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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 09.04.2008
Aktenzeichen: 5 UE 1106/07
Rechtsgebiete: BPflV


Vorschriften:

BPflV § 12 Abs. 2 Satz 1
Ertragsausfälle eines Krankenhauses, die darauf beruhen, dass die Krankenkassen Zahlungen wegen fehlender Kostenübernahmeerklärungen bzw. Zweifeln an der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ablehnen, unterliegen nicht dem Mindererlösausgleich nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BPflV.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 UE 1106/07

Verkündet am 9. April 2008

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Krankenhausrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof -5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider, ehrenamtlicher Richter Wissgott ehrenamtliche Richterin Fincke

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. April 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 5. April 2006 - 8 E 6040/04 - wird abgeändert.

Der Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 19. November 2004 wird aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 19. November 2004 weiter, mit dem dieser die Schiedsstellenfestsetzung vom 21. September 2004 genehmigt hat.

Zwischen dem Kläger, einem Verband von Sozialleistungsträgern, und der Beigeladenen zu 2., einer Sozialleistungsträgerin auf der einen Seite sowie der Beigeladenen zu 1. als Trägerin eines Krankenhauses auf der anderen Seite, scheiterten die Pflegesatzverhandlungen für den Pflegesatzzeitraum 2004. Daraufhin rief die Beigeladene zu 1. die Schiedsstelle für die Festsetzung von Krankenhauspflegesätzen im Land Hessen (Schiedsstelle) an.

Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. September 2004 erließ die Schiedsstelle daraufhin Festsetzungen in den zwischen den Pflegesatzparteien streitigen Punkten und gab den Beteiligten auf, auf dieser Grundlage eine Regelung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG zu erstellen und diese der Geschäftsstelle der Schiedsstelle bis zum 17. September 2004 vorzulegen. Unter Ziffer 7 des Tenors der Entscheidung traf die Schiedsstelle folgende Festsetzung:

"Die Mindererlöse 2003 sind nach der Netto-Methode in die Pflegesatzvereinbarung 2004 einzustellen und zu 40 vom Hundert zu berücksichtigen."

Zur Begründung der Entscheidung wurde ausgeführt, dass nach der gefestigten Spruchpraxis der Schiedsstelle in die Berechnung diejenigen Rechnungen nicht einzubeziehen seien, die bislang wegen verweigerter Kostenübernahmeerklärungen nicht bezahlt worden seien. Der Erlösausgleich setze zwingend voraus, dass das Krankenhaus tatsächlich Erlöse erzielt habe. Verweigerten die Sozialleistungsträger dagegen die Kostenübernahme, werde dem Krankenhaus gerade kein Erlös zugestanden. Für einen (Mehr-)Erlösausgleich bestehe daher kein Anlass. Die Kostenträger würden dadurch nicht benachteiligt. Sofern Rechnungen im Laufe der Zeit noch bezahlt würden, könnten und müssten diese Beträge zwanglos ausgeglichen werden.

Nachdem die Beigeladene zu 1. die in § 11 Abs. 1 KHEntgG aufgeführten Werte ermittelt hatte, setzte die Schiedsstelle diese am 21. September 2004 fest.

Auf den Antrag der Beigeladenen zu 1. vom 27. September 2004 genehmigte der Beklagte nach Anhörung der Beigeladenen zu 3. und 4. - der nicht antragstellenden Pflegesatzparteien - mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. November 2004 die Schiedsstellenfestsetzung vom 21. September 2004.

Gegen diesen Bescheid, über dessen Zustellung sich kein Nachweis in den Akten befindet, hat der Kläger am 21. Dezember 2004 Klage bei dem Verwaltungsgericht Gießen erhoben.

Er ist der Ansicht, der Bescheid sei rechtswidrig, denn er genehmige eine Entscheidung der Schiedsstelle, mit der diese die rechtlichen Grenzen ihres Gestaltungsspielraums überschritten habe. Nach dieser Schiedsstellenentscheidung seien Mindererlöse 2003 nach der so genannten Netto-Methode in die Pflegesatzvereinbarung 2004 einzustellen und zu 40 vom Hundert zu berücksichtigen. Die Anwendung dieser Methode stehe mit § 12 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz der Bundespflegesatzverordnung - BPflV- nicht in Einklang. Nach der Netto-Methode erfolge der Mindererlösausgleich stets auf der Grundlage der tatsächlich erzielten Erlöse des Krankenhauses. Der Mindererlös werde hiernach berechnet aus der Differenz zwischen dem prospektiv vereinbarten Gesamtbetrag und den vom Krankenhaus im Pflegesatzzeitraum tatsächlich erzielten Erlösen. Dies ergebe eine für die Kostenträger zu zahlende höhere Ausgleichssumme, als wenn zur Berechnung des Mindererlöses nach der so genannten Brutto-Methode die Summe der tatsächlich erzielten Erlöse und der (noch) nicht eingebrachten Forderungen vom prospektiv vereinbarten Budget subtrahiert würden. Nach den Vorgaben der Bundespflegesatzverordnung dürften nur die Mehr- oder Mindererlöse ausgeglichen werden, die durch eine abweichende Belegung entstanden seien. Eine abweichende Belegung liege vor, wenn die Belegung des Krankenhauses insgesamt höher oder niedriger sei als bei der Vereinbarung prospektiv unterstellt. Erlöse seien im Sinne von Erträgen im betriebswirtschaftlichen Sinne zu verstehen; maßgeblich sei deshalb die Zahl der jeweiligen Berechnungstage und die darauf entfallenden Erlöse. Beim Mindererlösausgleich sei nur die abweichende Belegung als Ursache für den Erlösausfall relevant. Dementsprechend dürften weder uneinbringliche Forderungen des Krankenhauses in die Berechnung einbezogen werden, noch solche Fälle, in denen die Kostenübernahme streitig sei. In beiden Konstellationen beruhe der Mindererlös nicht auf einem Abweichen von der prognostizierten Belegung. Im ersten Fall beruhe der Mindererlös allein auf der nicht bezahlten Rechnung. Auch die streitigen Fälle stünden nicht in direktem Zusammenhang mit der Belegungszahl, sondern ergäben sich in der Regel erst mittelbar aus den einzelnen Behandlungsfällen. Auch für diese Fälle sei das Erlösausgleichsverfahren vom Gesetzeszweck her nicht gedacht. Dem Gesetzgeber sei es um die Regulierung der Risiken einer sinkenden Leistungsmenge gegangen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 19. November 2004 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die Schiedsstelle den ihr vom Gesetzgeber zugestandenen weiten Ermessensspielraum nicht überschritten habe. Die von der Schiedsstelle angewandte Netto-Methode beziehe sich nicht auf vom Schuldner nicht bezahlte Rechnungen, sondern auf solche Rechnungen, die wegen fehlender Kostenübernahmeerklärung oder wegen Zweifeln an der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vom Kostenträger nicht beglichen würden. Es stelle sich daher die Frage, ob die in derartigen Fällen angefallenen Belegungstage in den Ausgleich nach § 12 Abs. 2 BPflV einbezogen werden könnten, obwohl die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung angezweifelt werde. In Fällen des Mehrerlösausgleichs führe dies zu einer Ausgleichszahlungspflicht des Krankenhauses, obwohl ihm ein solcher Erlös nicht zugeflossen sei. Die Schiedsstelle weise in ihrer Entscheidung darauf hin, dass sie es als richtig ansehe, bei einer entsprechenden Entscheidung der Kostenträger, Rechnungen doch noch anzuerkennen, diese in eine endgültige Ausgleichsberechnung einzubeziehen. Für die Vertragsparteien habe die Möglichkeit bestanden, den Ausgleichsbetrag gemäß § 12 Abs. 2 Satz 6 BPflV vorläufig zu regeln sowie eine spätere Spitzabrechnung zu vereinbaren. Soweit in der Klagebegründung auf den Gesetzeszweck, die Regulierung der Risiken einer sinkenden Leistungsmenge, hingewiesen werde, könnten von den Kostenträgern angezweifelte und deshalb nicht bezahlte Rechnungen gerade zu einer sinkenden Leistungsmenge führen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und sich zu dem Verfahren nicht schriftsätzlich geäußert.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. April 2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der angefochtene Genehmigungsbescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Schiedsstelle setze auf Antrag einer Vertragspartei die in einer Pflegesatzvereinbarung zu regelnden Inhalte fest, wenn die Vertragsparteien sich ganz oder teilweise nicht hätten einigen können. Sie habe einen weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum im Rahmen der zu beachtenden Rechtsvorschriften und der im Schiedsverfahren gestellten Anträge. In sämtlichen Bereichen der Entgelt-, Budget - und Pflegesatzermittlung, die die budget- und pflegesatzrelevanten Kosten als Ausgangsbasis und die darauf bezogene Überzeugungsbildung zum Gegenstand hätten, sei die Schiedsstelle bei ihren Festlegungen ebenso frei, wie dies für die Vertragsparteien gelte. Die Überprüfung der Schiedsstellenentscheidung habe deren Einschätzungsprärogative zu beachten und sich in ihrer rechtlichen Überprüfung darauf zu beschränken, ob die Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien ermittelt, alle für die Abwägung erforderlichen Kenntnis erlangt und die Abwägung selbst frei von Einseitigkeit in einem den rechtlichen Vorgaben entsprechenden willkürfreien Verfahren getroffen habe. Unter Beachtung dieser Maßstäbe sei weder die angefochtene Genehmigung durch den Beklagten noch die dieser Genehmigung zu Grunde liegende Festsetzung der Schiedsstelle rechtlich zu beanstanden. Nicht zu beanstanden sei, den Erlösausgleich nach der sogenannten Netto-Methode durchzuführen. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz BPflV würden die durch eine abweichende Belegung entstandenen Mindererlöse zu 40 vom Hundert ausgeglichen, wenn die Summe der auf den Pflegesatzzeitraum entfallenden Gesamterlöse des Krankenhauses aus den Pflegesätzen nach § 13 BPflV von dem Budget abweiche. Es handele sich bei diesem Erlösausgleich ausschließlich um einen Belegungsausgleich. Dies bedeute, dass eine abweichende Belegung die Ursache für den Erlösausfall sein müsse und ein solcher Ausgleich nicht stattzufinden habe, wenn entsprechende fakturierte Forderungen sich als uneinbringlich herausstellten. Dass der Beklagten derartige Forderungen nach der Netto-Methode in den Erlösausgleich einbezogen habe, sei vom Kläger nicht substantiiert dargelegt worden. Gegen eine solche Einbeziehung spreche, dass die Schiedsstelle in ihrer Entscheidung vom 7. September 2004 ausführe, in die Berechnung seien Rechnungen nicht einzubeziehen, die bislang wegen verweigerter Kostenübernahmeerklärungen nicht bezahlt worden seien. Beruhe der Mindererlös des Krankenhauses darauf, dass Kostenübernahmeerklärungen durch die Kostenträger nicht abgegeben worden seien oder die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit angezweifelt werde, sei dieser im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 1 BPflV durch eine abweichende Belegung entstanden. In diesen Fällen werde dem Krankenhaus gerade kein auf einer Belegung beruhender Erlös zugestanden. Dieser Fall sei deshalb so zu behandeln, als habe überhaupt keine Belegung stattgefunden.

Mit Beschluss vom 29. Mai 2007 - 5 UZ 1161/06 - hat der Senat auf Antrag des Klägers die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil zugelassen.

Nach der Zustellung dieses Beschlusses am 31. Mai 2007 hat der Kläger die Berufung mit Schriftsatz vom 21. Juni 2007 begründet und dazu ausgeführt: Das Verwaltungsgericht verkenne zunächst die Reichweite der Festlegung der Schiedsstellenentscheidung und gelange deshalb zu dem unrichtigen Ergebnis, dass die Anwendung der Netto-Methode nicht zu beanstanden sei. Unter Ziffer 7 des Tenors der Entscheidung lege die Schiedsstelle uneingeschränkt die so genannte Netto-Methode für den Mindererlösausgleich bei dem Krankenhaus A-Stadt der Beigeladenen zu 1 fest. Dies bedeute, dass dem Erlösausgleich nur die tatsächlich zugeflossenen Erlöse zu Grunde zu legen seien, die Kostenträger danach einen Mindererlösausgleich für nicht gezahlte Forderungen vorzunehmen hätten, also für streitige offene und für sich als uneinbringlich herausstellende Forderungen. Daran ändere auch die einschränkende Auslegung des Verwaltungsgerichts, es gehe im vorliegenden Verfahren lediglich um streitige Forderungen, die daraus resultierten, dass Kostenübernahmeerklärungen durch die Kostenträger nicht abgegeben worden seien, nichts. Die Schiedsstelle habe zu allen innerhalb der Pflegesatzverhandlungen 2004 für das Krankenhaus A-Stadt der Beigeladenen zu 1 streitig gebliebenen regelungsbedürftigen Inhalten Festsetzungen zu treffen. Hinsichtlich des Mindererlösausgleichs sei zwischen den Pflegesatzverhandlungspartnern die Berechnungsweise sowohl hinsichtlich streitiger als auch hinsichtlich uneinbringlicher Forderungen offen geblieben, und die Schiedsstelle habe sich in ihrer Entscheidung ohne weitere Differenzierung für die Anwendung der so genannten Netto-Methode entschieden. Vor diesem Hintergrund werde deutlich, dass das Verwaltungsgericht den Verstoß der Schiedsstellenentscheidung gegen die rechtlichen Vorgaben zum Mindererlösausgleich nach § 12 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz BPflV nicht erkannt habe. Mindererlöse, die auf uneinbringlichen Forderungen und auf solchen, die wegen fehlender Kostenübernahmeerklärungen oder wegen Zweifeln an der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit streitig seien, seien nicht durch eine abweichende Belegung entstanden. Soweit das Verwaltungsgericht fehlende Erlöse des Krankenhauses aufgrund nicht abgegebener Kostenübernahmeerklärungen oder aufgrund angezweifelter Behandlungsbedürftigkeit als Mindererlöse im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz BPflV qualifiziere, weil diese Fälle so zu behandeln seien, als habe überhaupt keine Belegung stattgefunden, vermische es die Tatbestandsmerkmale "Mindererlös" und "durch abweichende Belegung entstanden" in unzulässiger Weise. Die Regelung der Bundespflegesatzverordnung über den Mehr- und Mindererlösausgleich stelle allein auf die tatsächliche Auslastung eines Krankenhauses ab. So liege nach der amtlichen Begründung zu § 11 Abs. 8 BPflV a. F. der Zweck des Erlösausgleichsverfahrens in einer Begrenzung der Risiken, die sich im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen aus der prospektiven Schätzung der Leistungsmengen ergäben. Bei dem Mindererlösausgleich gehe es also eindeutig um einen Ausgleich von im Voraus fehlerhaft geschätzten Belegungszahlen. Die aus diesen abweichenden Belegungszahlen resultierenden Erlöse seien dagegen zunächst von sekundärer Bedeutung. Dementsprechend könne ein streitiger Fall, in dem ein Erlös (noch) nicht gezahlt worden sei, aber eine Belegung stattgefunden habe, im Rahmen des Mindererlösausgleichs nicht so behandelt werden, als sei der Mindererlös durch eine "abweichende Belegung" entstanden. Diese Auslegung stehe auch im Einklang mit der Rechtsprechung der Sozialgerichte, die im Rahmen von Abrechnungsstreitigkeiten der Tatsache keine Bedeutung zumesse, dass bereits ein Erlösausgleichsverfahren durchgeführt worden sei. Denn dieses Ausgleichsverfahren sei für den Ausgleich materiellrechtlicher Falschabrechnung weder konzipiert noch geeignet, sondern solle Fehleinschätzungen der Vertragspartner hinsichtlich der prospektiv ermittelten Leistungsmenge korrigieren.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 5. April 2006 - 8 E 6040/04 - und den Bescheid des Beklagten vom 19. November 2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, die Schiedsstelle, die Genehmigungsbehörde und auch das Verwaltungsgericht hätten davon ausgehen können, dass die Frage, ob uneinbringliche Forderungen in den Erlösausgleich einbezogen worden seien oder nicht, von der Kostenträgerseite geprüft worden sei. Die Überprüfung der Ausgleichsberechnung gehöre zu den Aufgaben einer Pflegesatzverhandlung, so dass davon auszugehen sei, dass nur die angesprochenen Punkte bemängelt würden. Allein streitige Rechtsfrage des vorliegenden Verfahrens sei deshalb, ob Rechnungen, die zwar gestellt, von den Kostenträgern aber nicht anerkannt würden, in den Erlösausgleich einzubeziehen seien. Mit der Weigerung des Kostenträgers, eine Rechnung zu bezahlen, stelle er gerade die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit infrage, so dass bei einer Ablehnung keine Belegungstage entstanden seien. Führe eine weitere Prüfung zu dem Ergebnis, dass es sich bei den streitigen Forderungen des Krankenhauses doch um einen Krankenhausbehandlungsfall handele, sei sowohl von der Schiedsstelle als auch von der Genehmigungsbehörde festgehalten worden, dass der Ausgleich aufgrund dieser Zahlung anzupassen sei. Denn es sei unbillig, dass ein Krankenhaus "Mehrerlöse" zurückzahlen solle, die es nicht bekommen habe. Ebenso unbillig sei, dass ein Kostenträger für "Mindererlöse" zahlen müsse, die nicht mehr existierten, da mittlerweile Zahlungen erfolgt seien.

Die Beigeladenen haben auch im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt und sich im Verfahren zur Sache nicht schriftsätzlich geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und des beigezogenen Verwaltungsvorganges (ein Ordner) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat mit Beschluss vom 29. Mai 2007 zugelassene Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie innerhalb der gesetzlichen Frist begründet worden.

Die Berufung ist auch begründet, denn das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers zu Unrecht abgewiesen. Der Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 19. November 2004 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Maßgebliche Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Genehmigungsbescheid ist § 18 Abs. 5 Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG - vom 10. April 1991 (BGBl. I Seite 886) in der Fassung des Art. 5 des Gesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl. I Seite 1776) in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG -, Art. 5 des Fallpauschalengesetzes vom 23. April 2002 (BGBl. I Seite 1412) in der Fassung des Art. 5a des Gesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl. I Seite 1776). Danach genehmigt die zuständige Landesbehörde auf Antrag einer der Vertragsparteien den vereinbarten oder von der Schiedsstelle nach § 13 festgesetzten landesweit geltenden Basisfallwert nach § 10 Bundespflegesatzverordnung - BPflV - und die krankenhausindividuellen Basisfallwerte, die Entgelte nach § 6 BPflV und die Zuschläge nach § 5 BPflV, wenn die Vereinbarung oder Festsetzung den Vorschriften dieses Gesetzes sowie sonstigem Recht entspricht. Die Schiedsstellenentscheidung findet ihrerseits ihre Grundlage in den §§ 13 Abs. 1 KHEntgG, 18 Abs. 4, 18a KHG, § 19 Abs. 1 BPflV, wonach die Schiedsstelle auf Antrag einer Vertragspartei die in einer Vereinbarung zu regelnden Inhalte festsetzt, wenn die Vertragsparteien sich ganz oder teilweise nicht einigen können.

Das Genehmigungserfordernis nach § 18 Abs. 5 KHG dient ausschließlich der Rechtskontrolle. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift und dem Regelungszusammenhang ergibt sich, dass die zuständige Landesbehörde die Schiedsstellenentscheidung zu genehmigen hat, wenn die Festsetzung dem geltenden Recht entspricht; andernfalls ist die Genehmigung zu versagen. Die Vorschrift eröffnet der Genehmigungsbehörde keine Befugnis zu einer von den Vereinbarungen der Vertragsparteien oder den Festsetzungen der Schiedsstelle abweichenden Gestaltung oder zur Erteilung einer Teilgenehmigung (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 3 C 53.06 -, Juris; Urteil Vom 21. Januar 1993 - 3 C 66.90 -, NJW 1993, 2391).

Die Schiedsstelle hat unter Ziffer 7 des Tenors ihrer Entscheidung festgesetzt, dass die Mindererlöse 2003 nach der Netto-Methode in die Pflegesatzvereinbarung 2004 einzustellen und zu 40 vom Hundert zu berücksichtigen sind. Entscheidungserheblich ist deshalb allein, ob die vom Kläger bezeichneten Mindereinnahmen - also wegen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners uneinbringliche Forderungen sowie wegen fehlender Kostenübernahmeerklärung oder Zweifeln an der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bestrittene Forderungen - von der im Tenor der Schiedsstellenentscheidung in Bezug genommenen Netto-Methode umfasst werden, also in den Erlösausgleich einzustellen sind und ob dies von der Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 BPflV gedeckt ist. Dies ist zu verneinen.

Die Rechtswidrigkeit des Genehmigungsbescheids des Beklagten ergibt sich jedoch nicht bereits daraus, dass die Schiedsstelle - wie der Kläger meint - mit der Verwendung des Begriffs Netto-Methode dem Mindererlösausgleich auch uneinbringliche Forderungen unterworfen hat. Zu Recht weist der Kläger zwar darauf hin, dass die Schiedsstelle Festsetzungen zu allen zwischen den Pflegesatzverhandlungspartnern streitig gebliebenen Gesichtspunkten zu treffen hat. Im Ergebnis zutreffend legt das Verwaltungsgericht die entsprechende Festsetzung in Anknüpfung an die dazu gegebene Begründung jedoch dahingehend aus, dass von dem Mindererlösausgleich nach der Netto-Methode uneinbringliche Forderungen - also solche, die allein auf der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners beruhen - nicht umfasst sind. Dies folgt bereits daraus, dass zwischen den Pflegesatzverhandlungspartnern konkrete Mindererlöse dieser Art aus dem Jahre 2003 nicht im Streit standen, wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 9. April 2008 ausdrücklich klargestellt haben.

Der angefochtene Genehmigungsbescheid ist allerdings deshalb rechtswidrig, weil die Schiedsstellenentscheidung Mindererlöse, die darauf beruhen, dass für Krankenhausleistungen Kostenübernahmeerklärungen fehlen oder die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit angezweifelt wird, dem Erlösausgleichsverfahren des § 12 Abs. 2 Satz 1 BPflV unterwirft.

Rechtsgrundlage für einen solchen Mindererlösausgleich ist § 12 Abs. 2 Satz 1 BPflV: Weicht die Summe der auf den Pflegesatzzeitraum entfallenden Gesamterlöse des Krankenhauses aus den Pflegesätzen nach § 13 von dem Budget ab, werden die durch eine abweichende Belegung entstandenen Mindererlöse (...) ausgeglichen.

Streitige Forderungen im vorgenannten Sinn sind in den Mindererlösausgleich nicht einzubeziehen, denn die (von den Sozialleistungsträgern) nicht erbrachten Zahlungen haben ihre Ursache nicht in einer abweichenden Belegung. Die Vorschrift fordert neben einem Ertragsausfall im betriebswirtschaftlichen Sinne auch, dass für diesen Ausfall eine abweichende Belegung kausal war. Zweifelhaft ist deshalb bereits, ob die Einbeziehung derartiger Fälle in den Erlösausgleich vom Wortlaut des § 12 Abs. 2 Satz 1 BPflV erfasst ist. Denn es hat eine tatsächliche Belegung stattgefunden und das Krankenhaus hat seine für geboten erachteten Leistungen erbracht. Der Anspruch auf Zahlung der Pflegesätze wird aber in Abrede gestellt, weil eine stationäre Behandlung nicht oder nicht in der tatsächlichen Dauer für erforderlich angesehen und eine Zahlung unter Berufung auf § 39 SGB V abgelehnt wird.

Die Einbeziehung dieser Fälle in den Mindererlösausgleich entspricht nicht dem Sinn und Zweck des § 12 Abs. 2 Satz 1 BPflV. Eine Berücksichtigung des Ertragsausfalls durch Nichtanrechnung der entsprechenden Belegungs- bzw. Berechnungstage würde im Ergebnis dazu führen, dass die Kostenträger des Pflegesatzes anteilig mit dem Forderungsausfall belastet würden und insoweit eine Risikoverteilung zwischen Kostenträger und Krankenhaus stattfände, die vom Verordnungsgeber nicht gewollt ist. Nimmt man die Funktion der Ausgleichsregelung näher in den Blick, so gilt Folgendes: Die Krankenhausleistungen werden durch das Budget vergütet. Es ist deshalb im Zuge der Budgetkalkulation zu ermitteln, welche Leistungen das Krankenhaus voraussichtlich im Rahmen seines Versorgungsauftrages nach Art und Menge erbringen wird, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind (vgl. dazu auch § 10 Abs. 2 BPflV). Das Budget wird durch tagesgleiche Pflegesätze berechnet, deren Höhe sich dadurch ergibt, dass das Budget durch die voraussichtliche Zahl der Tage geteilt wird, für die tagesgleiche Pflegesätze erhoben werden (Berechnungstage). Nach Ablauf des Pflegesatzzeitraums wird der Budgetbetrag erreicht, wenn auch die vorauskalkulierten Berechnungstage erreicht wurden. Die Abwicklung erfolgt allerdings in der Weise, dass das Krankenhaus der jeweils zuständigen Krankenkasse für jeden Behandlungsfall eine Rechnung zuleitet, die sodann zu begleichen ist. In der Sache sind diese Zahlungen Abschlagszahlungen auf das Budget. Die Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 BPflV ist also darauf gerichtet, die mit der schwierigen Vorauskalkulation verbundenen Risiken zu bewältigen, indem sie einen Ausgleich für eine erhebliche Abweichung von dem vorauskalkulierten Belegungsgrad (Berechnungstage) vornimmt (vgl. dazu Dietz/Bofinger, a.a.O., Band I, § 12 BPflV, Anm. II 1.; OVG Lüneburg, Urteil vom 22. September 2005 - 11 LC 87/04 -). Die Kalkulation der Höhe des Budgets richtet sich nach der voraussichtlichen Leistungsstrukturentwicklung des Krankenhauses, also nach der voraussichtlichen Zahl der Belegungen und den in diesem Zusammenhang zu erbringenden (pflegesatzfähigen) Leistungen. Maß und Grenze dieser Leistungsentwicklung und damit auch der Pflegesatzvereinbarung ist der Versorgungsauftrag des Krankenhauses. Hierzu führt das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zum Mehrerlösausgleich vom 20. Dezember 2007 - 3 C 53.06 -, a. a. O., aus:

"Die grundlegende Norm ist § 17 Abs. 1 Satz 3 KHG, wonach die Pflegesätze medizinisch leistungsgerecht sein und einem Krankenhaus bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen müssen, den Versorgungsauftrag zu erfüllen. § 3 Abs. 1 Satz 2 BPflV nimmt dies auf mit der Begründung, dass Grundlage der Bemessung von Budget und Pflegesätzen die allgemeinen Krankenhausleistungen "im Rahmen des Versorgungsauftrages" des Krankenhauses sind. Die Budgetvereinbarung darf daher keine Leistungen des Krankenhauses vorsehen, die außerhalb seines Versorgungsauftrages liegen. Dementsprechend dürfen auch Erlöse für derartige Leistungen nicht in das Budget aufgenommen werden. Hätte aber die Einbeziehung solcher Erlöse in das Budget nicht vereinbart oder von der Schiedsstelle festgesetzt werden können, so kommt auch ihre nachträgliche Einbeziehung in das Budget im Wege eines Ausgleichs nicht in Betracht."

Diese Ausführungen müssen nach Ansicht des Senats auch bei der Bestimmung der Reichweite des Mindererlösausgleichs Beachtung finden. Der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses ergibt sich in erster Linie aus den Vorgaben des § 4 BPflV, also aus der Aufnahme des Krankenhauses nach Fachrichtung und Bettenzahl in den Krankenhausplan des Landes bzw. aus dem Inhalt eines Versorgungsvertrages gemäß § 108 Nr. 3 SGB V. Maßgeblich ist letztlich aber auch § 39 Abs. 1 SGB V, der den Inhalt notwendiger Krankenhausleistungen regelt. Die Budgetprognose nimmt - orientiert an dem so definierten Versorgungsauftrag des Krankenhauses - prospektiv die konkrete Entwicklung der krankenhausbehandlungsbedürftigen Belegungen und der insoweit notwendigen pflegesatzfähigen Leistungen in den Blick. Der Mindererlösausgleich nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BPflV dient im Rahmen des Versorgungsauftrages allein der Regulierung der quantitativen Risiken einer sinkenden Leistungsmenge, die während eines zurückliegenden Budgetzeitraums durch Abweichung von diesen prospektiven Annahmen entstanden sind. Dürfen danach Erlöse für nicht krankenhausbehandlungsbedürftige Belegungen bereits nicht in das Budget eingestellt werden, können sie auch nicht Gegenstand des Mindererlösausgleichs nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BPflV sein. Die einzelfallbezogenen Streitigkeiten um die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bzw. um die medizinische Notwendigkeit einer tatsächlichen Verweildauer im Krankenhaus nach § 39 SGB V sind den Sozialgerichten zugewesen. Die in diesem Zusammenhang bestehenden Risiken realisieren sich nach Maßgabe der sozialgerichtlichen Entscheidungen: Handelt es sich nach der bestandskräftigen sozialgerichtlichen Entscheidung um notwendige Krankenhausbehandlung, so steht dem Krankenhaus ein Entgeltanspruch zu, so dass es an einem Ertragsausfall fehlt. Fehlt es dagegen nach der sozialgerichtlichen Entscheidung an einer krankenhausbedürftigen Behandlung, bewegen sich die erbrachten Leistungen nicht im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses, so dass ihm kein Entgeltanspruch zusteht, letztlich also - gemessen an den prospektiven Annahmen - ein Mindererlös nicht entstanden ist.

Dementsprechend verstößt die Festsetzungsentscheidung der Schiedsstelle, die diese Forderungen in den Mindererlösausgleich einbezieht, gegen § 12 Abs. 2 Satz 1 BPflV, so dass der angefochtene Genehmigungsbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.

Das verwaltungsgerichtliche Urteil ist deshalb abzuändern und der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Den Beigeladenen sind keine Kosten aufzuerlegen, da sie weder einen Antrag gestellt, noch ein Rechtsmittel eingelegt haben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, da der Frage, ob wegen fehlender Kostenübernahmeerklärung oder Zweifel an der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bestrittene Forderungen in den Erlösausgleich nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BPflV einzustellen sind, auch nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2007 - 3 C 53.06 -, die den Mehrerlösausgleich nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BPflV zum Gegenstand hat, noch immer grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Ende der Entscheidung

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