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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.07.2008
Aktenzeichen: 5 B 6/08
Rechtsgebiete: Gebührensatzung der Stadt Hess. Lichtenau, HBKG


Vorschriften:

Gebührensatzung der Stadt Hess. Lichtenau für den Einsatz der Freiwilligen Feuerwehren
HBKG § 61
Die Beschränkung auf die Erstattung der durch den konkreten Feuerwehreinsatz verursachten Kosten bei dem in § 61 des Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes (HBKG) geregelten "Kostenersatz bei Einsatz der Feuerwehren" (dazu: Senatsurteil vom 22.08.2007 - 5 UE 1734/06 - ESVGH 58, 77 = KStZ 2008, 36 = GemHH 2008, 91) gilt nicht nur bei Bränden und Naturkatastrophen (§ 61 Abs. 2 HBKG), sondern auch "für alle übrigen Leistungen", wie insbesondere die Allgemeine Hilfe, bei denen gem. § 61 Abs. 3 HBKG die Kosten "nach allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen oder nach örtlichen Gebührenordnungen zu erstatten" sind.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF

BESCHLUSS

5. Senat

5 B 6/08

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Heranziehung zum Kostenersatz für einen Feuerwehreinsatz;

hier: Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann,

Richter am Hess. VGH Dr. Apell,

Richter am Hess. VGH Dr. Jürgens

am 22. Juli 2008 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 7. Dezember 2007 - 6 G 1320/07 - wird, soweit er den Antragsteller zu 1. betrifft, auf dessen Beschwerde geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers zu 1. gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. November 2006 wird angeordnet.

Die Beschwerde der Antragstellerin zu 2. gegen den vorgenannten Beschluss wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin und die Antragstellerin zu 2. tragen die Gerichtskosten des gesamten Verfahrens je zur Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten tragen die Antragsgegnerin diejenigen des Antragstellers zu 1. voll und 1/2 der eigenen, die Antragstellerin zu 2. die eigenen und 1/2 der der Antragsgegnerin erwachsenen Kosten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.167,33 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin zu 2., die sich gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der von ihr erhobenen Klage gegen den Gebührenbescheid der Antragsgegnerin vom 28. November 2006 richtet, ist zulässig, kann in der Sache aber keinen Erfolg haben, da das Verwaltungsgericht diesen Antrag zu Recht mit der Begründung, dass es an einer Betroffenheit in eigenen Rechten gem. § 42 Abs. 2 VwGO und damit an der erforderlichen Antragsbefugnis im vorliegenden Aussetzungsverfahren fehle, abgelehnt hat. Adressat des Gebührenbescheides ist allein der Antragsteller zu 1., so dass auch nur er die Verletzung in eigenen Rechten geltend machen kann und auf dieser Grundlage klage- und antragsbefugt ist. Soweit die Antragstellerin zu 2. als Versicherungsgesellschaft gem. § 10 Abs. 4 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) als bevollmächtigt gilt, im Namen der versicherten Person - hier des Antragstellers zu 1. - Ansprüche abzulehnen oder zu befriedigen und/oder sie abzuwehren und alle dafür zweckmäßig erscheinenden Erklärungen abzugeben, kann daraus lediglich die Berechtigung zur Klageerhebung und Antragstellung im Namen des Antragstellers zu 1. abgeleitet werden, nicht aber die Befugnis zur Rechtsverfolgung im eigenen Namen, wie sie die Antragstellerin zu 2. hier für sich in Anspruch nimmt.

Die Beschwerde des Antragstellers zu 1., an den sich der streitige Gebührenbescheid richtet, ist dagegen nicht nur zulässig, sondern auch begründet. Im Unterschied zu der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Heranziehung zu Feuerwehrgebühren ernstliche Zweifel bestehen, die es nach der im gerichtlichen Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebieten, antragsgemäß die aufschiebende Wirkung der von dem Antragsteller zu 1. erhobenen Klage anzuordnen.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Gebührensatzung, auf die die streitige Gebührenerhebung gestützt, materiell-rechtlich nicht zu beanstanden sei. Die Antragsgegnerin habe gem. § 10 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes über kommunale Abgaben (im Folgenden: KAG) die Gebührensätze so bemessen dürfen, dass die Kosten der Einrichtung gedeckt werden. Als Kosten hätten damit die Aufwendungen für die laufende Verwaltung und Unterhaltung, Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen, angemessene Abschreibungen sowie eine angemessene Verzinsung des Anlagekapitals in die Kalkulation eingestellt werden dürfen. Soweit das OVG Koblenz in seinem Urteil vom 18. November 2004 (12 A 11382/04, DAR 2005, 111 f.) die Auffassung vertrete, dass nur die auf den konkreten Feuerwehreinsatz entfallenden Kosten, nicht dagegen die betriebswirtschaftlich ermittelten Jahreskosten der Feuerwehreinrichtung insgesamt zu erstatten seien, hänge das mit der in Rheinland-Pfalz getroffenen Regelung des Kostenersatzes zusammen. Die Regelung in § 61 des Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes (im Folgenden: HBKG) unterscheide zwischen dem Einsatz zur Brandbekämpfung (Abs. 2) und den "übrigen Leistungen" wie insbesondere solchen der "allgemeinen Hilfe" (Abs. 3) und erstrecke letzterenfalls die Kostenerstattung in Übereinstimmung mit dem Kostenbegriff in § 10 Abs. 2 KAG auch auf die einrichtungsbezogenen Vorhaltekosten.

Diesem Verständnis der gesetzlichen Regelung des Kostenersatzanspruchs für Feuerwehreinsätze in Hessen kann sich der Senat nicht anschließen. Bezogen auf den Kostenersatz für einen Einsatz der Feuerwehr zur Brandbekämpfung hat er in seinem Urteil vom 22. August 2007 (5 UE 1734/06, ESVGH 58, 77 = KStZ 2008, 36 = GemHH 2008, 91) dargelegt, dass sich die zu erstattenden Kosten auf den Ausgleich der konkret durch den einzelnen Einsatz der Feuerwehr verursachten Kosten beschränken. Eine weitergehende Beteiligung an den durch das ständige Vorhalten der Feuerwehreinrichtung bedingten Kosten scheidet aus. Der auf den konkreten Feuerwehreinsatz bezogene Kostenersatz stellt, auch wenn er in Gebührenform auf der Grundlage einer Gebührenordnung geltend gemacht wird, keine Benutzungsgebühr im Sinne des § 10 KAG dar, bei der auch eine Beteiligung an den durch das ständige Vorhalten der Einrichtung verursachten Kosten stattfindet. Vorhaltekosten können bei der Abrechnung der Kosten eines Feuerwehreinsatzes nur insoweit Berücksichtigung finden, als sie zum Werteverbrauch zählen, der konkret mit der Leistungserbringung des einzelnen Feuerwehreinsatzes verbunden ist. Als Teil der durch den konkreten Leistungsverbrauch während des Feuerwehreinsatzes verursachten "verbrauchsabhängigen" Kosten ist also nur der Anteil der Vorhaltekosten ansatzfähig, der auf den Zeitraum der konkreten Leistungserbringung entfällt. Warum in diesem Punkt, wie das Verwaltungsgericht meint, bei Leistungen der allgemeinen Hilfe etwas anderes gelten soll, erschließt sich dem Senat nicht. Das Verwaltungsgericht argumentiert mit der in § 61 HBKG "im Gegensatz zum rheinland-pfälzischen Landesrecht" getroffenen Differenzierung zwischen dem Kostenersatz bei Bränden und Naturkatastrophen (§ 61 Abs. 2 HBKG) und der Kostenerstattung "für alle übrigen Leistungen" (§ 61 Abs. 3 HBKG). Aus dieser Differenzierung ergibt sich jedoch für den Umfang des Kostenersatzes kein relevanter Unterschied. Von der Beschränkung auf die durch den konkreten Leistungsverbrauch verursachten Kosten ist auch im Falle des § 61 Abs. 3 HBKG auszugehen. Denn auch hier sind mit den zu erstattenden Kosten - nicht anders als es § 61 Abs. 2 HBKG für Feuerwehreinsätze zur Bekämpfung von Bränden und Naturkatastrophen vorsieht - die durch den Einsatz der Feuerwehr entstandenen Kosten gemeint. Die durch § 61 Abs. 3 HBKG eröffnete Alternative zwischen Kostenerstattung "nach allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen" und Kostenerstattung "nach örtlichen Gebührenordnungen" bedeutet nicht etwa, dass sich die auf der Grundlage einer Gebührenordnung erhobene Feuerwehrgebühr als Benutzungsgebühr im Sinne des § 10 KAG darstellen würde. Wie der Senat bereits in Bezug auf die Vorgängerregelung in § 42 Abs. 3 Satz 1 des Hessischen Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetzes in der Fassung vom 4. September 1974 ausgeführt hat (vgl. dazu Senatsurteil vom 2. März 1988 - 5 UE 897/86 - NVwZ-RR 1988, 75 = HSGZ 1989, 25 = KStZ 1989, 78), ermächtigt das Gesetz die Gemeinden mit der genannten Alternative lediglich dazu, ihre in den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen begründeten Kostenerstattungsansprüche im Rahmen ihrer Satzungsgewalt als eigenständigen öffentlich-rechtlichen Anspruch in einer Gebührensatzung zu konkretisieren. Das aber ändert nichts an der - schon durch die Formulierung der Rechtsfolge vorgegebenen - grundsätzlichen Beschränkung auf Kostenersatz im Sinne der Kosten, die konkret auf den jeweiligen Feuerwehreinsatz entfallen.

Die Antragsgegnerin ist bei der Festlegung der Gebührensätze für die von ihrer Freiwilligen Feuerwehr erbrachten Leistungen davon ausgegangen, dass sie Benutzungsgebühren im Sinne des § 10 KAG erhebe. Demgemäß hat sie sich, wie auch die Ausführungen ihres Bevollmächtigten in der Beschwerdeerwiderung noch einmal zeigen, an den Kosten der Einrichtung einschließlich der einrichtungsbezogenen Vorhaltekosten orientiert. Das lässt - anknüpfend an die vorstehenden Ausführungen - ernstliche Zweifel daran aufkommen, ob sich die für die einzelnen Leistungseinheiten festgelegten Gebührensätze im Satzungsrecht der Antragsgegnerin noch innerhalb der Grenzen bewegen, die sich aus der Beschränkung des Kostenerstattungsanspruchs auf die Erstattung der einsatzbezogenen Kosten ergeben. Eine Überschreitung der tatsächlich erstattungsfähigen Kosten durch die in der Gebührenordnung festgelegten Gebührensätze hat deren Ungültigkeit zur Folge und lässt damit die Geeignetheit einer solchen Gebührenordnung als Rechtsgrundlage für die Erhebung von Feuerwehrgebühren entfallen. Gerade bei den hier streitigen Fahrzeuggebühren (Ziffer 2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührensatzung der Antragsgegnerin für den Einsatz ihrer Freiwilligen Feuerwehren) hat die Einbeziehung allgemeiner Vorhaltekosten erhebliche Auswirkungen auf die Gebührenhöhe. Soweit wenigstens der auf die Zeitdauer des konkreten Einsatzes entfallende Anteil der Vorhaltekosten in die Kostenberechnung eingestellt werden darf, ist für die Bestimmung dieses Anteils das Verhältnis der einzelnen Einsatzstunde zur Gesamtzahl der Jahresstunden maßgeblich (dazu: Senatsurteil vom 22.08.2007, a. a. O., unter Hinweis auf OVG Münster, U. v. 13.10.1994 - 9 A 780/93 - ZKF 1995, 280 = GemHH 1996, 69, 70). Eine sich nicht auf gerade diesen Anteil beschränkende Einbeziehung von Vorhaltekosten führt erfahrungsgemäß zu einer Kostenüberdeckung in einer Größenordnung, die nicht mehr vernachlässigbar ist und so die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge hat.

Bei den im Satzungsrecht der Antragsgegnerin festgelegten "Personalgebühren" je Einsatzkraft (Ziffer 1 des Gebührenverzeichnisses) spielt die Einbeziehung von Vorhaltekosten eine geringere Rolle, da es sich bei der Feuerwehr der Antragsgegnerin um eine Freiwillige Feuerwehr handelt, für die Personalkosten in fester Höhe als Folge einer dauernden Beschäftigung des eingesetzten Personals durch die Gemeinde nicht anfallen. Gleichwohl spricht für eine unzulässige Kostenüberschreitung auch bei den Gebührensätzen für den Personaleinsatz die Tatsache, dass - ausweislich der im Beschwerdeverfahren unwidersprochen gebliebenen Darstellung der Antragsteller - die Antragsgegnerin den Lohnausfall, für den Entschädigung zu leisten ist, auf sämtliche Einsätze bezogen und damit unberücksichtigt gelassen hat, dass bei Einsätzen in der Freizeit des eingesetzten Personals keine Lohnausfallentschädigung anfällt. Demzufolge müssten bei richtiger Kalkulation die Gebührensätze auch hier niedriger ausfallen. Damit aber ergeben sich auch bei diesen Gebühren, was die Einhaltung der Kostendeckungsgrenze angeht, nicht unerhebliche Zweifel, so dass es gerechtfertigt erscheint, auch insoweit die Vollziehung des angefochtenen Gebührenbescheides auszusetzen.

Auch bei einer an sich fehlerhaften Kalkulation können Gebührensätze Bestand haben, wenn sie von vornherein soweit unterhalb der Grenze der Kostendeckung festgelegt sind, dass sich die Fehler der Kalkulation nicht in einer mehr als nur geringfügigen Überhöhung der Gebührensätze niederschlagen. Wird eine derartige Konstellation geltend gemacht, so muss sie allerdings - auch schon im Eilverfahren - durch Vorlage und Erläuterung der tatsächlich erstellten Kalkulation belegt werden. Dies ist im vorliegenden Verfahren nicht geschehen, obwohl die Einwände gegen die Höhe der Gebühren bekannt waren und im Beschwerdeverfahren nochmals vertieft worden sind. Unter diesen Umständen kann es nicht damit sein Bewenden haben, dass unter Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung die endgültige Klärung der Gültigkeit der Gebührensätze dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt.

Die Kostenentscheidung, die hier wegen der Streitgenossenschaft der beiden Antragsteller in Anlehnung an die "Baumbach'sche Formel" (dazu: Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 100 Rn. 52) getroffen wurde, beruht auf den §§ 154, 155 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 47 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).



Ende der Entscheidung

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