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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 15.02.2001
Aktenzeichen: 4 UE 1481/96
Rechtsgebiete: GG, BauGB, HBO 1993


Vorschriften:

GG Art. 14
BauGB § 35
HBO 1993 § 78 Abs. 1
Ein Grundeigentümer verliert die Rechtsposition des Bestandsschutzes, die sich zu seinen Gunsten aus einer früheren Rechtslage ergibt, nicht sofort bei faktischer Beendigung der ursprünglichen Nutzung.

Ihm ist vielmehr zum Schutze seines Vertrauens in den Fortbestand einer bisher erreichten Rechtsposition je nach den konkreten Umständen eine gewisse Zeitspanne einzuräumen, innerhalb deren Bestandsschutz nachwirken kann und damit er Gelegenheit erhält, an den früher rechtmäßigen Zustand anzuknüpfen.

Der Bestandsschutz dauert fort, solange die Verkehrsauffassung eine Wiederaufnahme der aufgegebenen Nutzung erwartet.

Dies ist im ersten Jahr ohne Weiteres der Fall, im zweiten Jahr besteht die im Einzelfall widerlegbare Regelvermutung für eine mögliche Wiederaufnahme der Nutzung, während sich nach Ablauf von zwei Jahren die Vermutung umkehrt.

Die verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsgarantie fordert nicht, vage Vorstellungen über eine Rückkehr zu einer privilegierten Nutzung zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 15.12.1995 - 1 BvR 1713/92 - NVwZ-RR 1996, S. 483).


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

4 UE 1481/96

Verkündet am: 15.02.2001

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Beseitigung eines Gebäudes im Außenbereich

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 4. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Koch, Richter am Hess. VGH Dr. Dittmann, ehrenamtlicher Richter Eschelbach, ehrenamtliche Richterin Möller,

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 27. Februar 1996 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten vorläufig vollstreckbar. Jedoch kann der Kläger die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist gemeinsam mit seinem Bruder Manfred ........ und den Erben seines verstorbenen Bruders Hans ........ Miteigentümer der Flurstücke ... und ... in der Flur ... in der Gemarkung ........................ Diese Flurstücke liegen im Außenbereich an einem Feldweg etwa 300 m von dem Hof entfernt, den früher der Vater des Klägers bewirtschaftete und in dem nunmehr der Bruder des Klägers wohnt. Auf den Flurstücken befanden sich früher insgesamt 3 Gebäude unterschiedlicher Größe (74 cbm, 32 cbm und 19 cbm umbauter Raum). Die beiden kleineren Gebäude existieren nicht mehr. In der Behördenakte befindet sich ein im Jahr 1986 im Zuge einer Kontrolle gefertigtes Lichtbild. Dieses zeigt ein metallenes Ofenrohr, das aus der Seitenwand des größten Gebäudes ragt und Fensterläden auf einer Giebelseite.

Am 07.01.1987 führte die Bauaufsichtsbehörde zusammen mit dem Kläger eine Ortsbesichtigung durch. Das Innere der Hütte "mit Feuerstelle mit einem umbauten Raum von 74 cbm" konnte nicht in Augenschein genommen werden, da dem Kläger der Schlüssel fehlte.

Mit Schreiben vom 13.01.1987 forderte der Beklagte die Miteigentümer auf, zur Frage einer möglichen Beseitigung der Hütten Stellung zu nehmen. Unter dem 05.02.1987 teilte daraufhin Herr Manfred ...... mit, dass die Hütten von seinem Vater in den Jahren 1956/57 errichtet worden seien. Die beiden kleineren Hütten hätten als Unterstellhallen für landwirtschaftliches Gerät gedient. Die größere der Hütten sei seinem Vater aus gesundheitlichen Gründen vom Landrat des Kreises Büdingen genehmigt worden, damit der Vater des Klägers die Folgen seiner gesundheitlichen Einschränkungen besser überwinden könne.

Nach erneuter Anhörung teilte der Kläger unter dem 12.08.1987 mit, dass die Hütten seit Mitte der 50er Jahre zur Unterbringungen von Tieren, Erzeugnissen und Geräten dienten und dass eine Genehmigung nicht vorgelegt werden könne. Mit Bescheid vom 05.01.1988 gab der Beklagte den Miteigentümern auf, die drei Hütten bis spätestens 01.03.1988 abzubrechen; er ordnete die Ersatzvornahme an (vorläufige Kostenschätzung bezüglich der größten Hütte 4.000,-- DM) und drohte die sofortige Vollziehbarkeit an. Zur Begründung bezog sich der Beklagte auf § 83 HBO 1977 und auf § 64 der ABO vom 30.04.1881. Er führte aus, die Gebäude seien genehmigungspflichtig, aber nicht genehmigt. Gegenwärtig beurteile sich die Genehmigungsfähigkeit nach § 35 BauGB, wobei jedenfalls das größte, wochenendhausähnliche Gebäude nicht privilegiert sei. Ein landwirtschaftlicher Betrieb werde nicht mehr betrieben. Öffentliche Belange seien beeinträchtigt, da die Entstehung einer Splittersiedlung drohe und ein Verstoß gegen die einschlägige Landschaftsschutzverordnung vorliege. Im Hinblick auf die Vorbildwirkung sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung geboten.

Hiergegen legte der Kläger unter dem 18.01.1988 Widerspruch ein und führte aus, die Hütten seien im Jahre 1956 errichtet worden. Die kleinste Hütte sei ein Hasenstall. In der mittleren Hütte befinde sich ein Traktor und die größte Hütte sei ein Heuschuppen. Das Gebäude solle wieder landwirtschaftlich genutzt werden, sobald es ihm, dem Kläger, möglich sei. Er werde die in der Nähe befindlichen drei Morgen Land so bald als möglich wieder bewirtschaften; gegenwärtig würde das Land als Gartenland genutzt. Ergänzend trug der Kläger vor, das Vorhaben sei bei Anwendung der ABO 1881 nicht genehmigungsbedürftig gewesen, da es nicht an einem öffentlichen Weg liege und im Zeitpunkt seiner Errichtung keine Feuerstelle besessen habe.

Mit Beschluss vom 25.09.1989 stellte das Verwaltungsgericht Gießen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Beseitigungsverfügung wieder her; die hiergegen eingelegte Beschwerde nahm der Beklagte zurück.

Mit Bescheid vom 07.07.1993 wies das Regierungspräsidium Gießen den Widerspruch des Klägers im Hinblick auf das größte Gebäude zurück und ordnete die Beseitigung innerhalb von 2 Monaten nach Bestandskraft der Verfügung an. Im Hinblick auf die beiden kleineren Hütten hob das Regierungspräsidium den Ausgangsbescheid auf und führte aus, dass die größte Hütte als Gebäude mit Feuerstelle genehmigungspflichtig nach Art. 64 Nr. 1 HBO 1881 gewesen sei, aber eine Genehmigung nicht nachgewiesen sei. Das Gebäude verstoße gegen § 3 der Bauregelungsverordnung, da es wegen der Feuerstelle dem dauernden Aufenthalt von Menschen diene. Später sei es nicht nach § 35 BBauG privilegiert gewesen, da es nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb gedient habe. Dies ergebe sich aus der Existenz der Feuerstelle. Als nicht privilegiertes Vorhaben beeinträchtige es öffentliche Belange, da es die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten lasse.

Am 26.07.1993 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass die Hütten bereits zwischen 1944 und 1947 errichtet worden seien. Es handele sich um Notbehelfsbaracken, wie sie nach dem Krieg aufgestellt worden seien. Im Hauptgebäude habe sich ein großer gusseiserner Ofen befunden, jedoch keine Feuerstelle im Sinne des Gesetzes. Dem Vater des Klägers sei seinerzeit eine Baugenehmigung erteilt worden. Es könne nicht zu Lasten des Klägers gehen, wenn diese bei der Behörde nicht auffindbar sei. Später trug der Kläger vor, dass sich im Zeitpunkt der Errichtung kein Ofen in der Hütte befunden habe. Wann der Ofen aufgestellt worden sei, könne er, der Kläger, nicht sagen. Der Ofen sei noch vor 1982 entfernt worden. Dies gelte auch für das früher vorhandene Plumpsklo. Der Vater des Klägers habe einen kleinen Hof bewirtschaftet, der räumlich nicht genügend Unterstellmöglichkeiten geboten habe. Die Errichtung eines Wochenendhauses sei zum damaligen Zeitpunkt abwegig gewesen. Die Hütten hätten als Unterstellraum gedient. Er, der Kläger, bewirtschafte von den Hütten aus die auf dem Grundstück befindlichen 60 Obstbäume. § 35 BBauG finde wegen der früheren Errichtung der Hütte keine Anwendung. Da das Aufstellen der Feuerstelle nach Errichtung der Hütte genehmigungspflichtig gewesen sei, könne auch nur die Entfernung der Feuerstelle verlangt werden. Diese sei inzwischen entfernt. Einen öffentlichen Feldweg gebe es straßenrechtlich nicht. Das Gebäude liege jedenfalls nicht an einer Straße.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 05.01.1988 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Gießen vom 07.07.1993 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, das Vorhandensein einer Feuerstelle sei durch Lichtbild nachgewiesen; eine landwirtschaftliche und damit baurechtlich privilegierte Nutzung sei nicht gegeben. Es sei Sache des Klägers, die angeblich erteilte Baugenehmigung vorzulegen. Ihre Nichterweislichkeit sei zum Nachteil des Klägers zu berücksichtigen. Die jetzige Grundstücksnutzung durch den Kläger sei hobbymäßig. Die Genehmigungspflicht nach der ABO 1881 ergebe sich jedenfalls aus der Lage des Gebäudes an einem Feldweg; auch ein solcher Weg sei als sogenannter öffentlicher Gemarkungsweg eine öffentliche Straße im Sinne des Art. 64 ABO 1881.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 27.02.1996, dem Kläger zugestellt am 21.03.1996, die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Hütte sei genehmigungspflichtig, aber ungenehmigt und nicht genehmigungsfähig. Soweit sich der Kläger auf das Vorhandensein einer Genehmigung berufe, ohne diese vorlegen zu können, gehe dies nach allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen zu seinen Lasten Zum Zeitpunkt der Errichtung der streitgegenständlichen Hütte im Jahre 1956/1957 mit einer Feuerungsanlage sei sie gemäß Art. 64 Nr. 1 ABO genehmigungspflichtig gewesen. Soweit der Ofen noch vor Inkrafttreten der HBO 1957 in die Hütte eingebracht worden sei, habe sich das Genehmigungserfordernis aus Art. 64 Nr. 3 ABO ergeben. Falls der Ofen erst nach Inkrafttreten der HBO 1957 eingebaut worden sei, ergebe sich das Genehmigungserfordernis aus § 62 Abs. 1 Nr. 3 HBO. Denn die Heizbarkeit der Hütte habe auch ihre Bewohnbarkeit und damit eine Änderung der Nutzungsart zur Folge. Wegen der Bewohnbarkeit komme auch keine Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB in Betracht. Soweit die Hütte für einen gewissen Zeitraum als Lagerstätte für landwirtschaftliche Geräte genutzt worden sei, könne der Kläger einen fortwirkenden Bestandsschutz wegen des fehlenden landwirtschaftlichen Betriebes gemäß §§ 201, 35 Abs. 1 Nr. 1 BBauG/BauGB nicht herleiten. Die Bewirtschaftung der auf dem Grundstück befindlichen 60 Obstbäume durch den Kläger stelle keine Landwirtschaft dar.

Hiergegen hat der Kläger am 16.04.1996 Berufung eingelegt. Er trägt vor, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass in der Hütte seit ihrer Errichtung etwa 1956 von Anfang an ein Ofen vorhanden gewesen sei. Nach Aufgabe der Landwirtschaft durch den Vater des Klägers zu Beginn der 70er Jahre habe die Hütte zunächst leer gestanden. Wann und wer den angeblichen Ofen in die Hütte gebracht habe, sei unbekannt. Tatsache sei jedoch, dass im Jahre 1982 kein Ofen vorhanden gewesen sei. Falls ein Ofen vorhanden gewesen sei, sei dieser jedenfalls noch vor 1982 wieder entfernt worden. Das Verwaltungsgericht übersehe, dass der Schuppen unbestritten als Heuschuppen benutzt worden sei. Angesichts dieser Nutzung verbiete sich in jeder Form die Unterhaltung eines Ofens. Im Übrigen stelle das bloße Aufstellen eines Ofens nicht den Tatbestand der Errichtung einer Feuerstätte im Sinne von Art. 64 Abs. 1 Nr. 1 ABO 1881 dar. Unter Feuerstätten verstehe der Gesetzgeber Feuerungseinrichtungen, die durch Mauern aus feuersicherem Material herzustellen seien. Im Übrigen berühre die Errichtung einer Feuerstätte nicht die Rechtmäßigkeit des Bauwerks im Übrigen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, durch das Aufstellen des Ofens sei die Hütte bewohnbar geworden, sei unzutreffend, da das Gebäude über Strom- und Wasseranschluss nicht verfüge. Abgesehen von der vom Verwaltungsgericht angenommenen Genehmigungspflicht einer Nutzungsänderung sei aber hervorzuheben, dass für die schon bestehende Substanz hieraus keine Genehmigungspflicht abgeleitet werden könne. Die Meinung des Verwaltungsgerichts, einen bis heute fortwirkenden Bestandsschutz könne es für das Bauvorhaben nur geben, wenn der landwirtschaftliche Betrieb, dem die Hütte seinerzeit gedient haben möge, fortbestehe, sei unzutreffend. Das Verwaltungsgericht halte den Bestandsschutz, der in Art. 14 GG wurzele, für frei disponibel. Aus § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB sei zu entnehmen, dass bei im Außenbereich gelegenen baulichen Anlagen die Änderung der bisherigen Nutzung ohne wesentliche Änderung der baulichen Anlage im Sinne des Abs. 1 Nr. 1 bis 3 zulässig sei und ihr nicht entgegengehalten werden könne, dass sie den Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widerspräche, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtige oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten ließe.

Der Kläger hat eine eidesstattliche Versicherung seiner Mutter vom März 1990 in Kopie vorgelegt. Darin wird versichert, dass der Vater des Klägers die streitgegenständliche Hütte und die beiden weiteren kleineren Hütten im Jahr 1956 errichtet habe, um dort landwirtschaftliche Geräte unterzustellen und landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Heu, Stroh oder Rüben zu lagern. Andere Räumlichkeiten zur Unterbringung dieser Gegenstände hätten nicht zur Verfügung gestanden. Ihrer Erinnerung nach habe sich ihr Mann mit dem damaligen Bürgermeister in Verbindung gesetzt. Dieser habe sich, soweit sie wisse, beim Kreisbauamt in Büdingen erkundigt. Ihrer Erinnerung nach sei ihrem Mann damals mitgeteilt worden, dass gegen die Errichtung der Hütten keine Bedenken bestünden, zumal es sich um bloße Unterstell- bzw. Lagerschuppen für landwirtschaftliche Zweck gehandelt habe.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom 27.02.1996 wird der Bescheid des Beklagten vom 05.01.1988 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Gießen vom 07.07.1993 ersatzlos aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt aus, in Rede stehe die Baugenehmigungsfähigkeit der Hütte selbst. Dies gelte auch dann, wenn der Ofen erst nach dem Inkrafttreten der Hessischen Bauordnung aufgestellt worden sein sollte. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht dargelegt, dass auch in diesem Fall die nachträgliche Errichtung des Ofens die Genehmigungsbedürftigkeit der Hütte begründet habe, da damit eine Veränderung in der Benutzungsart gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 3 HBO 1957 verbunden gewesen sei.

Durch Beschluss vom 23.01.2001 hat der Senat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Der einschlägige Verwaltungsvorgang des Beklagten und die Gerichtsakte 4 TH 191/90 liegen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung. Auf ihren Inhalt wird ebenso wie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig (§§ 124, 125 VwGO a.F.), aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beseitigungsverfügung des Beklagten vom 05.01.1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Gießen vom 07.07.1993 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 130 b VwGO auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts in dem angefochtene Urteil (S. 6 - S. 9 oben des Urteilsabdrucks) Bezug. Die streitige 74 cbm große Hütte im Außenbereich ist bauaufsichtlich nicht genehmigt und gegenwärtig nicht genehmigungsfähig; dies gilt insbesondere deshalb, weil die Hütte gegenwärtig keinem landwirtschaftlichen Betrieb dient, § 35 Abs. 1 BauGB. Ob die Bewirtschaftung von 60 Obstbäumen überhaupt eine landwirtschaftlichen Nebenerwerb darstellen kann, mag hier offen bleiben; jedenfalls erfordert sie nicht die Nutzung der streitigen Hütte. Auch die erleichterten Genehmigungsvoraussetzungen einer Nutzungsänderung nach § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB sind nicht gegeben, da das streitige Gebäude nicht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des (ursprünglichen) landwirtschaftlichen Betriebes steht, § 35 Abs. 4 Nr. 1 lit. e BauGB. Überdies sind auch die weiteren Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Nr. 1 lit. c und g BauGB nicht erfüllt.

Der Kläger kann dem bauaufsichtlichen Beseitigungsverlangen nicht entgegenhalten, dass die Hütte im Zeitpunkt ihrer Errichtung baugenehmigungsfrei oder baugenehmigungsfähig war. Bezüglich der Tatsachen, aus denen sich die Baugenehmigungsfreiheit oder die Genehmigungsfähigkeit der Hütte ergeben soll, ist der Kläger darlegungspflichtig. Das Vorbringen des Klägers bezüglich des Zeitpunkts der Errichtung der Hütte, der Einbringung des Ofens und bezüglich der ursprünglichen Nutzung der Hütte ist jedoch widersprüchlich und hat immer wieder gewechselt. Es fehlt daher an einem schlüssigen und widerspruchsfreien Vortrag, aus dem sich die Genehmigungsfreiheit bzw. Genehmigungsfähigkeit der streitigen Hütte ergibt. Soweit das Verwaltungsgericht auf S. 9 Abs. 2 des Urteilsabdrucks ausführt, es sei denkbar, dass das Vorhaben nach Entfernung des Ofens im Hinblick auf eine Nutzung als Lagerstätte für landwirtschaftliches Gerät nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BBauG etwa in einer Zeit vor 1982 genehmigungsfähig gewesen sei, weist der Senat darauf hin, dass es auch insoweit an einem schlüssigen Vortrag des Klägers fehlt. Aus der bloßen Angabe, es sei landwirtschaftliches Gerät untergestellt worden, lässt sich eine Genehmigungsfähigkeit der Hütte gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 BBauG nämlich nicht herleiten. Vielmehr hätte es eines weiteren konkreten Sachvortrags dazu bedurft, dass das Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne der genannten Vorschrift diente. Da sich nach dem Vorbringen des Klägers nicht feststellen lässt, dass die Hütte jemals genehmigungsfrei oder genehmigungsfähig war, ist die streitige Beseitigungsverfügung nicht zu beanstanden. Schon aus diesem Grund ist die Berufung zurückzuweisen.

Etwas anderes ergibt sich nicht, wenn man zugunsten des Klägers die Richtigkeit seiner im Berufungsverfahren gemachten Angaben bezüglich des Errichtungszeitraums (1956) und des ursprünglichen Nutzungszwecks (Lagerung landwirtschaftlicher Geräte und Erzeugnisse) als maßgeblich unterstellt. Diese Angaben werden durch die eidesstattliche Versicherung der Mutter des Klägers untermauert. In diesem Fall wäre das Gebäude im Jahre 1956 als landwirtschaftliches Gebäude ohne Ofen errichtet worden. Da zu diesem Zeitpunkt noch die ABO 1881 galt, wäre das Bauvorhaben seinerzeit nicht genehmigungspflichtig gewesen, weil es weder ein Wohngebäude darstellte, noch eine Feuerstelle enthielt, noch an einer öffentlichen Straße errichtet wurde (Art. 64 ABO 1881). Dabei kann dahinstehen, ob der Wirtschaftsweg, an dem die Flurstücke ... und ... in der Flur ... der Gemarkung E. liegen, eine öffentliche Straße im Sinne von Art. 64 ABO 1881 darstellte. Die Genehmigungspflicht nach dieser Vorschrift bestand nicht schon dann, wenn das Baugrundstück, sondern nur wenn das Gebäude selbst an einer öffentlichen Straße lag. Durfte die streitige Hütte im Jahr 1956 genehmigungsfrei errichtet werden, so ist jedoch der hieraus folgende Bestandsschutz inzwischen erloschen. Denn die ursprüngliche Nutzung, die dem landwirtschaftlichen Betrieb des Vaters des Klägers diente, ist endgültig aufgegeben worden. Der Kläger trägt im Berufungsverfahren selbst vor, dass die Hütte nach Aufgabe der Landwirtschaft durch seinen Vater zu Beginn der 70er Jahre zunächst leer gestanden habe. Damit war die im Rahmen des vorliegenden Argumentationszusammenhangs zugunsten des Klägers unterstellte ursprüngliche bestandsgeschützte Nutzung beendet und war auch, wie sich aus der durch Lichtbild aus dem Jahr 1986 nachgewiesenen Beheizungsmöglichkeit ergibt, bis zu diesem Zeitpunkt nicht wieder aufgenommen worden. Nach der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs soll ein Grundeigentümer die Rechtsposition des Bestandsschutzes, die sich zu seinen Gunsten aus einer früheren Rechtslage ergibt, bei faktischer Beendigung der ursprünglichen Nutzung nicht sofort verlieren. Ihm ist vielmehr zum Schutze seines Vertrauens in den Fortbestand einer bisher erreichten Rechtsposition je nach den konkreten Umständen eine gewisse Zeitspanne einzuräumen, innerhalb deren Bestandsschutz nachwirken kann und damit er Gelegenheit erhält, an den früher rechtmäßigen Zustand anzuknüpfen ( Beschluss vom 20.12.1994 - 3 TH 2631/94 - BRS 56 Nr. 77). Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Bestandsschutz fortdauert, solange die Verkehrsauffassung eine Wiederaufnahme der aufgegebenen Nutzung erwartet (hierzu und zum Folgenden: Urteil vom 18.05.1995 - 4 C 20.94 - DVBl. 1996, S. 40 - 44). Dies ist nach dem Zeitmodell, das das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung entwickelt hat, im ersten Jahr ohne Weiteres der Fall, im zweiten Jahr besteht die im Einzelfall widerlegbare Regelvermutung für eine mögliche Wiederaufnahme der Nutzung, während sich nach Ablauf von zwei Jahren die Vermutung umkehrt. Der Bauherr muss sodann besondere Gründe dafür darlegen, dass die Aufgabe der Nutzung noch keinen der Verkehrsauffassung als endgültig erscheinenden Zustand herbeigeführt hat (Simon, Bay. BauO, Komm., Rdnr. 125 f. zu Art. 82). Da im vorliegenden Verfahren der landwirtschaftliche Betrieb, dem die privilegierte Nutzung der Hütte diente, seit mehr als 10 Jahren endgültig aufgegeben ist, scheidet die Wiederanknüpfung an die bestandsgeschützte Nutzung aus. Fehlt es - wie hier - seit mehr als 10 Jahren an einer konkreten Nutzung für die Gebäudesubstanz und wurde eine solche in der verbliebenen Zeit des nachwirkenden Bestandsschutzes nicht aufgenommen, so ist das Vorhaben zu beseitigen (BVerwG, Beschluss vom 21.06.1994 - 4 B 108.94 - BauR 1994 737 f.). Die verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsgarantie fordert nicht, vage Vorstellungen über eine Rückkehr zu einer privilegierten Nutzung zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 15.12.1995 - 1 BvR 1713/92 - NVwZ-RR 1996, S. 483).

Gegen die Androhung der Ersatzvornahme nach § 69, § 74 HessVwVG bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird zugleich unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung für beide Rechtszüge auf je 12.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 13, 14, 25 GKG und entspricht der geschätzten Bedeutung der Sache für den Kläger. Der Senat bewertet den Substanzwert der streitigen Hütte ebenso wie das Verwaltungsgericht mit 200,-- DM je Kubikmeter umbauten Raumes. Bei 74 cbm ergibt sich ein Wert von 14.800,-- DM. Im Hinblick auf das Alter der Hütte erscheint jedoch ein Abschlag in Höhe von 4.800,-- DM als angemessen, so dass sich für die Beseitigung ein Teilstreitwert von 10.000,-- DM ergibt. Zu diesem Betrag ist die Hälfte der angedrohten Ersatzvornahmekosten (4.000,-- DM) hinzuzurechnen, so dass der Gesamtstreitwert 12.000,-- DM beträgt.

Die Befugnis zur Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG.

Hinweis: Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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