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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.05.2008
Aktenzeichen: 5 A 454/08.Z
Rechtsgebiete: HessKAG


Vorschriften:

HessKAG § 11 Abs. 1
HessKAG § 11 Abs. 3
Für die Überbürdung des aus der Gewährung einer "Eckgrundstücksvergünstigung" zugunsten mehrfach erschlossener Grundstücke resultierenden "Einnahmeausfalls" der Gemeinde auf die nur einfach erschlossenen Grundstücke auch im Straßenbeitragsrecht reicht als Rechtfertigung die Verschiebung der Vorteilsrelation aus, so dass unerheblich ist, dass die nur einfach erschlossenen Grundstücke keinen auch "absolut" höheren Vorteil erlangen.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 A 454/08.Z

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Heranziehung zu einem Straßenbeitrag (D-Weg im Stadtteil Hallgarten);

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 6. Mai 2008

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil der Stadt Oestrich-Winkel vom 23. August 2007 - 1 E 567/07 - wird abgelehnt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 9.092,70 € festgesetzt.

Gründe: Der ausweislich der schriftlichen Antragsbegründung vom 12. März 2008 auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) gestützte Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ist zulässig, kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben, denn das Vorbringen der Klägerin in ihrer Antragsbegründung gibt zu solchen Zweifeln keinen Anlass.

Der Bevollmächtigte der Klägerin macht in seiner Begründungsschrift zunächst einen Gehörsverstoß geltend, der sich daraus ergeben soll, dass das Gericht "nicht bereit" gewesen sei, "der Klägerseite Akteneinsicht mit angemessener Frist zur Bearbeitung und Erklärung zu gewähren". Es kann dahinstehen, ob mit diesem Vorbringen tatsächlich - nur - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts verdeutlicht werden sollen, oder ob damit als eigenständiger Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann, gerügt werden soll. Denn ein Gehörsverstoß liegt jedenfalls nicht vor. Zu Recht führt das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung aus, dass für die Klägerseite aufgrund der Übersendung der Verwaltungsvorgänge durch die Beklagte schon vor der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit bestand, Einsichtnahme in diese Akten zu beantragen und zu erhalten. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Hiervon ausgehend ist nicht zu beanstanden, dass dem erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Akteneinsicht nicht mehr entsprochen wurde. Vom Gericht angeboten wurde freilich die Einsicht in den erst in dem Verhandlungstermin überreichten Leitzordner mit der "Fotodokumentation-Bestand" zur Sanierungsmaßnahme "Rebhang". Der Ehemann der Klägerin lehnte diese Einsichtnahme mit der Begründung ab, dass er "in der Kürze der Zeit" nicht ausreichend Stellung nehmen könne. Einen Antrag auf Vertagung bzw. Schriftsatznachlass hat der Bevollmächtigte der Klägerin insoweit nicht gestellt. Damit ist ihm jetzt die Berufung auf einen Gehörsverstoß verwehrt. Im Übrigen ist nicht einzusehen, weshalb es der Klägerseite nicht möglich und zumutbar gewesen sein sollte, die Fotodokumentation entsprechend dem Angebot des Gerichts während der mündlichen Verhandlung in Augenschein zu nehmen und eine hierauf bezogene Stellungnahme abzugeben. Die in dieser Dokumentation zusammengestellten Fotos geben nichts anderes wieder als den früheren Straßenzustand im Baugebiet "Rebhang", der den Anliegern aus eigener unmittelbarer Anschauung bekannt war. Eine Konfrontation mit völlig neuem Tatsachenmaterial war damit also nicht verbunden.

Der Bevollmächtigte der Klägerin macht in seiner Antragsbegründung des Weiteren geltend, dass das Verwaltungsgericht beim D-Weg keine Anhaltspunkte für eine Erneuerungsbedürftigkeit wegen grundlegender Abnutzung ("Verschlissenheit") der Straßenanlage gesehen habe. Mit diesem Einwand will er offensichtlich zum Ausdruck bringen, dass die Nichtfeststellbarkeit des umfänglichen Verschleißes der Straßenanlage einer Beitragserhebung prinzipiell entgegenstehe. Dem kann nicht gefolgt werden. Nach ständiger Senatsrechtsprechung (dazu das Urteil des Senats vom 30. Januar 1991 - 5 UE 2831/88 - NVwZ-RR 1992, 100 = GemHH 1992, 204 = HSGZ 1992, 39, welches in den hier interessierenden Passagen bereits in dem Beschluss des Senats vom 21. Dezember 2006 im vorangegangenen Eilverfahren 5 TG 2329/06 gleichen Rubrums zitiert worden ist) ist von der Feststellung einer grundlegenden Abnutzung und Erneuerungsbedürftigkeit der Straßenanlage nur die Beitragsfähigkeit einer "schlichten" - wiederherstellenden - Erneuerung abhängig. Ein verändernder Um- und Ausbau, der die Straße mit Blick auf ihre Funktionen und ihre Benutzbarkeit objektiv verbessert, kann dagegen auch unabhängig davon, ob die Straße bereits umfassend abgenutzt war, eine Beitragserhebung rechtfertigen. Zu Recht hat deshalb das Verwaltungsgericht für die Beitragsfähigkeit der hier streitigen Um- und Ausbaumaßnahme darauf abgestellt, ob mit ihr eine die Beitragserhebung rechtfertigende objektive Verbesserung erzielt wird. Letzteres hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung bejaht, dass der Unterbau des D-Wegs nach den Angaben des dazu angehörten Mitarbeiters des bauleitenden Ingenieurbüros "im Mittel....... nur 25 cm" stark gewesen sei. Über die für durchgängigen Frostschutz erforderliche Ausbaustärke verfüge die Anlage erst jetzt aufgrund des Einbaus einer insgesamt 46 cm starken Schottertragschicht. Darüber hinaus sei gemäß der Empfehlung des bodenmechanischen Labors .... vom 11. Oktober 2005 ein Bodenaustausch unter dem Unterbau zur Erzielung eines ausreichend tragfähigen Untergrundes vorgenommen worden. Diese Maßnahmen führen auch nach Auffassung des Senats in ihrer Gesamtheit zu einer objektiven Verbesserung, die als solche die Beitragserhebung rechtfertigt. Dass der Senat zu diesem Ergebnis noch nicht im vorangegangenen Eilverfahren gleichen Rubrums wegen Erhebung einer Vorausleistung für den Buchenweg hat gelangen können, ist auf die Darstellung der tatsächlichen Gegebenheiten durch die Beklagte im damaligen Verfahren zurückzuführen. Ihr Bevollmächtigter trug nämlich in diesem Verfahren vor, dass der bei der Bauausführung im Jahre 2005 "angetroffene" Straßenaufbau aus bituminös befestigten Oberbauschichten in einer Dicke von ca. 16 cm sowie einer darunter vorgefundenen "bis zu" 40 cm dicken Tragschicht aus stark sandigem Material bestanden habe. Das ergab eine Gesamtstärke des bisherigen Straßenaufbaus von immerhin "bis zu" 56 cm und ließ den durch den neuen Straßenaufbau in einer Stärke von insgesamt ca. 60 cm bewirkten "Zuwachs" relativ bescheiden ausfallen. Bei summarischer Überprüfung konnte so von einem erst jetzt frostsicher hergestellten Straßenkörper als Voraussetzung für das Vorliegen einer beitragsfähigen Verbesserung nicht ausgegangen werden. Die im vorliegenden Klageverfahren geänderte Darstellung der Beklagten, die im Vergleich zum früheren Vorbringen eine Richtigstellung, nicht etwa nur eine Klarstellung enthält, schafft in Verbindung mit den Angaben des in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht angehörten Mitarbeiters der Firma ............. und ........... und den zur Illustrierung vorgelegten Aufnahmen mit der "Abbruchkante" des ausgekofferten D-Wegs im Wendehammerbereich die Voraussetzungen dafür, dass nunmehr die Annahme einer objektiven - beitragsfähigen - Verbesserung gerechtfertigt erscheint. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung hat insoweit der Bevollmächtigte der Klägerin nicht dargelegt. Entgegen seiner Auffassung kann es für eine Beitragserhebung genügen, dass ein technisch veralteter Straßenkörper einen dem heutigen technischen Standard entsprechenden Ausbauzustand erhält und insoweit "modernisiert" wird. Es muss mit derartigen Maßnahmen nicht etwa gewartet werden, bis die Straßenanlage umfassend verschlissen ist und schon aus diesem Grunde einer wiederherstellenden Erneuerung bedarf.

Soweit die Straßenbeleuchtung des D-Wegs durch eine moderne Beleuchtungsanlage mit stärkerer Leuchtkraft ersetzt worden ist, rechtfertigt sich die Beitragserhebung auch hier mit der erzielten objektiven Verbesserung. Wie schon in Bezug auf den Ausbau des Straßenkörpers kann dagegen die Klägerin nicht einwenden, dass das Verwaltungsgericht die Verschlissenheit der fraglichen Teileinrichtung nicht festgestellt habe. Auch insoweit löst das Vorbringen der Bevollmächtigten der Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht aus.

Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Klägerin, die Belastung von Eck- und Mittelgrundstücken sei falsch berechnet worden. Ihr Bevollmächtigter beanstandet, dass nach der Berechnung der Beklagten infolge des durch die geringere Zahl der Maßstabseinheiten erhöhten Beitragssatzes nicht nur die Mittelgrundstücke, sondern auch die mehrfach erschlossenen Grundstücke selbst ("Eckgrundstücke") an der auf der Eckgrundstücksregelung beruhenden Mehrbelastung teilnähmen. Dieser Einwand ist unberechtigt. Die Verringerung der insgesamt in die Verteilung einzustellenden Berechnungsfläche führt naturgemäß zu einer Erhöhung des Beitragssatzes je Quadratmeter belastbarer Fläche. Das aber ist eine gewollte Auswirkung der Vergünstigungsregelung, die nichts an der gleichwohl - als Folge der Reduzierung der hier anzusetzenden belastbaren Fläche - verbleibenden Vergünstigung für die Eckgrundstücke ändert. Was die Zulässigkeit der Überbürdung des durch die Eckgrundstücksvergünstigung verursachten Beitragsausfalls auf die einfach erschlossenen "Mittelgrundstücke" angeht, so verweist das Verwaltungsgericht zu Recht auf die einschlägige Rechtsprechung des Senats (z.B. Beschluss vom 09.11.2004 - 5 TG 2850/04 -, HSGZ 2005, 111). Die insoweit stärkere Belastung der Mittelgrundstücke verstößt mitnichten gegen das Vorteilsprinzip. Soweit sich als Folge des vom Eckgrundstück aus der einzelnen Erschließungsanlage bezogenen minderen Vorteils und der damit einhergehenden Reduzierung der Belastung der Beitrag für die nur einfach erschlossenen Mittelgrundstücke erhöht, ist das eine Verteilungsfolge. Da der gesamte - umlegungsfähige - Aufwand verteilt wird, führt eine vorteilsbedingt geringere Belastung des einen Grundstücks naturgemäß zu einer entsprechend stärkeren Belastung des anderen Grundstücks. Voraussetzung für diese dann stärkere Belastung ist nicht etwa eine absolute Vorteilserhöhung für das davon betroffene Grundstück. Als Rechtfertigung für die Belastungsverschiebung reicht vielmehr aus, dass sich die Vorteilsrelation zwischen den zu beteiligenden Grundstücken verschiebt. Das aber ist immer schon dann der Fall, wenn ein anderes Grundstück - wie gerade ein mehrfach erschlossenes Grundstück in Bezug auf die konkret abzurechnende einzelne Erschließungsanlage - nur einen minderen Vorteil erlangt und dementsprechend geringer für den Um- und Ausbau dieser einen Erschließungsanlage zu belasten ist.

Der Zulassungsantrag der Klägerin ist nach allem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Entscheidung über die Höhe des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 52 Abs. 3, 47 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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