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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.09.2005
Aktenzeichen: 3 UE 2381/04.A
Rechtsgebiete: AufenthG, GG, RICHTLINIE 2004/84/EG


Vorschriften:

AufenthG § 60
GG Art. 16
RICHTLINIE 2004/84/EG Art. 8
Sowohl die Republik Aserbaidschan als auch die Republik Armenien und dievölkerrechtlich nicht anerkannte Republik Berg-Karabach kennen den juristischen Begriffder Volkszugehörigkeit, wobei zwischen amtlicher und gewillkürter Volkszugehörigkeitunterschieden wird. Die amtliche Volkszugehörigkeit wird mit der Geburt erworben undrichtet sich grundsätzlich nach der Volkszugehörigkeit des Vaters, ansonsten nach derdes Vaters der Mutter, wenn dieser unbekannt ist, nach der der Mutter.

Armenische Volkszugehörige können grundsätzlich die Enklave Berg-Karabach vonDeutschland aus über Armenien erreichen. Soweit der Einreisewillige über einen gültigenNationalpass verfügt, kann er aus der Republik Armenien in die Republik Berg-Karabacheinreisen, muss aber ein Einreisevisum in die RepublikBerg-Karabach bei derenständiger Vertretung in Eriwan einholen. Für Personen ohne amtliche Papiere istzunächst eine Einreiseerlaubnis für Armenien erforderlich, mit der dann bei der ständigenVertretung der Republik Berg-Karabach in Eriwan die Weiterwanderung beantragtwerden kann.

Selbst das Fehlen des wirtschaftlichen Existenzminimums in Berg-Karabach rechtfertigtnicht die Feststellung der Voraussetzungen des Art. 16 a GG, § 60 Abs. 1 AufenthG, dadas fehlende wirtschaftliche Existenzminimum nicht verfolgungsbedingt wäre.

Die in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 überMindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oderStaatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutzbenötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie -genannten Gefahren führen nur dann zur Anerkennung internationalen Schutzes, wennes sich um verfolgungsbedingte Gefahren handelt. Soweit wirtschaftliche Nachteile, dieam Ort der Verfolgung ebenso oder noch stärker bestehen als am Ort des internenSchutzes, nicht verfolgungsbedingt sind, sind sie bei der Frage, ob von dem jeweiligenAntragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, sich am Ort des internen Schutzesaufzuhalten, nicht zu berücksichtigen.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

3 UE 2381/04.A

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 3. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richterin am Hess. VGH Lehmann

am 15. September 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 30. Oktober 2003 - 5 E 99/02.A (2) - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Entscheidung über die Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der nach seinen Angaben am xxxxxxxxxxxx in Baku geborene Kläger beantragte am 11. Oktober 2001 seine Anerkennung als Asylberechtigter und trug im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, die in armenischer Sprache durchgeführt wurde, im Wesentlichen vor, er spreche armenisch, russisch und aserisch. Er besitze die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit, sei jedoch armenischer Volkszugehörigkeit. Papiere besitze er keine, man habe ihnen 1990 die Pässe abgenommen. Er habe mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern in Baku gelebt. Seine Ehefrau sei Aserbaidschanerin. Seine Ehefrau sowie die Kinder lebten noch bei seiner Schwiegermutter in Baku. Er selbst habe als Schuhmacher gearbeitet, diesen Beruf habe er 1983 bis 1988 ausgeübt, danach habe er zu Hause Schuhe repariert und genäht. Am 15. Oktober 2001 habe er Baku verlassen und sei mit dem Pkw nach Georgien gefahren. Von dort aus sei er am 22. Oktober 2001 mit dem Flugzeug nach Deutschland gereist. Der Grund für seinen Weggang sei gewesen, dass sein Onkel, der ebenfalls in Baku lebe, ihm gesagt habe, dass er ihn nach den Vorfällen in der USA am 11. September des Jahres nicht mehr länger unterstützen könne und dass er nicht mehr länger bei ihm bleiben könne. Sein Onkel habe seinetwegen ständig Probleme gehabt. Die letzten fünf Jahre in Aserbaidschan habe er überwiegend bei seinem Onkel gelebt. Seine Ehefrau und die Kinder seien bereits bei der Schwiegermutter gewesen. Es sei sehr schlimm gewesen, er sei nie rausgegangen, und wenn er rausgegangen sei, habe man ihn bespuckt. Auf seine Tür sei auch ein Kreuz gemalt worden, und es seien Schimpfwörter geschrieben worden. Sein Onkel sei seinetwegen dreimal geschlagen worden, bei dem letzten Vorfall habe man versucht, ihn in den Wald zu entführen, wobei ihm angedroht worden sei, ihn dort zu missbrauchen. Dies sei am 5. September 2001 gewesen. Ein Schulfreund seiner Ehefrau habe dieser gesagt, dass er in Gefahr sei. Sie hätten daraufhin alles verkauft und seine Flucht organisiert. Er habe auch Probleme wegen seiner 14-jährigen Tochter, die in Gefahr sei. Man wisse nie, was mit ihr irgendwann einmal passieren werde. Schließlich habe er auch seine Familie nicht mehr ernähren können. Es habe keine Möglichkeit mehr gegeben, mit der Familie zusammen zu leben.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Des Weiteren wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bzw. im Falle einer Klageerhebung innerhalb eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist wurde ihm seine Abschiebung nach Aserbaidschan oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht.

Gegen den am 7. Januar 2002 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 18. Januar 2002 Klage vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden erhoben. Im Rahmen des Klageverfahrens trug er im Wesentlichen vor, sein Vater sei armenischer Volkszugehöriger und seine Mutter aserische Volkszugehörige gewesen. Sein Vater sei 1993 nicht eines natürlichen, sondern eines gewaltsamen Todes gestorben. Ein aserischer Kollege, der seit längerem die Stelle des Vaters habe einnehmen wollen, habe mit Hilfe von Angehörigen der Volksfront den Vater angegriffen und ihn erschlagen. Anschließend sei er unter einem Olivenbaum gelegt worden, damit das Ganze wie ein Unfall aussehe. Dies habe ihm ein Arbeitskollege seines Vaters mitgeteilt. Sein Onkel habe nach Bekanntwerden der Hintergründe des Todes mit ihm die Volksfront aufgesucht und dort Anzeige erstattet. Zehn Tage später habe der Onkel ihn gebeten zu verschwinden, da die Volksfront ihn wegen seiner Anzeige suche. Diese Ereignisse seien während der Anhörung vor dem Bundesamt nicht präzise zur Sprache gekommen. Am 1. Mai 1989 sei er von 15 jugendlichen Aseris misshandelt worden, wobei ihm drei obere Vorderzähne und weitere Zähne ausgeschlagen worden seien. Auch sei er einmal auf dem Nachhauseweg vom Markt von aserischen Personen überfallen und erheblich mit einem Messer verletzt worden. Am 14. September 1997, seinem Geburtstag, habe er sich in der Wohnung der Schwiegermutter aufgehalten, um dort mit seiner Familie zu feiern. Aufgrund einer unvorsichtigen Bemerkung seiner Ehefrau sei bekannt gewesen, dass er zuhause war, am Abend seien dann vier jugendliche aserische Schläger erschienen, die ihn derart misshandelt hätten, dass er den Notarzt habe rufen müssen. Dieser habe ihm jedoch lediglich ein Beruhigungsmittel gegeben und eine weitere ärztliche Versorgung verweigert, da er Armenier sei. Die vor dem Bundesamt erwähnte Razzia habe nicht am 5. September 2001, sondern zwischen dem 13. und 15. September 2001, also wenige Tage nach dem 11. September 2001 stattgefunden. Seinem Onkel sei danach die mit seiner Anwesenheit verbundene Belastung zu groß geworden, sodass er zunächst zu seiner Schwiegermutter gezogen sei. Am 13. September 2001 habe eine Kontrolle der Milizen stattgefunden, um Armenier aufzuspüren. Er habe durch ein Hinterfenster entkommen können und vorübergehend Schutz bei einem jezidischen Nachbarn finden können. Am 15. September 2001 sei dann seine Ehefrau zu dem Onkel gekommen und habe ihm mitgeteilt, dass er auf einer Liste stehe, in den Wald gebracht und dort liquidiert werden solle. Daraufhin sei er ausgereist.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung, die auf Antrag des Klägers nach einem klagabweisenden Gerichtsbescheid vom 2. September 2003 am 16. Oktober 2003 stattfand, trug der Kläger darüber hinaus vor, seine Ehefrau stamme aus Martakert, ihr Vater sei Armenier, ihre Mutter Aserbaidschanerin. Sie sei jedoch bei ihrer Mutter groß geworden, zu ihrem Vater habe sie keinen Kontakt. Seine Ehefrau spreche armenisch, allerdings nicht so gut. Untereinander sprächen sie russisch, erst als ihre Kinder geboren worden seien, hätten sie damit angefangen, nur armenisch mit den Kindern zu sprechen. Ein Außenstehender merke jedoch sofort, dass armenisch nicht ihre Herkunftssprache sei. Nach Berg-Karabach (im Folgenden auch Nagrony Karabach oder Gebirgiges Karabach genannt) könne er nicht ziehen, da er dort wirtschaftlich nicht Fuß fassen könne. Auch habe er an dem Krieg um Berg-Karabach nicht teilgenommen, sodass er deshalb große Probleme bekommen werde. Er werde keine Arbeit finden und kein Haus oder irgendeine Unterstützung bekommen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 20. Dezember 2002 zu verpflichten festzustellen, dass er Asylberechtigter ist und in seiner Person die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfüllt sind;

hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 16. Oktober 2003 hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Bevollmächtigten des Klägers am 10. November 2003 zugestellt worden. Auf Antrag des Bevollmächtigten des Klägers vom 21. November 2003 hat der 3. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluss vom 5. August 2004 - 3 UZ 3303/03.A - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. Oktober 2003 zugelassen.

Der Kläger beantragt,

ihn unter Aufhebung des angefochtenen Urteils als Asylberechtigten anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG - jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG - vorliegen,

hilfsweise festzustellen,

dass die Voraussetzungen nach § 53 AuslG - jetzt § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG -erfüllt sind.

Die Beklagte und der Beteiligte stellen keinen Antrag.

Der Senat hat zur Frage der Erreichbarkeit der inländischen Fluchtalternative Berg-Karabach sowie zu den Ansiedlungsmöglichkeiten dort Beweis erhoben durch Einholung sachverständiger Auskünfte des Auswärtigen Amtes, der Frau Dr. A., des B.s (Hans Konrad) sowie der (Walter Kaufmann).

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Gerichtsakte befindlichen Schriftstücke, den Verwaltungsvorgang der Beklagten (1 Aktenheft) sowie auf die den Beteiligten mitgeteilten Erkenntnisse zur Situation in Armenien und Aserbaidschan Bezug genommen. Die Unterlagen sind insgesamt zum Gegenstand der Beratung gemacht worden.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 130 a VwGO durch Beschluss, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält. Die Beteiligten sind auf die von dem Senat erwogene Entscheidung hingewiesen und zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Die Berufung des Klägers, mit der er die Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. Oktober 2003 begehrt, ist aufgrund der Zulassung durch den Senat und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auch nach Durchführung der Beweisaufnahme des Senats zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch einen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (vormals § 51 Abs. 1 AuslG) noch auf Feststellung von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG (vormals § 53 Abs. 6 AuslG).

Hierbei kann dahinstehen, ob der von dem Kläger geltend gemachte Asylanspruch bereits daran scheitert, weil er ggfs. aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des § 26 a AsylVfG eingereist ist, da ihm materiell weder ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG noch ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, dessen Voraussetzungen in dem hier maßgeblichen Umfang mit denen des Art. 16 a GG übereinstimmen (vgl. BVerwG, Ue. v. 26.10.1993 - 9 C 52.92 u.a. - EZAR 203 Nr. 2 = NVwZ 1994, 500; u. v. 18.01.1995 - 9 C 48.92 - EZAR 230 Nr. 3 = NVwZ 1994, 497 zu der Vorläufervorschrift des § 60 Abs. 1 AufenthG, § 51 Abs. 1 AuslG), zusteht.

Asylrecht und damit Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG genießt, wer bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u. a. -, BVerfGE 54, 341). Eine Verfolgung ist in Anlehnung an den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschn. A Nr. 2 GK als politisch im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG anzusehen, wenn sie auf die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder die politische Überzeugung des Betroffenen zielt (BVerfG, 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u. a. -, BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20; BVerwG, 17.05.1983 - 9 C 874.82 -, BVerwGE 67, 195 = EZAR 201 Nr. 5, u. 26.06.1984 - 9 C 185.83 -, BVerwGE 69, 320 = EZAR 201 Nr. 8). Diese spezifische Zielrichtung ist anhand des inhaltlichen Charakters der Verfolgung nach deren erkennbarem Zweck und nicht nach den subjektiven Motiven des Verfolgenden zu ermitteln (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, BVerfGE 80, 315, 344 = EZAR 201 Nr. 20; zur Motivation vgl. BVerwG, 19.05.1987 - 9 C 184.86 -, BVerwGE 77, 258 = EZAR 200 Nr. 19). Werden nicht Leib, Leben oder physische Freiheit gefährdet, sondern andere Grundfreiheiten wie etwa die Religionsausübung oder die berufliche und wirtschaftliche Betätigung, so sind allerdings nur solche Beeinträchtigungen asylrelevant, die nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaats aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, a. a. O., u. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, a. a. O.; BVerwG, 18.02.1986 - 9 C 16.85 -, BVerwGE 74, 31 = EZAR 202 Nr. 7). Die Gefahr einer derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit erforderliche Zukunftsprognose auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abgestellt und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein muss (BVerwG, 03.12.1985 - 9 C 22.85 -, EZAR 202 Nr. 6 = NVwZ 1986, 760 m. w. N.). Eine Verfolgung droht bei der Ausreise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, wenn bei qualifizierender Betrachtungsweise die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993 - 9 C 45.92 -, DVBl. 1994, 524, 525). Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kann eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, a. a. O.; BVerwG, 25.09.1984 - 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169 = EZAR 200 Nr. 12 m. w. N.). Nach diesem Maßstab wird nicht verlangt, dass die Gefahr erneuter Übergriffe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist - über die theoretische Möglichkeit, Opfer eines Übergriffs zu werden, hinaus - erforderlich, dass objektive Anhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als durchaus reale Möglichkeit erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 08.09.1992 - 9 C 62/91 -, NVwZ 1993, 191). Hat der Asylsuchende sein Heimatland unverfolgt verlassen, hat er nur dann einen Asylanspruch, wenn ihm aufgrund eines asylrechtlich erheblichen Nachfluchttatbestandes politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51, 64 = EZAR 200 Nr. 18 = NVwZ 1987, 311 = InfAuslR 1987, 56, und 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, a. a. O.; BVerwG, 20.11.1990 - 9 C 74.90 -, BVerwGE 87, 152 = NVwZ 1991, 382 = InfAuslR 1991, 145 = EZAR 201 Nr. 22).

Der Asylbewerber ist aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht gehalten, von sich aus umfassend die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse substantiiert und in sich schlüssig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen, so dass sein Vortrag insgesamt geeignet ist, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, 08.05.1984 - 9 C 141.83 -, EZAR 630 Nr. 13 = NVwZ 1985, 36, 12.11.1985 - 9 C 27.85 -, EZAR 630 Nr. 23 = InfAuslR 1986, 79, u. 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25) und insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen festzustellen (vgl. BVerwG, 22.03.1983 - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 Nr. 44 zu § 28 AuslG, u. 18.10.1983 - 9 C 473.82 -, EZAR 630 Nr. 8 = ZfSH/SGB 1984, 281). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es dagegen, dass die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, 23.11.1982 - 9 C 74.81 -, BVerwGE 66, 237 = EZAR 630 Nr. 1).

Der Anspruch auf Asyl ist zwar ein Individualgrundrecht, und der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG ist ebenfalls personenbezogen, beide setzen deshalb eigene Verfolgungsbetroffenheit voraus. Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann sich aber auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines insoweit asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das der Schutzsuchende mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsmöglichkeit vergleichbaren Lage befindet und deshalb seine eigene bisherige Verschonung von ausgrenzenden Rechtsgutbeeinträchtigungen als eher zufällig anzusehen ist (BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216; BVerwG, Urteile vom 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, BVerwGE 79, 79 und vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200 ff.). Zu einer in diesem Sinne verfolgungsbetroffenen Gruppe gehören alle Personen, die der Verfolger für seine Verfolgungsmaßnahmen in den Blick nimmt; dies können entweder sämtliche Träger eines zur Verfolgung anlassgebenden Merkmals - etwa einer bestimmten Ethnie oder Religion - sein oder nur diejenigen von ihnen, die zusätzlich (mindestens) ein weiteres Kriterium erfüllen, beispielsweise in einem bestimmten Gebiet leben oder ein bestimmtes Lebensalter aufweisen; solchenfalls handelt es sich um eine entsprechend - örtlich, sachlich oder persönlich - begrenzte Gruppenverfolgung (BVerwG, Urteile vom 20.06.1995 - 9 C 294.94 -, NVwZ-RR 1996, 97, und vom 30.04.1996 - 9 C 171.95 -, BVerwGE 101, 134 sowie vom 09.09.1997 - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 204 = DVBl. 1998, 274). Die Annahme einer gruppengerichteten Verfolgung setzt eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, welche die Regelvermutung eigener Verfolgung jedes einzelnen Gruppenmitglieds rechtfertigt; hierfür ist die Gefahr einer so großen Zahl von Eingriffshandlungen in relevante Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine bloße Vielzahl solcher Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Gebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und in quantitativer und qualitativer Hinsicht so um sich greifen, dass dort für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, Urteile vom 15.05.1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139 und vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, a. a. O.).

Bisweilen erstreckt sich die politische Verfolgung nicht auf das ganze Land, sondern nur auf einen Landesteil, so dass der Betroffene in anderen Landesteilen eine inländische Fluchtalternative finden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der insoweit nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts Bindungswirkung im Sinne des § 31 BVerfGG zukommt (BVerwG, 15. Mai 1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139 ff., 145 f.), setzt die inländische Fluchtalternative voraus, dass der Asylbewerber in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls auch dort keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde (BVerfG, 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff., 343 f.). Zu diesen existentiellen Gefährdungen können vor allem die nicht mögliche Wahrung eines religiösen oder wirtschaftlichen Existenzminimums gehören (BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1990, a. a. O.; Urteil vom 31. März 1992 - 9 C 40.91 -, DVBl. 1992, 1541). Es kommt darauf an, ob der Betroffene an dem Ort der inländischen Fluchtalternative bei generalisierender Betrachtung auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich Tod führt (BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1989 - 9 C 30.87 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 104). Trotz der grundsätzlich gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise können aber auch individuelle Umstände Berücksichtigung finden. So kann eine inländische Fluchtalternative beispielsweise zu verneinen sein, wenn für den Vorverfolgten dort wegen in seiner Person liegender Merkmale wie etwa Behinderung oder hohes Alter das wirtschaftliche Existenzminimum nicht gewährleistet ist. Sie kann auch dann zu verneinen sein, wenn der Vorverfolgte am Ort der Fluchtalternative keine Verwandten oder Freunde hat, bei denen er Obdach oder Unterstützung finden könnte, und ohne eine solche Unterstützung dort kein Leben über dem Existenzminimum möglich ist (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1993 - 9 C 45.92 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166 Seite 403 <407> m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger aufgrund seiner Angaben vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, seiner Angaben im Klageverfahren sowie aufgrund der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen (Erkenntnisquellenliste Aserbaidschan sowie Armenien, versandt am 22. April 2005), zu denen auch die im Rahmen der Beweisaufnahme eingeholten Stellungnahmen des B.s vom 30. Oktober 2004, der Frau Dr. A. vom 11. November 2004, des Auswärtigen Amtes vom 6. April 2005 sowie der (Herr Walter Kaufmann) vom 15. Juli 2005 sowie die Auskunft des B.s vom 16. April 2005 an das OVG Mecklenburg-Vorpommern, auf die die Beteiligten mit Verfügung der Berichterstatterin vom 19. Juli 2005 hingewiesen worden sind, gehören, keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter sowie Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Beschluss vom 30. Mai 2003 - 3 UE 858/02.A - zu den Lebensbedingungen armenischer Volkszugehöriger in Aserbaidschan unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des OVG Rheinland-Pfalz vom 20. September 2001 - 6 A 11840/00 - und des OVG Schleswig-Holstein vom 12. Dezember 2002 - 1 L 239/01 - ebenso wie zum Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative in Berg-Karabach Stellung genommen. Auf diese Entscheidung, auf die der Kläger besonders hingewiesen worden ist, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Der Senat kommt auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass der Kläger heute bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan am Ort der inländischen Fluchtalternative - Berg-Karabach - hinreichend sicher vor erneuten asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen ist, er dort auch nicht anderen existentiellen Bedrohungen ausgesetzt ist, die so am Herkunftsort nicht bestünden, und die Enklave Berg-Karabach von Deutschland aus über Armenien erreichbar ist.

Zunächst ist die Enklave Berg-Karabach für den Kläger von Deutschland aus über Armenien erreichbar.

Grundsätzlich besitzt jeder das Recht, in die Republik Berg-Karabach einzureisen und dort zu leben. Dort leben bereits sowohl Aserbaidschaner als auch Personen binationaler Abstammung. Bei den letztgenannten handelt es sich allerdings um Menschen, die schon immer in Berg-Karabach lebten, vor dem Krieg, während des Krieges und danach (vgl. Frau Dr. A. an Hess. VGH vom 11. November 2004). Eine große Zahl der Bewohner von Berg-Karabach stammt aus Familien, die früher im Kerngebiet von Aserbaidschan lebten. Viele der Bewohner haben daher einen aserischen Hintergrund oder sind zumindest selbst nicht ausschließlich armenischer Abstammung (vgl. Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 6. April 2005), wenn auch die Mehrzahl der Angehörigen armenisch-aserischer Familien mittlerweile nicht mehr im Südkaukasus, sondern in der Russischen Föderation lebt (vgl. , Walter Kaufmann an Hess. VGH vom 15. Juli 2005). Nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes sind in Berg-Karabach armenisch-aserbaidschanische Mischehen/Familien bekannt, wobei dem Auswärtigen Amt keine Anhaltspunkte darüber vorliegen, dass armenisch-aserbaidschanische Familien nicht nach Berg-Karabach könnten, auch in dem Fall, wenn eine aserbaidschanische Abstammung eines Ehepartners oder Elternteils bekannt werden sollte (Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 6. April 2005). Hinsichtlich der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie kennen sowohl die Republik Aserbaidschan als auch die Republik Armenien und die völkerrechtlich nicht anerkannte Republik Nagorny-Karabach den juristischen Begriff der Volkszugehörigkeit. Dabei wird unterschieden nach der amtlichen Volkszugehörigkeit und der gewillkürten Volkszugehörigkeit. Die amtliche Volkszugehörgkeit wird mit Geburt erworben und in die standesamtlichen Register und die ausgestellten Geburtsurkunden eingetragen. Sie richtet sich bei amtlich registrierten Verheirateten oder im Falle des Vaterschaftsanerkenntnisses nach der Volkszugehörigkeit des Vaters, ansonsten nach der des Vaters der Mutter, wenn dieser unbekannt ist, nach der der Mutter. Die amtliche Volkszugehörigkeit konnte und kann auf Antrag geändert werden. Die gewillkürte Volkszugehörigkeit ist die Volkszugehörigkeit nach Selbstbestimmung, die etwa bei neueren Volkszählungen nach der Unabhängigkeit anzugeben war. Eine "gemischte" Volkszugehörigkeit gab und gibt es bisher in den genannten Republiken als juristischen Begriff nicht und die Vorstellung, eine Person könne sowohl Armenier als auch Aserbaidschaner oder "gemischter" oder "verschmolzener" Volkszugehöriger sein, überschreitet die Vorstellungskraft der meisten Berg-Karabacher. Für die Behörden ist eine Person daher entweder ein Armenier oder ein Aserbaidschaner (B. vom 30. Oktober 2004 an Hess. VGH), wobei der Kläger aufgrund der Tatsache, dass sein Vater armenischer Volkszugehöriger war, selbst armenischer Volkszugehöriger ist, und darüber hinaus sowohl sein Vor- als auch sein Nachname von nahezu jedem Armenier und Aserbaidschaner als armenisch angesehen werden (die russische männliche Nachnamensendung -ov ist bei Armeniern aus Aserbaidschan häufig und unerheblich; vgl. B. vom 30. Oktober 2004, a.a.O.).

Für die Frage der legalen Einreise nach Berg-Karabach und damit die Frage der Erreichbarkeit der inländischen Fluchtalternative ist zu unterscheiden, ob die betreffende Person über einen Pass verfügt oder über einen sonstigen anerkannten Status oder über keinerlei Ausweispapiere. Verfügt die Person über einen gültigen Nationalpass und sei es ein Reisepass der Republik Aserbaidschan, kann sie im Prinzip aus der Republik Armenien in die Republik Gebirgiges Karabach einreisen, müsste aber ein Einreisevisum in die Republik Gebirgiges Karabach bei deren ständiger Vertretung in Eriwan einholen. Die Volkszugehörigkeit, die auch in die Reisepässe der Republik Aserbaidschan nicht eingetragen wird, wird auch im berg-karabachischen Visumantrag nicht angegeben. Allerdings müssten bei einer Ansiedlung in Berg-Karabach gegenüber den dortigen Behörden die persönlichen Daten einschließlich der Namen und der amtlichen Volkszugehörigkeit der Eltern genannt werden (vgl. B. vom 30. Oktober 2004, a.a.O.), was jedoch in Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger selbst armenischer Volkszugehöriger ist und nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes in Berg-Karabach viele Familien mit aserischem Hintergrund oder zumindest nicht ausschließlich armenischer Abstammung leben (Auswärtiges Amt vom 06.04.2005 a.a.O.) ohne Hinzutreten weiterer Besonderheiten nicht problematisch sein dürfte. Zwar hat das B. in seiner Stellungnahme vom 30. Oktober 2004 darauf hingewiesen, der bei ihm angestellte Gutachter Hans Konrad habe gesprächsweise erfahren, dass ein Teil der örtlichen Bevölkerung die Aserbaidschanerinnen und ihre armenischen Nachfahren ausgrenze, ein anderer Teil aber nicht. Nachteilszufügungen durch Ortsansässige oder durch Behörden seien jedoch aus den Jahren seit 2000 nicht bekannt geworden. Leistungen von Behörden, auch etwa Krankenhausleistungen, dürften auch eingesessene Personen mit aserbaidschanischer Mutter vermutlich nicht erhalten oder nur nach weitaus höheren Zahlungen. Gleichzeitig weist das B. darauf hin, dass dort kein Fall bekannt geworden ist, dass ein ethnischer Aserbaidschaner nach Berg-Karabach eingewandert wäre und auch noch kein Armenier mit aserbaidschanischer Mutter. Die Annahmen zur Behandlung solcher Personen durch die örtliche Bevölkerung oder durch die Behörden sei daher spekulativ (vgl. B. vom 30. Oktober 2004, a.a.O.). Soweit das B. im Weiteren darauf hinweist, dass im Falle einer Einziehung eines Armeniers mit aserbaidschanischer Mutter zu den bewaffneten Kräften der Republik Gebirgiges Karabach oder aber im Falle einer Inhaftnahme einer solchen Person die höchste Gefahr der Folter oder der Tötung bestehe (vgl. B. vom 30. Oktober 2004, a.a.O.), ist dies bereits deshalb nicht relevant für das vorliegende Verfahren, da nicht ersichtlich ist, dass der im Jahr 1959 geborene Kläger zu den bewaffneten Kräften der Republik Gebirgiges Karabach eingezogen werden könnte.

Für Personen ohne amtliche Papiere ist die legale Einreise nach Berg-Karabach nur über die ständige Vertretung der Republik Berg-Karabach in Eriwan möglich (vgl. Frau Dr. A. vom 11. November 2004, a.a.O., sowie B. vom 30. Oktober 2004, a.a.O.), wobei der Gutachter Walter Kaufmann von der in der Auskunft vom 15. Juli 2005 an den Hess. VGH davon ausgeht, dass ein in Deutschland befindlicher Armenier, der über keine Dokumente verfügt, für die Einreise nach Armenien ein sogenanntes "Dokument zur Rückkehr" benötigt, das erst nach langwieriger - insbesondere bei Verbleib eines Armeniers in Aserbaidschan auch nach den Vertreibungen im Jahr 1991 - Prüfung der Lebensumstände bis zur Übersiedlung erteilt werden dürfte. In Anbetracht der Tatsache, dass seit Anfang der 90-er Jahre eine Einreise nach Berg-Karabach aus dem Ausland nur auf dem Landweg und nur über die Republik Armenien möglich ist (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 28. Dezember 2004) gehen auch die übrigen Gutachter davon aus, dass Personen ohne Reisepässe und damit ohne Visa für Berg-Karabach zunächst eine Einreiseerlaubnis für Armenien erhalten müssen. Personen armenischer Volkszugehörigkeit (in Armenien auch als "Nationalität" bezeichnet) ohne armenische Staatsangehörigkeit haben die Möglichkeit, an der Grenze nach Armenien einen Antrag auf Flüchtlingsstatus, Asyl und in bestimmten Fällen auch auf die Anerkennung der armenischen Staatsangehörigkeit (Art. 10 Abs. 3 Armenisches Staatsangehörigkeitsgesetz) zu stellen (vgl. Auswärtiges Amt vom 6. April 2005, a.a.O.). In Armenien halten sich nach offiziellen Angaben 235.926 (noch) nicht eingebürgerte Flüchtlinge auf. Diese Zahl wird jedoch nach inoffiziellen Aussagen des UNHCR und IOM aufgrund von massiver Abwanderung als viel zu hoch angesehen. Im Juni 2003 wurden bei einer offiziellen Zählung von Flüchtlingsfamilien, welche bei ihrer Unterbringung staatlicher Hilfe bedürfen, noch 3.470 solcher Familien gezählt. Nach inoffiziellen Angaben des UNHCR und IOM wurden vor drei Jahren bei einem Zensus lediglich 70.000 Flüchtlinge gezählt. Diese Zahl wurde von verschiedenen Seiten als zu niedrig angezweifelt, sollte aber verdeutlichen, dass die offiziellen Flüchtlingszahlen zu hoch sind. Die sich in Armenien aufhaltenden, nicht eingebürgerten Flüchtlinge sind weit überwiegend armenische Volkszugehörige, die ihre früheren Siedlungsgebiete in Aserbaidschan, Nagorny Karabach, Abchasien, Tschetschenien und anderen Staaten verlassen haben. Flüchtlinge armenischer Volkszugehörigkeit haben einen Rechtsanspruch auf den Erwerb der armenischen Staatsangehörigkeit. Voraussetzung ist der Verzicht auf den Flüchtlingsstatus, der mit einer Antragstellung einhergeht. Der Großteil der Flüchtlinge macht vom Erwerb der armenischen Staatsangehörigkeit keinen Gebrauch, da mit Staatsangehörigkeitserwerb die Hilfeleistungen des Staates eingestellt werden. Außerdem bestünde in diesem Falle Wehrpflicht. Mit Verordnung vom Oktober 1999 wurde in Armenien ein Reisedokument gemäß Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 eingeführt, erste Exemplare wurden im April 2000 an armenische Volkszugehörige aus Aserbaidschan ausgegeben. Das Dokument wird von den GUS-Mitgliedsstaaten und inzwischen auch von Deutschland akzeptiert. Nach Angaben von UNHCR haben mit Stand Juli 2004 von 1999 bis 2004 60.523 Flüchtlinge die armenische Staatsangehörigkeit angenommen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 28. Dezember 2004). Staatsangehörige der Republik Armenien und in Armenien anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte mit entsprechenden Papieren benötigen für die Einreise nach Berg-Karabach keine Visa. Für diesen Personenkreis ist eine Wohnsitznahme/Ansiedlung in Karabach problemlos möglich - sogar öffentlich erwünscht und teilweise durch Sachleistungen und/oder finanzielle Anreize gefördert (vgl. Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.04.2005). Der Kläger hätte mithin die Möglichkeit, einen Antrag auf "Flüchtlingsstatus" zu stellen und damit seine Reisefreiheit nach Berg-Karabach zu gewährleisten. Einwandern wollende Ausländer ohne einen Nationalpass, durchweg armenische Volkszugehörige, sprechen jedoch immer zunächst in der ständigen Vertretung der Republik Gebirgiges Karabach in Eriwan vor, regelmäßig in Begleitung von Bürgen. Die ständige Vertretung in Eriwan nimmt den "Rückwanderungsantrag" entgegen und leitet ihn an das Außenministerium der Republik Gebirgiges Karabach in Stepanakert weiter. Nach Überprüfung der Person sowie der Beweggründe für eine Einwanderung - die Bearbeitungszeit des Antrags kann über ein Jahr beanspruchen - erhält die betroffene Person ggfs. eine Einreiseerlaubnis, bzw. die Erlaubnis zur dauerhaften Niederlassung, wobei im Falle einer selbstständig finanzierten dauerhaften Niederlassung ohne Weiteres eine Aufenthaltserlaubnis für 10 Jahre erteilt wird (vgl. B. vom 30. Oktober 2004, a.a.O.).

Aufgrund dieser Ausführungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die inländische Fluchtalternative Berg-Karabach für den Kläger erreichbar ist. Er kann entweder durch Beantragung des "Flüchtlingsstatus" in Armenien ggfs. mit Erhalt eines Flüchtlingsausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention oder durch Beantragung einer Einreiseerlaubnis nach Berg-Karabach in der ständigen Vertretung in Eriwan seine Einreise erreichen, auch wenn die Bearbeitungszeit der Anträge ggfs. einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Dies ist jedoch zumutbar, da der Kläger als armenischer Volkszugehöriger in Armenien sich dort wird vorübergehend aufhalten können und einer Arbeit nachgehen kann, die es ihm ermöglichen wird, die Zwischenzeit bis zur Einreise nach Berg-Karabach zu überbrücken. Zwar muss hierbei auch berücksichtigt werden, dass Flüchtlinge, die aus Aserbaidschan oder Abchasien kommend auf staatliche Hilfe angewiesen sind, von einem Staat Hilfe erbitten, der kaum über eigene Ressourcen verfügt. Im Rahmen der Flüchtlingsprogramme des UNHCR werden jedoch alle Flüchtlingsgruppen auch heute noch betreut, um bei der Schaffung einer Lebensgrundlage unterstützend zur Seite zu stehen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 28. Dezember 2004). In diesem Zusammenhang weisen sowohl Frau Dr. A. als auch das B. darauf hin, dass eine Einwanderung in die Sozialsysteme von Berg-Karabach nicht stattfinde, da die Republik Gebirgiges Karabach nicht willens und nicht in der Lage sei, hilfsbedürftigen Zuwanderern außerhalb eines der erwähnten Zuwanderungsprogramme auch nur Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Selbst ein Großteil der bereits von 1988 bis 1992 aus anderen Teilen Aserbaidschans zugewanderten "Altflüchtlinge" armenischer Volkszugehörigkeit sei noch immer in Notunterkünften untergebracht (vgl. B. vom 30.10.2004, a.a.O.), und die Wirtschaft in Berg-Karabach liege danieder (vgl. Dr. A. vom 11.11.2004). Soweit der Bevollmächtigte des Klägers vorträgt, der Kläger werde keine Einreiseerlaubnis bekommen, da er keinen Nationalpass von Berg-Karabach besitze, handelt es sich offensichtlich um ein Missverständnis, da die Einreiseerlaubnis nach den dem Senat vorliegenden Auskünften nicht abhängig vom Besitz eines Nationalpasses der Republik Gebirgiges Karabach ist. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers damit zum Ausdruck bringen will, dass der Kläger bei Ansiedlung in Berg-Karabach keine staatliche Unterstützung erhalten wird, wovon auch der Senat ausgeht, handelt es sich hierbei nicht um die Frage der Erreichbarkeit der inländischen Fluchtalternative, sondern um die weiter unten zu beantwortende Frage der Existenzmöglichkeit am Ort der inländischen Fluchtalternative. Nach den eingeholten Auskünften geht der Senat davon aus, dass bei entsprechender Mitarbeit des Klägers dieser zunächst nach Armenien wird einreisen können, sich dort zur ständigen Vertretung von Berg-Karabach in Eriwan begeben kann, um dort seine Einreiseerlaubnis nach Berg-Karabach zu beantragen oder seinen Flüchtlingsstatus durch Armenien anerkennen zu lassen mit der Folge der Reisefreiheit auch für Berg-Karabach.

Der Kläger wird am Ort der inländischen Fluchtalternative auch nicht anderen existentiellen Bedrohungen ausgesetzt sein, die so am Herkunftsort nicht bestünden. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass die Lebensbedingungen in Berg-Karabach schwierig sind und der Kläger mit staatlicher Unterstützung nicht wird rechnen können. Der Kläger, der die russische und die armenische Sprache beherrscht, wird sich in Berg-Karabach ansiedeln können, da die Beherrschung dieser beiden Sprachen ausreichend für eine Ansiedlung dort ist. In Anbetracht der Tatsache, dass die Ehefrau des Klägers aus Martakert, dem Norden von Berg-Karabach, stammt, wird es ihm bei gemeinsamer Rückkehr mit seiner Ehefrau dort noch eher möglich sein, Fuß zu fassen, als für einen Armenier gänzlich ohne Bezug nach Berg-Karabach. Wird eine Ansiedlung dort nicht möglich sein, wird der Kläger unter Aufwendung eigener Mittel in der Landwirtschaft tätig sein müssen, wobei nicht unterstellt werden kann, dass in der Landwirtschaft Arbeitsplätze für Außenstehende zur Verfügung stehen. Der Senat verkennt nicht, dass dies für den Kläger besondere Schwierigkeiten aufwirft, da er zuvor nach seinen Angaben nicht in der Landwirtschaft tätig war. Hierauf kommt es jedoch, worauf der Senat in seinem Beschluss vom 30. Mai 2003 - 3 UE 858/02.A - bereits hingewiesen hat, nicht entscheidungserheblich an, da selbst wenn für den Kläger das wirtschaftliche Existenzminimum in Berg-Karabach nicht gewährleistet wäre, dies nicht die Feststellung der Voraussetzungen des Art. 16 a GG, § 60 Abs. 1 AufenthG rechtfertigt, denn das fehlende wirtschaftliche Existenzminimum wäre nicht verfolgungsbedingt. Auf die entsprechenden Ausführungen in dem Beschluss des Senats vom 30. Mai 2003 (- 3 UE 858/02.A -, S. 17 ff. des Beschlussumdruckes) wird verwiesen. In diesem Zusammenhang ist für den Senat mit entscheidend, dass sich die wirtschaftliche Situation in Aserbaidschan nicht verbessert hat, während dies in Armenien insgesamt der Fall ist. In Aserbaidschan leben 49 % der Bevölkerung in Armut, viele unter dem Existenzminimum (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 28.01.2005). Die medizinische Versorgung in Aserbaidschan ist zusammengebrochen, besonders betroffen sind Rentner, Flüchtlinge aus den besetzten Gebieten und Kranke. Zwar hat die wirtschaftliche Lage in Armenien ebenfalls zur Folge, dass viele Armenier das Land verlassen wollen. Gleichwohl hat sich die Versorgungslage in der Republik Armenien dahingehend entwickelt, dass ein breites Warenangebot in- und ausländischer Produzenten vorhanden ist. Wegen der Blockade durch die Türkei und Aserbaidschan gelangen Lebensmittelimporte aus Griechenland, Iran, Georgien und der Türkei über die georgische und iranische Grenze nach Armenien. Auch die umfangreichen Hilfsmaßnahmen der Gebergemeinschaft tragen dazu bei, dass sich die Lebenssituation für sozial Bedürftige in den letzten Jahren erheblich verbessert hat. Rund 100.000 Personen werden jedoch noch vom World-Food-Programm der Vereinten Nationen versorgt. Die Energieversorgung ist grundsätzlich gesichert, Leitungswasser steht dagegen, insbesondere in den Sommermonaten, zwar täglich, aber meistens nur stundenweise zur Verfügung. Die medizinische Versorgung ist in Armenien flächendeckend grundsätzlich gewährleistet. Ein Gesetz über die kostenlose medizinische Behandlung im Gesundheitswesen besteht seit 1997, da das kostenlose Gesundheitssystem, das zu Sowjetzeiten existiert hatte, mit deren Zerfall weggefallen war (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 28. Dezember 2004). Zwar ist die Republik Armenien völkerrechtlich nicht für Berg-Karabach zuständig. Das Gebiet gehört aus Sicht aller Staaten zu Aserbaidschan. Faktisch hat die aserbaidschanische Regierung jedoch keine tatsächliche Kontrolle und keinen Zugang zu dem Gebiet. Seit Jahren wird von armenischer Seite versucht, mit staatlichen Unterstützungen in der Zuweisung von Wohnraum, Grundstücken, Steuerbefreiungen etc. und humanitären Hilfsgütern Personen in Berg-Karabach anzusiedeln. Für diesen Personenkreis werden auch einmalige finanzielle Mittel für Familien zur Verfügung gestellt, die Höhe hängt von der Personenzahl ab. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Geberländer oder humanitäre Hilfsorganisationen von der Hilfslieferung bestimmte Personengruppen ausschließen und bei Hilfsbedürftigen Unterschiede wegen des Geschlechts oder anderer Merkmale gemacht werden. Das gesetzlich festgeschriebene Existenzminimum beträgt in Armenien wie auch in Berg-Karabach 24.000 Dram im Monat (derzeit ca. 38,70 €). Das Gesetz zur kostenlosen medizinischen Versorgung der Republik Armenien gilt in Berg-Karabach nicht, aber dort gilt ein vergleichbares und im Grundsatz fast identisches Gesetz. Staatliche Unterstützungen im Sozialbereich sind auch vorhanden, jedoch aufgrund knapperer Mittel nicht für eine so große Gruppe wie in Armenien. Es werden zunächst die wirklich mittellosen Familien versorgt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, 28. Dezember 2004). Sind, wie in dem Beschluss vom 30. Mai 2003 - 3 UE 858/02.A - unter Bezugnahme auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Mai 2002 an das VG Schleswig ausgeführt (S. 17 unten des Beschlussabdrucks), die Lebensbedingungen in Berg-Karabach eher mit denen in Armenien als mit denen in Aserbaidschan zu vergleichen, sind die existentiellen Gefährdungen, die der Kläger ggfs. bei einer Rückkehr nach Berg-Karabach zu befürchten hätte, nicht verfolgungsbedingt, da er sich am Ort der inländischen Fluchtalternative unter wirtschaftlichen und existentiellen Gesichtspunkten nicht schlechter stehen würde als in seiner Herkunftsregion, hier in Baku.

Soweit der Bevollmächtigte des Klägers meint, dass Gebot der richtlinienkonformen Anwendung stehe der Annahme einer inländischen Fluchtalternative entgegen, kann dem nicht gefolgt werden.

Der Bevollmächtigte des Klägers meint insoweit, Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie - (Amtsblatt Nr. L 304 vom 30/09/2004, S. 12 ff.) stehe der Annahme einer inländischen Fluchtalternative, dort interner Schutz, entgegen. Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie können die Mitgliedsstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Gemäß Art. 8 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie berücksichtigen die Mitgliedsstaaten bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag. Gemäß Art. 8 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie kann Abs. 1 auch dann angewandt werden, wenn praktische Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland bestehen.

Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie ermächtigt die Mitgliedsstaaten zunächst grundsätzlich, den internationalen Schutz einzuschränken, wenn die betreffende Person in einem Teil des Herkunftslandes internen Schutz genießt. Der Bevollmächtigte des Klägers stellt insoweit die Frage, ob von dem Kläger vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in dem Landesteil - Berg-Karabach - aufhält oder ob dieser nur unter unzumutbaren Bedingungen erreichbar ist. Der Kläger wird, um den Ort des internen Schutzes aufsuchen zu können, notwendigerweise über Armenien reisen müssen. Aufgrund der Tatsache, dass er selbst armenischer Volkszugehöriger ist - die Volkszugehörigkeit leitet sich, wie bereits oben ausgeführt, von dem Vater des Klägers ab - wird er in Armenien aufgenommen werden, und, soweit er den Flüchtlingsstatus beantragt, sogar in Hilfsprogramme aufgenommen werden. Eventuelle Wartezeiten um zum Ort des internen Schutzes gelangen zu können, wird er daher in Armenien überbrücken können, wo ihn aufgrund seiner armenischen Volkszugehörigkeit auch keine sonstigen Benachteiligungen erwarten. Dass die Lebensbedingungen in Berg-Karabach schwierig sind, könnte der Annahme entgegenstehen, dass von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass, wie sich aus den eingeholten Auskünften ergibt, für Außenstehende, d.h. nicht aus Berg-Karabach stammende Personen, keine Arbeitsplätze zur Verfügung stehen und die Ansiedlung dort eigene Mittel voraussetzt, um etwa eine kleine Landwirtschaft oder ähnliches zu erwerben und davon zu existieren. Wie sich aus dem gesamten Regelungsgefüge der Qualifikationsrichtlinie ergibt, muss es sich jedoch bei den Gefahren, die zur Anerkennung internationalen Schutzes führen, um verfolgungsbedingte Gefahren handeln. Soweit wirtschaftliche Nachteile, die am Ort der Verfolgung ebenso oder noch stärker bestehen als am Ort des internen Schutzes, nicht verfolgungsbedingt sind, sind sie bei der Frage, ob von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, sich am Ort des internen Schutzes aufzuhalten, nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen verfügt der Kläger, wie bereits oben ausgeführt, über Bezugspunkte in Nagorny-Karabach, da seine Ehefrau aus Matakert stammt und er daher dort einen familiären Anknüpfungspunkt hat.

Dem Kläger steht schließlich auch nicht der in erster Instanz hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG (§ 53 AuslG) zu, über den infolge der Abweisung des Hauptantrags in der Berufungsinstanz zu entscheiden ist. Es ist nicht erkennbar, dass für den Kläger in Aserbaidschan, dort in der Enklave Berg-Karabach, die Gefahr der Folter bzw. die Gefahr der Todesstrafe besteht (§ 60 Abs. 2 und 3 AufenthG). Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK im Hinblick auf die Enklave Berg-Karabach gegeben. Diese Bestimmung setzt das Vorliegen einer individuellen konkreten Gefahr voraus, unmenschlich oder erniedrigend behandelt zu werden. Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG sind nicht gegeben. Nach § 60 Abs. 7 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für eine solche konkret individuelle Gefährdung des Klägers gibt es keine Anhaltspunkte. Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt sind - also hier die Rückkehrgefährdung armenischer Volkszugehöriger in die Enklave Berg-Karabach ohne persönlichen Bezug hierzu - werden bei der Entscheidung nach § 60 a AufenthG berücksichtigt (§ 60 Abs. 7 AufenthG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG, die auf die Rechtslage des Aufenthaltsgesetzes zu übertragen ist und der der Senat folgt, ist dies bei allgemeinen Gefahrenlagen auch ohne Vorliegen einer Entscheidung nach § 60 a AufenthG der Fall, sofern eine solche allgemeine Gefahrenlage eine extreme Zuspitzung erfahren hat, sodass ein abzuschiebender Ausländer "gleichsam sehenden Auges" dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt wäre. Denn für diesen Fall gebieten die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 GG in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG die Gewährung von Abschiebungsschutz (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324). Eine derart extrem zugespitzte Gefahrenlage ist von dem Kläger weder vorgetragen, noch aufgrund der von dem Senat eingeholten Erkenntnismittel für diesen ersichtlich.

Hierbei ist die Benennung von Aserbaidschan als Zielstaat der Abschiebung ohne Einschränkung auf einen sicheren Gebietsteil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes auch dann nicht zu beanstanden, wenn der Kläger außerhalb der Enklave Berg-Karabach materiell politische Verfolgung zu befürchten hätte und nur in der Enklave Berg-Karabach hinreichend sicher sein sollte. § 59 Abs. 2 AufenthG gebietet weder in den Fällen regionaler (oder örtlich begrenzter) politischer Verfolgung noch bei nicht landesweit bestehenden Abschiebungshindernissen im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG die Abschiebungsandrohung auf das sichere Teilgebiet des Abschiebezielstaats zu beschränken (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.11.1999 - 9 C 4/99 -, juris, Online Datenbanken, Asylis zu der Vorgängervorschrift des § 50 Abs. 2 AuslG). Nach § 59 Abs. 2 AufenthG soll in der Abschiebungsandrohung der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er ausreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Hat der Ausländer in seinem Heimatstaat politische Verfolgung zu befürchten oder bestehen dort Abschiebungshindernisse, scheidet dieser als Zielstaat einer Abschiebung nur dann aus, wenn ihm die Gefahren landesweit drohen oder er das sichere Gebiet im Heimatstaat nicht erreichen kann (vgl. BVerwG, a. a. O. unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502 u. a./86 - BVerfGE 80, 315 <342 ff.>; BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 <330>; Urteil vom 08.12.1998 - 9 C 17.98 -). Ist dies nicht der Fall, kann dem Ausländer grundsätzlich trotz regionaler Verfolgung oder in Gebietsteilen drohender Gefahren die Abschiebung in diesen Staat angedroht werden. Hiervon geht auch § 59 Abs. 2 AufenthG aus, ohne eine Differenzierung zwischen sicheren und gefährlichen Landesteilen vorzusehen. Gleichwohl wäre es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, unzulässig, den Ausländer in eine Region des Zielstaates abzuschieben, in dem ihm politische Verfolgung oder Gefahren drohen, die ein Abschiebungshindernis begründen. Es ist Sache der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde sicherzustellen, dass der Ausländer nicht in die Arme von Verfolgern oder in gefährliche Gebiete abgeschoben wird. Um dies zu vermeiden, hat die Ausländerbehörde vor der Abschiebung eines erfolglosen Asylbewerbers die Ergebnisse des abgeschlossenen Asylanerkennungsverfahrens sorgfältig daraufhin zur Kenntnis zu nehmen, ob dem ausreisepflichtigen Ausländer regionale Verfolgung oder sonst erhebliche Gefahren in Teilen des Abschiebezielstaates drohen und er deshalb möglicherweise nur in bestimmten Gebieten sicher ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.11.1999, a. a. O.). Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, in der Abschiebungsandrohung die Abschiebung dahingehend zu beschränken, dass ausschließlich eine Abschiebung in die Enklave Berg-Karabach als zulässig angesehen wird.

Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO i.V.m. § 167 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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