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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 31.05.2005
Aktenzeichen: 5 TG 2768/04
Rechtsgebiete: HAltPflG, KostAusglVO


Vorschriften:

HAltPflG § 23 Abs. 2
KostAusglVO § 2
KostAusglVO § 3
§ 23 Abs. 2 des Hessischen Altenpflegegesetzes - HAltPflG - in Verbindung mit der Kostenausgleichsverordnung - KostAusglVO - bildet seit der zweiten Verordnung zur Änderung der Kostenausgleichsverordnung vom 29. November 2004 (GVBl. I, S. 410) eine wirksame Ermächtigungsgrundlage zur Erhebung eines Ausgleichsbetrages für die Erstattung der Kosten der Ausbildungsvergütungen der Altenpflegeschulen.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

5. Senat

5 TG 2768/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausgleichsabgaben

hier: Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 31. Mai 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 30. August 2004 - 4 G 958/04(1) - abgeändert. Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 14. Juni 2004 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15. März 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2004 wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 4.238,65 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 30. August 2004 ist zulässig und begründet. Der Senat hat - nach erneuter Novellierung der KostAusglVO (Verordnung über die Durchführung des Kostenausgleichsverfahrens nach § 23 des Hessischen Altenpflegegesetzes [HAltPflG] vom 29. November 2004, GVBl. I, 410) - keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides über die Festsetzung der endgültigen Altenpflegeausgleichsbeträge für die Jahre 1998 bis 2002, die es rechtfertigen, nach der im gerichtlichen Eilverfahren des § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Ermächtigungsgrundlage für die streitgegenständlichen Ausgleichsbeträge ist § 23 Abs. 2 HAltPflG vom 12. Dezember 1997 (GVBl. I S. 452), geändert durch Gesetz vom 15. Juli 2003 (GVBl. I S. 2005), in Verbindung mit §§ 2 bis 4 KostAusglVO vom 27. Dezember 1997 (GVBl. I S. 484), zuletzt geändert durch Verordnung vom 29. November 2004.

Gemäß § 23 Abs. 4 HAltPflG ist durch Rechtsverordnung zu regeln, dass zur Erstattung der Kosten der Ausbildungsvergütungen der Altenpflegeschulen von ambulanten und stationären Einrichtungen, die alten Menschen Pflegeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB XI) oder nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gewähren, Ausgleichsbeträge erhoben werden. Die Höhe der Ausgleichsbeträge richtet sich nach den von den Pflegeeinrichtungen erbrachten pflegerischen Leistungen (Pflegetage, Pflegeeinheiten). Dabei werden in das Ausgleichsverfahren auch Personen einbezogen, die die Kosten für die ihnen gewährten Leistungen ganz oder anteilig selbst tragen. Des Weiteren kann die Rechtsverordnung auch das Nähere über die Berechnung der Ausgleichsbeträge und das Ausgleichsverfahren sowie die zu dessen Durchführungen erforderlichen Angaben der genannten Träger regeln.

Die vom Senat in seinem Beschluss vom 30. März 2000 - 5 TG 824/99 - (DVBl. 2000, 1700 <1702>) geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken zur Finanzierung der Altenpflegeausbildungsvergütung über einen Ausgleichsbetrag werden nicht aufrecht erhalten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 - (NVwZ 2003, 1241 ff.) die Altenpflegeumlage als verfassungsrechtlich zulässige Sonderabgabe qualifiziert und insbesondere die vom beschließenden Senat in seiner Entscheidung vom 30. März 2000 in Zweifel gezogene spezifische Sachnähe der abgabepflichtigen Gruppe zu der zu finanzierenden Aufgabe mit ausführlicher Begründung (a.a.O., S. 1244 bis 1246) bejaht; dieser Auffassung schließt sich der Senat nunmehr an.

Auch die weiteren im Beschluss des Senats vom 30. März 2000 geäußerten Zweifel daran, dass es sich bei der Bemessungsgrundlage für die Ausgleichsbeträge in den §§ 2 und 3 KostAusglVO um eine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Umsetzung der Regelung des § 23 Abs. 2 HAltPflG handelt, bestehen nach der Novellierung der Kostenausgleichsverordnung vom 29. November 2004 nicht fort.

Der Senat hatte durch die Regelung der §§ 2 und 3 KostAusglVO die Anforderungen des im Abgabenrecht geltenden sogenannten Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit als nicht gewahrt angesehen, weil § 2 KostAusglVO in seiner ursprünglichen Fassung für die zur Berechnung der Höhe der Ausgleichsbeträge heranzuziehenden pflegerischen Leistungen für stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen unterschiedliche Bemessungsgrundlagen festgelegte, § 3 Satz 2 KostAusglVO aber voraussetzte, dass die pflegerischen Leistungen aller Einrichtungen insgesamt in ein Verhältnis zu den Kosten bzw. zu den pflegerischen Leistungen der einzelnen Einrichtung gesetzt werden können. In der nunmehr geltenden Fassung regelt § 2 Abs. 2 Satz 1 KostAusglVO, dass die nach § 23 Abs. 2 Satz 2 HAltPflG zur Festlegung der Höhe der Ausgleichsbeträge heranzuziehenden pflegerischen Leistungen für stationäre Pflegeeinrichtungen nach Pflegetagen, für ambulante Pflegeeinrichtungen nach Pflegestunden bemessen werden. Dabei bestimmt sich gemäß § 3 KostAusglVO die Höhe der Umlage der einzelnen heranzuziehenden Einrichtung danach, dass der Gesamtbetrag der Kosten aller Altenpflegeschulen nach § 1 KostAusglVO auf die Einrichtungen im Verhältnis der pflegerischen Leistungen aller Einrichtungen zu den entsprechenden Leistungen der einzelnen Einrichtungen umgelegt wird, wobei - § 3 Satz 3 und 5 KostAusglVO - die Verteilung der Kosten zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen im Verhältnis der entsprechenden Pflegesachleistungen erfolgt, die von den Pflegekassen in Hessen gewährt wurden, so dass sich der auf die einzelne Einrichtung entfallende Kostenanteil nach dem Verhältnis der Summe der im ambulanten o d e r im stationären Bereich jeweils nach § 23 Abs. 2 Satz 1 HAltPflG gewährten Pflegeleistungen zu den von der betreffenden Einrichtung erbrachten entsprechenden Leistungen richtet (§ 3 Satz 4 KostAusglVO).

Mit den Novellierungen der §§ 2 und 3 KostAusglVO durch die Verordnung zur Änderung der Kostenausgleichsverordnung vom 29. Januar 2002 (GVBl. I S. 29) und der zweiten Verordnung zur Änderung der Kostenausgleichsverordnung vom 29. November 2004 (a.a.O.) hat der Verordnungsgeber die in dem zitierten Senatsbeschluss dargelegten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verordnung beseitigt und die Änderungsverordnungen in den hier maßgeblichen Punkten jeweils in nicht zu beanstandender Weise mit Rückwirkung zum 31. Dezember 1997 in Kraft gesetzt.

Zwar sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts belastende Gesetze, die abgeschlossene Tatbestände rückwirkend erfassen, regelmäßig unvereinbar mit dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit, zu dessen wesentlichen Elementen die Rechtssicherheit gehört, die ihrerseits für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet. Echte (retroaktive) Rückwirkung in diesem Sinne liegt vor, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift; dies steht im Gegensatz zur Einwirkung auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen (sogenannte unechte, retrospektive Rückwirkung). Die Verfassung schützt grundsätzlich das Vertrauen darauf, dass die mit abgeschlossenen Tatbeständen verknüpften gesetzlichen Rechtsfolgen anerkannt bleiben (BVerfG, Beschluss vom 23. März 1971 - 2 BvL 2/66 -, BVerfGE 30, 367 <386> m.w.N.). Dies gilt indes nicht ausnahmslos, denn Vertrauensschutz kann dort nicht in Frage kommen, wo das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt wäre (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 -, BVerfGE 13, 261 <271 f.> mit Beispielen für die fehlende Schutzwürdigkeit des Vertrauens). So liegt der Fall hier: Unabhängig von der Frage, ob die Rechtsänderungen als echte oder unechte Rückwirkungen zu qualifizieren sind, konnten die Normadressaten kein schutzwürdiges Vertrauen entwickeln, von der Sonderabgabe verschont zu bleiben. Der Landesgesetzgeber hat im Dezember 1997 mit § 23 Abs. 2 HAltPflG zum Ausdruck gebracht, dass zur Erstattung der von den Altenpflegeschulen aufzubringenden Ausbildungsvergütungen von ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen Ausgleichsbeträge erhoben werden. Allerdings bestanden an der Rechtmäßigkeit der auf dieser Grundlage erlassenen KostAusglVO erhebliche Zweifel (vgl. den bereits wiederholt zitierten Senatsbeschluss vom 30. März 2000). Mit den Novellierungen der KostAusglVO vom 29. Januar 2002 und vom 29. November 2004 hat der Verordnungsgeber die unklare bzw. rechtswidrige bestehende Rechtslage beseitigt und eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Ausgleichsbeträge geschaffen. Vor diesem Hintergrund mussten die Pflegeeinrichtungen damit rechnen, dass sie ab dem Jahr 1998 mit Ausgleichsbeträgen für die Ausbildungsvergütungen belastet würden und insbesondere auch, dass die Änderungen der KostAusglVO zur Klarstellung der Rechtslage bzw. zur Heilung rechtswidriger Normen mit rückwirkender Kraft auf den Entstehungszeitpunkt des HAltPflG erfolgen würden. Ein Vertrauen darauf, dass eine Sonderabgabenforderung nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt entstehen würde, konnte sich deshalb nicht entwickeln bzw. ist nach den beschriebenen Umständen nicht schutzwürdig.

Der Senat hat - anders als das Verwaltungsgericht - auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abgabenbescheides. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin handelt es sich bei der Regelung des § 4 Abs. 3 KostAusglVO nicht um eine Ausschlussfrist mit der Folge, dass nach Ablauf dieser Frist Ausgleichsbeträge nicht mehr gefordert werden dürften. Wegen der einschneidenden Folgen von Ausschlussfristen bedürfen diese stets einer gesetzlichen Grundlage und einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, zudem muss sich der Ausschlusscharakter der Frist hinreichend eindeutig aus der maßgeblichen Rechtsnorm ergeben.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist - mit dem Verwaltungsgericht - davon auszugehen, dass es sich bei der Frist des § 4 Abs. 3 Satz 1 KostAusglVO nicht um eine Ausschlussfrist sondern um eine Ordnungsvorschrift handelt, die ein koordiniertes, zügiges Verwaltungshandeln gewährleisten soll. In dem Prozess zur Ermittlung des konkreten Ausgleichsbetrages der einzelnen Pflegeeinrichtung bedarf es der Mitwirkung aller Altenpflegeschulen und aller ambulanten und stationären Pflegeinrichtungen bzw. deren Kostenträger. Die Fristen des § 4 KostAusglVO einschließlich der des Abs. 3 Satz 1 dienen einer strukturierten Datenerhebung und einer zeitnahen Festsetzung der Ausgleichsbeträge im Interesse der Altenpflegeschulen und damit letztlich dem Interesse an der Funktionsfähigkeit einer qualifizierten Altenpflege. Die Qualifizierung der Frist als Ausschlussfrist würde dieser Zielsetzung zuwiderlaufen.

Hinsichtlich der Höhe der Ausgleichsbeträge hat die zuständige Behörde - wie aus dem angefochtenen Bescheid ersichtlich ist - auf der Basis des Zahlenmaterials der AOK Hessen die Gesamtheit der erbrachten Pflegeleistungen - getrennt nach ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen - hochgerechnet. Die Richtigkeit der so ermittelten Zahlen ist von den Verbänden der Pflegekassen in Hessen mit Schreiben vom 29. September 2003 bestätigt worden, ohne dass die Antragstellerin das Rechenwerk mit substantiierten Einwendungen in Zweifel gezogen hätte. Nach Maßgabe des § 3 KostAusglVO hat die Behörde dann - ebenfalls getrennt nach ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen - für den ambulanten Bereich einen Kostenfaktor pro Pflegestunde ermittelt und diesen Faktor mit den geleisteten Pflegestunden der konkreten Einrichtung multipliziert.

Auch die vom Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Anwendung der Rundungsregeln erhobenen Zweifel teilt der Senat im Rahmen der summarischen Prüfung nicht. Die KostAusglVO enthält selbst keine Rundungsregelung, so dass gegen die Anwendung der allgemeinen Regeln grundsätzlich keine Bedenken bestehen. Die Anwendung der Rundungsregeln bereits auf der Ebene des Kostenfaktors - Cent pro Pflegestunde - ist indes nicht zwingend geboten, wenn dafür auch gewisse Praktikabilitätsgesichtpunkte sprechen; sie führt zudem jedes Jahr zu einer gewissen Unter- oder Überdeckung. Die belastenden Auswirkungen auf die konkrete Abgabenschuld der einzelnen Pflegeeinrichtung sind jedoch - soweit solche überhaupt vorliegen - derart gering, dass sie im vorliegenden Eilverfahren ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht begründen.

Somit ist auf die Beschwerde des Antragsgegners hin der Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes auf den §§ 52 Abs. 1, 47, 53 Abs. 3 Nr. 2 Gerichtskostengesetz - GKG - in der ab dem 1. Juli 2004 geltenden Fassung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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