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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 18.12.2006
Aktenzeichen: 4 N 1571/06
Rechtsgebiete: HeNatG (2002)


Vorschriften:

HeNatG (2002) § 26
Die Unterschutzstellung von Grünbeständen nach § 26 HeNatG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 18.06.2002 (GVBl. I, S. 364) kann in der Form des Gebietsschutzes oder der des Schutzes bestimmter Grünbestände erfolgen. Beide Formen des Schutzes sind von unterschiedlichen formellen und materiellen Voraussetzungen abhängig.

Eine Unterschutzstellung des gesamten baurechtlichen Innenbereichs einer Gemeinde ist als Gebietsschutz nicht zulässig. Besondere einzelne Bestände dürfen bei entsprechenden Schutzerfordernis und -bedürfnis auch im gesamten baurechtlichen Innenbereich einer Gemeinde unter Schutz gestellt werden.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 4 N 1571/06

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Überprüfung der Gültigkeit der Satzung zum Schutz der Grünbestände im baurechtlichen Innenbereich der Stadt Frankfurt am Main vom 29. Januar 2004 (Amtsblatt 2004, 382)

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 4. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Schröder, Richter am Hess. VGH Dr. Dittmann, Richter am Hess. VGH Heuser, Richter am Hess. VGH Schönstädt

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, sofern nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die Satzung der Antragsgegnerin vom 29.01.2004 zum Schutz der Grünbestände im baurechtlichen Innenbereich der Antragsgegnerin, bekannt gemacht am 24.02.2004 (Amtsblatt 2004, 382).

Die Satzung enthält eine Präambel, in der es heißt:

"Die Qualität der Stadt wird auch durch ihren Grünanteil definiert. Bäume sind die für jeden sichtbaren Strukturen, die zum Wohlbefinden der Bürgerinnen und Bürger Frankfurts beitragen. Die stadtbildprägende ästhetische Qualität, die Verbesserung des Stadtklimas wie auch das Lebensraumangebot für wildlebende Tiere sind positive Auswirkungen des Stadtgrüns.

Die Satzung beschränkt sich auf Bäume, da diese neben ihrer ökologischen Bedeutung den entscheidenden stadtbildprägenden Anteil besitzen. Bäume sind für Vögel in der bebauten Stadt wichtige Rückzugsräume, Nahrungsquellen und Brut- und Schlafplätze.

Die Satzung macht die Verantwortung jeder einzelnen Bürgerin und jeden einzelnen Bürgers für Grundstrukturen auch auf privaten Flächen deutlich und soll den Gehölzbestand Frankfurts nachhaltig sichern."

§ 1 der Satzung enthält zum Geltungsbereich und Schutzgegenstand folgende Regelung:

"1. Im baurechtlichen Innenbereich der Stadt Frankfurt am Main wird der Grünbestand, insbesondere zur Wahrung des charakteristischen, stadtbildprägenden Gehölzbestandes im bebauten Gebiet sowie zur Sicherung, Erhaltung und Fortentwicklung des Naturhaushaltes, der Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen und des Erholungswertes nach Maßgabe dieser Satzung geschützt.

2. Dem Schutz dieser Satzung unterstehen folgende Grünbestände:

Laubbäume und Gingkobäume mit einem Stammumfang von mehr als 60 cm und Nadelbäume mit einem Stammumfang vom mehr als 90 cm. Maßgebend ist der Umfang in einem Meter Höhe gemessen. Liegt der Kronenansatz niedriger als ein Meter, so ist der Stammumfang unmittelbar unter dem Kronenansatz ausschlaggebend. Bei mehrstämmigen Bäumen entscheidet die Summe der Einzelstammumfänge.

3. Diese Satzung findet keine Anwendung auf

a. Obstbäume, mit Ausnahme von Wallnussbäumen,

b. Bäume im Wald,

c. Bäume in öffentlichen Grünanlagen, auf Friedhöfen und in öffentlich gewidmeten Straßen,

d. Bäume in Gärtnereien und Baumschulen, die dem Erwerbszweck dienen,

e. Bäume im Bereich von Dauerkleingärten, soweit sie nicht durch einen Bebauungsplan festgesetzt sind,

f. Schutzgegenstände nach § 11 HeNatG."

Nach § 2 der Satzung ist es u.a. verboten, geschützte Bäume ohne Genehmigung zu beseitigen. § 4 der Satzung regelt die Genehmigungsvoraussetzungen für die Beseitigung eines geschützten Baumes. Nach § 6 der Satzung begeht u. a. eine Ordnungswidrigkeit, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen den Verboten nach § 2 Abs. 1 der Satzung geschützte Bäume ohne Genehmigung nach § 3 beseitigt.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Liegenschaft in der Gemarkung B-Y, Flur 12, Flurstück 1923/126, Q. Weg 13. Auf ihrem Grundstück ließ sie, ohne im Besitz einer Genehmigung nach der vorgenannten Satzung zu sein, im Dezember 2004 eine Buche mit einem Stammumfang von ca. 1,60 m fällen. Wegen der Fällung des Baumes erließ die Antragsgegnerin wegen Verstoßes gegen die Satzung am 16.02.2005 einen Bußgeldbescheid. Gegen die Antragstellerin wurde eine Geldbuße in Höhe von 750,-- € verhängt. Gegen den Bußgeldbescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein. Das Bußgeldverfahren ist bei dem Amtsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 941 OWi - 858 Js 6118/06 - 2004 noch anhängig. Unter dem 07.08.2006 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin nachträglich eine Fällgenehmigung, hob unter dem 03.11.2006 den gegen die Antragstellerin ergangenen Bußgeldbescheid auf und stellte das bei ihr anhängige Verfahren ein.

Bereits zuvor, nämlich am 05.07.2006, hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gestellt.

Zur Begründung ihres Antrages macht die Antragstellerin geltend: Ihre Antragsbefugnis und ihr Rechtsschutzinteresse bestünden trotz der nachträglich erteilten Fällgenehmigung, der Aufhebung des Bußgeldbescheides und der Einstellung des Bußgeldverfahrens durch die Antragsgegnerin weiter fort. Abgesehen davon, dass sie - die Antragstellerin - eine Fällgenehmigung niemals beantragt habe, sei das Bußgeldverfahren nach wie vor bei dem Amtsgericht Frankfurt am Main anhängig. Für die Aufhebung des Bußgeldbescheides und die Einstellung des Bußgeldverfahrens sei die Antragsgegnerin nicht mehr zuständig gewesen, da das Verfahren bereits bei Gericht anhängig sei und nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft durch das Gericht eingestellt werden könne. Auch unabhängig vom Schicksal des Bußgeldbescheides sei ihr Normenkontrollantrag zulässig, weil die Satzung sie - die Antragstellerin - daran hindere, auf ihrem Grundstück Laub- und Gingkobäume mit einem Stammumfang von mehr als 60 cm und Nadelbäume mit einem Stammumfang von mehr als 90 cm ohne Genehmigung zu fällen. Die Satzung hindere sie daran, als Eigentümerin über ihr Grundstück insoweit frei zu verfügen. Der Normenkontrollantrag sei auch nicht verfristet, da Privatpersonen die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erst ab dem Zeitpunkt zu beachten hätten, zu dem sie von der entsprechenden Satzung tatsächlich betroffen seien. Die Satzung sei aus den Gründen des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14.09.2004 - 8 E 2137/01 (3) - unwirksam. § 1 der Satzung stehe im Widerspruch zu § 26 HeNatG. § 26 HeNatG gestatte es nicht, den gesamten Bestand bestimmter Baumbestände im gesamten Stadtgebiet unter Schutz zu stellen. Dass eine flächendeckende Unterschutzstellung des baurechtlichen Innenbereichs einer Gemeinde nach § 26 HeNatG nicht zulässig sei, ergebe sich eindeutig aus der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift und einem Vergleich mit der früheren Rechtslage. Nach der alten Fassung des § 26 HeNatG hätten die Gemeinden Bäume von einem Stammumfang ab 60 cm nach ihrem freien Ermessen für das gesamte Gemeindegebiet unter Schutz stellen dürfen, und zwar unabhängig von irgendwelchen städtebaulichen oder landschaftspflegerischen Gegebenheiten. Der dadurch bedingten willkürlichen Verwaltungspraxis habe der Gesetzgeber mit der Neufassung der Bestimmung einen Riegel dadurch vorgeschoben, dass er den Baumschutz auf die Fälle beschränkt habe, in denen dies aus städtebaulichen oder landschaftspflegerischen Gründen geboten sei. Die Unterschutzstellung von Grünbeständen setze daher zunächst eine Prüfung voraus, welche Bestände bzw. Gebiete schutzbedürftig seien. Eine solche Überprüfung habe nicht stattgefunden. Soweit sich die Antragsgegnerin darauf berufe, dass die Grünbestände auf ihre Schutzwürdigkeit hin aufgrund einer Biotopkartierung des Senckenberg-Instituts untersucht worden seien, habe diese Untersuchung nicht der Ausweisung von Grünbeständen, sondern der Feststellung der Qualität der Lebensräume von Tieren und Pflanzen im Gebiet der Stadt Frankfurt am Main gedient. Der Verweis der Stadt darauf, dass in einer Großstadt wie Frankfurt am Main grundsätzlich alle Bäume ab einer bestimmten Größe ökologische Vorteile böten, reiche für eine Unterschutzstellung nach § 26 HeNatG nicht aus. Der gesamte Bestand der in der Satzung aufgeführten Baumarten sei weder für die Charakteristik des Stadtbildes prägend noch vom Aussterben bedroht. Die Satzung sei auch deshalb unwirksam, weil nicht die nach § 3 BauGB in entsprechender Anwendung erforderliche Anhörung der betroffenen Bürger vor Erlass der Satzung durchgeführt worden sei. Soweit sich die Antragsgegnerin auf § 29 BNatSchG berufe, berücksichtige sie nicht, dass § 26 HeNatG für den Schutz von Grünbeständen bewusst engere Grenzen als das Bundesnaturschutzgesetz ziehe und zudem auch das Bundesnaturschutzgesetz eine genau definierte Gebietsausweisung voraussetze, an der es vorliegend fehle. Die Berufung der Stadt auf die Regelungen des Baumschutzes in anderen Großstädten gehe fehl, weil diese auf anderen Rechtsgrundlagen beruhten.

Die Antragstellerin beantragt,

die am 29. Januar 2004 beschlossene Satzung der Antragsgegnerin zum Schutz der Grünbestände im baurechtlichen Innenbereich der Stadt Frankfurt am Main - Amtsblatt 2004, 382 - für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Normenkontrolle abzulehnen.

Der Antrag sei bereits unzulässig, da es der Antragstellerin nach Erteilung der Fällgenehmigung an der erforderlichen Beschwer fehle und der Antrag zudem verfristet sei. Der Antrag sei jedoch auch in der Sache unbegründet. Die angegriffene Satzung genüge den Anforderungen des § 26 HeNatG. Die Satzung stelle - in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Hessischen Naturschutzgesetzes - bestimmte Grünbestände im Innenbereich unter Schutz. Diese Grünbestände seien auf ihre Schutzwürdigkeit hin untersucht worden. Grundlage sei hierbei die Biotopkartierung des Senckenberg-Institutes gewesen, in der die verschiedenen Versiegelungsgrade/Begrünungsanteile in vier Kategorien differenziert erhoben worden seien. Trotz differenzierter Erhebung sei die Unterscheidung verschiedener Bereiche nicht in die Baumschutzsatzung übernommen worden, da dies dem Schutzzweck der Satzung nicht gerecht geworden wäre. In einer Großstadt wie Frankfurt am Main sei jeder einzelne Baum ab einer gewissen Größe bedeutsam. Dem trage die Baumschutzsatzung Rechnung. Aber auch in Bereichen mit hohem Grünanteil seien die unter Schutz gestellten Bäume schützenswert, weil die Wohnqualität und der Biotopwert vor allem deshalb so hoch seien, weil es dort gerade so viele Bäume gebe. Mit der Unterschutzstellung habe die Antragsgegnerin an die gesetzlichen Wertungen der §§ 29 BNatSchG, 26 HeNatG angeknüpft, wonach ein genereller Baumschutz zulässig sei. Diese Wertungen trügen der allgemeinen Erkenntnis Rechnung, dass jedenfalls in einer Stadtlandschaft Bäume ab einer bestimmten Größe aufgrund ihre Wohlfahrtswirkungen generell schützenswert seien. Auch die Begründung zum Neuentwurf des HeNatG vom 10.11.2005 gehe davon aus, dass aufwendige Bestandserfassungen nicht erforderlich seien. Die angegriffene Satzung genüge auch dem Bestimmtheitserfordernis. Das Verwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung, auf die die Antragstellerin sich berufe, verkannt, dass die angegriffene Satzung ausschließlich auf den Bestandsschutz ziele und keinen Gebietsschutz beabsichtige. Deshalb sei auch keine Bürgerbeteiligung nach § 3 BauGB in entsprechender Anwendung erforderlich gewesen. Die Satzung habe sich bei der Bestimmung des Schutzgegenstandes bewusst auf Bäume beschränkt, da diese neben ihrer ökologischen Bedeutung den entscheidenden stadtbildprägenden Anteil besäßen. Eine flächendeckende Unterschutzstellung des baurechtlichen Innenbereichs der Stadt sei nie erfolgt und sei nie Ziel der Satzung gewesen. Es sei kein flächendeckender Schutz von Grünbeständen erfolgt. Nicht einmal alle Bäume seien geschützt worden, sondern nur solche mit einem bestimmten Umfang. Es sei nicht sachgerecht gewesen, nur Laubbäume zu schützen, denn Gingko, Eibe, Lärche und manche Kiefernart verdienten wegen ihrer Bereicherung der Stadtlandschaft ab einem bestimmten Stammumfang ebenfalls Schutz. Dass die Unterschutzstellung von einem unterschiedlichen Baumumfang abhängig sei, trage der Tatsache Rechnung, dass Nadelbäume schneller wüchsen und in der Regel keine so hohe Lebenserwartung hätten wie Laubbäume. Bäume begünstigten die Frischluftzufuhr und reduzierten die Luftverschmutzung durch Staubbindung. Sie verhinderten eine Überwärmung von aufgeheizten Flächen durch Verdunstung und Überschattung. Bei entsprechender Auswahl und Breite in der Bepflanzung sorgten sie für eine erhebliche Lärmreduzierung. Von den übrigen Grünbeständen unterschieden sich die Bäume dadurch, dass sie aufgrund ihrer Größe eine ökologische Bedeutung hätten, die von keinem anderen Grünbestand ersetzt werden könne. Bäume seien des Weiteren Rückzugsräume, Nahrungsquellen, Brut- und Schlafplätze für die Vögel. Soweit das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung die Frage aufgeworfen habe, weshalb für Obstbäume und insbesondere für sämtliche Bäume in öffentlichen Grünanlagen die Baumschutzsatzung nicht Anwendung finden solle, wenn doch der gesamte Gehölzbestand charakteristisch für das Stadtgebiet sei, so habe es nicht berücksichtigt, dass Bäume in Dauerkleingärten durch Bebauungspläne abgesichert werden könnten und die Beseitigung von Bäumen auf Friedhöfen, in Grünanlagen und in öffentlich gewidmeten Straßen unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung stehe.

Ein Hefter mit Unterlagen und verschiedenen Plankarten, die Aufstellung der angegriffenen Satzung betreffend, liegt vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die in diesem Verfahren gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist unzulässig.

Der Normenkontrollantrag ist zwar statthaft, da sich die Antragstellerin gegen die Gültigkeit einer auf der Grundlage des Hessischen Naturschutzgesetzes erlassenen Satzung zum Schutz der Grünbestände im baurechtlichen Innenbereich der Antragsgegnerin und damit gegen eine unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift wendet, deren Gültigkeit vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 15 HessAGVwGO auf ihre Gültigkeit überprüft werden kann.

Der Normenkontrollantrag ist jedoch verfristet, da er nicht innerhalb der Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden ist. Nach dieser Vorschrift ist der Normenkontrollantrag innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift zu stellen. Diese Frist hat die Antragstellerin nicht gewahrt. Die angegriffene Satzung ist am 24.02.2004 ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die Antragstellerin hat ihren Normenkontrollantrag aber erst am 05.07.2006 und damit nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gilt die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht allein für den von einer Behörde gestellten Normenkontrollantrag, sondern ebenso für Anträge natürlicher und juristischer Personen (allgemeine Ansicht, vgl. nur Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., Rdnr. 288 zu § 47 VwGO). Die Zweijahresfrist der vorgenannten Vorschrift begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den Rechtsschutz des Bürgers, denn die Inzidentkontrolle der Rechtsvorschrift bleibt über den Ablauf der Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hinaus möglich (vgl. etwa Fehling, Kastner, Wahrendorf, Verwaltungsrecht, VwVfG, VwGO, Rdnr. 49 zu § 47 VwGO m.w.N.).

Der Normenkontrollantrag hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg haben können. Er wäre auch unbegründet gewesen.

Formell-rechtliche Fehler der angegriffenen Satzung sind nicht gegeben. Die Antragstellerin hat zwar insoweit geltend gemacht, das gemäß § 26 Satz 5 HeNatG vorgesehene Verfahren, wonach die Beteiligung betroffener Bürger bei Unterschutzstellung von Gebieten nach § 3 BauGB analog zu erfolgen hat, sei nicht eingehalten worden. Die Antragsgegnerin hat mit der angegriffenen Satzung jedoch keine Unterschutzstellung von Gebieten vorgenommen, so dass es eines Beteiligungsverfahrens analog § 3 BauGB nicht bedurfte. Sonstige formelle Mängel der Satzung sind weder ersichtlich noch von der Antragstellerin geltend gemacht worden. Die angegriffene Satzung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 26 HeNatG vom 16.04.1996 (GVBl. I, S. 145), in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 18.06.2002 (GVBl. I, S. 364). Das Hessische Naturschutzgesetz in seiner neuesten Fassung vom 04.12.2006 (GVBl. I, S. 619 - vgl. dort die §§ 30, 60 Abs. 4 HeNatG 2006) findet keine Anwendung, da die angegriffene Satzung noch auf der Grundlage des bisherigen Hessischen Naturschutzgesetzes ergangen ist.

Nach § 26 HeNatG in der vorliegend anzuwendenden Fassung können die Gemeinden durch Satzung bestimmen, dass die Beseitigung von Grünbeständen im baurechtlichen Innenbereich ihrer Genehmigung bedarf, wenn der Charakter eines Gebietes oder Bestandes besonderen Schutz erfordert. Die Antragsgegnerin hat mit der angegriffenen Satzung von der ihr von § 26 HeNatG eingeräumten Möglichkeit, die Beseitigung von Grünbeständen im baurechtlichen Innenbereich einem Genehmigungserfordernis zu unterwerfen, Gebrauch gemacht. Sie hat nämlich in § 1 Abs. 1 der Satzung bestimmt, dass im baurechtlichen Innenbereich des Stadtgebietes bestimmte Grünbestände geschützt werden und hat dies in § 1 Abs. 2 der Satzung dahingehend konkretisiert, dass der geschützte Bestand nur Bäume - und hier auch nur Laub- und Ginkgobäume - mit einem Stammumfang von mehr als 60 cm sowie Nadelbäume mit einem Stammumfang von mehr als 90 cm umfasse.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es durch § 26 HeNatG in der vorliegend anzuwendenden Fassung des Gesetzes gedeckt, dass die Antragsgegnerin die vorgenannten Bestände im gesamten baurechtlichen Innenbereich ihres Stadtgebietes unter Schutz gestellt hat.

§ 26 HeNatG verlagert, soweit rechtlich möglich, den Schutz der Grünbestände im besiedelten Bereich in die Kompetenz der Städte und Gemeinden. Eine Ausnahme bildet lediglich, um eine Rechtszersplitterung zu vermeiden, die Ausweisung von Schutzgebieten im Sinne des § 11 HeNatG, die auch vom Geltungsbereich der angegriffenen Satzung ausgenommen sind (§ 1 Abs. 3 f. der Satzung). § 26 HeNatG lässt es unter näher bestimmten Voraussetzungen zu, Grünbestände im baurechtlichen Innenbereich eines Gebietes oder Bestandes unter Schutz zu stellen. Die Vorschrift unterscheidet damit zwischen dem Gebietsschutz und dem Schutz bestimmter Bestände. Beide Formen der Unterschutzstellung sind von unterschiedlichen formellen und materiellen Voraussetzungen abhängig. Für den Gebietsschutz - und nur für ihn - ist eine Beteiligung der betroffenen Bürger bei der Unterschutzstellung analog § 3 BauGB vorgesehen. Für die Unterschutzstellung bestimmter Bestände bedarf es einer solchen Beteiligung der Bürger nach dem Gesetz nicht, da dieser Schutz bestands-, aber nicht gebietsbezogen ist. Auch die materiellen Voraussetzungen der Unterschutzstellung eines Gebietes bzw. des Schutzes bestimmter Bestände sind von einander verschieden. Eine Unterschutzstellung des gesamten baulichen Innenbereichs einer Stadt oder Gemeinde ist als Gebietsschutz nicht zulässig, da das Gesetz nur die Unterschutzstellung einzelner Gebiete in einer Kommune zulässt. Nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. amtliche Begründung zu § 26 HeNatG, Hessischer Landtag, 15. Wahlperiode, Drucksache 15/3544 sowie Battefeldt, HeNatG, Kommentar, § 26, Rdnr. 4) soll es einen flächendeckenden Gebietsschutz nach § 26 HeNatG nicht geben. Hingegen dürfen einzelne Bestände nach § 26 HeNatG auch im gesamten baurechtlichen Innenbereich einer Gemeinde unter Schutz gestellt werden, sofern ihr besonderer Charakter Schutz erfordert. Dass der Gebietsschutz und der Bestandsschutz in formeller und materieller Hinsicht unterschiedlichen Anforderungen und Voraussetzungen unterliegen, rechtfertigt sich daraus, dass im Falle des Gebietsschutzes der Schutz der Grünbestände an den besonderen Charakter des Gebiets anknüpft und damit auch einen Schutz für an sich betrachtet nicht schutzwürdige Grünbestände zulässt, sofern diese nur für den Charakter einer Gebietes mitprägend und -bestimmend sind. Hingegen zielt der Schutz einzelner Grünbestände nicht auf den Schutz von Gebieten, sondern bezweckt vor allem den Schutz ökologisch besonders wertvoller Bestände. Derartige Bestände sind aber im gesamten baulichen Innenbereich einer Gemeinde schützenswert und dürfen damit, wo immer sie im baurechtlichen Innenbereich einer Gemeinde auftreten, unter Schutz gestellt werden. Dass ein Schutz bestimmter Grünbestände bezogen auf den gesamten baurechtlichen Innenbereich einer Gemeinde erfolgen darf, steht auch nicht in Widerspruch zu der Intention des Gesetzgebers, eine flächendeckende Unterschutzstellung von Grünbeständen auszuschließen. Das Verbot der flächendeckenden Unterschutzstellung von Gebieten bezieht sich auf den Gebietsschutz von Grünbeständen. Der Schutz von bestimmten, qualitativ besonders hochwertigen Beständen ist von vornherein nicht flächendeckend, da nicht das Gebiet an sich, der gesamte baurechtliche Innenbereich einer Gemeinde, geschützt wird, sondern in ihm lediglich und ausschließlich bestimmte und näher beschriebene schutzwürdige Objekte.

Die Unterschutzstellung des von der Antragsgegnerin geschützten Bestandes ist auch im Übrigen von § 26 HeNatG gedeckt. Die Gemeinden und Städte dürfen das Schutzniveau ihres Grünbestandes durch Satzung bestimmen. Dabei haben sie grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum, der vom Gericht nur auf die Einhaltung der ihm gezogenen Grenzen überprüft werden darf. Zu diesen Grenzen gehört, dass die Unterschutzstellung von einem entsprechenden Schutzerfordernis und -bedürfnis getragen sein muss. Dies ergibt sich daraus, dass die förmliche Unterschutzstellung von Grünbeständen, insbesondere Bäumen und das daraus resultierende Verbot, diese ohne Erlaubnis nicht zu entfernen, zu einer Einschränkung der Befugnis des jeweiligen Eigentümers führt, über sein Eigentum frei zu verfügen. Eine derartige Einschränkung ist dann verhältnismäßig und bestimmt nur dann in zulässiger Weise Inhalt und Schranken des Eigentums, wenn die Unterschutzstellung sachlich gerechtfertigt ist.

Dem trägt § 26 HeNatG Rechnung, indem die Vorschrift die Unterschutzstellung eines Bestandes davon abhängig macht, dass der Charakter des Bestandes besonderen Schutz erfordert. Die Gemeinde hat damit nicht das Recht, jeden Baumbestand zu schützen. Vielmehr muss es sich um ein nachvollziehbar begründetes besonderes Schutzerfordernis handeln. Die Antragsgegnerin hat die Unterschutzstellung des in der Satzung näher beschriebenen Bestandes damit begründet, dass die Stadt einen derart hohen Versiegelungsgrad aufweise, dass jeder einzelne Baum ab einer gewissen Größe für die Wohnqualität in der Stadt, für das Stadtbild selbst, aber auch zur Sicherung, Entwicklung und Fortentwicklung des Naturhaushaltes und der Lebensbedingungen von Tieren - insbesondere Vögeln - und Pflanzen erforderlich sei. Diese für das Erfordernis der Unterschutzstellung gegebene Begründung ist nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin durfte bei ihrer Entscheidung, bestimmte Bäume ab einem bestimmten Stammumfang unter Schutz zu stellen und ihre Beseitigung von einem Genehmigungserfordernis abhängig zu machen, berücksichtigen, dass insbesondere in einer Großstadt Bäumen ab einem bestimmten Stammumfang sowohl unter ökologischen als auch unter stadtgestalterischen Gesichtspunkten besondere Bedeutung zukommt. Die Antragsgegnerin durfte bei der Bestimmung des schützenswerten Bestandes die allgemeine Erkenntnis berücksichtigen, dass in Städten mit einem hohen Versiegelungsgrad, mit starken Verkehrsbelastungen und einem hohen Grad an Versteinerung und Betonierung Bäume ab einer bestimmten Größe regelmäßig geeignet sind, das Stadtbild entscheidend mit zu prägen und vor allem die klimatischen Verhältnisse in der Stadt nachhaltig positiv zu beeinflussen und als wichtiger Lebens- und Rückzugsraum insbesondere für Vögel zu dienen. Die Antragsgegnerin durfte auch einstellen, dass größere Bäume diese günstigen Wirkungen nicht nur dann entfalten, wenn sie im Kern des Ballungsraums, also in der unmittelbaren City, sondern auch an anderen Stellen im baurechtlichen Innenbereich der Großstadt stehen. Dass die Antragsgegnerin Laub- und Ginkgobäume ab einem Stammumfang von mehr als 60 cm bzw. Nadelbäume ab einem Stammumfang von mehr als 90 cm als besonders schutzwürdige Bestände angesehen hat, ist nicht zu beanstanden, da gerade größere Bäume für das Kleinklima einer Stadt, insbesondere die Luftreinhaltung wichtig sind und die Größe der Bäume regelmäßig auch mit einem größeren Stammumfang einhergeht. Unschädlich ist, dass die Antragsgegnerin nicht in Bezug auf jeden einzelnen unter Schutz gestellten Baum die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit individuell ermittelt und untersucht hat. § 26 HeNatG erlaubt zwar Einzelerhebungen zur Schutzbedürftigkeit. Die Vorschrift fordert solche Erhebungen ersichtlich jedoch dann nicht, wenn die Schutzbedürftigkeit besonderer Bestände, wie es vorliegend der Fall ist, sowohl unter gestalterischen als auch vor allem ökologischen Gesichtspunkten offen zu Tage liegt und sich aufdrängt.

Soweit die Antragstellerin - der Auffassung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main folgend - geltend macht, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb für Obstbäume und für sämtliche Bäume in öffentlichen Grünanlagen und öffentlichen Straßen die Satzungsbestimmungen nicht gelten sollten, wenn doch - ab einem bestimmten Stammumfang - der gesamte Gehölzbestand für das Stadtbild charakteristisch sein solle, lässt die Antragstellerin unberücksichtigt, dass Bäume in Dauerkleingärten durch Bebauungspläne abgesichert sein können und die Beseitigung von Bäumen auf Friedhöfen, in Grünanlagen und auf öffentlich gewidmeten Straßen, wie die Antragsgegnerin dargelegt hat, sogar unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin und damit unter einem intern vereinbarten Vorbehalt steht. Diese Bereiche mussten damit nicht - ebenso wenig wie Waldbereiche, die durch das Bundeswaldgesetz und das Hessische Forstgesetz geschützt werden -, einem zusätzlichen besonderen Schutz unterstellt werden. Anhaltspunkte dafür, dass die vorgenannten Bereiche hinsichtlich der Erhaltung größerer Bäume von der Antragsgegnerin nicht als schutzwürdig angesehen werden, liegen hingegen nicht vor.

Der Geltungsbereich der angegriffenen Satzung ist auch hinreichend bestimmt. Bedenken in dieser Hinsicht hat die Antragstellerin weder geltend gemacht noch sind sie sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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