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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.04.2005
Aktenzeichen: 4 Q 3637/04
Rechtsgebiete: GG, HLPG, LuftVG, ROG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 28 Abs. 2
HLPG § 12
HLPG § 18
HLPG § 4
LuftVG § 9 Abs. 1
ROG § 11
VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 48 Abs. 1 Nr. 6
VwGO § 80a Abs. 3
1. Die Konzentrationswirkung eines luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses nach § 9 Abs. 1 LuftVG erfasst auch die Entscheidung über die Zulassung einer Abweichung von Zielen eines Regionalplans nach § 12 HLPG.

2. Dem Antrag eines Landkreises auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zulassung einer Abweichung vom Regionalplan fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn bereits vor Klageerhebung gegen die Zulassung der Abweichung der luftverkehrsrechtliche Planfeststellungsbeschluss über die Zulassung des Vorhabens erlassen und von dem Landkreis angefochten worden ist.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

4. Senat

4 Q 3637/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Zulassung einer Abweichung vom Regionalplan Südhessen 2000

hier: Aussetzung der sofortigen Vollziehung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 4. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Koch, Richter am Hess. VGH Schröder, Richter am Hess. VGH Dr. Dittmann, Richter am Hess. VGH Heuser, Richter am Hess. VGH Schönstädt

am 13. April 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die sofort vollziehbare Entscheidung des Antragsgegners, eine von der Beigeladenen beantragte Abweichung von dem neu genehmigten Regionalplan Südhessen 2000 (RPS 2000) für die geplante A 380-Werft am Flughafen Frankfurt Main zuzulassen.

Mit Schreiben vom 27.08.2004 hat die Beigeladene bei dem Regierungspräsidium Darmstadt einen Antrag auf Zulassung einer Abweichung vom RPS 2000 für eine geplante A 380-Werft südlich des derzeitigen Flughafengeländes gestellt. Zugelassen werden sollten Abweichungen von den Zielen Nr. 3.1-2 (Regionale Grünzüge), Nr. 4.1-5 in Verbindung mit 4.1-7 (Bereiche für die Grundwassersicherung) und Nr. 10.2 bis 14 (Waldbereich, Bestand). Gleichzeitig beantragte sie, den Sofortvollzug der Abweichungszulassung anzuordnen.

Die vorgesehene Wartungshalle (Länge ca. 350 m, Breite ca. 140 m und Höhe 45 m) umfasst vier Wartungsplätze für Flugzeuge des Typs A 380 bzw. sechs Flugzeuge des Typs B 747. Nördlich der Werfthalle ist eine 8,79 ha große Wartungsfläche mit einer Abstellfläche für maximal drei Flugzeuge des Typs A 380 vorgesehen. Durch das Vorhaben der Beigeladenen werden etwa 22 ha Fläche in Anspruch genommen bzw. verinselt, die im RPS 2000 als Regionaler Grünzug ausgewiesen sind. Davon sind 21,5 ha als Waldbereich, Bestand als Ziel Nr. 10.2-14 RPS 2000 dargestellt. Mit 13 ha Fläche liegt das Vorhaben ferner in dem als Ziel Nr. 4.1-5 in Verbindung mit Nr. 4.1-7 RPS 2000 festgesetzten Bereich für Grundwassersicherung.

Bereits mit Schreiben vom 14.07.2004 hat die Beigeladene unter Änderung ihres ursprünglichen Antrags bei dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung den Antrag auf Planfeststellung für das Vorhaben der A 380-Werft gestellt und hierfür u. a. eine neue Umweltverträglichkeitsprüfung, eine FFH-Verträglichkeitsprüfung sowie die Verträglichkeitsprüfung für das EU-Vogelschutzgebiet vorgelegt.

Zu der von der Beigeladenen beantragten Zulassung der Abweichung hat der Antragsteller, neben anderen, mit Schreiben vom 14.10.2004 ausführlich Stellung genommen und die Verletzung von Verfahrensvorschriften und materiellem Recht gerügt.

Die Regionalversammlung Südhessen hat in ihrer Sitzung vom 05.11.2004 die Zulassung der Abweichung von den Zielen des neu genehmigten RPS 2000 für das Vorhaben A 380-Werft beschlossen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Abweichungsentscheidung wurde abgelehnt. Die Entscheidung der Regionalversammlung wurde der Beigeladenen mit Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 17.11.2004 bekannt gegeben. Zur Begründung der Abweichungszulassung wird ausgeführt, die von der A. vorgenommenen Umplanungen - Verlegung des Tors 31 an die Westseite der geplanten Werfthalle, Wegfall des Parkhauses und damit möglichen Optimierung der Trasse der zu verlegenden Okrifteler Straße - hätten eine deutlich geringere Flächeninanspruchnahme und eine Reduzierung der Verinselung von Waldflächen von 19 ha auf 1,5 ha zur Folge. Gegenüber der ursprünglichen Planung verringere sich die vorgesehene Inanspruchnahme von Flächen des Regionalen Grünzugs einschließlich Verinselung von rund 42 ha auf 22 ha. Die Abweichung könne zugelassen werden, da gewährleistet sei, dass mögliche Summationseffekte mit dem Projekt kapazitiver Ausbau im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu diesem Projekt berücksichtigt werden könnten. Nach der im Rahmen des Abweichungsverfahrens durchgeführten Prüfung sei aus raumordnerischer Sicht eine Zulassung der Abweichung möglich.

Mit der erneuten Genehmigung des RPS 2000 durch die Landesregierung sei diese Grundlage für die Abweichungsentscheidung und der Regionale Raumordnungsplan Südhessen 1995 aufgehoben worden. Die Abweichungszulassung sei nicht an die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens gebunden. § 12 Abs. 1 HLPG untersage keine isolierte Abweichungsentscheidung, wenn dies aus sachlichen Gründen geboten sei.

Die begehrte Zulassung der Abweichung bedürfe nicht der Durchführung einer Plan-Umweltprüfung, da es sich nicht um die Aufstellung oder Änderung eines Raumordnungsplans gemäß § 7 Abs. 5 ROG, sondern um die Befreiung von Zielfestlegungen eines geltenden Plans handele. Ein Änderungsverfahren zum Regionalplan sei dann durchzuführen, wenn sich aus einer Kapazitätserweiterung des Flughafens Siedlungs- oder sonstige Flächenrestriktionen ergäben. Hier gehe es jedoch nicht um die Kapazitätserweiterung des Flughafens, sondern um die Anpassung der bestehenden Wartungseinrichtungen an die zukünftige Flottenstruktur. Die Erweiterung der Einrichtungen für die Flugwartungen diene der Erfüllung der im Luftverkehrsrecht geregelten Anforderungen an die Wartung von Luftfahrzeugen. Die DLH beabsichtige als Hauptnutzerin des Flughafens Frankfurt Main, dort ihre künftige A 380-Flotte zu stationieren und ihre bestehende Interkontinentalflotte auszubauen. Ein Verzicht auf die Bereitstellung von Wartungseinrichtungen für das Großraumflugzeug würde einen deutlichen Nachteil im Wettbewerb mit anderen Hubs darstellen. Für die A 380-Werft stehe nach derzeitigem Planungs- und Kenntnisstand kein besser geeigneter Standort auf dem Flughafengelände und seiner Umgebung zur Verfügung. Genauere Untersuchungen zu möglichen Standortalternativen auf dem Flughafengelände, die Details der baulichen Anlagen und des Wartungs- und Betriebskonzepts berührten, gingen über Prüfumfang und Prüftiefe eines Abweichungsverfahrens hinaus.

Die Grundzüge des Regionalplans würden durch das Vorhaben nicht berührt. Die Regionalversammlung habe mit der Neufassung des Kapitels 7.4 Luftverkehr am 10.12.1999 eine Erweiterung des Flughafens über den bestehenden Zaun hinaus nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen. Auswirkungen über den vom Vorhaben unmittelbar betroffenen Bereich hinaus seien nicht erkennbar. Die Eingriffe in den Regionalen Grünzug, den Waldbestand und den Bereich für die Grundwassersicherung erreichten insgesamt nicht eine Dimension, die die Grundkonzeption des Plans hinsichtlich Freiraumschutz und -entwicklung sowie die angestrebte regionale Freiraumstruktur in Frage stelle. Ein Verstoß gegen den LEP Hessen 2000 liege ebenfalls nicht vor. Das Vorhaben entspreche dem allgemeinen Ziel 7.4 des LEP, nach dem der Flughafen künftigen Entwicklungen gerecht werden solle. Die Verlegung der Okrifteler Straße sei eine notwendige Folgemaßnahme gemäß § 75 HVwVfG. Durch die Abweichungsentscheidung werde kein neuer Trassenverlauf dieser Kreisstraße verbindlich festgestellt.

Mit dem Vorhaben werde zwar in den Regionalen Grünzug in einer Größenordnung von ca. 22 ha eingegriffen, dieser Verlust sei jedoch qualitativ und quantitativ nicht so gravierend, dass damit die Funktion des Regionalen Grünzugs und das damit verfolgte Ziel der Freiraumsicherung im Verdichtungsraum sowie im Flughafenumfeld insgesamt in Frage gestellt werde. Gründe des öffentlichen Wohls lägen für das Vorhaben vor. Verkehrsflughäfen erfüllten in gleicher Weise wie öffentliche Straßen und Schienenanbindungen öffentliche Infrastrukturaufgaben. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung vom Ziel 10.2-14 RPS 2000 seien gegeben. Das Vorhaben sei nach dem derzeitigen Planungs- und Kenntnisstand aus raumordnerischer Sicht außerhalb des Waldes nicht realisierbar und sei mit dem Verlust von ca. 21,5 ha Wald, davon ca. 13,5 ha Bannwald, verbunden. Nach der vorliegenden Kompensationsplanung sei der Verlust ausgleichbar. Angesichts der Bedeutung des Vorhabens für das öffentliche Interesse und der erkennbaren Kompensationsmöglichkeiten erscheine die Abweichungszulassung vertretbar. Dasselbe gelte für die Abweichung vom Zielbereich für die Grundwassersicherung in Ziffer 4.1-7, da u. a. eine Gefährdung der Wasserversorgung nicht gegeben sei. Der aus Sicht der Raumordnung vorzunehmenden FFH-Verträglichkeitsprüfung liege die von der Beigeladenen vorgelegte FFH-Verträglichkeitsstudie zugrunde, wonach die Beeinträchtigung der Population der Bechsteinfledemaus durch die Flächeninanspruchnahme von nur zwei Prozent des potentiellen Lebensraums der Fledermäuse nicht als erheblich eingestuft werde. Dasselbe gelte auch für die Population von Hirschkäfer und Kammmolch.

Bei dem Teilgebiet "Mark- und Gundwald zwischen Rüsselsheim und Walldorf" des großen Vogelschutzgebiets "Mönchbruch und Wälder bei Mörfelden-Walldorf und Groß-Gerau" handele es sich nicht um ein faktisches Vogelsschutzgebiet, da die endgültige Unterschutzstellung und damit eine rechtsverbindliche, außenwirksame und endgültige Gebietsausweisung durch Verordnung vom 18.08.2004 erfolgt sei. Es seien zwar für den Mittelspecht, den Schwarzspecht, den Neuntöter und die Hohltaube Beeinträchtigungen zu erwarten, angesichts der Populationsgrößen und der Tatsache, dass es zu keiner Verschlechterung der Erhaltungszustände der maßgeblichen Vogelarten kommen werde, könne jedoch davon ausgegangen werden, dass die Beeinträchtigungen nicht erheblich seien.

Mit Bescheid vom 17.11.2004 hat das Regierungspräsidium Darmstadt die sofortige Vollziehung der Zulassung der Abweichung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, die von der Regionalversammlung abgelehnte Anordnung der sofortigen Vollziehung werde gemäß § 12 Abs. 4 HLPG durch die obere Landesplanungsbehörde ersetzt. Die Ersetzungsbefugnis sei nicht auf die Grundentscheidung beschränkt, sondern erfasse auch die Entscheidung über den Sofortvollzug. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei fachaufsichtlich geboten, denn es liege sowohl im öffentlichen Interesse als auch im überwiegenden Interesse der A., dass mit der Verwirklichung des Vorhabens sofort und nicht erst nach Abschluss eines Klageverfahrens begonnen werden könne. Die Errichtung der A 380-Werft sei ein wesentlicher Beitrag, um die Funktionsfähigkeit des Flughafens Frankfurt Main und seine wirtschaftliche Bedeutung für die Region zu gewährleisten. Aus dem Zweck des Vorhabens und seiner weitreichenden Bedeutung folge zugleich, dass seine rechtzeitige Realisierung sichergestellt werden müsse.

Mit Planfeststellungsbeschluss vom 26.11.2004 hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung den Plan zum Bau einer Wartungshalle (A 380-Werft) einschließlich der damit verbundenen Folgemaßnahmen gemäß §§ 8 ff LuftVG festgestellt. Hiergegen wendet sich der Antragsteller in bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof anhängigen Klage- und vorläufigen Rechtsschutzverfahren.

Gegen den Bescheid über die Zulassung der Abweichung vom 17.11.2004 hat der Antragsteller am 24.11.2004 bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof Klage erhoben und mit am 06.12.2004 eingegangenem Antrag die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage begehrt. Zur Begründung seines Antrags macht er geltend, der Antrag sei zulässig. Er, der Antragsteller, sei gemäß entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Ihm oblägen gemäß § 41 Abs. 2 HStrG alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Straße zusammenhängenden Aufgaben. Die von ihm zu beachtende Abweichungsentscheidung greife möglicherweise in seine durch Art. 28 GG geschützte kommunale Planungshoheit ein.

Ihm stehe auch ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite, da ihm nicht zugemutet werden könne, ein Klageverfahren gegen den bereits Fakten schaffenden Planfeststellungsbeschluss abzuwarten.

Der Antrag sei auch begründet. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei bereits aus formellen Gründen rechtswidrig. Das Regierungspräsidium Darmstadt sei nicht befugt gewesen sei, die von der Regionalversammlung abgelehnte Anordnung des Sofortvollzugs zu ersetzen. Die Entscheidung der Regionalversammlung, die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Abweichungsentscheidung abzulehnen, könne nicht durch § 12 Abs. 4 Satz 1 HLPG ersetzt werden, da die Ersetzungsbefugnis ausdrücklich auf die Ersetzung einer Abweichungszulassung oder deren Versagung beschränkt sei und Nebenentscheidungen wie die Anordnung des Sofortvollzugs nicht erfasse.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei aber auch materiell rechtswidrig. Die Abweichungsentscheidung sei wegen Mitwirkung des Mitglieds der Regionalversammlung Helmut F., Leiter des Besucherservice und Marketingleiter bei der Beigeladenen, der sich mehrfach positiv über die Flughafenerweiterung und den Bau der A 380-Werft geäußert habe, nach den §§ 23 Abs. 4 Satz 1 und 2 HLPG, 25 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 6 Satz 1 HGO unwirksam.

Die Abweichungsentscheidung sei auch deshalb rechtswidrig, weil die am 23.08.2004 erteilte Genehmigung des RPS 2000 wegen Verstoßes gegen die §§ 7 und 8 HLPG 1994 unwirksam sei. Die Regionalversammlung hätte zu der neuen Sachlage gehört werden müssen. Es existiere daher kein Ziel, von dem abgewichen werden könne. Es gelte weiter der Regionale Raumordungsplan 1995, der ausdrücklich eine Erweiterung des Flughafenausbaus außerhalb des Flughafenzauns ausschließe. Es gebe daher keine raumordnungsrechtliche Zielfestlegung für Maßnahmen des Flughafenausbaus außerhalb des gegenwärtigen Flughafenzauns, von dem abgewichen werden dürfe.

Die Abweichungsentscheidung sei auch nicht im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 HLPG unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar. Die mit dem Raumordnungsplan verfolgte Grundkonzeption werde durch die Abweichungsentscheidung nicht mehr gewahrt. Nicht zuletzt die gleichsam zu beachtenden Folgewirkungen der Abweichung, wie etwa die damit einhergehende Verlegung der Okrifteler Straße, sprächen dafür, dass durch die Zielabweichung der durch den Raumordnungsplan geschaffene Ausgleich zwischen den vom Plangeber abgewogenen Grundsätzen verschoben werde. Durch die Abwägungsentscheidung, die eine bereichsgenau geänderte Trassenführung der K 152 zum Inhalt habe, greife der Antragsgegner in die ihm, dem Antragsteller, nach § 33 HStrG eingeräumte Kompetenz ein, ein erforderliches Planfeststellungsverfahren einzuleiten. Bei der Verlegung der Okrifteler Straße handele es sich nicht um eine notwendige Folgemaßnahme im Sinne des § 75 HVwVfG. Die jetzt vorgesehene Straßenführung sei nicht geeignet, die Verkehrsprobleme, die sie aufwerfe, zu bewältigen. Ohne eine Verlegung der Okrifteler Straße sei das Vorhaben nicht zu verwirklichen. Die Abweichungsentscheidung treffe eine verbindliche Entscheidung über die Verlegung der Okrifteler Straße, die im Widerspruch zum Planungskonzept des Landkreises stehe. Darüber hinaus sei das der Abweichungszulassung zugrunde liegende Verkehrsgutachten mit schwerwiegenden Mängeln behaftet.

Die Zulassung der Abweichung verstoße auch gegen Nr. 7.4-1 LEP, wonach die Umwelteinwirkungen des Luftverkehrs weiter zu vermindern sind. Erhöhte Umwelteinwirkungen seien u. a. durch die vermehrte Verkehrsbelastung und die Volllastprobeläufe im Freien ohne Lärmschutzeinrichtungen zu erwarten.

Durch den vorgesehenen Waldverlust werde ferner gegen Grundzüge des Regionalplans über die nachhaltige Sicherung des Waldes und seine Funktionen verstoßen. Ein Bedarf für das Vorhaben sei nicht nachgewiesen und es drängten sich auch realistische Alternativen auf.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage vom 22.11.2004 gegen die Abweichungszulassung vom 17.11.2004 wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Antrag sei wegen fehlender Antragsbefugnis des Antragstellers unzulässig. Darüber hinaus sei er auch unbegründet, da die Abweichungsentscheidung formell und materiell rechtmäßig sei und ihre sofortige Vollziehung sowohl im öffentlichen als auch im Interesse der Beigeladenen geboten sei.

Die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte bestehe für den Antragsteller nicht. Durch die Entscheidung, ob für das Vorhaben der A. zum Bau der A 380-Werft von den Festlegungen zum Regionalen Grünzug (Nr. 3.1 RPS 2000), zum Wald (Nr. 10.2 RPS 2000) und zu Bereichen für die Grundwassersicherung (Nr. 4.1 RPS 2000) abgewichen werden dürfe, könnten keine Rechte des Antragstellers verletzt werden. Diese Festlegungen des Regionalplans seien keine Bestimmungen, die dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt seien. Kommunale Gebietskörperschaften könnten sich grundsätzlich nicht auf Belange der Raumordnung und Landesplanung berufen, da die planerischen Festlegungen in der Regel Interessen der Allgemeinheit schützen sollen. Das Zielabweichungsverfahren nach hessischem Landesplanungsrecht zähle nicht zu den sonstigen Erfordernissen der Raumordnung.

Der Antragsteller könne auch nicht geltend machen, er sei deshalb in verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsrechten verletzt, weil die Regionalversammlung Südhessen die Abweichungsentscheidung auch auf die Okrifteler Straße erstreckt habe. Art. 28 Abs. 2 GG enthalte eine institutionelle Garantie der Kreise, nicht aber die Gewährleistung eines bestimmten Aufgabenbereichs. Es sei auch nicht zu sehen, inwieweit der Antragsteller durch die ergangene raumordnerische Entscheidung konkret in seiner Planungshoheit verletzt werde, da durch die Entscheidung der Regionalversammlung kein neuer Trassenverlauf der Kreisstraße verbindlich festgelegt worden sei. Dies bleibe dem entsprechenden Planfeststellungsverfahren vorbehalten. Zudem trage der Antragsteller zu konkreten eigenen Planungen, die mit der Abweichungsentscheidung kollidieren könnten, nichts vor. Das Interesse des Antragstellers an der Wahrung des bestehenden Zustandes der Kreisstraße sei zwar verständlich, stelle jedoch keine dem Vorhaben entgegenstehende Planung dar.

Der Antrag sei auch unbegründet, da die Anordnung des Sofortvollzugs weder formell noch materiell zu beanstanden sei. Das Regierungspräsidium Darmstadt sei zur Anordnung des Sofortvollzugs befugt gewesen. Nachdem die Regionalversammlung die Anordnung der sofortigen Vollziehung abgelehnt habe, habe das Regierungspräsidium Darmstadt im Wege der Ersetzung den Sofortvollzug der Abweichungszulassung anordnen dürfen.

Die Mitwirkung des Mitglieds der Regionalversammlung F. an der Abstimmung über die Zulassung der Abweichung stelle keinen Verstoß gegen § 25 Abs. 1 Nr. 4 HGO dar. Handele die Regionalversammlung - wie hier - als Behörde, sei es bei der Beurteilung der Befangenheit sachgerechter, nicht § 25 HGO, sondern § 20 Abs. 1 Nr. 5 HVwVfG anzuwenden. Dies führe im vorliegenden Fall nicht zur Fehlerhaftigkeit der Entscheidung, da die Abstimmung von Herrn F. für das Ergebnis nicht maßgebend gewesen sei. Selbst bei einer Anwendung des § 25 HGO seien dessen Voraussetzungen u. a. deshalb nicht erfüllt, weil Herr F. nicht zu dem Personenkreis gehöre, der von § 25 Abs. 1 Nr. 4 HGO erfasst werde.

Die Abweichungszulassung sei auch nicht wegen Verstoßes gegen die Plan-UP-RL rechtswidrig, da diese Richtlinie auf die Abweichungszulassung keine Anwendung finde. Die Abweichungszulassung stelle keine Planänderung im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Plan-UP-RL dar. Bei der Abweichungsentscheidung handele es sich nicht um eine Planungsentscheidung, sondern eine Entscheidung in Vollzug des Plans. Der Charakter der Zielabweichung als Befreiung, die den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung tragen solle, verbiete es, die Abweichungszulassung als materielle Planmodifikation einzustufen, so dass eine Anwendung der Plan-UP-RL ausscheide.

Der am 23.08.2004 von der Hessischen Landesregierung genehmigte RPS 2000 sei mit der Veröffentlichung im Staatsanzeiger für das Land Hessen vom 13.09.2004 in Kraft getreten. Einer Beteiligung der Regionalversammlung habe es bei der Neugenehmigung nicht bedurft, da diese ohnehin jederzeit die Möglichkeit habe, ihren Planungswillen durch Änderungen des Regionalplans umzusetzen. Für die raumordnerische Zulässigkeit der A 380-Werft sei kein Planänderungsverfahren erforderlich. Der RPS 2000 werde durch die Abweichung nicht in seinen Grundzügen berührt. Soweit der Antragsteller die Notwendigkeit eines Planänderungsverfahrens mit dem Hinweis auf Nr. 7.4.1 Satz 6 RPS 2000 begründe, sei dem entgegenzuhalten, dass sich die Planaussagen der Nr. 7.4.1 Satz 4 bis 6 ausdrücklich auf eine eventuelle Kapazitätserweiterung des bestehenden Start- und Landebahnsystems für den Flughafen Frankfurt Main beziehe.

Soweit der Antragsteller Rechtsverletzungen auf dem Gebiet des Naturschutzrechts rüge, könnten diese nicht zur Begründetheit des Antrags führen. Der Antragsteller werde als kommunale Gebietskörperschaft hierdurch nicht in eigenen Rechten verletzt. Die Vorschriften des Naturschutzes dienten dem Wohl und dem Interesse der Allgemeinheit und nicht dem Interesse des Antragstellers als kommunaler Gebietskörperschaft. Darüber hinaus seien die von dem Antragsteller vorgebrachten naturschutzrechtlichen Bedenken unbegründet, wie in der Abweichungsentscheidung im Einzelnen ausgeführt worden sei.

Zu Unrecht bemängele der Antragsteller, dass die Gründe, mit denen der Sofortvollzug gerechtfertigt werde, nicht über das bloße Erlassinteresse hinaus gingen, denn in dem Bescheid vom 17.11.2004 werde deutlich die zeitliche Dimension herausgestellt und dargelegt, warum das Vorhaben bis zum Herbst 2007 fertiggestellt sein müsse. Dem Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abweichungszulassung stehe kein gleichgewichtiges Suspensivinteresse des Antragstellers entgegen.

Die zu diesem Verfahren gemäß § 65 Abs. 2 VwGO beigeladene A. beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Antrag sei unzulässig. Es sei schon zweifelhaft, ob die Abweichungszulassung als internes Verwaltungshandeln, das in einem speziellen Verfahren den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 26.11.2004 vorbereitet habe, überhaupt Gegenstand eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO sein könne. Jedenfalls fehle dem Antrag die erforderliche Antragsbefugnis.

Der Antragsteller sei nicht antragsbefugt. Zwar stünden ihm im Hinblick auf seine Rechtsstellung als Träger der Straßenbaulast eigene Rechte und Pflichten zu, er könne gegen ein fachplanerisches Vorhaben jedoch nur einwenden, dass das Vorhaben wesentliche Teile des Kreisgebiets der Planung entziehen, hinreichend gesicherte Planungen unmöglich mache oder die Funktionsfähigkeit kreiseigener Einrichtungen beeinträchtige. Diese Voraussetzungen lägen hier jedoch nicht vor.

Dem Antrag fehle auch das Rechtsschutzbedürfnis, da der Antragsteller in den parallel zu diesen Verfahren anhängig gemachten Verfahren 12 A 35/05 und 12 Q 34/05 gegen den Planfeststellungsbeschluss für die A 380-Werft ein umfassenderer und effizienterer Rechtsschutz zur Verfügung stehe.

Der Antrag sei darüber hinaus auch unbegründet. Der angeordnete Sofortvollzug sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Entscheidung über die Zulassung der Abweichung durch die Regionalversammlung Südhessen sei ordnungsgemäß zustande gekommen. Das Mitglied der Regionalversammlung F. sei nicht wegen Interessenwiderstreits nach § 25 Abs. 1 Nr. 4 HGO von der Mitwirkung der Abweichungszulassung ausgeschlossen gewesen, da hier § 20 Abs. 1 Nr. 5 HVwVfG zur Anwendung komme. Aber auch bei einer Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HGO sei Herr F. nicht wegen Befangenheit an der Mitwirkung der Abweichungsentscheidung ausgeschlossen gewesen, da er als Leiter des Besucherservice nicht in einer leitenden oder herausgehobenen Stellung tätig sei.

Das Abweichungszulassungsverfahren sei auch sonst verfahrensfehlerfrei durchgeführt worden, wobei der Antragsteller ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Die Regionalversammlung habe die landesplanerisch relevanten Belange des Antragstellers als Träger der Baulast für die Okrifteler Straße bei seiner Entscheidung ausreichend berücksichtigt. Ihre Entscheidung lasse keine Verkennung der Belange des Antragstellers erkennen. Der Bau der A 380-Werft sei raumordnerisch vertretbar. Das Vorhaben beeinträchtige weder das FFH-Gebiet "Mark- und Gundwald" noch das Vogelschutzgebiet "Mönchbruch" in erheblicher Weise. Der Bau der Werft beeinträchtige auch nicht die Grundzüge der Planung, weil er das grundlegende Interessengeflecht des Regionalplans nicht berühre. Die A 380-Werft sei ein einzelnes Vorhaben, das keine Präjudizwirkung in der Planregion Südhessen habe. Das Vorhaben setze auch keine Änderung des Regionalplans voraus. Der Antragsgegner habe seiner Entscheidung auch den Regionalplan Südhessen zugrunde legen dürfen. Die Hessische Landesregierung habe den Regionalplan am 23.08.2004 wirksam genehmigt und sich dabei am Gebot der Planerhaltung (§ 18 HLPG) orientiert. Eine Anhörung der Regionalversammlung sei nicht erforderlich gewesen.

Die die Zulassung der Abweichung vom RPS 2000 betreffenden Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (1 Ordner, 3 Hefter) waren Gegenstand der Beratung.

II.

Der Antrag ist unzulässig, denn ihm fehlt das erforderliche Rechtsschutzinteresse.

Allerdings ist der Hessische Verwaltungsgerichtshof als Gericht des ersten Rechtszugs das zur Entscheidung über den Antrag zuständige Gericht. Seine Zuständigkeit folgt aus § 48 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, wonach das Oberverwaltungsgericht im ersten Rechtszug über das Anlegen, die Erweiterung oder Änderung und den Betrieb von Verkehrsflughäfen und von Verkehrlandeplätzen mit beschränktem Bauschutzbereich entscheidet. Im Interesse der Einheitlichkeit der Entscheidung gilt die Zuständigkeitszuweisung zugunsten des Oberverwaltungsgerichts auch für alle Streitigkeiten über sämtliche für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, auch soweit sie Nebenentscheidungen betreffen. In die Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts fallen daher auch alle mit dem Betrieb eines Flughafens in untrennbarem Zusammenhang stehenden Entscheidungen und Nebenverfahren sowie sämtliche mit dem Flughafen räumlich und betrieblich verbundenen Maßnahmen. Hierzu zählt auch die Streitigkeit über die Zulassung einer Abweichung von den Zielen des RPS 2000, da Ziele der Raumordnung bei Planfeststellungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 HLPG zu beachten sind.

Die Zulässigkeit des Antrags scheitert entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch nicht daran, dass der Zulassung der Abweichung vom RPS 2000 die Außenwirkung und damit die Qualität eines Verwaltungsakts fehlt. Der Auffassung der Beigeladenen, dass die Abweichungszulassung ein internes Verwaltungshandeln sei, das in einem speziellen Verfahren den Planfeststellungsbeschluss des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26.11.2004 vorbereitet habe, kann nicht gefolgt werden. Der Entscheidung über die Zielabweichung kommt gegenüber der Belegenheitsgemeinde sowie der antragstellenden Privatrechtsperson Außenwirkung zu, denn durch diese werden Rechte einer außerhalb der Verwaltung stehenden Rechtsperson unmittelbar begründet, verbindlich festgestellt oder mit bindender Wirkung verneint (vgl. Schmitz in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: November 2004, K § 11 Rn 114). Dieser Auffassung ist der hessische Landesgesetzgeber durch die Regelung des § 12 Abs. 5 Satz 2 HLPG gefolgt, wonach ein Widerspruchsverfahren nach § 68 VwGO gegen die Abweichungsentscheidung nicht stattfindet. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Abweichungsentscheidung als Verwaltungsakt ohne Vorverfahren mit der Klage angefochten werden kann. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine derartige Entscheidung für Dritte beurteilt sich daher nach § 80a Abs. 3 VwGO.

Es spricht viel dafür, dass dem Antrag auch nicht die erforderliche Antragsbefugnis fehlt. § 42 Abs. 2 VwGO ist in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 80, 80a VwGO entsprechend anwendbar. Der Antragsteller kann sich auf die Möglichkeit der Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeindeverbände als Träger der Straßenbaulast für Kreisstraßen nach § 41 Abs. 2 HStrG stützen. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG haben auch die Gemeindeverbände im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Den Gemeindeverbänden, zu denen jedenfalls die Kreise gehören, ist also zwar nicht Allzuständigkeit, wohl aber im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs wie den Gemeinden die Eigenverantwortlichkeit garantiert. Der Antragsteller ist gemäß § 41 Abs. 2 Satz HStrG Träger der Straßenbaulast für die Kreisstraßen und hat nach § 33 Abs. 1 Satz 1 HStrG für die Änderung bestehender Kreisstraßen den Plan aufzustellen. Die Entscheidung über die Zielabweichung nach § 12 Abs. 3 HLPG entfaltet Verwaltungsaktqualität gegenüber dem Antragsteller des Zielabweichungsverfahrens; sie kann aber auch gleichzeitig eine Drittbetroffenheit des Antragstellers als Landkreis wegen Verletzung seiner straßenrechtlichen Planungshoheit zur Folge haben. Der Antragsteller macht eine derartige Rechtsverletzung geltend. Er genügt dabei seiner Darlegungspflicht für die Antragsbefugnis gemäß der entsprechenden Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass er durch die Abweichungsentscheidung in seiner kommunalen Planungshoheit verletzt wird. Dies ist hier der Fall. Nach dem tatsächlichen Vorbringen des Antragstellers möchte er an dem bisherigen Verlauf der Kreisstraße festhalten. Die Zulassung einer Abweichung vom RPS 2000 nimmt ihm die Möglichkeit, seine bisherige Planung hinsichtlich der K 152 weiter aufrecht zu erhalten. Hier darf dem Antragsteller bei der Prüfung der Antragsbefugnis nicht entgegengehalten werden, seine Belange seien geringfügig und deshalb unbeachtlich. Die Frage, ob von einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband geltend gemachte Belange unter dem genannten Aspekt abwägungserheblich sind, betrifft nicht die Zulässigkeit der von ihr eingelegten Rechtsbehelfe, sondern deren Begründetheit (BVerwG, Beschluss vom 05.11.2002 - 9 VR 14.02 -, BauR 2003, 205 (206)). So liegt es auch hier.

Dem Antrag fehlt jedoch das Rechtsschutzinteresse, das ungeschriebene Voraussetzung einer jeden Inanspruchnahme des Gerichts ist und daher auch für Anträge in selbständigen Antragsverfahren nach den §§ 80, 80a VwGO erforderlich ist. Es besagt, dass nur derjenige, der mit dem angestrengten Verfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung hat. Mit dem Erfordernis des Vorliegens eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses sollen die Gerichte vor überflüssigen, nutzlosen und mutwilligen Prozessen geschützt werden. Es soll vermieden werden, dass das Gericht eine Entscheidung trifft, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist. Dabei ist zu fragen, ob der Antragsteller durch die von ihm angestrebte gerichtliche Entscheidung seine Rechtsstellung verbessern kann. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Abweichungsentscheidung der Regionalversammlung Südhessen vom 05.11.2004 ist durch den Planfeststellungsbeschluss des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26.11.2004 gegenstandslos geworden und entfaltet damit auch gegenüber dem Antragsteller als Drittbetroffenem keine nachteiligen Wirkungen mehr, die nicht in vollem Umfang in den von dem Antragsteller bereits angestrengten Rechtsschutzverfahren gegen diesen Planfeststellungsbeschluss vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof geltend gemacht werden können und bereits geltend gemacht worden sind.

Der luftverkehrsrechtliche Planfeststellungsbeschluss vom 26.11.2004 ersetzt nach § 9 Abs. 1 Satz 1 LuftVG alle nach anderen Rechtsvorschriften notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse und Zustimmungen. Die in dieser Vorschrift angeordnete Konzentrationswirkung bedeutet, dass alle anderen für die Durchführung des Vorhabens und seiner Folgemaßnahmen notwendigen behördlichen Entscheidungen durch den Planfeststellungsbeschluss ersetzt werden, ohne dass diese in seinem Verfügungssatz besonders zu erwähnen wären. Dies gilt auch, soweit nach Fachrecht Ausnahmen und Befreiungen erforderlich sind. Notwendige andere behördliche Entscheidungen sind alle Verwaltungsakte, die nach Rechtsvorschriften außerhalb des von der Planfeststellungsbehörde anzuwendenden Planfeststellungsrechts sonst für die Verwirklichung des Vorhabens erforderlich wären. Die Konzentrationswirkung erfasst allerdings nicht etwa erforderliche vorgelagerte Verfahren wie z. B. die Flugplatzgenehmigung nach § 6 LuftVG oder Raumordnungsverfahren (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 75 Rn 7 und § 72 Rn 26a).

Das Verfahren über die Zulassung einer Abweichung von Zielen eines Regionalplans nach § 12 HLPG ist kein der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung vorgeschaltetes Raumordnungsverfahren im Sinne des § 18 HLPG. Mit der Regelung des § 12 HLPG ist der Hessische Landesgesetzgeber der Anweisung des § 11 ROG an die Länder gefolgt und hat die Rechtsgrundlage für ein Verfahren zur Abweichung von Zielen der Raumordnung (§ 3 Nr. 2 ROG, § 3 Nr. 2 HLPG) geschaffen. Die Zielabweichung ist darauf gerichtet, eine bei ihren raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen der Zielbindung unterworfene Stelle von dieser Verpflichtung zu befreien, ohne den Bestand des Ziels und die Fortgeltung seiner Beachtenspflicht im Übrigen in Frage zu stellen (Schmitz in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: November 2004, K § 11 Rn 7). Durch das Zielabweichungsverfahren dürfen die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Ist Letzteres der Fall, kommt ein Zieländerungsverfahren in Betracht. Die Grenze zwischen Zielabweichungsverfahren und Zieländerungsverfahren entspricht damit weitgehend der zwischen einer Befreiung von den Festsetzungen und einer Änderung des Bebauungsplans (vgl. Cholewa in: Cholewa/Dyong/von der Heide/Ahrenz, Raumordnung in Bund und Ländern, Stand: November 2003, § 11 ROG Rn 2). Von einem Raumordnungsverfahren, das der Prüfung dient, ob oder unter welchen Voraussetzungen eine raumbedeutsame Planung oder Maßnahme mit den Erfordernissen der Raumordnung in Übereinstimmung steht, unterscheidet sich das Zielabweichungsverfahren dadurch, dass dort darüber entschieden wird, ob eine festgestellte Kollision einem Ziel der Raumordnung entgegensteht oder von dem Plansatz eine Befreiung erteilt werden kann. Die verfahrensrechtliche Selbständigkeit des Zielabweichungsverfahrens nach § 12 HLPG entfällt im Falle einer Planfeststellung. Die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsverfahrens erfasst auch diese Zuständigkeitsverlagerung mit der Folge, dass über eine Zielabweichung nach § 12 Abs. 3 HLPG die Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsverfahren zu entscheiden hat (so VGH Bad.-Württ., Urteil vom 08.07.2002 - 5 S 2715/01 -, ZLW 2004, 160 (165) für die straßenrechtliche Planfeststellung; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, a. a.O., § 4 ROG RN 144). Eine andere rechtliche Beurteilung des Zielabweichungsverfahrens und der dort getroffenen Entscheidungen wäre mit der bundesrechtlich in § 9 Abs. 1 LuftVG vorgegebenen Konzentrationswirkung nicht vereinbar. Die gegen die vorgenannte Entscheidung erhobenen Bedenken von Giemulla (ZLW 2004, 152 ff.) vermag der Senat nicht zu teilen. Giemulla vertritt die Auffassung, die Stellung der Regionalversammlung, die gemäß § 12 Abs. 1 HLPG über die Abweichung vom Regionalplan zu entscheiden habe, sei derjenigen der Gemeinden stark angenähert, weiche jedoch erheblich von der anderer Behörden der unmittelbaren Staatsverwaltung ab. Sie sei, wie der Senat in seinem Urteil vom 16.08.2002 - 4 N 336/02 - ausgeführt habe - als ein "Gebilde eigener Art mit unvollkommenem Körperschaftsstatus" anzusehen, deren Entscheidungen nicht ohne Weiteres durch eine andere Behörde ersetzt werden könnten. Eine Konzentrationswirkung der Planfeststellung für Zielabweichungsentscheidungen der Regionalversammlung komme daher nicht in Betracht. Diese Ansicht findet im Gesetz und auch in dem vorgenannten Urteil des Senats vom 18.08.2002 keine Stütze. Die Planfeststellungsbehörde bleibt - unbeschadet der formellen Konzentrationswirkung - an alle Rechtsvorschriften, die außerhalb des angrenzenden Fachplanungsrechts bestehen und einen materiellen Gehalt haben, gebunden. Sie ist daher auch an die in einem Raumordnungsplan festgelegten Ziele gebunden. Diese Vorschriften werden dadurch, dass sie im Planfeststellungsverfahren anzuwenden sind, weder beseitigt noch in ihrem Geltungsanspruch gemindert. Eine Missachtung der Ziele eines Raumordnungsplans führt daher ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Besteht jedoch die Möglichkeit, dass von diesen materiell-rechtlichen Regelungen eine Befreiung oder - wie hier - eine Abweichung eröffnet ist, dann ist die Planfeststellungsbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit befugt, eine entsprechende Entscheidung zu treffen (BVerwG, Beschluss vom 26.06.1992 - 4 B 1-11.92 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89). Die Zulassung der Abweichung nach § 12 Abs. 3 HLPG stellt eine derartige Entscheidung dar. Sie ist öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Regionalversammlung im Sinne des § 1 Abs. 1 HVwVfG und ergeht als Verwaltungsakt, gegen den nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 5 Satz 21 HLPG ein Widerspruchsverfahren nach § 68 VwGO nicht stattfindet, sondern sogleich Klage erhoben werden kann.

Die von der Regionalversammlung Südhessen mit Beschluss vom 05.11.2004 gemäß § 12 Abs. 3 HLOG zugelassene Abweichung von den Zielen des neu genehmigten Regionalplans Südhessen 2000 für die geplante A 380-Werft ist im Planfeststellungsbeschluss des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 26.11.2004 übernommen worden (Planfeststellungsbeschluss Seite 382) und mit der Aussage gebilligt worden, "stehen daher auch aus Sicht der Raumordnung und Landesplanung dem Vorhaben keine Bedenken entgegen". Damit ist die Entscheidung der Regionalversammlung durch die inhaltsgleiche Entscheidung des Planfeststellungsbeschlusses ersetzt und mithin gegenstandslos geworden. Es macht im Ergebnis keinen Unterschied, ob eine Abweichungszulassung nicht erfolgt ist und über die Abweichung im Planfeststellungsbeschluss erstmals befunden wird oder ob die Entscheidung in einem - nicht erforderlichen - separaten Verfahren ergeht und von dem Planfeststellungsbeschluss übernommen wird. Neben dem Planfeststellungsbeschluss kommt der Abweichungszulassung durch die Regionalversammlung keine weitere selbständige rechtliche Bedeutung mehr zu, denn durch die Planfeststellung geht die an sich vorhandene Zuständigkeit der Regionalversammlung verloren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind keine Gründe dafür ersichtlich, warum es zum effektiven Rechtsschutz der Planungshoheit einer Gemeinde erforderlich sein soll, nicht nur den vorliegenden Planfeststellungsbeschluss, sondern daneben auch die vorangegangene Genehmigung einer inhaltlichen gerichtlichen Prüfung zu unterziehen, wenn nicht ersichtlich ist, dass bereits durch die erteilte Genehmigung eine Verletzung ihrer Planungshoheit erfolgt ist, die von ihr im Verfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss nicht mehr gerügt, abgewendet und gegebenenfalls rückgängig gemacht werden könnte (BVerfG, Beschluss vom 12.05.1980 - 2 BvR 1434/79 - DVBl 1981, 374). Entsprechendes gilt im vorliegenden Fall auch für den Antragsteller als Kreis.

Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 2 VwGO erstattungsfähig. Es entspricht der Billigkeit, diese Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen, denn die Beigeladene hat erfolgreich einen Antrag gestellt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat bewertet die Bedeutung der Sache für den Antragsteller in der Hauptsache mit 20.000,-- €. Hiervon ist im vorliegenden Eilverfahren die Hälfte zugrunde zu legen.

Hinweis: Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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