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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 31.01.2006
Aktenzeichen: 5 TG 940/05
Rechtsgebiete: AO, BauGB, HessKAG


Vorschriften:

AO § 169 Abs. 2 Satz 1
BauGB § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
HessKAG § 1 Abs. 2
HessKAG § 4 Abs. 1 Nr. 4b
Will die Gemeinde den Erschließungsbeitrag in der Weise erheben, dass als "Straßenentwässerung" ein für mehrere Straßen eingerichtetes "Entwässerungssystem" über eine entsprechend rechnerische Teilhabe der einzelnen Straßen an den Kosten abgerechnet wird, so bedarf es einer "Entwässerungssystementscheidung", die rechtzeitig, d.h. vor der Entstehung des Beitragsanspruchs kraft Gesetzes in der dem Regelfall der Abrechnung der Entwässerungseinrichtung der einzelnen Straße entsprechenden Höhe, getroffen werden muss (wie Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Auflage 2004, § 13 Rn. 69).
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 TG 940/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen;

hier: Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 31. Januar 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 9. März 2005 - 12 G 708/02(V) - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 80.075,29 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Die in den §§ 147, 146 Abs. 4 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) genannten Fristen für Einlegung und Begründung der Beschwerde sind gewahrt. Auch dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist genügt.

Die Beschwerde kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben. Nach den Gründen, die die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde dargelegt hat und auf die sich die Prüfung durch das Oberverwaltungsgericht beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergeben sich auch für den Senat keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Heranziehung, die es nach der im gerichtlichen Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO rechtfertigen können, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin anzuordnen.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass im Zeitpunkt der Festsetzung der streitigen Erschließungsbeiträge die vierjährige Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 b, § 1 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes über kommunale Abgaben (KAG) noch nicht abgelaufen gewesen sei, denn die Beitragspflicht habe frühestens im Jahre 1997 mit Eingang der Schlussrechnung der Firma ........, bezogen auf die von 1994 bis 1997 vorgenommenen Arbeiten am Regenwasserauslaufkanal in den Main, entstehen können. Dem hält die Antragstellerin in ihrer Beschwerdeschrift entgegen: Die genannte Schlussrechnung könne für die Beitragsentstehung keine Rolle spielen, da die mit ihr abgerechneten Arbeiten vom Herstellungsbauprogramm der ......-.......-Straße nicht erfasst und somit für deren endgültige Herstellung als Erschließungsanlage ohne Bedeutung seien. Der Zustand der betriebsfertigen Herstellung der Entwässerung der ......-......-Straße sei spätestens Ende 1992 erreicht worden. Nach diesem Zeitpunkt seien weitere Kanalbauarbeiten nicht mehr notwendig gewesen. Demzufolge sei die Beitragspflicht spätestens mit Erteilung der aufsichtsbehördlichen Zustimmung nach § 125 des Baugesetzbuchs in seiner früheren Fassung (BauGB a. F.) im Jahre 1996 entstanden. Hiervor ausgehend sei mit der Festsetzung der Beiträge im Jahre 2001 die Festsetzungsfrist nicht mehr gewahrt worden.

Bei der im Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nur möglichen summarischen Überprüfung gelangt der Senat in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Heranziehung der Antragstellerin im Jahre 2001 noch innerhalb der Festsetzungsfrist erfolgt ist. Folgende Überlegungen sind hierfür maßgebend:

Für die Bestimmung des Zeitpunkts des Eintritts der Festsetzungsverjährung im vorliegenden Fall kommt es auf die Frage an, ob die von 1994 bis 1997 ausgeführten Arbeiten am Regenwasserauslaufkanal in der verlängerten ..............straße mit Einmündungsbauwerk in den Main noch zur Erstherstellung der .......-.........-Straße als Erschließungsanlage gehörten und der auf sie entfallende Aufwand damit Teil des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes ist. Die Beantwortung dieser Frage hängt wiederum davon ab, für welches von mehreren möglichen Abrechnungsverfahren bei der Straßenentwässerung sich die Antragsgegnerin entschieden hatte. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass als Alternative zu der den Regelfall bildenden Abrechnung der Entwässerungseinrichtungen in der einzelnen Straße - insbesondere des gerade hier verlegten Straßenkanals und der zugehörigen Straßeneinläufe - auch eine Abrechnung in Betracht kommt, die auf den Herstellungsaufwand für ein funktionsfähiges, räumlich und technisch abgegrenztes Entwässerungssystem für eine Mehrheit von Straßen, ausgerichtet auf einen bestimmten Vorfluter, abstellt (dazu: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl. 2004, § 13 Rn. 64 ff. mit Hinweisen auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). An die Stelle der Kosten für einen bestimmten Anlagenteil der einzelnen Straße tritt in diesem Fall die nur rechnerisch abgrenzbare Teilhabe an den Kosten des für mehrere Straßen eingerichteten Entwässerungssystems. Will die Gemeinde in der letztgenannten Weise abrechnen, so bedarf es einer "Entwässerungssystementscheidung"; diese wiederum muss, um wirken zu können, rechtzeitig, d. h. v o r der gesetzlichen Entstehung der Beitragspflicht nach Maßgabe einer auf die Entwässerungsbestandteile der einzelnen Straße beschränkten Aufwandsermittlung getroffen werden. Die Antragsgegnerin rechnet im vorliegenden Fall mit der Einbeziehung des Auslaufkanals und des Einmündungsbauwerks in den Erschließungsaufwand im Sinne der 2. Alternative das auf sämtliche Straßen des Industriegebiets bezogene Entwässerungssystem ab. Sie müsste, wenn diese Abrechnung Bestand haben sollte, die erforderliche Systementscheidung zu einem Zeitpunkt getroffen haben, in dem der Beitragsanspruch für die Herstellung der ......-........-Straße als Erschließungsanlage nicht schon Kraft Gesetzes in der dem Regelfall der Abrechnung der Entwässerungseinrichtung der einzelnen Straße entsprechenden Höhe entstanden war. Der insoweit maßgebliche Zeitpunkt ist hier der Zeitpunkt der Erteilung der nach damaliger Rechtslage (§ 125 Abs. 2 BauGB a. F.) noch erforderlichen aufsichtsbehördlichen Zustimmung zur Straßenherstellung im Jahre 1996. Lag bereits damals eine wirksame Entscheidung der Antragsgegnerin für die Abrechnung des mehrere Straßen erfassenden Entwässerungssystems vor, so konnte die Erschließungsbeitragspflicht für die Herstellung der ......-......-Straße erst mit der Fertigstellung auch der Arbeiten am Auslaufkanal in der verlängerten Gutenbergstraße und am Einmündungsbauwerk im Jahre 1997 entstehen. Die Veranlagung der Antragstellerin im Jahre 2001 wäre dann noch rechtzeitig erfolgt. Verhält es sich dagegen so, dass es im Zeitpunkt der aufsichtsbehördlichen Zustimmung zur Straßenherstellung noch keine wirksame Systementscheidung gab, so wäre der Beitragsanspruch kraft Gesetzes schon im Jahre 1996 entstanden, und es wäre - wie die Antragstellerin geltend macht - die Heranziehung im Jahre 2001 nicht mehr innerhalb der dann Ablauf des Jahres 2000 endenden Festsetzungsfrist erfolgt.

Um die erforderliche Entwässerungssystementscheidung der Gemeinde vor der Entstehung des Beitragsanspruchs in der dem Regelfall der Abrechnung entsprechenden Höhe feststellen zu können, bedarf es dahingehender Verlautbarungen; diese können sich im Wege des Rückschlusses auch aus den Abrechnungsunterlagen ergeben. Einige Vermerke in der vorgelegten Kostenakte scheinen darauf hinzudeuten, dass die Antragsgegnerin sich ursprünglich eine Beschränkung der Abrechnung der Straßenentwässerung auf die in der .....-.......-Straße selbst verlegten Entwässerungsbestandteile vorgestellt hat. So heißt es etwa in einem Aktenvermerk des Bauverwaltungsamts vom 30. Januar 1992 zum damaligen Ausbauzustand der .......-........-Straße, dass Kanal, Beleuchtung und Gehwege/Radwege "vorhanden" seien und die Straße damit "endgültig ausgebaut" sei; demzufolge seien die "Ausbaukosten... Amt 60 mitzuteilen". In der gleichen Akte findet sich dann jedoch ein Schreiben des Tiefbauamts (Abwasserbeseitigung) vom 8. September 1994 an das Bauverwaltungsamt, in dem im Rahmen einer Aufschlüsselung der Erschließungskosten die Gesamtkosten für die Entwässerung des Industriegebiets Klein-Auheim einschließlich "Regenwasserauslaufkanal zum Main in der verlängerten ..............straße" auf 1.779.474,54 DM beziffert werden. Diese Aufschlüsselung lässt den Willen zu einer Abrechnung erkennen, bei welcher der umzulegende Aufwand für die Straßenentwässerung sich nicht auf die Kanalverlegung in der jeweiligen Straße beschränkt, sondern die baulichen Bestandteile der Straßenentwässerung auch außerhalb der einzelnen Straßen, soweit sie zu dem hierfür gebildeten Entwässerungssystem mit Ablauf in den Main gehören, miteinbezieht. Dass insoweit im Sinne einer Systemabrechnung an eine rechnerische Teilhabe der einzelnen Straßen an den Gesamtkosten der Entwässerung gedacht war, zeigt der handschriftliche Zusatz zur Position "Regenwasserauslaufkanal" mit Ausweisung eines Anteils von 18,78 % (16.226,22 DM) für die ......-.......-Straße. Der Wille zur systembezogenen Abrechnung geht damit jedenfalls zu diesem Zeitpunkt aus den Abrechnungsunterlagen einigermaßen deutlich hervor. Dies wiederum lässt auf eine Entwässerungssystementscheidung schließen, die schon v o r Erteilung der aufsichtsbehördlichen Zustimmung zur Straßenherstellung gemäß § 125 Abs. 2 BauGB a. F. vorlag. Das hat zur Folge, dass die Beitragspflicht tatsächlich erst mit der durch die Fertigstellung des Entwässerungssystems bewirkten Gesamtfertigstellung im Jahre 1997 entstehen konnte. Ist dies aber der Fall, so war im Zeitpunkt der Heranziehung der Antragstellerin im Jahre 2001 die an die Beitragsentstehung anknüpfende vierjährige Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen.

Die Antragsteller macht im Übrigen geltend, dass in der baulichen Weiterführung des Auslaufkanals und der Errichtung des Einmündungsbauwerks nur ein verbessernder Ausbau des zuvor schon endgültig fertig gestellten Entwässerungssystems zu sehen sei, so dass auch aus diesem Grunde eine Berücksichtigung der dafür angefallenen Kosten bei der Abrechnung der ......-......-Straße als erstmals hergestellte Erschließungsanlage ausscheide. Dem kann sich der Senat ebenfalls nicht anschließen. Der Planung der Antragsgegnerin ist zu entnehmen, dass an sich von Anfang an die kanalmäßige Ableitung des Straßenoberflächenwassers im Industriegebiet in den Main vorgesehen war. Soweit sich die Antragsgegnerin dann mit Rücksicht auf den zunächst noch niedrigeren Abwasseranfall für einen längeren Übergangszeitraum mit Versickerung des ablaufenden Wassers im Mainvorland entschieden hat, ist darin nur eine "Zwischenlösung" zu sehen, die an der eigentlich angestrebten Konzeption der Einleitung des Straßenoberflächenwassers in den Main nichts änderte. Hiervon ausgehend gehörten auch die in den Jahren 1994 bis 1997 ausgeführten Arbeiten noch zur "Erstherstellung". Für die Annahme einer im Zeitpunkt der Heranziehung der Antragsteller schon eingetretenen Festsetzungsverjährung ist auch unter diesem Aspekt kein Raum.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist nach allem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 52 Abs. 3, 47, 53 Abs. 3 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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