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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 17.09.2002
Aktenzeichen: 4 N 2842/98
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 1 Abs. 5
BauGB § 1 Abs. 6
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 1
BauNVO § 1 Abs. 3 Satz 2
BauNVO § 5 Abs. 1
BauNVO § 2 Nr. 1
BauNVO § 2 Nr. 2
VwGO § 47
Ein Bebauungsplan, der ein Dorfgebiet (§ 5 BauNVO) festsetzt, wahrt nicht dessen allgemeine Zweckbestimmung, wenn nach dem in seiner Begründung zum Ausdruck gebrachten Willen der planenden Gemeinde eine "bäuerliche Nutzung" nicht zulässig sein soll.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

4. Senat

4 N 2842/98

Verkündet am: 17. September 2002

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Überprüfung der Gültigkeit des Bebauungsplans Nr. 37 Gemarkung Wetter-Treisbach "Am Steinweg" bzw. "Die Strauchäcker"

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 4. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Koch, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richter am Hess. VGH Schröder, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richterin am Hess. VGH Hannappel

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bebauungsplan Nr. 37 "Am Steinweg" bzw. "Die Strauchäcker" der Stadt Wetter, Gemarkung Treisbach, in der Fassung der 1. Änderung vom 25. Juni 2002 ist nichtig.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung jedoch durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, sofern nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan Nr. 37 Gemarkung Treisbach "Am Steinweg" bzw. "Die Strauchäcker" der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks ............................. in Wetter-Treisbach, auf dem sich der von ihm dort seit 1972 betriebene landwirtschaftliche Vollerwerbsbetrieb befindet. Er hielt 1998 etwa 100 Schweine und 12 bis 13 Rinder im Festmistverfahren und beabsichtigt, seinen Betrieb ganz auf Schweinemast mit zunächst 200 und jetzt 300 Mastschweinen umzustellen. Das Hofreitengrundstück ist durch einen schmalen Grundstücksstreifen mit dem nördlich davon gelegenen Flurstück ........ verbunden, auf dem sich ein Stall- und Scheunengebäude befindet. Nördlich dieses Gebäudes ist die Miststätte und Jauchegrube, daran anschließend folgen Silagesilos. Im Anschluss an das Flurstück ..... erstreckt sich das Gebiet des von dem Antragsteller angegriffenen Bebauungsplans. Das Bebauungsplanverfahren stellt sich wie folgt dar: Die Antragsgegnerin änderte im sogenannten Parallelverfahren nach § 8 Abs. 2 BauGB ihren Flächennutzungsplan und stellte den Bebauungsplan Nr. 37 auf. Die vom Regierungspräsidium Gießen mit Verfügung vom 16.04.997 genehmigte und im Wetteraner Bürgerblatt, dem amtlichen Bekanntmachungsorgan der Antragsgegnerin, vom 02.05.1997 öffentlich bekannt gemachte Änderung des Flächennutzungsplans stellt die von dem angegriffenen Bebauungsplan erfasste Fläche, soweit sie für das vorliegende Verfahren relevant ist, als gemischte Baufläche (M) und Grünfläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft dar.

Die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin beschloss am 14.12.1993 die Aufstellung des Bebauungsplans und machte dies am 11.02.994 öffentlich bekannt. Vorgesehen war die Ausweisung eines Dorfgebiets (MD) für 10 Baugrundstücke von jeweils knapp 750 qm. Nach Beteiligung der Bürger und Träger öffentlicher Belange wurde der Entwurf in der Zeit vom 20.06. bis 22.07.1994 sowie vom 02.01. bis 03.02.1995 offen gelegt. Der Antragsteller erhob in mehreren Schreiben gegen die vorgesehene Planung Einwendungen, mit denen er einmal die Notwendigkeit einer freien Zufahrt zu seinem Anwesen über den Weg Flurstück 127 sowie dessen Verschmutzung durch seine landwirtschaftlichen Fahrzeuge hinwies und zum Anderen geltend machte, das Baugebiet halte nicht den gebotenen Abstand zu Schweinestall, Miste und Silagesilos ein. Auf Grund der dort herrschenden Windrichtung würde das Baugebiet unzumutbaren Geruchs- und Geräuschbelästigungen ausgesetzt.

Die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin behandelte in ihrer Sitzung vom 21.06.1995 die Einwendungen des Antragstellers. Sie vertrat die Auffassung, dass Geruchsbelästigungen durch Dungstätten und übliche Tiergerüche aus Stallungen typische Begleiterscheinungen eines Dorfgebietes seien. Diese Emissionen könnten nicht als nachteilige Wirkungen auf die Umgebung angesehen werden. Ein Schweinemastbetrieb sei in beschränktem Ausmaß bezüglich seiner Geruchsemissionen in einem Dorfgebiet als unvermeidbar und üblich hinzunehmen. Gleichzeitig beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin den Bebauungsplan als Satzung sowie die Begründung hierzu und machte den Beschluss am 29.12.1995 im Wetteraner Bürgerblatt öffentlich bekannt.

Nach der Begründung des Bebauungsplans Nr. 37 ist die Nachfrage nach preiswerten Wohnungen mit der Möglichkeit einer Grundstücksnutzung im ökologischen Eigenanbau von Obst, Gemüse sowie Kleintierhaltung größer als das Angebot auf dem Wohnungsmarkt. Im Stadtteil Treisbach stünden dafür weder Neubaugebiete noch bebaubare Baulücken zur Verfügung. Mit dem Bebauungsplan werde den Wohnbedürfnissen sowie der damit verbundenen Eigentumsbildung und Fortentwicklung des Stadtteils Treisbach Rechnung getragen. Ausgehend von dem Planungsziel, Wohnungen mit einer nicht bäuerlichen Grundstücksnutzung durch ökologischen Eigenanbau von Obst, Gemüse sowie Kleintierhaltung zu schaffen, könne die Art der baulichen Nutzung am ehesten dem Dorfgebiet zugeordnet werden. Wesentliche Nachteile für vorhandene landwirtschaftliche Betriebe seien durch die hinzukommende Wohnnutzung nicht gegeben.

Mit Verfügung vom 16.04.1997 teilte das Regierungspräsidium Gießen der Antragsgegnerin mit, dass gemäß § 11 BauGB gegen den Bebauungsplan Nr. 37 keine Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Abs. 2 BauGB rechtfertigten, geltend gemacht würden. Der Inhalt der Verfügung sowie der Hinweis, dass der Bebauungsplan während der Dienststunden bei der Stadtverwaltung, Marktplatz 1, Zimmer 24 eingesehen werden könne, wurde im Wetteraner Bürgerblatt vom 02.05.1997 öffentlich bekannt gemacht.

Am 29.07.1998 hat der Antragsteller Antrag auf Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan gestellt. Zur Begründung trägt er vor, aufgrund des geringen Abstandes zwischen dem ausgewiesenen Baugebiet und den Ställen seines Betriebes von nur 25 m und der in diesem Bereich vorherrschenden Windrichtung sei mit erheblichen Geruchs- und Geräuschbelästigungen für das Baugebiet zu rechnen. Unter Berücksichtigung der heranzuziehenden VDI-Richtlinie Emissionsminderung Tierhaltung - Schweine - (VDI 3471) ergebe sich hier aufgrund seines Tierbestandes von 100 Mastschweinen selbst bei einem 100-Punkte-Stall ein Mindestabstand von 120 m und bei einer Betriebserweiterung auf 200 Mastschweine sogar von 150 m. Diesen Anforderungen werde der Bebauungsplan aufgrund des geringen Abstandes des Baugebiets zu dem Stallgebäude nicht gerecht. Selbst bei einer Verringerung des vorgenannten Abstandes auf die Hälfte entsprechend der VDI 3471 verbleibe noch ein Mindestabstand von 60 m bzw. 75 m, dem die Festsetzungen des Bebauungsplans nicht gerecht würden. Darüber hinaus sei im Nahbereich eine Sonderbeurteilung von Fachbehörden oder Sachverständigen erforderlich, die hier zu Unrecht unterblieben sei.

Der Bebauungsplan verletze auch den Planungsgrundsatz des § 50 BImSchG, wonach u. a. schädliche Umwelteinwirkungen auf Wohngebiete vermieden werden sollen. Zwar sei das Wohnen in einem Dorfgebiet nicht vor jeglichen Geruchsbeeinträchtigungen geschützt, allerdings brauche auch ein Bewohner eines solchen Gebietes keine deutlich wahrnehmbaren und daher unzumutbaren Emissionen hinzunehmen. Derartige unzumutbaren Beeinträchtigungen kämen auf die Bewohner des Dorfgebietes aufgrund des geringen Abstandes zwischen Stallgebäude und Wohngebiet zu, zumal das Baugebiet im Bereich der Hauptwindrichtung liege. Bei einer Bebauung des ausgewiesenen Gebietes habe er mit erheblichen immissionsschutzrechtlichen Auflagen zu rechnen, die unter Umständen zu einer Einstellung der Schweinemast führen könnten.

Am 14.12.1999 fasste die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin den Beschluss zur Aufstellung der ersten Änderung des Bebauungsplans Nr. 37 "Am Steinweg" bzw. "Die Strauchäcker". Die Antragsgegnerin beauftragte im März 2000 Herrn Michael H. - Ingenieurberatung und Agrarberatung -, Büdingen, zur Erstattung eines Gutachtens über die von dem landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers auf das Plangebiet ausgehenden Emissionen. Der Gutachter erstattete am 13.04.2000 ein schriftliches Gutachten, in dem er zu dem Ergebnis kommt, dass bei Einhaltung eines Geruchsschwellenabstandes von 82 m zwischen dem Emissionsschwerpunkt des vorhandenen Stallgebäudes und der ersten geplanten Wohnbebauung keine unzumutbaren Geruchsbelästigungen in dem geplanten MD-Gebiet zu erwarten seien. Auch werde dadurch das möglicherweise vorhandene Erweiterungspotential des landwirtschaftlichen Standorts nicht eingeschränkt. Für den Bebauungsplan bedeute dies, dass auf eine Festsetzung der Parzellen 160/2 und 12/2 als Bauflächen verzichtet werden müsse. Unter Anwendung der VDI-Richtlinie 3471 (Schweine) und Entwurf VDI 3473 (Rinder) und einem Tierbesatz von 13 Rindern und 100 Schweinen kommt er zu einem Richtlinienabstand von 143 m zur nächstgelegenen Bebauung eines reinen Wohngebiets, der bei einem Dorfgebiet halbiert werden könne.

Der Entwurf der ersten Änderung des Bebauungsplans wurde in der Zeit vom 04.12.2000 bis 08.01.2001 offengelegt und dies im Wetteraner Bürgerblatt vom 24.11.2000 öffentlich bekannt gemacht.

Der Antragsteller erhob mit Schreiben vom 05.01.2001 Einwendungen gegen die Planänderung mit der Begründung, dass sie nicht im Einklang mit der von ihm beabsichtigten Betriebserweiterung auf 300 Schweine stehe. Erforderlich sei ein Mindestabstand des Baugebiets von seinem landwirtschaftlichen Betrieb von 120 m.

Die erste Änderung des Bebauungsplans wurde von der Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin am 25.06 2002 als Satzung beschlossen. Gleichzeitig wurden die Einwendungen des Antragstellers unter Hinweis auf das Gutachten H. zurückgewiesen. Der Beschluss wurde am 19.07.2002 öffentlich bekannt gemacht. In der Begründung des Satzungsbeschlusses ist ausgeführt, Ziel der ersten Änderung des Bebauungsplans sei eine Rücknahme von Bau- und Erschließungsflächen, um von dem Betrieb des Antragstellers ausgehende schädliche Emissionen auf das Baugebiet zu verhindern. Entsprechend dem Gutachten H. würden innerhalb des dargestellten Radius von 82 m keine bebaubaren Flächen ausgewiesen.

Der Antragsteller beantragt,

den Bebauungsplan Nr. 37.1 der Stadt Wetter, Gemarkung Wetter-Treisbach, "Am Steinweg/Die Strauchäcker" vom 02.05.1997 in der Fassung der 1. Änderung vom 25.06.2002 für nichtig zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie tritt dem Normenkontrollantrag entgegen.

Die einschlägigen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin (1 Ordner) waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist statthaft, denn der Antragsteller wendet sich gegen einen Bebauungsplan und damit gegen eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, deren Gültigkeit von dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof gemäß §§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, 15 Abs. 1 HessAGVwGO überprüft werden kann.

Nachdem die Antragsgegnerin den Bebauungsplan während des gerichtlichen Verfahrens geändert hat, entspricht es dem Rechtsschutzziel des Antragstellers, den Bebauungsplan nur noch in der Fassung seiner 1. Änderung vom Gericht auf seine Gültigkeit überprüfen zu lassen, da der geltend gemachte Mangel durch die Planänderung teilweise behoben worden ist.

Der Antragsteller ist auch antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach dieser Vorschrift sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2 VwGO. Danach genügt der Antragsteller seiner Darlegungspflicht, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. Nach dem tatsächlichen Vorbringen des Antragstellers ist eine Verletzung des drittschützenden Abwägungsgebots nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise unmöglich. Zu den abwägungserheblichen Belangen gehört auch das Interesse eines emittierenden landwirtschaftlichen Betriebes, dass in seiner unmittelbaren Nähe keine Wohnbebauung entsteht, bei deren Verwirklichung mit immissionsschutzrechtlichen Anordnungen gerechnet werden muss (Urteil des Senats vom 12.03.2002 - 4 N 2171/96 -; Dürr, in: Brügelmann, BauGB, Stand: November 2001, § 10 Rn. 572, Stichwort: Landwirt, m.w.N.).

Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.

Allerdings begegnet der Bebauungsplan in formeller Hinsicht keinen Bedenken, denn derartige Mängel sind weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.

Der Bebauungsplan leidet jedoch in materieller Hinsicht an einem Fehler, der seine Nichtigkeit zur Folge hat. Rechtsgrundlage für die im Bebauungsplan getroffene Festsetzung ist § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Danach setzt der Bebauungsplan die Art der baulichen Nutzung fest und bestimmt ein der in § 1 Abs. 2 BauNVO bezeichneten Baugebiete. Das von der Antragsgegnerin festgesetzte Dorfgebiet (§ 5 BauNVO) verstößt gegen § 1 Abs. 3 BauGB, denn es ist nicht erforderlich im Sinne dieser Vorschrift. Nach § 1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung erforderlich ist. Aus dem Erforderlichkeitsmerkmal lässt sich indes nicht ableiten, dass bauplanerische Festsetzungen nur zulässig sind, wenn sie zur Bewältigung einer bauplanungsrechtlichen Problemlage unentbehrlich oder gar zwingend geboten sind; vielmehr ist die Gemeinde schon dann zur Planung befugt, wenn sie hierfür hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinbelange ins Feld führen kann (BVerwG, Beschluss vom 11.05.1999 - 4 BN 15.99 -, BauR 1999, 1136 <1137>). Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus den Planungsleitlinien und Abwägungsbelangen des § 1 Abs. 5 BauGB. Ausreichend ist eine Planung, die von einem bodenrechtlich begründeten Konzept getragen ist und nach den Maßstäben des § 1 Abs. 5 und 6 BauGB nicht von vornherein als undurchführbar erscheint, somit vernünftigerweise geboten ist (BVerwG, Urteil vom 22.01.1993 - 8 C 46.91 -, BauR 1993, 585 <587>). Für die Auswahl der Baugebiete (§§ 2 bis 9 BauNVO) ist die planerische Konzeption, d. h. der planerische Gestaltungswille der Gemeinde für die betroffene Fläche maßgebend. Passt hierauf eines der Baugebiete, setzt sie es fest, gegebenenfalls - wie hier - unter Inanspruchnahme besonderer Festsetzungen nach den Absätzen 4 ff. des § 1 BauNVO. Die Konzeption und der Festsetzungsinhalt müssen übereinstimmen. Bei der Auswahl der Baugebiete hat die planende Gemeinde das Gebot der Typenkonformität zu beachten. Sie muss den von ihr gewählten Gebietstypus dafür einsetzen, um die von diesem charakterisierte städtebauliche Struktur zu verwirklichen und darf nicht eine bloße Verlegenheitsplanung oder gar einen "Etikettenschwindel" ins Werk setzen, hinter dem ihre wirkliche städtebauliche Konzeption in Wahrheit gar nicht tragend steht (vgl. Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, 3. Aufl., § 1 Rn. 22). Die Antragsgegnerin hat mit der Ausweisung eines Dorfgebiets gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO den § 5 BauNVO zum Bestandteil des Bebauungsplans gemacht. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dienen Dorfgebiete der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Satz 2 bestimmt, dass auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten vorrangig Rücksicht zu nehmen ist. Zulässig sind nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und die dazugehörigen Wohnungen und Wohngebäude, nach Nr. 2 Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäude mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen. Die in § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BauNVO genannten Nutzungen hat die Antragsgegnerin im Textteil des Bebauungsplans unter dem Planzeichen MD ausdrücklich aufgeführt und gleichzeitig festgesetzt, dass die in § 5 Abs. 2 Nrn. 4, 5 und 7 - 9 BauNVO genannten Nutzungen nicht zulässig sind. Die zeichnerische und textliche Festsetzung eines Dorfgebiets mit den u. a. nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BauNVO zulässigen Nutzungen entspricht jedoch nicht der wahren Willensbildung der Antragsgegnerin, wie sie dem Planungsvorgang, insbesondere der Begründung des Bebauungsplans zu entnehmen ist. Danach ist die Nachfrage nach preiswerten Wohnungen mit der Möglichkeit einer Grundstücksnutzung im ökologischen Eigenanbau von Obst, Gemüse sowie Kleintierhaltung größer als das Angebot auf dem Wohnungsmarkt, wofür sich allerdings nach den Planungsunterlagen keine Anhaltspunkte ergeben. Diesen Wohnbedürfnissen soll mit den Festsetzungen des Bebauungsplans Rechnung getragen werden. Planungsziel - wie in der Begründung ausdrücklich aufgeführt - ist, Wohnungen mit einer nicht bäuerlichen Grundstücksnutzung durch ökologischen Eigenanbau von Obst, Gemüse und Kleintierhaltung zu schaffen. Damit will die Antragsgegnerin die zulässige Nutzung im Wesentlichen auf die in § 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauNVO aufgeführten Nutzungen beschränken, was auch mit der Größe der vorgesehenen Bauplätze von 744 qm (jetzt 727,56 qm) im Einklang steht, die für die Errichtung von Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe wenig oder gar nicht geeignet erscheinen. Die Antragsgegnerin verfolgt mit ihrer Planung allein das Ziel, der Nachfrage nach Bauland zu entsprechen. Die Ansiedlung landwirtschaftlicher Wirtschaftsstellen war nicht gewollt, im Gegenteil, es sollte nur eine nichtbäuerliche Nutzung zulässig sein. Die allgemeine Zweckbestimmung eines Dorfgebiets sowie die Vorrangklausel des § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO führen dazu, dass selbst im Rahmen der planerischen Feinsteuerung nach § 1 Abs. 4 - 9 BauNVO land- und forstwirtschaftliche Betriebe nicht völlig ausgeschlossen oder auf eine Ausnahmezulassung beschränkt werden dürfen. Geht die allgemeine Zweckbestimmung durch die planerische Festsetzung verloren, wird die Pflicht des § 1 Abs. 3 BauGB verletzt, im Bebauungsplan ein in § 1 Abs. 2 BauNVO bezeichnetes Baugebiet festzusetzen (BVerwG, Beschluss vom 22.12.1989 - 4 NB 32.89 -, BRS 49 Nr. 74; BayVGH, Urteil vom 10.07.1995 - 14 N 94.1158 -, BRS 57 Nr. 35).

Der Mangel des Bebauungsplans führt zu seiner Nichtigkeit. Ein ergänzendes Verfahren nach § 215 a BauGB kommt nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift können Mängel der Satzung, die nach den §§ 214 und 215 BauGB unbeachtlich sind, durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden. Ein derartiges Verfahren scheidet jedoch aus, wenn es - wie hier - nicht auf dem erkennbaren städtebaulichen Konzept der Gemeinde aufbauen kann, auf dem das bisherige Bebauungsplanverfahren beruht (vgl. OVG NW, Urteil vom 23.07.1998 - 10 aD 100/97.NE -, BRS 60 Nr. 54).

Ob der Bebauungsplan darüber hinaus auch deshalb fehlerhaft ist, weil er auf dem vom Antragsteller geltend gemachten Abwägungsmangel beruht, lässt der Senat dahingestellt sein. Das Normenkontrollgericht ist bei der Prüfung der Gültigkeit einer angegriffenen Satzung weder auf die vom Antragsteller geltend gemachten Mängel beschränkt, noch ist es verpflichtet, jeden dieser Rechtsfehler zu ermitteln und darauf seine Entscheidung zu stützen, da das Normenkontrollverfahren anders als das behördliche Anzeige- oder Genehmigungsverfahren gemäß § 216 BauGB nicht einer umfassenden Prüfung der Rechtslage unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt dient (BVerwG, Beschluss vom 20.06.2001 - 4 BN 21.01 -, BauR 2002, 285 [286]). Der Senat weist jedoch darauf hin, dass die Antragsgegnerin während des Normenkontrollverfahrens zur Bewertung der von dem Betrieb des Antragstellers ausgehenden Geruchsbelästigung des Baugebiets zu Recht eine gutachterliche Stellungnahme eingeholt hat, der die VDI-Richtlinie 3471 - Tierhaltung Schweine - zu Grunde liegt. Die VDI-Richtlinie 3471 kann als brauchbare Orientierungshilfe herangezogen werden. Sie enthält in der Erkenntnis, dass sich Geruchsbelästigungen durch eine räumliche Trennung von Wohnbebauung und Tierhaltung vermeiden oder vermindern lassen, speziell für die besonders intensive Schweinehaltung in Abhängigkeit von Bestandsgröße und weiteren Einflussfaktoren eine Abstandsregelung, die u. a. danach differenziert, ob ein Wohnbauvorhaben in einem dörflich geprägten Gebiet, im Außenbereich oder einem sonstigen Gebiet verwirklicht werden soll (BVerwG, Urteil vom 28.02.2002 - 4 CN 5.01 -, BauR 2002, 1348 [1349]; Urteil vom 14.01.1993 - IV C 19.90 -, BauR 1993, 445 [447]; BGH, Urteil vom 30.10.1998 - V ZR 64/98 -, NJW 1999, 356 ff.). Nach Ziff. 3.2.3.4. der VDI-Richtlinie 3471 - Tierhaltung Schweine - ist im Nahbereich unter 100 m eine Sonderbeurteilung durch Fachbehörden oder Sachverständige erforderlich. Den Abständen der VDI-Richtlinie 3471 liegen die Geruchsschwellenabstände zu Grunde, die aus Gründen der Vorsorge verdoppelt worden sind. Für das durch den Bebauungsplan festgesetzte Dorfgebiet (§ 5 BauNVO) hat das Sachverständigengutachten bei einem Tierbestand von etwa 100 Schweinen und 13 Rindern einen Richtlinienabstand von 143 m und einen Geruchsschwellenabstand von 71,5 m bei einem Dorfgebiet errechnet. Bei einer Erweiterung des Betriebes auf 300 Schweine hält der Gutachter einen Richtlinienabstand von 164 m und damit einen Geruchsschwellenabstand von 82 m für geboten. Dieses Ergebnis der Sonderbeurteilung hat sich die Antragsgegnerin bei der 1. Änderung des Bebauungsplans zu Eigen gemacht und eine Reduzierung der Bauflächen zu Gunsten von öffentlichen Grünflächen an der Grenze des Plangebiets zum Grundstück des Antragstellers vorgenommen. Ob das Gutachten H. durch das von dem Antragsteller vorgelegte Gutachten Müller-Look vom 14.02.2001 erschüttert wird, erscheint zweifelhaft, weil dieses Gutachten von einem erhöhten Tierbestand und anderen Voraussetzungen ausgeht.

Was die Erweiterungsabsichten des Antragstellers betrifft, so hat er selbst noch in der Antragsschrift vorgetragen, dass eine Betriebserweiterung auf 200 Mastschweine geplant sei und insoweit bei einem zu Grunde zu legenden 100 Punkte-Stall Geruchsschwellenabstand von 75 m einzuhalten sei. Bei der Abwägung ist als privater Belang nicht nur das Interesse eines Betriebsinhabers einzustellen, den veränderten Betrieb weiter zu nutzen, sondern auch ein betriebliches Erweiterungsinteresse (BVerwG, Urteil vom 05.11.1999 - 4 CN 3.99 -, BauR 2000, 689 [690]; OVG NW, Urteil vom 22.05.2000 - 10 aD 139/98.NE - BRS 63 Nr. 9). Die Gemeinde braucht allerdings nicht jede künftige noch ungewisse wesentliche Erweiterung in ihre Abwägung einzustellen. Damit sie die Erweiterungsabsichten hinsichtlich eines landwirtschaftlichen Betriebes in ihre Abwägung einstellen kann, bedarf es deren hinreichender Konkretisierung. Denn nur was für die planende Stelle bei der Entscheidung über den Plan als abwägungserheblich erkennbar ist, kann von ihr in die Abwägung eingestellt werden. Was sie nicht "sieht" und was sie nicht zu "sehen" braucht, kann von ihr und braucht von ihr bei der Abwägung nicht berücksichtigt zu werden. Eine über die noch in der Antragsschrift dargelegte Betriebserweiterung auf 200 Mastschweine hinaus gehende Erweiterung auf nunmehr 300 Mastschweine brauchte die Antragsgegnerin bei ihrer Abwägungsentscheidung nicht zu berücksichtigen. Dieses Erweiterungsinteresse hat der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin nicht konkretisiert.

Der Senat weist darauf hin, dass es der Antragsgegnerin nicht verwehrt ist, in dem Plangebiet die Wohnbedürfnisse der (gemeindlichen) Bevölkerung zu befriedigen. Es besteht bei hinreichender Größe des Plangebiets die Möglichkeit, die Gliederung eines Dorfgebiets derart vorzunehmen, dass Bauflächen im Wesentlichen nur im eingeschränkten Dorfgebiet festgesetzt werden, in dem Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe ausgeschlossen sind, während das uneingeschränkte Dorfgebiet vorhandene Hofstellen überplant (vgl. Nieders. OVG, Urteil vom 23.09.1999 - 1 K 5147/97 -, BauR 2000, 523 f.; BVerwG, Beschluss vom 16.03.2000 - 4 BN 6.00 -, BauR 2000, 1018).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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