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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.01.2004
Aktenzeichen: 4 TG 3441/03
Rechtsgebiete: HBO, VwGO


Vorschriften:

HBO 1957 § 4
HBO 1957 § 8
VwGO § 94
VwGO § 122
VwGO § 130
Beschlüsse über die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 94 VwGO unterliegen der Beschwerde, wenn gegen die Sachentscheidung ein Rechtsbehelf möglich ist.

Wird ein der Beschwerde unterliegender Beschluss über die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 94 VwGO nicht mit einer Begründung versehen, so stellt dies einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 2 VwGO dar.

Gegenüber der Bauaufsichtsbehörde besteht ein Anspruch auf Erlass eines Duldungsverwaltungsaktes, der die Feststellung des Bestandsschutzes enthält, wenn eine formell und nach heutigem Recht materiell illegale Nutzung Bestandsschutz genießt.

In einem solchen Fall hat der Antragsteller mit dem Antrag auf Erteilung des Duldungsverwaltungsaktes sämtliche Bauvorlagen einzureichen, die es der Bauaufsichtsbehörde ermöglichen, festzustellen, dass die Nutzung früher über einen maßgeblichen Zeitraum sowohl bauplanungs- als auch bauordnungsrechtlich genehmigungsfähig war und dass der Bestandsschutz seitdem nicht durch eine Nutzungsänderung erloschen ist.

Ein aus früherer Rechtslage hergeleiteter Bestandsschutz dauert bei faktischer Beendigung der ursprünglichen legalen Nutzung solange fort, wie die Verkehrsauffassung eine Wiederaufnahme der aufgegebenen Nutzung erwartet.

Dies ist im ersten Jahr ohne Weiteres der Fall, im zweiten Jahr besteht die im Einzelfall widerlegbare Regelvermutung für eine mögliche Wiederaufnahme der Nutzung, während sich nach Ablauf von zwei Jahren die Vermutung umkehrt.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, wenn es keinen unterliegenden Beteiligten gibt und Gerichtskosten nicht entstanden sind.

Das Beschwerdeverfahren über die Aussetzung eines Verfahrens nach § 94 VwGO stellt ein nichtstreitiges Zwischenverfahren dar, in dem sich die Beteiligten nicht als Gegner gegenüberstehen; dies gilt auch dann, wenn einer der Beteiligten einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gestellt hat.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

4 TG 3441/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Natur- und Landschaftsschutzes

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 4. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Koch, Richter am Hess. VGH Schröder, Richter am Hess. VGH Dr. Dittmann

am 15. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 26.11.2003 - 8 E 1196/00 (2) - aufgehoben.

Gründe:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt, das Verfahren bis zu einer bestandskräftigen bzw. rechtskräftigen Entscheidung über den am 14.10.2003 vom Kläger gestellten Antrag auf baurechtliche Duldung von zwei Bienenhäusern auszusetzen, ist nicht mit einer Begründung versehen und verstößt daher gegen § 122 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift sind Beschlüsse zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 94 VwGO unterliegen der Beschwerde, wenn - wie hier - gegen die Sachentscheidung ein Rechtsbehelf möglich ist (Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 11. Aufl., § 94 Rdnr. 8). Die fehlende Begründung stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 2 VwGO dar, so dass die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen werden könnte (Eyermann, a.a.O., § 122 Rdnr. 9 und § 130 Rdnr. 2 m.w.N.). Der Senat sieht von einer Zurückverweisung ab, weil die Sache entscheidungsreif ist. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 94 VwGO liegen nämlich eindeutig nicht vor. Auf die Frage, ob die streitbefangenen Bienenhäuser im Zeitpunkt ihrer Errichtung im Jahr 1960 und danach über einen längeren Zeitraum hinweg materiell legal gewesen sind, kommt es nämlich nicht an. Allerdings besteht gegenüber der Bauaufsichtsbehörde ein Anspruch auf Erlass eines Duldungsverwaltungsaktes, der die Feststellung des Bestandsschutzes enthält, wenn eine formell und nach heutigem Recht materiell illegale Nutzung Bestandsschutz genießt. In einem solchen Fall hat der Antragsteller mit dem Antrag auf Erteilung des Duldungsverwaltungsaktes sämtliche Bauvorlagen einzureichen, die es der Bauaufsichtsbehörde ermöglichen, festzustellen, dass die Nutzung früher über einen maßgeblichen Zeitraum sowohl bauplanungs- als auch bauordnungsrechtlich genehmigungsfähig war und dass der Bestandsschutz seitdem nicht durch eine Nutzungsänderung erloschen ist (Hess. VGH, Beschluss vom 10.11.1994 - 4 TH 1864/94 -, ESVGH 45, 236 und BRS 57 Nr. 295).

Im vorliegenden Fall steht fest, dass ein etwaiger aus ursprünglicher materieller Legalität erwachsener Bestandsschutz inzwischen erloschen wäre, weil unstreitig seit 1994 bis zum Ergehen der angefochtenen Verfügung des Beklagten vom 02.12.1999 in den streitbefangenen Gebäuden keine privilegierte Imkertätigkeit mehr ausgeübt wurde (vgl. S. 2 Abs. 5 des Widerspruchsbescheides und S. 3 unten der Klageschrift). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dauert der Bestandsschutz bei faktischer Beendigung der ursprünglichen legalen Nutzung so lange fort, wie die Verkehrsauffassung eine Wiederaufnahme der aufgegebenen Nutzung erwartet. Dies ist im ersten Jahr ohne Weiteres der Fall, im zweiten Jahr besteht die im Einzelfall widerlegbare Regelvermutung für eine mögliche Wiederaufnahme der Nutzung, während sich nach Ablauf von zwei Jahren die Vermutung umkehrt. Den Verwaltungsunterlagen ist zu entnehmen, dass die Baulichkeiten im Laufe des Jahres 1998 nur mit einem einzigen Bienenvolk besetzt waren. Da für die Unterbringung eines einzigen Bienenvolks keine Gebäude erforderlich sind, genügt dies nicht zur Aufrechterhaltung einer etwaigen früheren privilegierten Nutzung, sondern stellt sich bereits als Aufgabe der privilegierten Nutzung dar. Im Hinblick darauf, dass bei Ergehen der angefochtenen Verfügung die Aufgabe der etwa früher privilegierten Nutzung bereits über vier Jahre zurücklag, hätte der Kläger im Rahmen seines Antrags auf Erlass einer Duldungsverfügung besondere Gründe dafür darlegen müssen, dass die Aufgabe der Nutzung noch keinen der Verkehrauffassung als endgültig erscheinenden Zustand herbeigeführt hat (Simon, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Rdnr. 125 f. zu Art. 82). Daran fehlt es hier, obgleich im Hinblick auf den ungünstigen baulichen Erhaltungszustand der streitigen Gebäude, wie er sich bereits auf den Lichtbildern vom 03.06.1998 darstellt, hierzu besonderer Anlass bestanden hätte. Der bloße Vortrag des Klägers, er beabsichtige seinen Wohnsitz in den Kreis Offenbach zu verlegen und der Bienenhaltung in "größerem Umfang und somit der Hobby-Imkerei" nachzugehen, reicht nicht aus. Schon aus diesem Grund hat der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung eines baurechtlichen Duldungsverwaltungsaktes für die streitigen Gebäude.

Es kann daher offen bleiben, ob die streitbefangenen Baulichkeiten vor dem Inkrafttreten der Verordnung zum Schutz von Landschaftsteilen im Landkreis Offenbach am Main am 1. Juli 1961 materiell illegal waren.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da es im vorliegenden Verfahren keinen unterliegenden Beteiligten gibt und Gerichtskosten nicht entstanden sind (Nr. 2504 KV GKG sowie vor Nr. 9000 Abs. 1 KV GKG). Das Beschwerdeverfahren über die Aussetzung eines Verfahrens nach § 94 VwGO stellt ein nichtstreitiges Zwischenverfahren dar, in dem sich die Beteiligten nicht als Gegner gegenüberstehen; dies gilt auch dann, wenn einer der Beteiligten - wie hier - einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gestellt hat (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.05.1998 - 14 S 812/98 - Justiz 1998, 578 und Beschluss vom 19. September 2001 - 9 S 1464/01 - ESVGH 52, 123 f.).

Hinweis: Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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