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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 16.08.2002
Aktenzeichen: 4 N 455/02
Rechtsgebiete: BauGb, ROG, VwGO, HLPG


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 4
ROG § 3
ROG § 4
ROG § 5
ROG § 10
ROG § 23
VwGO § 47
HLPG § 5
1. Aus § 5 Abs. 7 HLPG ergibt sich keine unmittelbare Bindungswirkung des Landesentwicklungsplanes Hessen 2000 für Gemeinden. Eine Bindungswirkung ergibt sich aber unmittelbar bundesrechtlich aus § 5 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 5 ROG a.F. (jetzt § 4 Abs. 1 ROG i.V.m. § 3 Nr. 2 und Nr. 5 ROG). Eine ausdrückliche Entlassung aus dieser Zielbindung enthält § 5 Abs. 7 HLPG nicht. Das Schweigen der landesrechtlichen Regelung zur Zielgebundenheit der Gemeinden kann bei bundesrechtskonformer Auslegung nicht als Entlassung der Gemeinden aus der raumordnungsrechtlichen Zielbindung verstanden werden.

2. Die Regelung der Zielbindung der Gemeinden in § 5 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 5 ROG a.F. (jetzt § 4 Abs. 1 ROG i.V.m. § 3 Nr. 2 und Nr. 5 ROG) ist abschließend und kann nicht abbedungen werden.

3. Aus § 5 Abs. 2 Satz 2 ROG a.F. lässt sich nicht entnehmen, dass die Länder befugt waren, landesrechtlich über eine Anpassungspflicht der Gemeinden an Ziele der Raumordnung und Landesplanung zu befinden.

4. Ein Landesentwicklungsplan, der als Zielfestsetzung die Erweiterung eines Flughafens am vorgesehenen Standort verbindlich festlegt, trifft damit eine landesplanerische Letztentscheidung, die keiner weiteren Abwägung auf unteren Planungsstufen mehr zugänglich ist; die damit verbundene Abschneidung der Erwägung etwa entgegenstehender Belange setzt voraus, dass diese bereits auf der Ebene der Landesplanung, und zwar abschließend abgewogen worden sind.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

4. Senat

Verkündet am: 16. August 2002

4 N 455/02

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Überprüfung der Gültigkeit der Verordnung über den Landesentwicklungsplan Hessen 2000

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 4. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Koch, Richter am Hess. VGH Eisenberg, Richter am Hess. VGH Dr. Michel, Richter am Hess. VGH Schröder, Richter am Hess. VGH Dr. Dittmann

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. August 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Der Landesentwicklungsplan Hessen 2000 ist nichtig, soweit er unter Nr. 1.2. folgenden Satz enthält: "Deshalb hat der Landesgesetzgeber auch von der im ROG vorgesehenen Bindungswirkung gegenüber den Kommunen keinen Gebrauch gemacht und es dabei belassen, mit den Vorgaben des Landesentwicklungsplans nur die Fachbehörden und die Regionalplanung zu binden" und soweit er unter Nr. 7.4. folgenden Satz enthält: "Hierzu ist eine Erweiterung über das bestehende Start- und Landebahnsystem hinaus zu planen und zu realisieren."

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner darf die Vollstreckung jedoch durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, sofern nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin begehrt die Überprüfung einzelner Festsetzungen des Landesentwicklungsplans Hessen 2000.

Die Antragstellerin ist eine Großstadt, deren Stadtgebiet sich südlich des Mains und östlich des Flughafens Frankfurt am Main ausdehnt; praktisch das gesamte Stadtgebiet liegt unter An- bzw. Abflugschneisen des Flughafens. Die überflogenen Gebiete sind teilweise seit Jahrzehnten und länger als Wohngebiete genutzt bzw. seit den 50-er Jahren durch Bauleitplanungen planungsrechtlich gefestigt. In diesem Bereich befinden sich mehrere rechtsverbindliche Bebauungspläne. Die Antragstellerin betreibt im Einwirkungsbereich des Flughafens die städtischen Kliniken Offenbach mit 1059 Betten sowie das Seniorenzentrum Am Hessenring mit 390 Plätzen sowie 26 Schulen und 20 Kindergärten.

In der Mitte der neunziger Jahre leitete die damalige Regierung des Landes Hessen das Verfahren zur Aufstellung eines neuen Landesentwicklungsplanes - LEP - ein. Die frühzeitige Beteiligung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 HLPG fand im zweiten Quartal 1996 statt. Der Vorentwurf wurde am 21.05.1996 von der Landesregierung zur Kenntnis genommen und unter dem 30.05.1996 an alle zu Beteiligenden mit Frist zur Stellungnahme bis zum 01.08.1996 übersandt. Dieser Vorentwurf wurde am 15.04.1997 von der Landesregierung beschlossen, am 06.05.1997 dem Präsidenten des Landtages zur Kenntnisnahme durch den Landtag übermittelt und am selben Tage den in § 5 Abs. 3 HLPG Genannten mit Frist zur Stellungnahme bis zum 15.08.1997 zugeleitet, wobei die Frist für die Regionalversammlung auf den 30.10.1997 festgesetzt und im Übrigen in Einzelfällen bis Mitte Januar 1998 verlängert wurde. Dieser Entwurf enthielt unter anderem die Aussage, die Weiterentwicklung des Flughafens Frankfurt am Main müsse auf der derzeitigen Fläche innerhalb des Flughafenzaunes erfolgen. Der Entwurf wurde nach dem Regierungswechsel laut Kabinettsbeschluss nicht weiter verfolgt, sondern vollständig überarbeitet. Der Textteil wurde von 145 auf 53 Seiten gekürzt; die Anzahl der Ziele von 240 auf 49 reduziert. Der geänderte Vorentwurf wurde von der Landesregierung am 22.02.2000 gebilligt, den in § 5 Abs. 3 HLPG genannten Gebietskörperschaften, Verbänden und sonstigen Stellen am 13.03.2000 mit Frist zur Stellungnahme bis zum 03.07.2000 zugeleitet und vom Landtag am 24.03.2000 beraten.

Daraufhin gab die Antragstellerin am 26.06.2000 eine Stellungnahme ab. Sie rügte, dass die bereits derzeit durch Fluglärm stark betroffenen Siedlungsräume in dem Entwurf keine "Beachtung" fänden und dass der Entwurf keine Aussagen dazu enthalte, dass über dicht besiedelten Gebieten aus gesundheitlichen Gründen eine Lärmverteilung Vorrang vor einer Lärmbündelung "haben müsse". Sie rügte ferner fehlende Aussagen zu allen Fragen der Lärmentlastung, des Nachtflugverbotes und wies insbesondere auf den dicht besiedelten Ballungsraum hin, in welchem das Gemeindegebiet der Antragstellerin liege. Ferner gab die Antragstellerin zwei umfangreiche Stellungnahmen im Planungsverfahren ab, und zwar eine Stellungnahme vom 11.09.2000 im sogenannten Skoping-Verfahren vor dem Regierungspräsidium Darmstadt zur Flughafenerweiterung sowie eine weitere Stellungnahme vom 26.04.000 vor dem Hessischen Landtag.

Am 13.12.2000 stellte die Landesregierung den Landesentwicklungsplan Hessen 2000 als Rechtsverordnung fest. Die Verkündung erfolgte am 09.01.2001.

Nr. 1.2. des Landesentwicklungsplans lautet:

"Die verbindlichen Vorgaben des Landesentwicklungsplans sind von den Behörden des Bundes, des Landes und von der Regionalplanung zu beachten (§ 4 Abs. 1 i. V. m. § 5 Abs. 7 HLPG). Bezüglich der Rechtswirkung korrespondiert damit der Begriff der "verbindlichen Vorgaben" (siehe § 6 Abs. 3 HLPG) mit dem Zielbegriff des ROG.

Der Landesgesetzgeber hat hier bewusst einen anderen Begriff gewählt, weil die Ziele im Landesentwicklungsplan auf Grund ihrer landesweiten Geltung und des entsprechenden Kartenmaßstabs regelmäßig der Konkretion durch die Regionalplanung bedürfen.

Deshalb hat der Landesgesetzgeber auch von der im ROG vorgesehenen Bindungswirkung gegenüber den Kommunen keinen Gebrauch gemacht und es dabei belassen, mit den Vorgaben des Landesentwicklungsplans nur die Fachbehörden und die Regionalplanung zu binden. Diese haben die verbindlichen Vorgaben zu beachten; dies bedeutet, dass diese Festsetzungen einer Abwägung nicht mehr zugänglich sind.

Allerdings entwickeln nur sehr wenige Festlegungen im LEP den Bestimmtheitsgrad, der aus den regionalen Raumordnungsplänen bekannt ist. Festlegungen, die auf Grund ihres Konkretisierungsgrades eine mittelbare Durchgriffswirkung auf die Kommunen entfalten, wurden nur ausnahmsweise für einige herausgehobene Planungen und Maßnahmen getroffen. Z. B. gilt für die im LEP dargestellten unterschiedlichsten Vorzugs- und Verbundräume, dass sie lediglich die Räume festlegen, in denen die Regionalplanung prioritär entsprechende Vorranggebiete an geeigneter Stelle auszuweisen hat. Die ökologischen Verbundräume können insoweit nur schematisierte Darstellungen anzustrebender Verbindungen sein. Für die Mehrzahl der mit Zielqualität (Z) versehenen Festlegungen gilt deshalb, dass sie räumlich noch nicht abschließend bestimmt sind, sondern erst im Rahmen der Regionalplanung räumlich bestimmt werden. Das heißt auch, dass die Bauleitpläne der Kommunen nur den in den Regionalplänen konkretisierten Zielen der Raumordnung gemäß § 1 Abs. 4 Baugesetzbuch (BauGB) anzupassen sind (...)".

Unter Nr. 4.1.2 wird unter anderem folgende Planaussage getroffen:

"Z In der Umgebung des Flughafens Frankfurt Main ist ein Siedlungsbeschränkungsbereich im Regionalplan auszuweisen, in dem aus Vorsorge zum Schutz vor Fluglärm eine Bebauung im Sinne einer Besiedlung zu Wohnzwecken nicht stattfinden soll. Die äußere Begrenzung dieses Siedlungsbeschränkungsbereiches bildet eine energieäquivalente Isophonenlinie mit höchstens 62 dB(A) Dauerschallpegel, berechnet entsprechend der LAI-Leitlinie für Verkehrsflughäfen. Bauflächen in geltenden Bebauungsplänen und innerhalb des Siedlungsbestandes sollen von dieser Regelung unberührt bleiben. Bei der Berechnung der Isophonenlinie sind die langfristigen Planungsvorstellungen des Flughafenbetreibers hinsichtlich der Anzahl der jährlichen Flugbewegungen sowie deren Verteilung auf die Flugwege zu beachten. Weitergehende Regelungen der Regionalplanung zur räumlichen Begrenzung des Siedlungsbeschränkungsbereichs bleiben hiervon unberührt."

Unter 7.4. trifft der Landesentwicklungsplan folgende Aussage:

"Der Stellenwert des Flughafens Frankfurt Main als internationaler Großflughafen mit flexiblem Zugang zu den europäischen und weltweiten Märkten ist zu erhalten und zu stärken. Dabei sind die Ergebnisse des Mediationsverfahrens zu berücksichtigen.

Z Der Flughafen Frankfurt Main soll auch künftig den zu erwartenden Entwicklungen gerecht werden und seine Funktion als bedeutende Drehscheibe im internationalen Luftverkehr sowie als wesentliche Infrastruktureinrichtung für die Rhein-Main-Region erfüllen. Hierzu ist eine Erweiterung über das bestehende Start- und Landebahnsystem hinaus zu planen und zu realisieren. Die Verknüpfung mit dem Schienenfern- und regionalverkehr ist auszubauen. Die Zusammenarbeit mit dem Flughafen Hahn in Rheinland-Pfalz ist zu vertiefen.

Bei der Erweiterung über das bestehende Start- und Landebahnsystem hinaus ist auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen. Die verbindliche Festsetzung der Nachtflugbeschränkungen erfolgt in den Verfahren nach dem Luftverkehrsgesetz. (...)"

In der unter dem 14.11.2000 festgestellten Karte zum LEP ist eine rot schraffierte Fläche als Planungsraum "überregional bedeutsame Infrastruktur" dargestellt. Weite Teile des Gemeindegebiets der Antragstellerin liegen im Bereich dieser Fläche.

Am 24.12.2001 hat die Antragstellerin den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Sie führt aus, sie werde durch alle drei Planungsvarianten negativ betroffen. Im Bereich einer möglichen 60 dB(A) Isophone hätten im Jahr 1998 45.000 Bewohner gelebt; die Nord-West-Variante würde demgegenüber 75.000 und die Nord-Ost-Variante 94.000 Bewohner betreffen. Auch im Fall der Süd-Variante werde das Stadtgebiet von erheblicher Lärmzunahme betroffen, wie sich aus vorgelegten Anlagen näher ergebe. Sie sei antragsbefugt, da sie die Zielfestsetzung in Nr. 7.4. des LEP gemäß § 4 ROG beachten, mindestens aber berücksichtigen müsse.

Dies ergebe sich auch aus den Entscheidungen des OVG Brandenburg und des Bundesverwaltungsgerichts zum Flughafen Schönefeld. Bereits der Wortlaut der in dem vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Regelung sei gegenüber der Regelung, die dem Verfahren Flughafen Schönefeld zu Grunde gelegen habe, erheblich konkreter und bestimmter. Es heiße nicht lediglich, dass Planung und Ausbau "zu betreiben" seien; vielmehr sei Streitgegenstand dieses Verfahrens insbesondere die Regelung, dass "eine Erweiterung über das bestehende Start- und Landesystem hinaus zu planen und zu realisieren sei." Das Wort realisieren definiere das streitgegenständliche landesplanerische Ziel. Darüber hinaus postuliere die hier streitgegenständliche Regelung konkret die Zielsetzung des "Ausbaues über das bestehende Start- und Landesystem hinaus". Neben diesem eindeutigen Wortlaut habe auch der Sinn und die erklärte Absicht des Plangebers gerade darin bestanden, diese verbindliche Zielsetzung zu regeln.

Der Landesentwicklungsplan sei hinsichtlich der Nr. 7.4. nichtig, weil sie, die Antragstellerin, in Bezug auf die Neuentwicklung des Landesentwicklungsplans im Jahre 1997 nicht ausreichend angehört worden sei. Außerdem sei der LEP im angefochtenen Umfang abwägungsfehlerhaft. Die Änderung des LEP sei parallel zu der ebenfalls beanstandeten Genehmigung des Regionalplans durchgeführt und ebenso wie dieser ohne eine ersichtliche Ermittlung des Abwägungsmaterials gerade hinsichtlich der beanstandeten Zielbestimmung der "Realisierung" des Ausbaues erfolgt.

Darüber hinaus sei zweifelhaft, ob im Wege der Landesentwicklungsplanung die Erweiterung einer Anlage als Planungsziel definiert werden könne, wenn die Anlage selbst nicht rechtmäßig betrieben werde. Der Flughafen Frankfurt/Main sei zu keinem Zeitpunkt planfestgestellt worden. Insbesondere habe für die Lärmbelastung durch den Gesamtbetrieb des Flughafens bisher keine Abwägung der berührten privaten und öffentlichen Belange stattgefunden. Vielmehr sei der Flughafen, insbesondere die Ausbauten der letzten zwanzig Jahre, nicht auf der Grundlage des Luftverkehrsrechts, sondern im Wesentlichen durch Baugenehmigungen genehmigt worden.

Die Antragstellerin beantragt,

Nr. 7.4. des Landesentwicklungsplans Hessen 2000 des Antragsgegners vom 13. 12. 2000 ist nichtig.

Hilfsweise,

Nr. 7.4. des Landesentwicklungsplans Hessen 2000 des Antragsgegners vom 13. 12. 2000 ist insofern nichtig, wie er folgende Sätze enthält: "Der Flughafen Frankfurt/Main soll auch künftig den zu erwartenden Entwicklungen gerecht werden und seine Funktion als bedeutende Drehscheibe im internationalen Luftverkehr sowie als wesentliche Infrastruktureinrichtung für die Rhein-Main-Region erfüllen. Hierzu ist eine Erweiterung über das bestehende Start- und Landesystem hinaus zu planen und zu realisieren."

Der Antragsgegner beantragt,

den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.

Er macht im Wesentlichen geltend, der Antragstellerin stehe keine Antragsbefugnis als Behörde zu, § 47 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative VwGO. Auch eine Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative VwGO scheide aus, weil die Möglichkeit einer Rechtsverletzung der Antragstellerin nicht gegeben sei; der LEP entfalte keine unmittelbaren Rechtswirkungen gegenüber der Antragstellerin. Soweit er mittelbare Wirkungen entfalte, könne die Antragstellerin jedenfalls nicht geltend machen, durch den Plan in absehbarer Zeit in eigenen Rechten verletzt zu werden.

Bei der Zielfestsetzung nach Nr. 7.4. handele es sich zwar gemäß § 3 Nr. 2 ROG um eine verbindliche Vorgabe in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes. Sie stehe aber unter dem selbstverständlichen Vorbehalt, dass ein später daraus folgendes konkretes Vorhaben des Fachplanungsrechtes rechtlich erst und nur dann verwirklicht werden könne, wenn die entsprechenden Anträge von den potentiellen Vorhabenträgern gestellt, die vorgeschriebenen Verfahren durchgeführt und die Voraussetzungen für eine Zulassung des Verfahrens von den dafür zuständigen Behörden festgestellt und die entsprechenden Entscheidungen unanfechtbar geworden seien. An einer Kausalität der von der Antragstellerin geltend gemachten Rechtsverletzung fehle es bereits, weil ein luftverkehrsrechtliches Planfeststellungsverfahren eine vorherige Zielfestsetzung im LEP gar nicht voraussetze. Art, Inhalt und Zeitpunkt eines künftigen Planfeststellungsverfahrens könnten überdies derzeit nicht prognostiziert werden.

Dass der LEP keine direkte Verbindlichkeit gegenüber der Antragstellerin entfalte, ergebe sich bereits aus § 5 Abs. 7 HLPG. In Nr. 7.4. des LEP sei auf der Ebene der Landesplanung keine planerische "Letztentscheidung" gefallen, die ausnahmsweise eine Verbindlichkeit von Zielbestimmungen gegenüber der Antragstellerin hätte auslösen können (§ 3 Abs. 2 ROG). Die Annahme einer solchen landesplanerischen Letztentscheidung erfordere eine besondere inhaltliche Qualität und Bestimmtheit der Zielaussagen. Sie könnten nur dann als Beurteilungsmaßstab für die Zulässigkeit eines raumbedeutsamen Vorhabens dienen, wenn sie sachlich, räumlich und zeitlich hinreichend konkret seien. Sie müssten inhaltlich so bestimmt sein, dass sie der unmittelbaren Rechtsanwendung im Einzelfall zugänglich seien. Die hier enthaltene Zielaussage, die Flughafenerweiterung zu planen und zu realisieren, sei nicht sachlich, räumlich und zeitlich hinreichend konkret bestimmt und damit der Rechtsanwendung im Einzelfall nicht zugänglich. Sie treffe weder zeitliche Angaben, wann ein Ausbau erfolgen solle, noch räumlich abgrenzbare Festlegungen, wohin das bestehende Start- und Landebahnsystem ausgeweitet werden solle. Es bedürfe keiner Erläuterung, dass die geografische Lage einer neuen Start- und Landebahn entscheidend für mögliche Auswirkungen auf eine der anliegenden Gemeinden sei. So wäre die Antragstellerin von einer Nordwestbahn erheblich mehr betroffen als von einer Südbahn. Die Antragstellerin vermöge in diesem Zusammenhang nicht überzeugend zu behaupten, der Plangeber des LEP habe sich mit Nr. 7.4. über den Vorrang des Fachplanungsrechtes des Bundes hinwegsetzen wollen. Die Antragstellerin könne davon ausgehen, dass dem Antragsgegner die Dogmatik und die Hierarchie des Fachplanungsrechtes bekannt sei und dass er diese Grundsätze respektiere. Gegenwärtig könne die Antragstellerin deshalb keinerlei konkrete Beeinträchtigung ihrer Rechte durch den LEP oder durch Zielbestimmungen des LEP geltend machen. Der Plan sei ihr gegenüber unverbindlich. Der Antragstellerin bleibe es unbenommen, ihre bestehende Bauleitplanung zu realisieren und neue Planungen zu betreiben. Aus diesem Grund sei auch die von ihr geltend gemachte Pflicht zur Aufstellung an den LEP angepasster Bauleitpläne aus § 1 Abs. 4 BauGB nicht gegeben.

Aus dem Urteil des OVG Brandenburg vom 24. 08. 2001 - 3 D 4/99.NE - ergebe sich nichts anderes. Ein Vergleich mache deutlich, dass zwischen dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt und der vorliegenden Situation erhebliche Unterschiede bestünden. Die Zielfestsetzung in dem Landesentwicklungsplan, der Grundlage der Überprüfung durch das OVG Brandenburg gewesen sei, habe bereits ein sehr konkretes Ziel verfolgt, nämlich den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld und die Schließung der Stadtflughäfen Berlin-Tegel und Berlin-Tempelhof. Im Vergleich dazu werde im LEP nur die grundsätzliche Aussage in der Zielfestsetzung getroffen, wonach die Flughafenerweiterung "zu planen und zu realisieren" sei. Schon das Wort "planen" belege deutlich, dass die Erweiterung des Flughafens Frankfurt/Main weiterer Konkretisierung bedürfe. Das werde dadurch bestätigt, dass keine Festsetzungen für eine Ausbauvariante getroffen worden seien.

Da es mithin an einer Zielbindung der Antragstellerin fehle, werde diese in ihrer Planungshoheit gemäß Art. 28 GG nicht beeinträchtigt; mangels konkreter Festlegungen werde die Gemeinde weder nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ROG noch nach § 1 Abs. 4 BauGB gebunden; sie brauche daher auch keine Untersagungsverfügung gemäß § 14 HLPG zu befürchten. Auch aus dem landesplanerischen Abwägungsgebot und aus Art. 14 GG könne sie keine Antragsbefugnis herleiten, da auch insoweit eine Rechtsverletzung von vorn herein ausgeschlossen sei.

Das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehle der Antragstellerin ebenfalls. Sie könne, soweit sie den Ausbau des Frankfurter Flughafens verhindern wolle, gegen den (künftigen) Planfeststellungsbeschluss vorgehen. Das vorliegende Verfahren diene lediglich der Verzögerung und sei daher rechtsmissbräuchlich.

Im Übrigen sei der Normenkontrollantrag auch unbegründet. Eine von der Antragstellerin geforderte zweite frühzeitige Beteiligung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 HLPG sei nicht erforderlich gewesen. Der für die Anhörung maßgebliche Verfahrensschritt habe nach der Beteiligung Dritter im Sinne des § 5 Abs. 3 HLPG ordnungsgemäß stattgefunden. Auch die Antragstellerin habe Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten und hiervon mit Schreiben vom 26. 06. 2000 Gebrauch gemacht. Dementsprechend habe die Antragstellerin nach der neuen Zielsetzung durch die neue Landesregierung ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Damit sei dem Anhörungsgebot nach § 5 Abs. 3 und 4 HLPG Genüge getan.

Auch die von der Antragstellerin gerügte mangelnde Begründung der Zielfestsetzung 7.4. ändere daran nichts. Die Antragstellerin vertrete die Auffassung, für eine ordnungsgemäße Anhörung wäre es erforderlich, dass die Zielbestimmung eine umfangreiche Begründung hätte enthalten müssen, damit sich die Gemeinde damit umfassend hätte auseinandersetzen können. Es widerspreche jedoch keinem Grundsatz der Anhörung, wenn eine Zielfestsetzung nicht umfangreich begründet werde. Es komme einzig auf die Aussage der Zielfestlegung an, zu der die Antragstellerin - wie sie selbst ausführe - angehört worden sei.

Der LEP sei auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Mangels verbindlicher Festsetzungen tangiere er die Planungshoheit der Antragstellerin nicht einmal; von einer Rechtsverletzung könne daher keine Rede sein.

Auch der geltend gemacht Abwägungsfehler liege nicht vor.

Soweit die Antragstellerin die angeblich fehlende Planfeststellung des Flughafens Frankfurt/Main rüge, sei nicht ersichtlich, wie sich dies überhaupt auf die Rechtmäßigkeit des Landesentwicklungsplanes auswirken solle. Auch die Antragstellerin vermöge dies nicht zu begründen.

Daher seien sowohl der Hauptantrag als auch der Hilfsantrag abzulehnen.

Die den LEP betreffenden Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (12 Leitz-Ordner) liegen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Der zugleich gestellte "Hilfsantrag" ist kein echter Hilfsantrag, nämlich kein Eventualantrag, sondern als minus im Hauptantrag enthalten. Über den "Hilfsantrag" ist nicht gesondert zu entscheiden. Der Normenkontrollantrag ist statthaft. Die Rechtsverordnung über den Landesentwicklungsplan Hessen 2000 vom 13.12.2000 ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, deren Gültigkeit von dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 15 Abs. 1 HessAGVwGO überprüft werden kann.

Die zweijährige Antragsfrist (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) ist gewahrt.

Die Antragsbefugnis richtet sich nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Danach kann u. a. jede juristische Person einen Normenkontrollantrag stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Hierbei sind an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung keine höheren Anforderungen zu stellen als sie auch für die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO gelten (BVerwG, Urteil v. 24.09.1998, BRS 60 Nr. 46 = NJW 1999, 592). Danach genügt der Antragsteller seiner Darlegungspflicht, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch Festsetzungen der angegriffenen Norm in einem Recht verletzt wird.

Eine mögliche Rechtsverletzung würde hier von vornherein ausscheiden, wenn feststünde, dass der Landesentwicklungsplan keine unmittelbare oder mittelbare Bindung für Gemeinden enthalten kann. Aus § 5 Abs. 7 HLPG ergibt sich keine unmittelbare Bindungswirkung für Gemeinden, denn nach Satz 1 dieser Vorschrift, ist der LEP für Behörden des Bundes, des Landes und für die Regionalplanung verbindlich. Zum Kreis dieser Adressaten gehört die Antragstellerin nicht. Auch aus sich selbst heraus erhebt der angefochtene LEP keinen unmittelbaren Geltungsanspruch an die Gemeinden.

Eine Bindungswirkung ergibt sich aber unmittelbar bundesrechtlich aus § 5 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 5 ROG a.F. (jetzt § 4 Abs. 1 ROG i.V.m. § 3 Nr. 2 und Nr. 5 ROG). Diese Vorschriften gehören nicht lediglich zum Rahmenrecht, sondern gelten unmittelbar, ohne einer weiteren landesrechtlichen Umsetzung zu bedürfen. Nach § 5 Abs. 4 ROG a.F. sind Ziele der Raumordnung von den in § 4 Abs. 5 ROG a.F. genannten Stellen bei Planungen und allen sonstigen Maßnahmen, durch die Grund und Boden in Anspruch genommen oder die räumliche Entwicklung eines Gebietes beeinflusst wird, zu beachten. Zu den in § 4 Abs. 5 ROG a.F. genannten Stellen gehören u. a. die Gemeinden, also auch die Antragstellerin. Ziele der Raumordnung sind verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogene textliche oder zeichnerische Festsetzungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums (vgl. jetzt die Legaldefinition in § 3 Nr. 2 ROG). Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Meinung des Antragsgegners lässt sich aus § 5 Abs. 2 Satz 2 ROG a.F. nicht entnehmen, dass die Länder befugt waren, landesrechtlich über eine Anpassungspflicht der Gemeinden an Ziele der Raumordnung und Landesplanung zu befinden. Vielmehr ist in § 5 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 5 ROG a.F. die Pflicht der Gemeinden, Ziele der Raumordnung und Landesplanung zu beachten, abschließend geregelt. § 5 Abs. 2 Satz 2 ROG a.F. erlegt den Trägern der Raumordnungs- und Landesplanung lediglich die Pflicht auf, die betroffenen Gemeinden bei der Aufstellung der Ziele zu beteiligen. Soweit in dieser Vorschrift vorausgesetzt wird, dass es auch Gemeinden gibt, für die keine Anpassungspflicht durch eine Zielfestsetzung begründet wird, beruht dies auf dem selbstverständlichen Umstand, dass viele Gemeinden durch zahlreiche landesplanerische Zielfestsetzungen etwa schon aus geographischen Gründen gar nicht betroffen sein können und daher an dieser Zielaufstellung auch nicht zu beteiligen sind. Dementsprechend bezieht sich die in § 5 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz ROG a.F. enthaltene Ermächtigung, "das Nähere" durch Landesrecht zu bestimmen, lediglich auf die Art und Weise der Beteiligung anpassungspflichtiger Gemeinden, nicht aber auf die Frage, ob überhaupt eine Anpassungspflicht begründet wird. Daher ist die Antragsbefugnis der Antragstellerin hier zu bejahen, da sie hinreichend substantiiert darlegt, durch Zielfestsetzungen im Landesentwicklungsplan in eigenen Rechten verletzt zu sein; denn es erscheint als möglich, dass jedenfalls die mit dem Vermerk "Z" bezeichneten Planaussagen unter Nr. 7.4. sowie die beiden Einführungssätze zu Nr. 7.4. als Ziele im Sinne des § 3 Nr. 2 ROG anzusehen sind und gemäß § 5 Abs. 4 ROG a.F. die Antragstellerin binden. Eine ebenfalls mögliche objektive Rechtswidrigkeit der genannten Zielfestsetzungen kann die Antragstellerin bei der Ausübung ihres planerischen Ermessens etwa bei der Aufstellung von Bebauungsplänen beeinträchtigen (§ 1 Abs. 4 BauGB). Es erscheint daher möglich, dass die Antragstellerin in ihrer rechtlich geschützten Planungshoheit gemäß Art. 28 Abs. 2 GG verletzt wird. Eine derartige Rechtsverletzung erscheint auch in absehbarer Zeit als möglich, da die Antragstellerin vorgetragen hat, über hinreichend verfestigte Planvorstellungen zu verfügen.

Soweit die Antragstellerin als juristische Person mithin antragsbefugt ist, ist auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse zu bejahen. Ist - wie hier - die Antragsbefugnis gegeben, so darf das Rechtsschutzbedürfnis nur in engen Grenzen verneint werden (BVerwG, Beschluss v. 07.03.2002 - 4 BN 60.01 - UPR 2002 S. 231 - 233), etwa dann, wenn sich die Inanspruchnahme des Gerichts als nutzlos erweist, weil der Antragsteller seine Rechtsstellung mit der begehrten Normenkontrollentscheidung nicht verbessern kann. Gesichtspunkte, die einen Vorteil der Antragstellerin durch die von ihr angestrebte Normenkontrollentscheidung ausschließen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Möglichkeit einer nachfolgenden Inzidentprüfung von Zielfeststellungen des LEP im Rahmen einer Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses bezüglich des Flughafens Frankfurt/Main stellt das Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Normenkontrollverfahren nicht in Frage. Andernfalls würde Normenkontrollklagen fast immer das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, weil die Inzidentprüfung der Gültigkeit von untergesetzlichen Normen in aller Regel von Normenkontrollklägern im Rahmen anderer gerichtlicher Verfahren erreicht werden könnte. Insbesondere ist es nicht rechtsmissbräuchlich, wenn Antragsteller nicht erst das Planfeststellungsverfahren abwarten, sondern bereits im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens die Gültigkeit eines Landesentwicklungsplans zur gerichtlichen Überprüfung stellen.

Der Normenkontrollantrag ist teilweise begründet.

Der Landesentwicklungsplan ist allerdings entgegen der Auffassung der Antragstellerin verfahrensfehlerfrei zu Stande gekommen. Die Antragstellerin macht in diesem Zusammenhang geltend, wegen der vollständigen Überarbeitung des Planentwurfes sei es erforderlich gewesen, das Planverfahren nochmals zu beginnen und ihr erneut eine frühzeitige Beteiligung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 HLPG zu ermöglichen. Dies ist jedoch nicht erforderlich gewesen. § 5 Abs. 1 HLPG, der die erste Phase der Planaufstellung regelt, setzt gar nicht voraus, dass den zu beteiligenden Institutionen überhaupt ein "Vorentwurf" zugeleitet wird. Dementsprechend ist in § 5 Abs. 1 Satz 2 HLPG auch nicht von einer Anhörung, sondern nur davon die Rede, dass den genannten Institutionen "frühzeitig Gelegenheit gegeben (wird), an der Ausarbeitung des Entwurfes mitzuwirken". Ziel der Mitwirkung ist somit nicht die Anhörung zu einem mehr oder minder konkreten Entwurf, sondern die Möglichkeit, generell Anregungen und Wünsche in den Planungsprozess einzutragen. Dieses Ziel konnte die im zweiten Quartal 1996 erfolgte frühzeitige Beteiligung unabhängig vom Inhalt des Vorentwurfes mit Wirkung für das gesamte Planungsverfahren erreichen. Von entscheidender Bedeutung ist die förmliche Anhörung zu dem gemäß § 5 Abs. 2 HLPG erarbeitete Entwurf, die im Einklang mit § 5 Abs. 3 HLPG auch tatsächlich stattgefunden hat. Durch diesen Verfahrensschritt hat die Antragstellerin die Möglichkeit gehabt, zu allen maßgeblichen Festsetzungen und Planaussagen Stellung zu nehmen und ihre Rechte und Belange zur Geltung zu bringen. Damit ist den Verfahrenserfordernissen des § 5 HLPG in vollem Umfang Genüge getan. Die nach der Anhörung erfolgten Änderungen der Planzeichnung (Planungsraum für überregional bedeutsame Infrastruktur) begründen keine Anpassungspflichten der Gemeinden. Es handelt sich bei der streitigen Rotschraffur lediglich um eine Illustration, die die textlichen Planaussagen anschaulicher macht. Eine inhaltliche Veränderung des Festlegungsgehaltes des Landesentwicklungsplans ist damit nicht verbunden. Dementsprechend waren die Vertreter der sieben antragstellenden Gemeinden in den mündlichen Verhandlungen nicht in der Lage darzutun, in welcher Hinsicht sich die von ihnen vertretenen Gemeinden im Rahmen der Anhörung gemäß § 5 Abs. 3 HLPG anders geäußert hätten, wenn die Rotschraffur bereits in der im Rahmen des Anhörungsverfahrens übersandten Karte enthalten gewesen wäre. Da die Rotschraffur lediglich illustrierenden Charakter hat, löste diese Veränderung der Planzeichnung keine Verpflichtung des Antragsgegners aus, das Anhörungsverfahren noch einmal zu wiederholen.

Der Landesentwicklungsplan enthält unter der Nr. 7.4. eine nicht ordnungsgemäß abgewogene Zielfestlegung. Nach § 3 Nr. 2 ROG sind Ziele der Raumordnung verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes. Auch wenn diese Legaldefinition auf die hier zu beurteilende Rechtsverordnung noch keine Anwendung findet, weil mit der Einleitung bzw. Aufstellung der Verordnung vor dem 1. Januar 1998 begonnen worden ist (vgl. § 23 Abs. 1 ROG) und eine Legaldefinition in der früheren Fassung des Raumordnungsgesetzes nicht existierte, so war der entsprechende Rechtsbegriff bereits durch die Rechtsprechung (insbesondere BVerwG, Beschluss v. 20.08.1992 - 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, 329) in diesem Sinn verstanden worden. Dabei ist zu beachten, dass der LEP, auf der obersten Stufe der Landesplanung angesiedelt, notwendigerweise nur Grundsatzentscheidungen treffen kann. Die landesplanerische Letztentscheidung beruht auf einem Ausgleich spezifisch landesplanerischer Konflikte und auf einer Abwägung landesplanerischer Gesichtspunkte. Sie bietet Lösungen, die auf landesplanerischer Ebene keiner Ergänzung mehr bedürfen, auf der nachgeordneten Planungsstufe jedoch grundsätzlich noch einer Verfeinerung und Ausdifferenzierung zugänglich sind (BVerwG, a.a.O., S. 334). Eine weitere Ausfüllungsmöglichkeit oder -bedürftigkeit landesplanerischer Festsetzungen steht der Annahme der gegebenen Zielqualität fraglicher Planaussagen nicht entgegen. Je nachdem, ob ein Ziel eine eher geringe inhaltliche Dichte aufweist, die Raum für eine Mehrzahl von Handlungsalternativen lässt, oder durch eine hohe Aussageschärfe gekennzeichnet ist, die der nachfolgenden Planung enge Grenzen setzt, entfaltet es schwächere oder stärkere Rechtswirkungen. Diese relative Offenheit der zielförmigen Vorgaben ändert indes nichts daran, dass die untergeordneten Planungsträger an die Ziele landesplanerischer Letztentscheidungen strikt gebunden sind (BVerwG, a.a.O.). Um die Zielqualität einer Festlegung im Raumordnungsplan zu gewährleisten, muss mit hinreichender Sicherheit ermittelbar sein, auf welchen Teilraum, Bereich oder Standort sich eine Festlegung bezieht. Hinzu kommen muss eine Handlungsanweisung, was hinsichtlich dieses Sachbereichs geschehen soll und was zu unterbleiben hat. Für den Zieladressaten muss ermittelbar sein, hinsichtlich welcher der von ihm zu verantwortenden raumbedeutsamen fachlichen Gestaltungsbereiche im Sinne raumbedeutsamer Planungen oder Maßnahmen welches Tun oder Unterlassen gefordert wird (Runkel in Bielenberg/Runkel/Spanowski, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Komm. Rdnr. 31 und 32 zu § 3 ROG und von der Heide in Cholewa/Dyong/von der Heide/Arenz, Raumordnung in Bund und Ländern, Komm. Rdnr. 14 zu § 3 ROG). Soweit in § 3 Nr. 2 ROG weiter normiert ist, dass es sich um eine abschließend abgewogene Festsetzung handeln muss, bedeutet dies, dass es sich um eine Entscheidung handelt, die keiner weiteren Abwägung auf unteren Planungsstufen mehr zugänglich sein soll (ein Abwägungsmangel stellt nicht den Charakter als Zielfestsetzung, sondern deren Rechtmäßigkeit in Frage; ebenso OVG Brandenburg, Urteil v. 24.08.2001 - 3 D 4/99.NE -).

Gemessen an diesem Maßstab enthält Nr. 7.4. des LEP teilweise eine von der Antragstellerin zu beachtende Zielfestsetzung.

Für die Gemeinden verbindliche Zielfestsetzungen im LEP werden nicht dadurch ausgeschlossen, dass in Nr. 1.2. Abs. 3 LEP ausgeführt wird, der Landesgesetzgeber habe von der im Raumordnungsgesetz vorgesehenen Bindungswirkung gegenüber den Kommunen keinen Gebrauch gemacht. Wie bereits oben ausgeführt, war die Zielbindung der Gemeinden an im LEP festgesetzte "verbindliche Vorgaben" bundesrechtlich in § 5 Abs. 4 i.V.m. § 4 ROG a. F. abschließend geregelt. Diese Vorschriften galten unmittelbar und bedurften keiner landesrechtlichen Transformation. Eine ausdrückliche Entlassung aus der Zielbindung enthält § 5 Abs. 7 HLPG nicht. Das Schweigen der landesrechtlichen Regelung zur Zielgebundenheit der Gemeinden kann bei bundesrechtskonformer Auslegung ebenfalls nicht als Entlassung der Gemeinden aus der raumordnungsrechtlichen Zielbindung verstanden werden, da § 5 Abs. 4 ROG a. F. nicht abbedungen werden kann. Die dem widersprechende Aussage in Nr. 1.2. Abs. 3 Satz 1 LEP verstößt gegen § 5 Abs. 4 ROG a. F. und ist daher nichtig (ebenso Runkel, a.a.O., Rdnr. 6 zu § 4). Im Übrigen ist den Aussagen in Nr. 1.2.LEP (insbesondere in Abs. 1) aber zu entnehmen, dass sich der Verordnungsgeber an die Begrifflichkeit des Raumordnungsgesetzes anlehnt und bewusst und gewollt im Landesentwicklungsplan verbindliche Vorgaben im Sinne von § 6 Abs. 3 HLPG und damit Ziele im Sinne von § 3 Nr. 2 ROG festgesetzt hat. Denn in Nr. 1.2 Abs. 3 Satz 2 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Fachbehörden und Regionalplanung "verbindliche Vorgaben" des LEP "zu beachten" haben und dass diese Festsetzungen "einer Abwägung nicht mehr zugänglich sind".

Nr. 7.4. LEP enthält in der Sache nur teilweise verbindliche Vorgaben, also Ziele der Raumordnung im Sinne von § 3 Nr. 2 ROG. Die ersten beiden Sätze, die Nr. 7.4. LEP einleiten, enthalten lediglich allgemeine programmatische Aussagen zur Erhaltung und Stärkung des Stellenwertes des Flughafens Frankfurt/Main und zu Gunsten der Ergebnisse des Mediationsverfahrens. Konkrete Entscheidungen für bestimmte Maßnahmen oder auch eine strikte Bindung an die Ergebnisse des Mediationsverfahrens sind damit nicht verbunden. Entsprechendes gilt für Nr. 7.4. LEP Abs. 2 Sätze 1, 3, 4, 5 und 6. Auch insoweit handelt es sich um bloße Absichtserklärungen, die nicht geeignet sind, irgendwelche Anpassungs- oder Beachtenspflichten der Antragstellerin auszulösen. Die Antragstellerin macht dies auch selbst gar nicht geltend. Etwas anderes gilt jedoch für den Satz: "Hierzu ist eine Erweiterung über das bestehende Start- und Landesbahnsystem hinaus zu planen und zu realisieren". Dieser Satz enthält für die nachgeordneten Planungsstufen konkrete Vorgaben und löst teilweise bereits auch Beachtenspflichten seitens der Antragstellerin aus. Zuerst ist von Bedeutung, dass durch diesen Satz erstmals seit der Errichtung der Startbahn West die Beschränkung des Betriebs des Frankfurter Flughafens auf das vorhandene Gelände in Frage gestellt wird. Damit wird allerdings zunächst nur die bislang bestehende Schranke für nachfolgende Planungsebenen geöffnet. Die bloße Aufhebung der Festschreibung des Status quo würde für sich genommen lediglich eine Öffnung für weitergehende Überlegungen darstellen, ohne selbst ein Ziel darzustellen. Im Hinblick auf den übrigen Text in Nr. 7.4. ergibt sich aus dem hier untersuchten Satz noch die weitere (negative) Aussage, dass neue Kapazitäten nicht etwa durch einen zweiten internationalen Flughafen in Hessen gewonnen werden sollen. Auch diese Planaussage löst keine Beachtenspflichten für die Antragstellerinnen aus. Der darüber hinaus festgesetzte konkrete Auftrag zur Planung einer Erweiterung des Flughafens am vorgesehenen Standort löst dagegen bereits eine Beachtenspflicht der Antragstellerin aus. Denn bereits das Gebot zur Planung einer Erweiterung schließt eine "Nullvariante" aus. Daher muss die Antragstellerin mindestens damit rechnen, dass die für sie günstigste der derzeit diskutierten 3 Planungsvarianten nicht mehr in Frage gestellt werden darf. Da die Antragstellerin nach ihrem vom Antragsgegner nicht substantiiert bestrittenen Vorbringen auch bei der für sie günstigsten Ausbauvariante mit einer Zunahme von siedlungsrelevantem Lärm in ihrem Gebiet rechnen muss, ist sie verpflichtet, diesen Umstand bei ihren eigenen Planungen und Maßnahmen zu beachten. Dies gilt erst recht im Hinblick auf die letzten drei Worte des hier untersuchten Satzes, der einen Auftrag zur Realisierung der Erweiterung enthält. Durch diese Worte ist eindeutig festgelegt, dass die nachfolgenden Planungsstufen nicht zu einer Nullvariante führen dürfen und dass alle etwa entgegenstehenden Belange unter allen Umständen überwunden werden müssen. Damit ist bereits eine landesplanerische Letztentscheidung getroffen, die allen öffentlichen Stellen eine verbindliche Vorgabe im Sinne von § 3 Nr. 2 ROG gibt. Dementsprechend hat auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg (a.a.O.) die Planaussagen im gemeinsamen Landesentwicklungsplan für den engeren Verflechtungsraum Brandenburg/Berlin, wonach das dortige Flughafensystem aus einem einzigen Verkehrsflughafen am Standort Berlin-Schönefeld bestehen solle, bereits als Zielbindung im Sinne von § 3 Nr. 2 ROG angesehen.

Diese Zielfestsetzung in Nr. 7.4. LEP ist in Ermangelung einer ordnungsgemäßen Abwägung ungültig. Die mit einer solchen Zielfestsetzung verbundene Abschneidung der Erwägung etwa entgegenstehender Belange setzt voraus, dass diese bereits auf der Ebene der Landesplanung, und zwar abschließend abgewogen worden sind. Daran fehlt es jedoch schon deshalb, weil die einem Flughafenausbau möglicherweise entgegenstehenden Belange etwa bezüglich der Anzahl der künftig möglichen Flugbewegungen, der Lärmsorten sämtlicher Verkehrsträger, die faktischen Vogelschutzgebiete und die potenziellen FFH-Gebiete gar nicht erhoben worden sind. Dies stellt der Antragsgegner auch gar nicht in Abrede. Vielmehr macht er geltend, er habe ebenenspezifisch abgewogen; all diese Gesichtspunkte könnten im Planfeststellungsverfahren geprüft werden. Dies ist jedoch unzutreffend, da die landesplanerische Letztentscheidung für eine Erweiterung des Lande- und Startbahnsystems des Flughafens Frankfurt/Main im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Der Abwägungsmangel hat die Nichtigkeit von Nr. 7.4. Abs. 2 Satz 2 LEP zur Folge.

§ 10 Abs. 2 Nr. 2 ROG, demzufolge die Beachtlichkeit von Abwägungsmängeln ausgeschlossen werden kann bei Abwägungsmängeln, die weder offensichtlich noch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind, ist landesrechtlich nicht umgesetzt und findet auf den vorliegenden Plan ohnehin gemäß § 23 Abs. 1 ROG keine Anwendung.

Der Senat hatte keinen Anlass, der von der Antragstellerin aufgeworfenen Frage nachzugehen, ob im Wege der Landesentwicklungsplanung die Erweiterung einer Anlage als Planungsziel definiert werden kann, wenn die Anlage selbst nicht rechtmäßig betrieben wird. Zum einen sind konkrete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des derzeitigen Betriebes des Flughafens im vorliegenden Verfahren nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Zum anderen ist nicht ersichtlich, inwiefern die geltend gemachten Bedenken der Antragstellerin die Rechtmäßigkeit des Landesentwicklungsplans in Frage stellen könnten.

Die festgestellte Teilnichtigkeit des Landesentwicklungsplans führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der gesamten Nr. 7.4. LEP oder gar des gesamten LEP. Nr. 7.4. Abs. 2 Satz 2 LEP lässt sich streichen, ohne dass der Gesamtzusammenhang des LEP davon tangiert würde. Lediglich der in Nr. 1.2. des Landesentwicklungsplans enthaltene Satz: "Deshalb hat der Landesgesetzgeber auch von der im ROG vorgesehenen Bindungswirkung gegenüber den Kommunen keinen Gebrauch gemacht und es dabei belassen, mit den Vorgaben des Landesentwicklungsplans nur die Fachbehörden und die Regionalplanung zu binden", der wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 5 ROG a. F. (jetzt § 4 Abs. 1 ROG i.V.m. § 3 Nr. 2 und Nr. 5 ROG) nichtig ist, steht in untrennbarem Regelungszusammenhang zu Nr. 7.4. Abs. 2 Satz 2 LEP und ist daher über den von der Antragstellerin gestellten Antrag hinaus für nichtig zu erklären (Hess. VGH, Beschluss vom 24.01.1989 - 4 N 8/82 - BRS 49 Nr. 8).

Der Antragsgegner hätte die übrigen Planaussagen des LEP vermutlich auch dann getroffen, wenn er gewusst hätte, dass Nr. 7.4. Abs. 2 Satz 2 und Nr. 1.2. Absatz 3 Satz 1 LEP nichtig sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Da die Antragstellerin durch die im vorliegenden Urteil erfolgte Nichtigerklärung von Nr. 7.4. Abs. 2 Satz 2 LEP das wesentliche Ziel ihres Normenkontrollantrages erreicht hat, ist ihr teilweises Unterliegen als ganz geringfügig zu bewerten. Daher hat der Senat von der Regelung des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO Gebrauch gemacht und dem Antragsgegner die Kosten des vorliegenden Verfahrens ganz auferlegt.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO entsprechend.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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