2002, 16.02.2004, 13.12.2004, 30.08.2005; OVG Bremen, Urteil vom 23. März 2005, a.a.O.). Im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger musste die in Tschetschenien verbliebene Zivilbevölkerung davon ausgehen, jederzeit in die oben beschriebenen Verfolgungsmaßnahmen der russischen Sicherheitskräfte verwickelt zu werden, sodass die für die Annahme einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung geforderte Verfolgungsdichte zu bejahen ist."

Dass die Kläger im Zeitpunkt ihrer Ausreise auch durch Übergriffe der tschetschenischen Rebellen bedroht waren sowie durch Übergriffe der auf Seiten der Russischen Föderation kämpfenden tschetschenischen Verbände (letztere sind allerdings ohnehin dem russischen Staat zuzurechnen), die in ihrem Vorgehen ebenfalls die Zivilbevölkerung nicht verschont haben, hindert die Annahme einer im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG, Art. 4 Abs. 4 QRL verfolgungsrelevanten unmittelbaren Bedrohung mangels Verfolgungsdichte nicht (vgl. die Ausführungen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 5. März 2007, Bl. 307 GA). Dies bereits deshalb, weil die verfolgungsrelevanten Maßnahmen in der für die Anerkennung einer Verfolgung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL relevanten Verfolgungsdichte bereits allein durch die Maßnahmen der russischen Einheiten (militärische Einheiten und sonstige Sicherheitskräfte) verwirklicht worden sind, die Gefährdungen durch die tschetschenischen Rebellen für die Zivilbevölkerung also lediglich noch hinzukamen, ohne dass dies flüchtlingsrechtlich von eigenständiger und entscheidender Bedeutung wäre. Zum anderen vertritt der Senat aber nach wie vor die Auffassung - worauf es hier jedoch nicht entscheidungserheblich ankommt - dass von einem Flüchtling im Fall bürgerkriegsähnlicher Verwerfungen in seiner Heimatregion in aller Regel kein vollständiger Nachweis dafür gefordert werden kann, zu welchen Anteilen konkrete Übergriffe von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren begangen wurden, dies zumindest dann nicht, wenn der Staat, der selbst verfolgungsrelevante Handlungen im großen Umfang begeht, weder willens noch in der Lage ist, der Zivilbevölkerung Schutz vor Übergriffen nichtstaatlicher Akteure zu gewähren.

Dabei entfällt nach den oben gemachten Ausführen für den Zeitpunkt der Ausreise der Kläger die - zusätzliche - Prüfung des Vorliegens einer internen Schutzmöglichkeit, da für Art. 4 Abs. 4 QRL allein ausschlaggebend und ausreichend die unmittelbar drohende bzw. eingetretene Verfolgung - und sei es nur in einem Teil des Heimatlandes - ist.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht jedoch zur Überzeugung des Senats fest, dass stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass die Kläger heute bei Rückkehr nach Tschetschenien erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht werden (Art. 4 Abs. 4 QRL).

Insoweit hat sich die Situation in Tschetschenien sowohl im Vergleich zum Ausreisezeitpunkt der Kläger im Herbst 2000, als auch zum vormaligen Entscheidungszeitpunkt des Senats am 2. Februar 2006 (3 UE 3021/03.A) maßgeblich verändert.

Waren nach den oben gemachten Ausführungen zu den genannten Zeitpunkten tschetschenische Volkszugehörige aus Tschetschenien allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit noch unmittelbar von flüchtlingsrelevanten Verfolgungshandlungen bedroht, da die russischen Sicherheitskräfte bei der Bekämpfung der tschetschenischen Rebellen/Separatisten bei Weitem über das hinaus gegangen sind, was unter dem Gesichtspunkt einer zulässigen Terrorismus- bzw. Separatismusbekämpfung auch von unbeteiligten Dritten hinzunehmen ist bzw. war, stellen sich die auch heute noch festzustellenden Sicherheitsdefizite nicht mehr als zielgerichtete, generell gegen tschetschenische Volkszugehörige gerichtete flüchtlingsrelevante Verfolgungsmaßnahmen im Sinne überschießender Terrorismus- bzw. Separatismusabwehrmaßnahmen dar, sondern als Sicherheitsrisiken, die ohne besonderen asylrelevanten Bezug Ausdruck des unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten als katastrophal einzuschätzenden Machtsystems in Tschetschenien sind, denen es nach der allgemeinen Auskunftslage und den von dem Senat eingeholten Stellungnahmen heute jedoch auch an der für die Anerkennung eines Flüchtlingsstatus erforderlichen Verfolgungsdichte fehlt.

Nach derzeitigem Kenntnisstand des Senats, insbesondere nach Auswertung der im Rahmen der Beweisaufnahme eingeholten sachverständigen Stellungnahmen stellt sich die Sicherheitslage in Tschetschenien wie folgt dar:

Die Lage in Tschetschenien ist heute dadurch geprägt, dass die von dem Präsidenten der Russischen Föderation Putin verfolgte und betriebene Politik der "Tschetschenisierung" des Tschetschenienkonflikts aufgegangen zu sein scheint.

Mit der Wahl des tschetschenischen Parlaments am 27. November 2005 ist für Moskau der 2003 begonnene "politische Prozess" zur Beilegung des Tschetschenienkonflikts abgeschlossen. Präsident Putin erklärte bereits im Januar 2006 zum wiederholten Male die "antiterroristische Operation", d.h. den Krieg, für beendet. Wenngleich seit der Regierung und Präsidentschaft Ramsan Kadyrows in Tschetschenien Zeichen der Normalisierung festzustellen sind, finden auch heute noch kleinere Kämpfe zwischen Rebellen und regionalen sowie föderalen Sicherheitskräften statt. Die aktiven Rebellen weichen immer mehr in die Nachbarrepubliken, insbesondere Inguschetien und Dagestan, aus, wobei die Lage im Nordkaukasus außerordentlich instabil bleibt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 13.01.2008). Trotz der Tötung der Separatistenführer Aslan Maschadow im März 2005 und Abdelchalim Sadullajew im Juni 2006 sowie des "Topterroristen" Schamil Bassajew im Juli 2006 gibt es laut Schätzungen der lokalen tschetschenischen Sicherheitskräfte weiterhin einige Hunderte Rebellen in den Bergregionen Tschetscheniens, die vor allem Anschläge auf Sicherheitskräfte verüben. Der russische Armeegeneral Krivonos nannte am 11. Mai 2007 eine Zahl von noch 300 aktiven Kämpfern. Eine dauerhafte Befriedung der Lage in Tschetschenien ist somit noch nicht eingetreten. Die Aktivitäten der tschetschenischen und föderalen Sicherheitskräfte gegen die Rebellen, insbesondere in den tschetschenischen Grenzgebieten zu den nordkaukasischen Nachbarrepubliken, wurden auch 2007 fortgesetzt. Seit 1999 forderte der Konflikt erhebliche Opfer: 10.000 bis 20.000 getötete Zivilisten (Angaben der russischen Menschenrechtsorganisation "Memorial"), 5000 bis 7000 getötete und 18.000 verletzte Angehörige der Sicherheitskräfte (Zahlen des Verteidigungsministeriums, die teilweise widersprüchlich sind) (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 13.01.2008).

Dabei ist die von Kadyrow betriebene Doppelstrategie der Kern der "Tschetschenisierung" des Tschetschenienkonflikts. Ihr klares Verständnis ist auch und gerade für die, künftige Entwicklung der Sicherheitslage in der Republik von großer und weitreichender Bedeutung, denn die von Ramsan Kadyrow, von den "kadyrovcy" verfolgte Tschetschenisierung bedeutet nichts weniger als eine weitere Revolutionierung des sozialen Gefüges der Gesellschaft Tschetscheniens (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.07, Bl. 525 ff. GA). Die von Ramsan Kadyrow im Schatten der autoritären Herrschaft Putins in Tschetschenien aufgerichtete Präsidialdiktatur bricht vollständig mit jenen Prinzipien, nach denen die Tschetschenen als Volk bis zu Präsident Maschadow vor allem auf dem Lande gelebt haben und nach denen ihre Gesellschaft organisiert war. Es war dies eine vormoderne, patriachalisch und zugleich demokratisch aufgebaute Ordnung von Sippen (tejp) und Sippenverbänden (tuchkum). In ihr spielten Statusfreiheiten und demokratische Mechanismen eine wichtige Rolle, weil die Tschetschenen - im Unterschied zu den Nachbarvölkern - niemals einen Grundadel mit feudaler Herrschaft und Leibeigenschaft hervorgebracht hatten. Die russisch-sowjetische Fremdherrschaft hat zwar tief in die traditionelle Ordnung der Tschetschenen eingegriffen, aber kraft ihrer starken kollektivistischen Elemente und Institutionen in Partei und Staat (Sowjets) der patriarchalischen tejp-Ordnung elastische Anpassungs- und dadurch wirksame Überlebensmöglichkeiten geboten (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, a.a.O.). Die von dem gerade erst 30 Jahre alten Präsidenten Kadyrow mit Moskauer Hilfe und Garantie errichtete, mit wachsender Einseitigkeit ausgestaltete und rücksichtslos durchgesetzte diktatorische politische Ordnung in der Republik setzt sich über alle vom tschetschenischen Gewohnheitsrecht (adat) geheiligten Grundsätze hinweg: Anerkennung für den Vorrang und die Würde des Alters, demokratische Konsensstrukturen, Achtung der tejp-Ordnung. Zwar ist auch die Herrschaft Ramsan Kadyrows im Ansatz die eines Clans, da sie im Kern auf dem Tejp benoj beruht, der im Raum von Gudermes-Dorf Centoroj wurzelt, aber sie ist in sich wesentlich anders strukturiert. Insbesondere werden wichtige Repräsentanten und Akteure des Kadyrow-Clans sowie weiterer mit ihm verbündeter Gruppen von Motiven gesteuert, die den Bruch mit einer weiteren festen Institution des tschetschenischen adat bedeuten, nämlich der Blutrache. Die von Kadyrow befehligten Verbände sind im Kern aus Bündnissen von Personen hervorgegangen, die - da sie wegen krimineller Handlungen der Blutrache verfallen waren - sich zusammenfanden, um gemeinsam als sogenannte Krovniki stärker als die Rächer der geschädigten tejps zu sein, ja, mehr als das, jene mit den überlegenen russischen Sicherheitskräften im Rücken zu unterdrücken und zu erniedrigen, zu verfolgen und ggfs. auch zu vernichten. Der durch eine solche "Politik" der Machthaber bewirkte Zuzug zum tschetschenischen Untergrund von Seiten verbitterter, verzweifelter Menschen ist eine ihrer Folgen. Ein anderer Aspekt ist die Unberechenbarkeit des von kriminellen, zu allem fähigen Gewalttätern beherrschten Kadyrow-Regimes. Angefangen von Ramsan Kadyrow selbst, von dem bekannt ist, dass er - wie etwa Saddam Hussein - sich an den Qualen seiner Opfer in der "privaten" Gefängnisanlage seines Heimatdorfes und Machtzentrums Centoroj weidet und sich bisweilen selbst an Folterungen beteiligt, sind all zu viele Vertreter dieses Regimes von kriminellen Leidenschaften, von Allmachtsgefühlen und Mordlust, von Habgier und Hass gesteuert. Dem Kadyrow-Regime ist daher im Alltag ein starker Zug zu "privat" gesteuerten, daher unberechenbaren Gewaltaktionen und Ausbrüchen, kurz zur Irrationalität eigen. Nicht zuletzt dies erzeugt in weiten Teilen der Gesellschaft, vor allem bei Angehörigen der älteren und mittleren Generation, ein ausgeprägtes Gefühl der Unsicherheit und Schutzlosigkeit. Davon betroffen sind keineswegs nur die Rückkehrer aus den Nachbarregionen, sondern im Prinzip alle Einwohner der Republik. Gleichwohl stellen sich für die Rückkehrer einige spezifische Sicherheitsfragen (vgl. insgesamt Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund einer sowohl in autoritären als auch willkürlichen Machtstrukturen gefangenen Gesellschaft wird die Sicherheitslage insbesondere zurückkehrender Tschetschenen von den im Rahmen der Beweisaufnahme beauftragten sachverständigen Stellen nicht einheitlich bewertet:

Während das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme an den Senat vom 6. August 2007 (AA an Hess. VGH vom 06.08.2007, Bl. 517 ff. GA) in deutlicher Abweichung zu den noch in seinem Lagebericht vom 17. März 2007 gemachten Äußerungen(vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation <einschließlich Tschetschenien> vom 17.03.2007, dort S. 22 unten) zu dem Ergebnis kommt, dass sich die allgemeine Sicherheitslage in der tschetschenischen Republik im Wesentlichen normalisiert und die Zahl illegaler Verhaftungen und Entführungen von Personen stark abgenommen habe sowie sogenannte "Säuberungen" schon seit mehreren Monaten nicht mehr durchgeführt worden seien, kann nach amnesty international von einer Normalisierung der Situation in Tschetschenien nach wie vor keine Rede sein, es komme im geringen Umfang weiterhin zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen russischen und tschetschenischen Sicherheitskräften auf der einen und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite (vgl. ai an Hess. VGH vom 27.04.2007, Bl. 376 ff. GA). Auch nach Auskunft der Heinrich-Böll-Stiftung droht Rückkehrern eine erhöhte Gefahr, da sie im Verdacht stünden, vor ihrer Ausreise bei den Rebellen gewesen zu sein. Sie würden oft Opfer von Erpressungen, von offiziellen tschetschenischen Stellen würden sie beschuldigt, bei den Rebellen gewesen zu sein, wobei ihnen angeboten werde, diese Beschuldigungen gegen auch wiederholte oder regelmäßige Geldzahlungen fallen zu lassen (vgl. Heinrich-Böll-Stiftung an Hess. VGH vom 20.04.2007, Bl. 370 ff. GA). Gleichlautend kommt Frau Svetlana Gannuschkina, Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation "Memorial", in ihrer Auskunft vom 17. Mai 2007 zu dem Ergebnis, dass Rückkehrer nach Tschetschenien besonders gefährdet seien, da man sie verdächtige, bei den Aufständigen gewesen zu sein, außerdem würden sie Opfer von Erpressungsversuchen, da man davon ausgehe, dass sie über Geld verfügten. Jeder, der nach Tschetschenien reise, begebe sich in Lebensgefahr, wobei rückkehrgefährdet insbesondere junge Männer seien, die man verdächtige, sich bewaffneten Banden angeschlossen zu haben. Wer auch nur zur Passbeantragung nach Tschetschenien zurückkehre, könne sich den Terrorismusvorwurf einhandeln, wer altersbedingt noch keinen Pass habe oder wer seinen sowjetischen Pass verloren habe, könne auf keinen Fall nach Tschetschenien reisen; bei jedem Versuch, einen der Checkpoints zu passieren, werde er unweigerlich festgenommen. In der tschetschenischen Republik gebe es nicht einmal ein Mindestmaß an Sicherheit, Menschen würden auch weiterhin unter fabrizierten Vorwürfen angeklagt und verurteilt, Folter sei ein übliches Mittel, um Geständnisse und Beschuldigungen zu erzwingen (vgl. Memorial an Hess. VGH vom 17.05.2007, Bl. 453 GA sowie der Vortrag von Frau Gannuschkina vom 25.11.2006, Bl. 469 ff. GA). Diese Ausführungen von Frau Gannuschkina werden jedoch durch den aktuellsten Bericht von "Memorial" aus dem Oktober 2007 relativiert. Dort ist beschrieben, dass sich in dem Berichtszeitraum von August 2006 bis Oktober 2007 für die Menschen der Republik bedeutsame Veränderungen ergeben haben. So hätten die Entführungen und Morde bis Ende 2006 schrittweise abgenommen, seit Januar 2007 hätten die Entführungen sogar stark abgenommen. Dabei vermute man, dass Ramsan Kadyrow den Chefs der ihm unterstehenden Strukturen klar gesagt habe, dass Entführungen nicht mehr geduldet würden. Besorgniserregend bleibe jedoch, dass Strafprozesse mit fabrizierten Anschuldigungen geführt würden, wobei zentraler Bestandteil der Beweislage Geständnisse seien, wie sie aus der Stalinzeit als "Königin der Beweise" bekannt seien. Allerdings bleibt "Memorial" bei seiner Einschätzung, dass besonders gefährdet Rückkehrer aus dem Ausland seien, da man bei ihnen viel Geld vermute (vgl. Oktober 2007, Memorial, Zur Lage der Bewohner Tschetscheniens in der Russischen Föderation, August 2006 - Oktober 2007).

Demgegenüber vertreten die sachverständigen Stellen UNHCR sowie Prof. Dr. Luchterhandt, Universität Hamburg, eine differenziertere Position.

Nach Auskunft von UNHCR hat sich die Sicherheitslage in Tschetschenien graduell verbessert, unrechtmäßige Handlungen und Gewaltakte stellten jedoch weiterhin eine Bedrohung für die ortsansässige Bevölkerung dar. Von lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen würden insbesondere die Straffreiheit bei Menschenrechtsverletzungen und das Versagen der Behörden bei der Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen beklagt, außerdem die Anwendung von Folter und unrechtmäßiger Inhaftierung sowie die Nichtbeachtung des Prinzips der Rechtmäßigkeit durch die Exekutivorgane sowie die fehlende Unabhängigkeit der Rechtsprechungsorgane. Auch wenn sie im Vergleich zu den früheren Jahren stark abgenommen haben, seien weiterhin Entführungen und das "Verschwindenlassen" von Personen zu verzeichnen (vgl. UNHCR an Hess. VGH, 08.10.07, Bl. 565 ff. GA). Nach den von Memorial gesammelten Daten seien im Jahr 2006 195 Personen in Tschetschenien entführt worden, 98 von ihnen seien nach Zahlung eines Lösegeldes freigelassen, 15 Personen seien getötet worden. 15 Fälle würden derzeit noch untersucht, während der Verbleib von 69 Personen weiterhin ungeklärt sei. Für die ersten 7 Monate des Jahres 2007 sei über die Entführung von 24 Personen berichtet worden, 15 Personen seien freigelassen oder freigekauft worden und eine Person sei tot aufgefunden worden. 6 Fälle würden derzeit noch untersucht, während der Verbleib von 2 Personen weiterhin ungeklärt sei. Die Zahlen, die von den Behörden für die genannten Zeiträume angegeben worden seien, seien wesentlich geringer (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.). Für Rückkehrer lägen dem UNHCR keine umfassenden Untersuchungen vor, es lägen allerdings Berichte vor, wonach der föderale Sicherheitsgeheimdienst (FSB) Rückkehrer aus dem Ausland unter Beobachtung stelle und diese zu Befragungen einbestelle. UNHCR sei bekannt, dass Rückkehrer aus Georgien zu den FSB-Büros gebracht und dort befragt würden. Es lägen jedoch keine Berichte darüber vor, dass Rückkehrer neben der Befragung zusätzlichen Problemen ausgesetzt waren und seien. Vielmehr scheine es so, dass die Probleme, denen Rückkehrer möglicherweise ausgesetzt seien, eher davon abhingen, ob sie eine "saubere" Akte hätten oder nicht, als von der Tatsache, dass sie für einige Jahre in einem GUS-Staat gelebt hätten (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.). Junge männliche Rückkehrer, die dem Rekrutierungsalter nahe seien, könnten allerdings von den Behörden als potentielle Gefahr für die Regierung angesehen werden, wenn sie Rebellenkämpfer unter ihren Familienangehörigen (im weiten Sinne) hätten bzw. gehabt hätten. Alleinstehende Frauen ohne männlichen Schutz oder Schutz durch ihre Familie seien potentiell stärker gefährdet, geschlechtsspezifischer Gewalt durch die Gemeinschaft oder im häuslichen Bereich ausgesetzt zu sein. Dies gelte besonders für nichttschetschenische Frauen, da Tschetscheninnen möglicherweise bis zu einem gewissen Grad von ihrer "Großfamilie" Schutz erhielten, auch wenn sie keine direkten männlichen Familienangehörigen - mehr - haben (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.). Als besonders rückkehrgefährdet seien (frühere) Mitglieder illegaler, bewaffneter Formationen und deren Angehörige einzuschätzen sowie Personen, die offizielle Positionen (inkl. sehr niedriger Positionen) im Regime Maschadow inne gehabt hätten, Personen, die offensichtlich von den Positionen der gegenwärtigen Regierung abweichende politische Ansichten hätten sowie Personen, die möglicherweise für ihre vor der Flucht erfolgte, nichtmilitärische Unterstützung der Rebellentruppen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnten (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.).

Auch Prof. Dr. Luchterhandt kommt zu dem Ergebnis, dass die heutige Lage im Vergleich zu den Verhältnissen, die bis etwa 2005 auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, also zunächst nach 1999 unter der direkten Herrschaft der föderalen Sicherheits- bzw. Streitkräfte, dann ab etwa 2004 unter dem immer mächtiger hervortretenden Ramsan Kadyrow in Tschetschenien geherrscht haben, heute, wenige Monate nach der Erhebung Ramsan Kadyrows zum Präsidenten der Republik (02.03.2007) - bei allen Vorbehalten - eine deutlich andere, d.h. bessere sei. Nach übereinstimmender Einschätzung aller Beobachter Tschetscheniens unter Einschluss auch der Menschenrechtsorganisationen seien die Fälle von Mord, Folterungen, Misshandlungen, Menschenraub und Freiheitsberaubung signifikant zurückgegangen. Halte dieser Zustand an, werde man bald von einer auch qualitativ neuen Lage der inneren Verhältnisse Tschetscheniens sprechen könnten (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, a.a.O.). Diese graduelle Verbesserung lasse sich auch an den von Memorial zusammengestellten Zahlen ablesen, nach denen sich die Situation von 2002 bis 2007 wie folgt entwickelt habe:

 Jahrentführtdavon befreit oder freigekauftvon Ihnen ermordet aufgefundenvon ihnen verschwundenvon ihnen im Ermittlungsverfahren
20025399081368-
200349715752288-
2004448213242038
20053201542412715
200618794116319
2007 (Jan.-März)1610132
Gesamt:2007718193105244

Auch die weitere Auswertung der mit Beweisbeschluss vom 16. März 2007 gestellten Beweisfragen 2 bis 8 (Bl. 316, 317 GA), mit denen detailliert die Sicherheitslage tschetschenischer Volkszugehöriger aus Tschetschenien, die im Zuge des 2. Tschetschenienkrieges ihre Heimatregion verlassen haben und nunmehr dorthin zurückkehren, ermittelt worden ist, ergibt eine unterschiedliche Bewertung durch die sachverständigen Auskunftsstellen:

Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes leben tschetschenische Volkszugehörige, die nach Abschluss der Kampfhandlungen in die tschetschenische Republik zurückgekehrt seien, in der Regel ein normales Lebens, wobei sich "normales Leben" nicht am deutschen Standard, sondern an dem Standard Tschetscheniens von noch vor einem Jahr orientiere. Anfeindungen von Seiten der tschetschenischen und föderalen Sicherheitskräfte, aber auch von Nachbarn aus möglichen Neidmotiven, seien im Einzelfall nicht auszuschließen. Über Drangsalierungen durch tschetschenische Rebellen lägen dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse vor. Die Rückkehr in ein normales Leben sei allerdings nur für Personen möglich, die nicht aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen hätten (vgl. Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007, a.a.O.). Russische oder tschetschenische Sicherheitskräfte stellten derzeit keine Gefahrenquelle für die männlichen Jugendlichen dar, da sie unter Berücksichtigung des Alters, in dem sie die tschetschenische Republik verlassen hätten, nicht in dem Verdacht stünden, zu Kämpfern zu werden. Traditionell hätten sie zudem bei Verlust des Vaters eine wichtige Rolle innerhalb des Familienverbandes zu übernehmen. Von möglichem Interesse sei allerdings diese Altersgruppe für die tschetschenischen Kämpfer, die durch agitatorische Arbeit unter Jugendlichen versuchten, ihnen ihre ideologischen Wertvorstellungen zu vermitteln und sie auf ihre Seite zu ziehen (vgl. Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007, a.a.O.). Tschetschenen würden seit 2001 auf freiwilliger Basis in die russische Armee aufgenommen, aber bislang nur in geringer Zahl und in Spezialfunktionen in Tschetschenien eingesetzt. Tschetschenische Wehrpflichtige würden auf Befehl des Verteidigungsministers aus dem Jahr 2005 nicht einberufen, es bestehe jedoch die Absicht, 2007 einen Beschluss zu fassen, der die Einberufungspraxis aus der Region neu regeln werde (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 13.01.2008). Soweit es gleichwohl zu Übergriffen komme, könnten diese in Erpressung von Geld, Drohungen, im Einzelfall aber auch in Entführung oder Folter bestehen. Eine geschlechtsspezifische Unterscheidung der Übergriffsmethoden und Intensität lasse sich nicht feststellen. Im Übrigen gebe es in der tschetschenischen Republik kaum alleinstehende Frauen, da sie auch als Witwen in der Familie der Verwandten lebten (vgl. Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007, a.a.O.). Personen, die Opfer von Übergriffen von russischen oder tschetschenischen Sicherheitskräften geworden seien, könnten sich an die zuständigen Rechtsschutzorgane und Gerichte wenden, jedoch seien die Erfolgsaussichten immer noch gering (Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007, a.a.O.).

Dagegen weist die Gesellschaft für bedrohte Völker darauf hin, dass bei den jüngst veröffentlichten Statistiken, nach denen sich in den Städten die Lage verbessert habe und die Zahl der Gewaltverbrechen zurückgegangen sein solle, zu berücksichtigen sei, dass sich viele Menschen aus Angst vor Repressalien davor fürchteten, eine Anzeige über Gewaltverbrechen durch die tschetschenischen Sicherheitskräfte zu erstatten (Gesellschaft für bedrohte Völker an Hess. VGH vom 18.06.2007, Bl. 492 GA). Hierauf weist auch Prof. Dr. Luchterhandt in seiner Auskunft vom 08.08.2007 (Bl. 525 GA) hin, wonach vor allem zwei Faktoren, welche die Einschätzung der Sicherheitslage wesentlich erschwerten, zu benennen seien, nämlich erstens die tief sitzende Furcht und Angst einer durch die beiden Tschetschenienkriege traumatisierten Bevölkerung und zweitens die Diskrepanz zwischen öffentlich - durchaus von verschiedenen Seiten, staatlichen Institutionen und gesellschaftlichen Organisationen - verbreiteten Zahlen über schwere und schwerste Menschenrechtsverletzungen und deren Opfer. Sowohl die Heinrich-Böll-Stiftung als auch Memorial gehen dabei davon aus, dass für Rückkehrer Bedrohungen von russischen und/oder tschetschenischen Sicherheitskräften bzw. diesen nahestehenden Verbänden ausgehen, wobei genaue Zahlen zu Übergriffen nicht genannt werden könnten, Referenzfälle jedoch von der Vorsitzenden der Menschenrechtsorganisation Memorial in ihrem Vortrag vom 25. November 2006 (Anmerkung: allerdings für den dort relevanten Berichtszeitraum) genannt worden seien (vgl. Heinrich-Böll-Stiftung an Hess. VGH vom 20.04.2007, Bl. 370 GA und Memorial an Hess. VGH vom 17.05.2007, Bl. 453 GA).

Laut UNHCR gibt es keine Hinweise darauf, dass zurückkehrende Personen bei ihrer Rückkehr allein aufgrund der Tatsache verfolgt werden, dass sie im Ausland gelebt haben, oder deshalb, weil sie einer ethnischen Minderheit angehörten. Maßgeblich für eine Verfolgungsgefahr im Falle einer Rückkehr sei insbesondere die tatsächliche oder unterstellte - frühere - Mitwirkung bzw. Einbindung bei den Rebellengruppen oder im Regime Maschadow (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.). In diesem Zusammenhang verweist UNHCR auch auf die bereits oben benannten besonders gefährdeten Rückkehrergruppen.

Nach Auskunft von Prof. Dr. Luchterhandt ist die Gefahr, Opfer von russischen Sicherheitseinheiten, sei es von Soldaten oder Omonovcy (Omon = russische Milizverbände mit Sonderaufgaben des föderalen Innenministeriums) zu werden, für die Bevölkerung zwar weiterhin vorhanden, aber aus den genannten Gründen - Tschetschenisierung des Tschetschenenkonflikts und quantitativ begrenzte Einsätze - heute nur noch als gering einzustufen (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525 ff. 535, 536 GA).

Anders verhält es sich nach Einschätzung des Gutachters Prof. Dr. Luchterhandt jedoch mit den föderalen Verbänden tschetschenischer Sicherheitskräfte, also mit den Kadyrovcy, Jamadaevcy, Kakivci, wobei die beiden zuletzt genannten nicht der Kommandogewalt von Ramsan Kadyrow unterstehen. Hier sei die Gefahr, Opfer schwerer Angriffe auf Freiheit, Leben und Leib zu werden, noch immer als relativ hoch einzuschätzen, obgleich sie im Vergleich zu früheren Jahren deutlich geringer geworden sei (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525, 536 GA). Dabei lägen keine Angaben über Fälle vor, welche Rückschlüsse auf eine höhere Gefährdung oder gar Sonderbehandlung von Rückkehrern zuließen. So habe im Oktober 2006 der Leiter des tschetschenischen Memorialbüros unter Berufung auf Anna Politkovskaja festgestellt, dass 85 % der Entführungen in Tschetschenien auf das Konto der Ramsan Kadyrow unterstehenden Verbände gingen. Dieser Prozentsatz könne auf die Verantwortlichkeit für menschenrechtswidrige Repressionsmaßnahmen der Sicherheitskräfte im Allgemeinen ausgedehnt werden (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, a.a.O.). Abstrakt betrachtet sei es nicht nur wahrscheinlich, sondern selbstverständlich, dass bekannte oder gar prominente Funktionäre oder Parteigänger Präsident Maschadows und der "tschetschenischen Republik Ickerija" im Falle ihrer Rückkehr aus der Diaspora nach Russland und speziell nach Tschetschenien nicht - nur - routinemäßig behandelt, sondern angefangen bei den Einreiseformalitäten von dem in solchen Fällen zuständigkeitshalber eingeschalteten FSB, also dem Inlandsgeheimdienst, einer sorgfältigen Überprüfung und Kontrolle unterzogen würden (Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525 GA, 538). Als gewöhnliche Tschetschenen, die auf dem Höhepunkt der "antiterroristischen Operation" (2000) Tschetschenien verlassen hätten, um irgendwo ungefährdet in Ruhe leben zu können, dürften die Kläger jedoch wahrscheinlich bei ihrer Rückkehr keiner größeren Gefährdung ausgesetzt sein als andere Tschetschenen auch (Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525, 538, 539 GA). Dabei bleibe festzuhalten, dass die einen wie die anderen Sicherheitskräfte menschenverachtend, wahl- und rücksichtslos bei den "antiterroristischen" Aktionen (auch) gegen die Zivilbevölkerung vorgingen, "Kollateralschäden" bedenkenlos in Kauf nähmen. Bombardements und Beschießungen von Gebäudegruppen, von Siedlungen sowie ganzer Dörfer wie großräumige "Säuberungen" bis in die jüngste Zeit sprächen, wenngleich sie deutlich seltener geworden seien, eine beredte Sprache (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525, 539 GA). Allerdings sei die Gefährdung durch föderale - russische und tschetschenische - Sicherheitskräfte beeinträchtigt zu werden, in 2007 gegenüber 2006 und 2005 noch einmal messbar geringer geworden. Darauf, dass sich dieser Trend bald umkehren könnte, deute gegenwärtig nichts hin (Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525, 541 GA).

Demgegenüber bleibt Memorial bei seiner Einschätzung, dass sich jeder, der nach Tschetschenien reise, in Lebensgefahr begebe. Rückkehrer, insbesondere junge Männer, machten sich danach verdächtig, wenn sie nach langer Abwesenheit zurückkehrten. Man nehme an, sie hätten sich bewaffneten Banden angeschlossen. Wer auch nur zu Passbeantragungen nach Tschetschenien zurückgekehrt sei, könne sich leicht den Terrorismusvorwurf einhandeln (vgl. Memorial an Hess. VGH vom 17.05.2007, Bl. 453, 475 GA).

Sowohl amnesty international als auch die Gesellschaft für bedrohte Völker gehen in Übereinstimmung mit Memorial davon aus, dass die Sicherheitslage insbesondere junger männlicher Tschetschenen sehr schlecht ist, da diese generell verdächtigt würden, mit den Widerstandskämpfern unter einer Decke zu stecken (vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker vom 18.06.07, Bl. 492 GA, ai vom 27.04.07, Bl. 376 GA). Rückkehrer seien danach mehr bedroht, unrechtmäßig festgenommen, gefoltert und misshandelt zu werden oder "zu verschwinden" (vgl. ai vom 27.04.07 an Hess. VGH, Bl. 376 GA). Zwar sieht auch Prof. Dr. Luchterhandt die Sicherheitslage für die Bevölkerung in Tschetschenien nach wie vor als prekär an, weist jedoch mit Blick auf die Kläger darauf hin, dass ihre Situation - alleinstehende Mutter mit zwei halbwüchsigen Kindern - keine Ausnahme, sondern im Prinzip ein weit verbreitetes Schicksal darstelle, nachdem deutlich mehr Männer als Frauen in den Kämpfen seit 1994 ihr Leben verloren haben oder zur Arbeitssuche aus Tschetschenien fortgegangen sind und ihre Familien zurückgelassen haben. Dazu komme ferner, dass die Rückkehrer, für sich gesehen, einen großen Teil der Bevölkerung darstellten (Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525 ff. GA).

Hinsichtlich der Frage, ob sich betroffene Personen im Fall von Übergriffen erfolgreich durch Inanspruchnahme staatlicher Stellen zur Wehr setzen können, erscheint die Beantwortung nach Durchführung der Beweisaufnahme einheitlich insoweit, als zwar theoretisch die Möglichkeit besteht, sich an die zuständigen Rechtsschutzorgane und Gerichte zu wenden (AA an Hess. VGH vom 06.08.2007, Bl. 517 GA), viele lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen jedoch weiterhin erhebliche Bedenken hinsichtlich der Menschenrechtssituation in der tschetschenischen Republik äußern, und die Berichte insbesondere die Sorge über die Straffreiheit bei Menschenrechtsverletzungen und das Versagen der Behörden bei der Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen, über die Anwendung von Folter und unrechtmäßiger Inhaftierung sowie über die Nichtbeachtung des Prinzips der Rechtmäßigkeit durch die Exekutivorgane und die fehlende Unabhängigkeit der Rechtsprechungsorgane und die übermäßige Macht der Exekutive hervorheben (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, Bl. 565 GA). Gegenüber dem schon von vornherein geschwächten Rechtsschutz des Bürgers gegenüber Sicherheitsorganen in Russland erfährt die Lage in Tschetschenien dabei in mehrfacher Hinsicht noch eine weitere Schwächung und zwar zunächst dadurch, dass in der Republik de facto ein Sonder- bzw. Notstandsregime gilt bzw. angewendet wird, das von den Grund- und Menschenrechten der föderalen Verfassung nicht einmal mehr ein Schatten übrig lässt (Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525 ff.GA). Die staatliche Praxis wird dadurch bestimmt, dass Präsident Kadyrow nicht nur die republikanische Exekutive, sondern über seine kadyrovcy auch die beiden Kammern des Parlaments und die in der Republik judizierenden Gerichte beherrscht. In aller Regel werden Ermittlungsverfahren nach einiger Zeit mit der stereotypen Formel eingestellt, man habe die Täter nicht feststellen können und dass selbst dann, wenn die Beweislage noch so klar und erdrückend ist. Immer breiter ist infolgedessen in den letzten Jahren der Strom der Beschwerden zum EGMR geworden, wobei die Beschwerdeführer unisono die völlige Unwirksamkeit des Rechtsschutzverfahrens in Tschetschenien und höheren Orts in Moskau feststellen und beklagen. Die ausbleibende Bestrafung der Übeltäter ist denn auch zum geflügelten Wort, zur kürzesten Formel für die Beschreibung der in Tschetschenien auf dem Gebiet von Justiz und Rechtsschutz herrschenden Verhältnisse geworden (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525, Bl. 547 ff. GA).

Unter Auswertung dieser Auskünfte zur Sicherheitslage ethnischer Tschetschenen in Tschetschenien kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Sicherheitslage in Tschetschenien zwar nach wie vor besorgniserregend und prekär ist, für Rückkehrer ohne Bezug zu dem Maschadow-Regime bzw. den tschetschenischen Rebellen jedoch gleichwohl stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass sie erneut von Verfolgungsmaßnahmen wie im Herbst 2000 bedroht sein werden (Art. 4 Abs. 4 QRL, § 60 Abs. 1 AufenthG).

Insbesondere kann die flächendeckende Bedrohung der tschetschenischen Zivilbevölkerung in Tschetschenien durch russische Sicherheitskräfte und Militärs und diesen zuzuordnenden Verbänden, wie sie noch im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger und auch noch Anfang 2006 zu beklagen war (s.o.), heute so nicht mehr festgestellt werden. Auch nach Auskunft von Memorial haben sich für die Menschen in Tschetschenien bedeutsame Veränderungen ergeben, Entführungen und Morde haben schrittweise abgenommnen. Bei den Gefährdungen, denen sich insbesondere Rückkehrer ausgesetzt sehen können, handelt es sich überwiegend um kriminelle Handlungen, wie das Erpressen von Geld (vgl. Memorial, Oktober 2007, Zur Lage der Bewohner Tschetscheniens in der Russischen Föderation, August 2006 - Oktober 2007), die für sich genommen ohne flüchtlingsrelevanten Anknüpfungs- und Bezugspunkt sind, da bereits nicht erkennbar ist, dass sie an bestimmte flüchtlingsbestimmende Merkmale anknüpfen. Auch das offensichtlich marode Rechtschutzsystem in Tschetschenien, das es betroffenen Personen nahezu unmöglich zu machen scheint, sich effektiv gegen rechtswidrige oder kriminelle Übergriffe auch staatlicher Stellen zur Wehr zu setzen, stellt für sich genommen noch keine im Lichte von § 60 Abs. 1 AufenthG/QRL relevante Verfolgung dar, da es auch insoweit an zielgerichteten flüchtingsrelevanten Zuordnungen fehlt.

Entscheidend ist bei der anzustellenden Gefährdungsprognose im Rahmen der Rückausschlussklausel des Art. 4 Abs. 4 a.E. QRL vielmehr, ob der Rückkehrer zu einer der besonders gefährdeten Personengruppen gehört, wobei hierzu insbesondere Personen zählen, die selbst oder in ihrem familiären Umfeld von Seiten der tschetschenischen Sicherheitskräfte mit ehemaligen oder derzeitigen Mitgliedern der Rebellenorganisation in Zusammenhang gebracht werden. Bestehen hierfür Anhaltspunkte, bleibt es bei dem "ernsthaften Hinweis" des Art. 4 Abs. 4 QRL und der darin enthaltenen Vermutungsregel, da dieser Personenkreis mit verfolgungsrelevanten Maßnahmen, die bis hin zu Folterungen und Verschwindenlassen führen können, bei Rückkehr zu rechnen hat und daher keine stichhaltigen Gründe dagegen sprechen, dass er nicht erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht ist (Art. 4 Abs. 4 QRL). Besteht ein derartiger Zusammenhang jedoch nicht, sprechen stichhaltige Gründe dagegen, dass Rückkehrer verfolgungsrelevanten Maßnahmen ausgesetzt sein werden, insbesondere da sie das Schicksal vieler Rückkehrer teilen und aufgrund des von Memorial zusammengestellten Zahlenmaterials davon auszugehen ist, dass die Fälle illegaler Entführungen, das unaufgeklärte Verschwindenlassen von Personen, die Durchführung von flächendeckenden Säuberungsaktionen verbunden mit asylrelevanten Übergriffen wie Folterungen, illegalen Festsetzungen, Vergewaltigungen etc. merklich zurückgegangen sind. Daher ist auf Grund der tatsächlichen Veränderungen der Sicherheitslage in Tschetschenien davon auszugehen, dass heute stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass ethnische Tschetschenen ohne Bezug zu dem Maschadow-Regime bzw. zu den Rebellen bei Rückkehr in ihre Heimatregion allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit von in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Verfolgungsmaßnahmen erneut bedroht sein werden (Art. 4 Abs. 4 QRL).

Dabei geht der Senat davon aus, dass die Kläger bei Rückkehr in ihr Heimatland von Seiten der tschetschenischen Sicherheitsbehörden nicht in Zusammenhang mit bei den Rebellen tätigen Personen gebracht werden. Hiervon geht der Senat auch unter Berücksichtigung der Tatsache aus, dass der Ehemann der Klägerin zu 1. und Vater der Kläger zu 2. und 3. nach seinem Vortrag vor dem Bundesamt sowie im gerichtlichen Verfahren mehrfach in Konflikt mit den russischen Sicherheitskräften geraten ist. Nach den teils unterschiedlichen Schilderungen der Klägerin zu 1. sowie ihres Ehemannes hinsichtlich der Festsetzungen und Drangsalierungen durch die russischen Sicherheitskräfte ist nämlich nicht davon auszugehen, dass diese gezielt nach dem Ehemann der Klägerin zu 1. gesucht und ihn als tschetschenischen Rebellen haben dingfest machen wollen, sondern dass der Ehemann der Klägerin zu 1. vielmehr anlässlich von Säuberungsaktionen oder sonstigen Maßnahmen zufällig in das Fadenkreuz der russischen Sicherheitskräfte geraten ist und in diesem Zusammenhang festgesetzt wurde. Soweit der Ehemann der Klägerin zu 1. erstmals im Klageverfahren vorgetragen hat, ein Cousin von ihm habe 1999 als Pressesekretär bei der Regierung unter Kadyrow gearbeitet, er habe sich dann gemeinsam mit diesem Cousin entschlossen, für den Untergrund zu arbeiten, sie hätten Geld für die Widerstandsbewegung gesammelt und Verletzte von der Front geholt und zur ärztlichen Versorgung gebracht, hat er diese Steigerung in seinem Vortrag auch nicht durch die Erklärung plausibel machen können, er habe Angst gehabt, auf diese Weise seinen Cousin zu gefährden. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Kläger bei Rückkehr in ihr Heimatland aufgrund ihrer Beziehungen zu dem Ehemann bzw. Vater mit sippenhaftähnlichen Nachstellungen der tschetschenischen Sicherheitskräfte, die bis zu Verhaftung und in diesem Zusammenhang asylrelevanten Übergriffen führen könnten, rechnen müssen.

Hierbei verkennt der Senat nicht, dass nach den eingeholten Auskünften junge männliche Rückkehrer einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sind. Die in diesem Zusammenhang im Raum stehenden Gefährdungen insbesondere bei Personenüberprüfungen vor Ort können jedoch nach Auffassung des Senats dadurch minimiert werden, dass die Kläger und hierbei insbesondere die Kläger zu 2. und 3. nur mit gültigen Heimreisepapieren ihres Heimatlandes, die zudem über eine angemessene Geltungsdauer verfügen sollten, um sie in die Lage zu versetzen, sich zunächst mit gültigen Pass(ersatzpapieren) in ihrem Heimatland zu bewegen und dort ihre endgültigen Pässe zu beantragen, zurückgeschickt werden und sie zudem mit Aufenthaltsbescheinigungen, ggfs. in die russische Sprache übersetzt, ausgestattet werden, mit denen sie belegen können, dass sie sich seit dem Jahr 2000 im Ausland, nämlich in Deutschland, aufgehalten haben. Dabei geht auch der Bay.VGH in seinem Urteil vom 31. August 2007 (11 B 02.31724 in juris-online) davon aus, dass russische Staatsangehörige in aller Regel nicht ohne Vorlage eines russischen oder sowjetischen Reisespasses wieder in die Russische Föderation einreisen können, so dass für die Kläger - die Klägerin zu 1. hat nach ihren Angaben ihren Pass in Gudermes bei ihrer Mutter gelassen, die Kläger zu 2. und 3. besaßen im Zeitpunkt der Ausreise noch keine eigenen Pässe, sondern waren in den Pass ihrer Mutter mit eingetragen - durch die russische Auslandsvertretung ein Rückreisedokument ausgestellt werden müsste. Zu dessen Ausstellung kommt es jedoch nur, wenn zuvor die Identität der betroffenen Person durch die Innenbehörden der Russischen Föderation überprüft wurde. Gleiches gilt für die Zeit nach dem Inkrafttreten des Europäisch-Russischen Rückabnahmeabkommens, da eine Rückübernahme nach Art. 2 Abs. 2 dieses Abkommens voraussetzt, dass die Russische Föderation dem Übernahmeersuchen eines Mitgliedsstaats der Europäischen Gemeinschaft zugestimmt und sie der rückzuübernehmenden Person ein Reisedokument ausgestellt hat. Die russischen Stellen wissen mithin sowohl vor als auch nach Inkrafttreten dieses Vertrages rechtzeitig vor einer Abschiebung über die Identität des Betroffenen Bescheid. Sie besitzen damit Gelegenheit, sich auch darüber zu vergewissern, ob von der Person Gefahren für die innere Sicherheit ausgehen (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 31.08.07, a.a.O., Rdnr. 102). Mögen danach die russischen Sicherheitskräfte in Moskau über die Sicherheitsproblematik und Identität der Kläger vor deren Rückführung informiert sein, muss dies jedoch nicht für die vor Ort tätigen tschetschenischen Sicherheitskräfte gelten. Diesem Problem kann jedoch durch die Ausstellung der oben genannten, möglichst über eine angemessene Geltungsdauer verfügenden Rückreisedokumente sowie Bescheinigungen begegnet werden, wodurch auch die Kläger zu 2. und 3. über begrenzt gültige Ausweispapiere verfügen würden und belegen könnten, dass sie sich nicht bei den Rebellen, sondern seit Oktober 2000 im Ausland aufgehalten haben. Dies setzt jedoch voraus, dass die zuständigen Ausländerbehörden vor einer Rückführung der Kläger umfassend die Rückführungsmodalitäten beachten und den Klägern ggfs. ergänzende Bescheinigungen mit auf den Weg geben.

Die noch in der Auskunft an den Hess. VGH geäußerte Annahme insbesondere von Memorial (Memorial an Hess.VGH vom 17.05.2007, Bl. 453 GA), jeder männliche Rückkehrer begebe sich in Lebensgefahr, wird dabei von dem Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bayerischen VGH (Urteil vom 31.08.07, a.a.O.) so nicht geteilt. Vielmehr geht der Senat mit dem Gutachter Prof. Dr. Luchterhandt davon aus, dass die Kläger, die als gewöhnliche Tschetschenen auf dem Höhepunkt der "antiterroristischen Operation" (2000) Tschetschenien verlassen haben, um anderswo ungefährdet in Ruhe zu leben, bei ihrer Rückkehr keiner größeren Gefährdung ausgesetzt sein werden als andere Tschetschenen auch (Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.07, Bl. 525, 538, 539 GA).

Auch die im Hinblick auf das Alter der Kläger zu 2. und 3. anstehenden Fragen hinsichtlich einer einsetzenden Wehrpflicht und damit im Zusammenhang stehender "Sonderbehandlungen" tschetschenischer Wehrpflichtiger führen bereits deshalb zu keinem anderen Ergebnis in der Sache, weil nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes in seinem Lagebericht vom 13. Januar 2008 tschetschenische Wehrpflichtige auf Befehl des Verteidigungsministers aus dem Jahr 2005 nicht einberufen werden. Zwar bestand nach Aussage des Auswärtigen Amtes die Absicht, 2007 einen Beschluss zu fassen, der die Einberufungspraxis aus der Region neu regeln wird, dies ist jedoch bis jetzt offensichtlich noch nicht erfolgt.

Sprechen bei Rückkehr der Kläger in ihr Heimatland Tschetschenien stichhaltige Gründe dagegen, dass sie erneut, wie im Herbst 2000, von Verfolgung bedroht sein werden, kommt es auf die Frage, ob sie im Zeitpunkt der Entscheidung in anderen Regionen der Russischen Föderation internen Schutz finden können (Art. 8 QRL), nicht mehr an, auch wenn aufgrund der eingeholten Stellungnahmen überwiegend viel dafür spricht, dass sich insoweit an der Einschätzung des Senats in seiner Entscheidung vom 2. Februar 2006 - 3 UE 3021/03.A - nichts geändert hat, was entscheidungserheblich jedoch allenfalls für diejenigen Tschetschenen ist, bei denen aufgrund bestehender oder vormals bestehender Beziehungen zu den Rebellen keine stichhaltigen Gründe dagegen sprechen, dass sie erneut von Verfolgung bedroht sein werden.

Den Klägern drohen auch keine sonstigen Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, Art. 15 QRL.

Aufgrund der oben gemachten Ausführungen besteht für die Kläger zumindest dann nicht die konkrete Gefahr, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden (§ 60 Abs. 2 AufenthG, Art. 15 b) QRL), wenn im Fall ihrer Rückführung von Seiten der Ausländerbehörde bei der Beschaffung der Heimreisedokumente (Passersatzpapiere) gewährleistet wird, dass diese eine ausreichend lange Geltungsdauer haben, die die Kläger, insbesondere die Kläger zu 2. und zu 3., in die Lage versetzen, sich in ihrem Heimatland auszuweisen bis sie dort neue Pässe haben beantragen und erhalten können.

Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 und 4 AufenthG, Art. 15 a) QRL bestehen keine Anhaltspunkte, insoweit haben die Kläger auch keinen entsprechenden Sachvortrag geliefert.

Nach den oben gemachten Ausführungen zur Sicherheitslage in der Russischen Föderation, dort Tschetschenien, kann bei Beachtung der oben genannten Besonderheiten hinsichtlich der Passersatzpapiere auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Abschiebung gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG aus Gründen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 unzulässig ist.

Gleiches hat für das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 AufenthG, Art. 15 c) QRL zu gelten. Danach soll von einer Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG). Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat ist abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, Art. 15 c) QRL). Gefahren nach Satz 1 oder Satz 2, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

Zwar setzt § 60 Abs. 7 AufenthG die Vorgaben des Art. 15 c) QRL aus mehreren Gründen nicht vollständig und zutreffend um, da er zum einen den Wortlaut des Art. 15 c) QRL durch Weglassen des Tatbestandselements "infolge willkürlicher Gewalt" nicht vollständig wieder gibt und zum anderen die Ausschlussklausel des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG auf Grund der Vorgaben der QRL nicht auf Sachverhaltskonstellationen des § 60 Abs. 7 Satz 2/Art. 15 c) QRL AufenthG übertragen werden darf. Gemäß Art. 18 QRL handelt es sich nämlich auch bei der Zuerkennung von subsidiärem Schutz um eine gebundene Entscheidung, die bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 c) QRL weder dem Entscheidungsvorbehalt des § 60 a AufenthG, noch den gesteigerten Anforderungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei verfassungskonformer Auslegung (sehenden Auges in den sicheren Tod...) unterworfen werden darf.

Selbst unter Berücksichtigung dieser Vorgaben steht den Klägern bei Beachtung der oben genannten Besonderheiten hinsichtlich ihrer Heimreisepapiere weder subsidiärer Schutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, noch nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, Art. 15 c), 18 QRL zu, da sich die Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung nach Angaben von internationalen Hilfsorganisationen in letzter Zeit deutlich verbessert haben. In den Nachbarrepubliken Dagestan, Inguschetien und Kabardino-Balkarien hat sich die Lage hingegen eher verschlechtert. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Grozny ist inzwischen fast vollständig wieder aufgebaut - dort gibt es mittlerweile auch wieder einen Flughafen. Nach Angaben der EU-Kommission (ECHO) findet der Wiederaufbau überall in der Republik, insbesondere in Gudermes, Argun und Schali statt. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen melden, dass selbst in kleinen Dörfern Schulen und Krankenhäuser aufgebaut werden. Die Infrastruktur (Strom, Heizung, fließendes Wasser etc.) und das Gesundheitssystem waren nahezu vollständig zusammengebrochen, doch zeigen Wiederaufbauprogramme und Kompensationszahlungen Erfolge. Missmanagement, Kompetenzgemenge und Korruption verhindern jedoch in vielen Fällen, dass die Gelder für den Wiederaufbau sachgerecht verwendet werden (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 13.01.2008). Wichtigstes soziales Problem sind die Arbeitslosigkeit und große Armut weiter Teile der Bevölkerung. Nach Schätzungen der UN waren im Jahr 2007 ca. 80 % der tschetschenischen Bevölkerung arbeitslos und verfügten über Einkünfte unterhalb der Armutsgrenze (vgl. AA, Lagebericht, 13.01.2008). Wohnraum bleibt weiterhin ein großes Problem, nach Schätzungen der UN wurden während der kriegerischen Auseinandersetzungen ab 1994 über 150.000 private Häuser sowie 73.000 Wohnungen zerstört (vgl. AA, Lagebericht, 13.01.08). Schwierig bleibt die humanitäre Lage der tschetschenischen Flüchtlinge innerhalb und außerhalb Tschetscheniens. Nach Angaben des UNHCR waren im Juli 2007 29.559 Binnenflüchtlinge registriert. Die russische Regierung arbeitet auf eine möglichst baldige Rückkehr aller tschetschenischen Flüchtlinge hin. Die letzten Zeltlager in Inguschetien wurden bereits 2004 aufgelöst, die Lebensbedingungen für die Flüchtlinge in den Übergangsunterkünften, die die Zeltlager ablösten, sind in jeder Hinsicht schwierig. In Tschetschenien wurden für die Flüchtlinge provisorische Unterkünfte eingerichtet, die nach offiziellen Angaben besser eingerichtet sein sollen als die früheren Lager in Inguschetien. Die Kapazitäten reichen jedoch nicht für alle Flüchtlinge. Unter Leitung des Koordinationsbüros der Vereinten Nationen (OCHA) leisten zahlreiche internationale und nichtstaatliche Organisationen seit Jahren umfangreiche humanitäre Hilfe in der Region. 2007 planen UN und internationale Hilfsorganisationen humanitäre Projekte im Nordkaukasus mit etwa 65 Mio. US-Dollar (vgl. AA, Lagebericht, 13.01.2008). Zwar sind nach Auskunft von Memorial, wie bereits oben dargestellt, insbesondere Rückkehrer aus dem Ausland insoweit bedroht, als davon ausgegangen wird, dass sie über Geld verfügen und sie daher leicht Opfer von Erpressungen werden können (vgl. Memorial, Oktober 2007, Zur Lage der Bewohner Tschetscheniens in der Russischen Föderation, August 2006 - Oktober 2007). Derartige kriminelle Übergriffe erreichen zum einen jedoch nicht die Schwelle der von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geforderten Eingriffsintensität, zum anderen geht der Senat gerade auf Grund der von Memorial eingereichten Vergleichszahlen der letzten Jahre davon aus, dass Leib-, Lebens- oder Freiheitsbedrohungen deutlich abgenommen haben und daher nicht mehr von einer konkreten, erheblichen Gefährdung ausgegangen werden kann.

Unter Berücksichtigung dieser Angaben sowie der Tatsache, dass die Mutter der Klägerin zu 1. und von Seiten ihres Ehemannes noch zwei Brüder und vier Schwestern in Gudermes leben, ist davon auszugehen, dass insbesondere auf Grund der starken sozialen Bindungen in der teijp-Ordnung Tschetscheniens die Kläger dort auch im Familienverband Unterstützung werden finden können und für sie daher von einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bei Rückkehr nach Tschetschenien nicht ausgegangen werden kann.

Auf Grund der oben gemachten Ausführungen insbesondere zu den Veränderungen der Sicherheitslage in Tschetschenien haben die Kläger auch keine ernsthafte individuelle Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten (Art. 15 c) QRL). Gerade in diesem Zusammenhang haben sich die sicherheitsrelevanten Verhältnisse in Tschetschenien spürbar verändert.

Da die Berufung der Beklagten Erfolg hat, haben die Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Gerichtskosten werden jedoch gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO, 167 VwGO.

Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 sowie der dort in Bezug genommenen Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 - Qualifikationsrichtlinie - (ABl. EU L 304 S. 12, ber. ABl. 2005 L 204 S.24) die Frage der anzuwendenden Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe bei Prüfung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG, die Frage der Beibehaltung der richterrechtlich entwickelten Differenzierungen zwischen örtlich begrenzter und regionaler Gruppenverfolgung, die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Prüfung internen Schutzes im Sinne des Art. 8 QRL sowie der dort anzuwendenden Prüfungsmaßstäbe und die in § 60 Abs. 7 AufenthG zu beachtenden Vorgaben der QRL von grundsätzlicher Bedeutung sind.

Ende der Entscheidung

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