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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 14.04.2005
Aktenzeichen: 5 UE 1368/04
Rechtsgebiete: Entwässerungssatzung der Stadt Ortenberg v. 29.04.1996 idF, HessKAG


Vorschriften:

Entwässerungssatzung der Stadt Ortenberg v. 29.04.1996 idF
HessKAG § 11
1.) Die bei der Umstellung von Teil- auf Vollkanalisation vorzunehmenden Arbeiten zur Herstellung eines Vollkanalisationsnetzes stellen auch für den bereits an die Teilkanalisation angeschlossen bzw. anschließbar gewesenen Anlieger "Schaffung" im Sinne des § 11 Abs. 1 Hess. KAG dar.

2.) Erfolgt die durch Kläranlagenanbindung und entsprechende Netzarbeiten zu bewirkende Umstellung auf Vollkanalisation in einzelnen stadtteilbezogenen Bauprogrammen, so fällt der für die gesamte (Vollkanalisations-) Einrichtung kalkulierte Schaffungsbeitrag der Anlieger in den einzelnen Stadtteilen zeitversetzt im Zeitpunkt der Fertigstellung der durch das jeweilige Bauprogramm bestimmten Schaffungsmaßnahme an.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes Urteil

5. Senat

5 UE 1368/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Abwasserbeitrag

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider, ehrenamtliche Richterin Kalbfleisch, ehrenamtlichen Richter Gall

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2005 für Recht erkannt: Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 11. November 2003 - 2 E 1627/03 - geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2002 zur Erhebung einer Vorausleistung auf den Abwasserbeitrag in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 28. März 2003 wird aufgehoben.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden dem Kläger zu 3/5, der Beklagten zu 2/5 auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat in vollem Umfang die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, Eigentümer des in der Kernstadt der Beklagten gelegenen Grundstücks A-Straße (Gemarkung A-Stadt, Flur ..., Flurstück ...), wendet sich gegen seine Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den in der Entwässerungssatzung der Beklagten vorgesehenen Beitrag "für die Erneuerung der Abwasseranlage".

Die Beklagte ist Mitglied des im Jahre 1979 gegründeten Abwasserverbandes Oberes Niddertal. Aufgrund einer Neuordnungsplanung, die für sämtliche Stadtteile den Ausbau der bisherigen Teilkanalisation zur Vollkanalisation vorsieht, wurden in den 1980-er und 1990-er Jahren die im Niddertal gelegenen Stadtteile Lißberg, Eckartsborn, Ortenberg, Wippenbach, Effolderbach, Selters und Bleichenbach über die vom Abwasserverband verlegten Sammler an die Verbandskläranlage in Glauburg angeschlossen. Ursprünglich sollten an diese Kläranlage auch die im Bleichetal gelegenen Stadtteile Gelnhaar, Usenborn und Bergheim der Beklagten angeschlossen werden. Aufgrund hydraulischer Berechnungen und aus Kostengründen entschied sich der Abwasserverband dann jedoch für den Bau von Einzelkläranlagen für diese drei Stadtteile. Nach Maßgabe genehmigter Einzelplanungen wurden die Verbandskläranlage Bergheim am 8. September 1995, die Verbandskläranlage Gelnhaar am 9. Juli 1998 und die Verbandskläranlage Usenborn am 24. September 1999 in Betrieb genommen.

Im Zuge der Kläranlagenanbindung wurden in den Stadtteilen Usenborn, Gelnhaar und Bergheim Arbeiten auch am Leitungsnetz durchgeführt, die für einen großen Teil der Grundstücke die Ableitung sämtlicher Abwässer in die Kanalisation ohne die bislang erforderliche Vorklärung schon zum damaligen Zeitpunkt ermöglichten. Mit den fraglichen Arbeiten war im Stadtteil Bergheim bereits in den 1980-er Jahren begonnen worden; in den Stadtteilen Usenborn und Gelnhaar erfolgten sie seit Mitte der 1990-er Jahre. Mit Blick auf die Anforderungen der neuen Vollkanalisation wurden diese Arbeiten später fortgesetzt. Sie sind im Stadtteil Usenborn zwischenzeitlich abgeschlossen. In Gelnhaar sind sie zu etwa 50 % fertiggestellt. In Bergheim haben, abgesehen von den hier schon in den 1980-er und 1990-er Jahren durchgeführten Arbeiten, bislang noch keine weiteren Leitungsarbeiten stattgefunden.

Die Verbandskläranlagen und die Verbandssammler bis zum Regenüberlaufwerk an der jeweiligen Stadtteilgrenze werden vom Abwasserverband über die Verbandsumlage finanziert, die die Mitgliedsgemeinden zu entrichten haben. Die Beklagte wälzt wiederum diese Belastung über Benutzungsgebühren auf die Benutzer ihrer Entwässerungseinrichtung ab. Den Investitionsaufwand für die Leitungsnetze im Stadtgebiet deckt sie dagegen durch die Erhebung von Anschlussbeiträgen. Ihre Entwässerungssatzung vom 29. April 1996 in der Fassung der Dritten Änderungssatzung vom 1. Februar 2001 sieht in § 10 (Abwasserbeitrag) Folgendes vor:

"(1) Die Stadt erhebt zur Deckung des Aufwandes für die Schaffung, Erweiterung und Erneuerung der Abwasseranlagen Beiträge.

(2) Der Beitrag beträgt

a) für das Verschaffen einer erstmaligen Anschlussmöglichkeit an eine Sammelleitung 6,57 DM/m2, 3,36 €/m2, Grundstücksfläche und 9,49 DM/m2, 4,85 €/m2, Geschossfläche,

b) für die EErneuerung der Abwasseranlage 1,36 DM/m2, 0,70 €/m2, Grundstücksfläche und 1,86 DM/m2, 0,95 €/m2, Geschossfläche."

Zum Begriff der öffentlichen Einrichtung heißt es in § 1 der Satzung in der genannten Fassung:

"Die Stadt betreibt in Erfüllung ihrer Pflicht zur Abwasserbeseitigung eine öffentliche Einrichtung. Sie bestimmt Art und Umfang der Einrichtung sowie den Zeitpunkt ihrer Schaffung, Erneuerung und Erweiterung."

Mit Bescheid vom 7. Mai 2002 zog die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf die begonnene "Erneuerung der Abwasseranlage in den Stadtteilen Gelnhaar und Usenborn" für sein in der Kernstadt A-Stadt gelegenes Grundstück gemäß § 11 KAG in Verbindung mit dem vorgenannten Satzungsrecht zu einer ersten Vorauszahlung in Höhe von 202,93 € auf den Beitrag für die Erneuerung der Abwasseranlage, zahlbar in drei Raten von jeweils 67,64 € am 15.06., 15.09. und 15.12.02, heran. Bei der Höhe dieser Vorausleistung legte sie dabei mit Rücksicht auf den Stand der Bauarbeiten nur jeweils 16 % der in § 10 Abs. 2 Buchstabe b) EWS festgelegten Beitragssätze je Quadratmeter Berechnungsfläche zugrunde.

Mit einem weiteren Bescheid vom 7. Mai 2002 zog die Beklagte den Kläger außerdem auf der Grundlage ihrer Wasserversorgungssatzung vom 1. Februar 2001 zu einer ersten Vorauszahlung auf den Beitrag für die Erneuerung der Wasserversorgungsanlagen in den Stadtteilen Gelnhaar und Usenborn heran. Gegen beide Bescheide erhob der Kläger am 7. Juni 2002 Widerspruch und - nach dessen Zurückweisung durch Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 28. März 2003, zugestellt am 2. April 2003 - Klage, die am 2. Mai 2003 beim Verwaltungsgericht Gießen einging. Zur Begründung der Klage gegen die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Abwasserbeitrag machte er u. a. geltend:

Die für eine Abschnittsbildung bei der Abrechnung der streitigen Erneuerung erforderliche Beschlussfassung liege nicht vor. Auch sei nie ein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zur Bildung einer einzigen Entwässerungseinrichtung für das gesamte Stadtgebiet gefasst worden. Zu beanstanden sei auch die Beitragskalkulation. Das durch Gebührenerhebung angesammelte Abschreibungskapital werde als Abzugsposten nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt. Gleiches gelte für den von der Beklagten zu übernehmenden Eigenanteil. Die Beklagte habe der unterschiedlichen Entwicklung der Entwässerung in den einzelnen Stadtteilen nicht hinreichend Rechnung getragen. Aus den an den Anlagen in Usenborn, Gelnhaar und Bergheim vorgenommenen Arbeiten beziehe er, der Kläger, keinerlei Vorteil, denn sein Grundstück sei an das mit diesen Systemen technisch nicht verbundene Entwässerungsnetz in der Kernstadt angeschlossen. Auch seien auf der Flächenseite der Kalkulation Grundstücke nicht korrekt erfasst worden, wodurch er, der Kläger, benachteiligt werde.

Der Kläger beantragte,

die Bescheide der Beklagten vom 07.05.2002 (Abwasser- und Wasserbeitrag) bezüglich des Flurstücks 245 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28.03.2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Sie führte, bezogen auf die Vorausleistung auf den Abwasserbeitrag, in ihrer Klageerwiderung aus, dass es im vorliegenden Fall um die Abrechnung einer auf bestimmte Stadtteile bezogenen Erneuerungsmaßnahme gehe. Davon zu unterscheiden sei die Erhebung eines generellen Schaffungsbeitrags. Als Folge rechtmäßiger Zusammenfassung sämtlicher Stadtteilanlagen zu einer einzigen Entwässerungseinrichtung im Rechtssinne werde auch Erneuerungsaufwand, der aufgrund eines entsprechend begrenzten Bauprogramms nur in einzelnen Stadtteilen - wie hier in Usenborn, Gelnhaar und Bergheim - anfalle, von sämtlichen Anliegern im Stadtgebiet als "Solidargemeinschaft" getragen. Künftige Erneuerungsmaßnahmen in anderen Stadtteilen seien zu gegebener Zeit in entsprechender Weise abzurechnen. Die Erneuerungsmaßnahme in den Stadtteilen Usenborn, Gelnhaar und Bergheim sei auch notwendig, denn die bisherigen Anlagen entsprächen nicht den technischen Anforderungen an eine Vollkanalisation. Die veränderte Nutzung habe eine Kapazitätsanpassung erforderlich gemacht. Auch die Beitragssatzkalkulation sei nicht zu beanstanden. Sie, die Beklagte, habe sich zu Recht für eine Beitragsfinanzierung entschieden und dabei mit einem Eigenanteil von 30 % ausreichend den Vorteil der Allgemeinheit berücksichtigt. Soweit der Kläger als Anlieger der Kernstadt die gerade jetzt zu erneuernden Stadtteilanlagen nicht nutze, stehe das seiner Beitragspflicht nicht entgegen; entscheidend sei vielmehr, dass die Entwässerungseinrichtung als solche den Anschluss auch seines Grundstücks ermögliche und ihm damit nicht nur vorübergehende Vorteile biete.

Mit Urteil vom 11. November 2003 - 2 E 1627/03 - wies das Verwaltungsgericht sowohl die Klage gegen die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Wasserbeitrag als auch die Klage gegen die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Abwasserbeitrag ab. Zur Abweisung der den Abwasserbeitrag betreffenden Klage heißt es in den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage sei nicht begründet, denn die Beklagte habe die streitige Vorausleistung auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 KAG in Verbindung mit ihrer Entwässerungssatzung zu Recht erhoben. Hinsichtlich seiner Gültigkeit unterliege das Satzungsrecht keinen durchgreifenden Bedenken. Der darin verwendete kombinierte Grundflächen-/Geschossflächenmaßstab stelle einen für die Erfassung der von einer Entwässerungsanlage ausgehenden Vorteile grundsätzlich geeigneten Wahrscheinlichkeitsmaßstab dar. Unbedenklich sei auch die Bildung einer einzigen gemeindlichen Entwässerungseinrichtung aus mehreren technisch selbständigen Anlagen gemäß § 1 der Entwässerungssatzung. Was die Beitragskalkulation angehe, so könne die Kammer keine auf die Rechtmäßigkeit der Beitragssatzregelung sich auswirkenden Mängel feststellen. Die von dem Kläger geltend gemachte Absetzung erwirtschafteten Abschreibungskapitals entfalle, weil dieses nach den durch Zahlen belegten Angaben der Beklagten für in der Vergangenheit getätigte Reparaturen und Investitionen verbraucht sei. Der von der Beklagten zugrunde gelegte Anteil für den Vorteil der Allgemeinheit als Abzugsposten sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Eine Überdeckung scheide zumindest zum jetzigen Zeitpunkt schon deshalb aus, weil die Beklagte die Heranziehung auf einen Bruchteil der kalkulierten Beiträge beschränkt habe. Auf Zweifel stoße auch nicht die Annahme einer beitragsfähigen Maßnahme. Mit den Arbeiten an den Entwässerungsnetzen in den Stadtteilen Bergheim, Gelnhaar und Usenborn führe die Beklagte eine konzeptionell verändernde und modernisierende Erneuerung durch, denn diese Stadtteile seien erstmals an eine ordnungsgemäße Kläranlage angeschlossen worden mit dem Ziel, Abwasser so zu beseitigen, dass schädliche Umwelteinwirkungen im Rahmen des nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik Möglichen vermieden würden. Die Belastung auch des Klägers mit einem Erneuerungsbeitrag, obwohl sein Grundstück in einem anderen Stadtteil liege, rechtfertige sich damit, dass nach dem Prinzip der Solidargemeinschaft die Abrechnung auf das Gesamtgebiet der Einrichtung zu beziehen sei. Jede Verbesserung eines Einrichtungsteils führe zu einer Verbesserung auch der Gesamteinrichtung. An die Verbesserung der Gesamteinrichtung wiederum knüpfe das Gesetz die Beitragspflicht sämtlicher Grundstückseigentümer, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme nicht nur vorübergehende Vorteile biete.

Auf den Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 27. April 2004, dem Kläger am 9. Mai 2004 zugestellt, die Berufung zugelassen, soweit durch das Urteil des Verwaltungsgerichts die Klage gegen die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Abwasserbeitrag abgewiesen worden ist. Nach erfolgter Verlängerung der Begründungsfrist bis 30. Juni 2004 hat daraufhin der Kläger die Berufung am 29. Juni 2004 wie folgt begründet:

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei im vorliegenden Fall der Erneuerungstatbestand nicht erfüllt. Die Annahme einer Erneuerung setze das Vorhandensein von Leitungsnetz und leitungsgebundenen Einrichtungen als erneuerungsfähigem Bestand voraus. In den Ortsteilen Gelnhaar, Bergheim und Usenborn habe ein Abwassersystem aber gerade nicht bestanden; erst die durchgeführten Maßnahmen hätten die Vollkanalisation "geschaffen". Die Entwässerung habe sich vorher auf eine Abwasserableitung in den Bach, bei einigen Grundstücken auch auf die Versickerung in Sickergruben beschränkt. Damit sei von einem Bauvorhaben zum Zweck der erstmaligen Verschaffung der Vollkanalisation auszugehen. Soweit für die Anlieger in den Ortsteilen Gelnhaar, Bergheim und Usenborn die bisherige Teilkanalisation "erweitert" worden sei, sei eben dies nichts anderes als "Schaffung". Der Erneuerungstatbestand könne nicht eingreifen, denn es gehe nicht um die verschleißbedingte und kapazitätserhöhende Ersetzung vorhandenen Altbestandes. Der bisherige Leitungsbestand in den fraglichen Ortsteilen sei im Übrigen nicht einmal als Teilkanalisation zu definieren, da der Überlauf aus den Grundstückskläreinrichtungen direkt in den Bach abgeleitet worden sei. - Bei der erstmaligen Herstellung einer vorher noch nicht vorhandenen Vollkanalisation in einzelnen Ortsteilen könnten nicht alle Einrichtungsnutzer gleichermaßen zu Vollkanalisationsbeiträgen herangezogen werden. Möglich sei vielmehr lediglich die Heranziehung der Grundstückseigentümer in den Ortsteilen, in denen die Vollkanalisation tatsächlich eingerichtet werde. Nach dem Beschluss des erkennenden Senats vom 21. Oktober 2003 - 5 TG 1265/03 - habe bei einer in mehreren Bauprogrammen erfolgenden Umstellung der Ortsteilanlagen von Teil- auf Vollkanalisation mit dem Ziel der Bildung einer einzigen umfassenden Vollkanalisationseinrichtung eine zeitversetzte Belastung stattzufinden. Die Heranziehung richte sich nach dem Zeitpunkt des Vorteilseintritts und sei von der Fertigstellung des einzelnen Umstellungsbauprogramms abhängig. Die Konstellation des Vorteilseintritts liege bei ihm - dem Kläger - ersichtlich nicht vor, denn er sei seit schon 18 Jahren an die Vollkanalisation in der Kernstadt angeschlossen. Diese sei als Trennsystem zudem aufwendiger als das in den Stadtteilen Bergheim, Usenborn und Gelnhaar einzuführende Mischsystem. - Die Entwässerungssatzung der Beklagten treffe auch keine Unterscheidung zwischen Anliegern mit bereits vorhandener Kanalisation und neu hinzukommenden Anliegern, denen die Vollkanalisation erstmals vermittelt werde. Die Umstellung auf Vollkanalisation löse einen ergänzenden Schaffungsbeitrag für diejenigen Grundstücke aus, die bislang an die Teilkanalisation angeschlossen gewesen seien. Die unterschiedlich hohe Ausgangsbelastung der Anliegergruppen für die jeweilige "Altanlage" zwinge dabei zur Festlegung unterschiedlich hoher Ergänzungsbeiträge. - Soweit sich die streitige Heranziehung auch auf die Transportsammler zur Kläranlage beziehe, sei dieser Anlagenteil der Kläranlage zuzurechnen, die über die Verbandsumlage finanziert werde. Der davon erfasste Aufwand dürfe damit in den vorliegend streitigen Beitrag nicht einbezogen werden. - Auch habe die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinen ausreichenden Nachweis dazu erbracht, dass die erwirtschafteten Abschreibungserlöse zur Finanzierung von Ersatzinvestitionen nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten. Die Kalkulation müsse auch auf der Flächenseite beanstandet werden, denn die Erfassung von Grundstücken und Geschossflächen sei fehlerhaft erfolgt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 11. November 2003 - 2 E 1627/03 - abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2002 zur Erhebung einer Vorausleistung auf den Abwasserbeitrag in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 28. März 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie macht in ihrer Berufungserwiderung geltend: Bei den streitigen Leitungsarbeiten sei von einer Erneuerung auszugehen, da mit der bisherigen Teilkanalisation in diesen Stadtteilen bereits ein Abwassersystem bestanden habe. Durch das jeweilige Teilkanalisationsnetz seien die in Hausklärgruben vorgereinigten Abwässer in einen Vorfluter abgeleitet worden. Eine Abwasserentsorgung durch Sickergruben habe es nicht gegeben. Auch bei einer Direktableitung in den als Vorfluter genutzten Bleichenbach sei das Abwasser in Hausklärgruben vorgereinigt worden. Die im Zuge der Kläranlagenanbindung erfolgte Erneuerung des jeweiligen Ortsnetzes stelle keine Neuinstallation im Sinne des Schaffungstatbestandes dar. Soweit einige wenige Grundstücke mit bisheriger Direktableitung in den Vorfluter nunmehr in das Kanalsystem integriert worden seien, ändere auch dies nichts an der Qualifizierung der Baumaßnahme als Erneuerung. Zutreffend sei das Verwaltungsgericht insoweit von einer konzeptionell verändernden und modernisierenden Erneuerung ausgegangen. Diese Erneuerung habe bereits mit dem Anschluss der anderen Stadtteile an die Kläranlage in Glauburg begonnen. Soweit jetzt die Anlieger auch dieser Stadtteile an dem Erneuerungsaufwand für die Ortsnetze Gelnhaar, Usenborn und Bergheim beteiligt würden, beruhe dies darauf, dass die Stadt in Ausübung des ihr zustehenden organisatorischen Ermessens für das gesamte Stadtgebiet eine einzige Abwassereinrichtung im Rechtssinne gebildet habe.

Kläranlagenaufwand sei nicht in die Abrechnung eingeflossen. Es gehe hier lediglich um die Abrechnung des Investitionsaufwandes für die Erneuerung von Kanalnetzen gehe. Der Nachweis über die Höhe und die Verwendung erwirtschafteter Abschreibungserlöse sei durch Vorlage entsprechender Unterlagen bereits im erstinstanzlichen Verfahren geführt worden. Die Rüge der fehlerhaften und undifferenzierten Erfassung belastbarer Grundstücke und Geschossflächen werde zurückgewiesen. Die diesbezüglichen Behauptungen des Klägers entsprächen nicht den Tatsachen und würden von ihm auch nicht belegt.

Mit Verfügung vom 12. Januar 2005 hat der Berichterstatter die Beklagte um die Beantwortung bestimmter Fragen zu dem streitigen Leitungsbauvorhaben und seiner Abrechnung gebeten. Der Bevollmächtigte der Beklagten hat dazu mit Schreiben vom 14. Februar 2005 Stellung genommen. Die Bevollmächtigte des Klägers hat sich wiederum hierzu in einem Schriftsatz vom 11. März 2005 geäußert. Wegen des Inhalts der gerichtlichen Verfügung und der Äußerungen der beiden Beteiligten sowie wegen der Angaben, die die Beklagte in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens auf Befragen des Gerichts gemacht hat, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird darüber hinaus auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, Unterlagen und Pläne verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, die der Kläger nach erfolgter Zulassung fristgemäß begründet hat, ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte der zulässigen Klage gegen die Heranziehung zu einer ersten Vorauszahlung auf den "Beitrag für die Erneuerung der Abwasseranlage" stattgeben müssen, denn diese Heranziehung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Die Rechtswidrigkeit der streitigen Heranziehung ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger als Eigentümer eines Grundstücks in der Kernstadt der Beklagten nicht zu dem Anliegerkreis gehört, für den die Leitungsarbeiten in den Stadtteilen Usenborn, Gelnhaar und Bergheim auf der Grundlage der Verwirklichung eines Beitragstatbestandes im Sinne des § 11 Abs. 1 des Hessischen Gesetzes über kommunale Abgaben (KAG) die Beitragspflicht begründen können. Die Beklagte hat den maßgeblichen Beitragstatbestand in einer "Erneuerung" der Leitungsnetze dieser Stadtteile gesehen und auf dieser Grundlage angenommen, dass wegen der Zusammenfassung aller Entwässerungsanlagen im Stadtgebiet zu einer einzigen Entwässerungseinrichtung (§ 1 EWS) sämtliche Anlieger im Einrichtungsgebiet, damit auch die Anlieger in anderen Stadtteilen, solidarisch mit einem Erneuerungsbeitrag zu belasten seien. Dem kann sich der Senat nicht anschließen. Der Ansatz der Beklagten wäre richtig, wenn es sich bei dem fraglichen Leitungsbauvorhaben tatsächlich um die Erneuerung einer als solche schon geschaffenen Entwässerungseinrichtung handeln würde. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts ist jedoch von einer auf die Vollkanalisation im Netzbereich bezogenen Schaffungsmaßnahme auszugehen. Schaffungen sind aber so abzurechnen, dass aus Anlass eines bestimmten Schaffungsvorgangs immer nur diejenigen Anlieger zum "Schaffungsbeitrag" für die Gesamteinrichtung heranzuziehen sind, die aufgrund gerade dieses Schaffungsvorgangs den nicht nur vorübergehenden Vorteil der Inanspruchnahme der Einrichtung erlangen.

Von der jeweiligen beitragstatbestandlichen Zuordnung der Leitungsbaumaßnahme hängt ab, wie die Maßnahme abzurechnen ist. Die Schaffung der Einrichtung vollzieht sich in der Regel in aufeinanderfolgenden "Schaffungsvorgängen" nach Maßgabe bestimmter Schaffungsbauprogramme. Die Erhebung des Schaffungsbeitrags knüpft demgemäß an den einzelnen vorteilsvermittelnden Schaffungsvorgang an und erfolgt "zeitversetzt", d. h. belastet werden nur jeweils diejenigen Anlieger, die durch den konkreten Schaffungsvorgang bevorteilt werden. Die Gleichmäßigkeit der Belastung wird bei dieser Vorgehensweise durch den einheitlichen Beitragssatz erreicht, der auf der Grundlage einer sämtliche Schaffungsvorgänge überspannenden Globalberechnung für die Schaffung der Einrichtung insgesamt zu kalkulieren ist. Im Unterschied hierzu entsteht bei der Erneuerung einer bereits geschaffenen Einrichtung der Beitragsanspruch für sämtliche Anlieger im Einrichtungsgebiet zeitgleich mit der endgültigen Fertigstellung des Erneuerungsbauprogramms. Eine zeitversetzte Beitragsentstehung wie bei der den Vorteil erstmals begründenden Schaffung gibt es hier nicht. Zu erklären ist dies damit, dass der Erneuerungsbeitrag im Verhältnis zu dem zuvor erbrachten Schaffungsbeitrag eine "ergänzende" Belastung darstellt, mit der der Aufwand einer späteren Erneuerung/Verbesserung abgegolten wird und die sämtliche Anlieger trifft, deren Grundstücke mit vorteilhafter Wirkung an die geschaffene Einrichtung angeschlossen bzw. anschließbar sind. Soweit an dem fraglichen Erneuerungsaufwand darüber hinaus auch die später hinzu kommenden "Neuanlieger" zu beteiligen sind, äußert sich dies in einem von vornherein erhöhten Schaffungsbeitrag, der aus Anlass des den Anschluss ermöglichenden konkreten Schaffungsvorgangs zu erbringen ist.

Angesichts der beschriebenen Auswirkungen der beitragstatbestandlichen Zuordnung auf die Abrechnung besteht im vorliegenden Fall das Problem darin, die durch die Herstellung eines Vollkanalisationsnetzes in Verbindung mit der Anbindung an eine Kläranlage bewirkte S c h a f f u n g abzugrenzen von der E r n e u e r u n g , die dadurch erzielt wird, dass ein bereits geschaffenes Vollkanalisationsnetz modernisierend und kapazitätserhöhend ausgebaut wird. Erneuerung wäre anzunehmen, wenn die Vollkanalisation im Netzbereich für die Stadtteile Usenborn, Gelnhaar und Bergheim bereits im Zuge der Kläranlagenanbindung durch die seinerzeit ausgeführten Maßnahmen - Stilllegung bzw. Beseitigung der in den Vorfluter einmündenden Leitungen, Herstellung der Anbindungen an den Sammler - endgültig fertiggestellt worden wäre. Die späteren Arbeiten, die Gegenstand der vorliegend streitigen Abrechnung sind, könnten dann nämlich als eine auf ein fertiges Vollkanalisationsnetz bezogene Erneuerungsmaßnahme verstanden werden. Schaffung läge demgegenüber dann vor, wenn sich die streitige Leitungsbaumaßnahme auf einen Leitungsbestand bezöge, der die Eigenschaft eines funktionstüchtigen Vollkanalisationsnetzes durch Verlegung zusätzlicher und höher dimensionierter Leitungen unter Ersetzung vorhandener Rohre der bisherigen Teilkanalisation sowie etwa erforderliche Veränderungen des Leitungsverlaufs erst noch erhalten soll. Der Senat geht von der letztgenannten Konstellation aus. Dem zugrunde liegt die Überlegung, dass es sich bei den seinerzeit - im Zuge der Kläranlagenanbindung - bereits vorgenommenen Änderungen am Leitungsbestand nur um "erste Arbeiten" gehandelt haben kann, mit denen die Umstellung auf die Vollkanalisation zwar eingeleitet, nicht aber zum Abschluss gebracht worden ist. Bereits mit diesen Arbeiten mag für eine Vielzahl der Grundstücke die Ableitung sämtlicher Abwässer in die Kanalisation ermöglicht worden sein. Ihre mit Blick auf die Einrichtung der Vollkanalisation notwendige Fortsetzung finden die Arbeiten aber erst in den jetzt streitigen Leitungsbaumaßnahmen, die darauf abzielen, die Leitungssysteme insgesamt in einen den technischen Anforderungen der Vollkanalisation genügenden Zustand zu versetzen. Die Vollkanalisation wird auf diese Weise noch geschaffen und nicht - bereits - erneuert.

Eine Bestätigung dieser Auffassung sieht der Senat nicht zuletzt in der eigenen Darstellung der Beklagten, derzufolge die streitige Leitungsbaumaßnahme eingebettet ist in die "Umstellung der bisherigen Teilkanalisation auf Vollkanalisation" und so die "Fortsetzung" der aus Anlass der Kläranlagenanbindung in der zweiten Hälfte der 1990-er Jahre bereits durchgeführten Arbeiten bildet. Soweit das Verwaltungsgericht die Leitungsbaumaßnahme als eine "konzeptionell verändernde Erneuerung" bezeichnet, ist es gerade diese Konzeptionsveränderung, die auf Schaffung deutet. Mit ihr kann nämlich nichts anderes gemeint sein als die Ersetzung der bisherigen Teilkanalisationskonzeption durch die Vollkanalisationskonzeption. "Erneuerung" eines Teilkanalisationsnetzes in der Weise, dass daraus ein Vollkanalisationsnetz wird, ist in Wirklichkeit nicht Erneuerung, sondern - weil eine neue und andere Anlage entsteht - Schaffung.

Gegen die Annahme einer schon früher - im Zuge der Kläranlagenanbindung in der zweiten Hälfte der 1990-er Jahre - bewirkten Schaffung von Vollkanalisationsnetzen in den Stadtteilen Usenborn, Gelnhaar und Bergheim spricht auch, dass für diese Stadtteile seinerzeit keine auf das Netz bezogenen Schaffungsbeiträge erhoben worden sind. Nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens wurden im Jahre 1995 lediglich in den Stadtteilen Lißberg und Eckartsborn "für Leitungsarbeiten endgültige Beiträge" erhoben. Bei den anderen Stadtteilen bestand offensichtlich die Vorstellung, dass der auf die Herstellung des Vollkanalisationsnetzes bezogene Schaffungsvorgang noch nicht abgeschlossen sei. Keine Rückschlüsse lässt die Entrichtung eines Schaffungsbeitrags durch den Voreigentümer des klägerischen Grundstücks in der Kernstadt in den Jahren 1973/1974 zu; denn diese Heranziehung kann sich, da es damals noch keine Kläranlagenanbindung gab, nur auf die frühere Teilkanalisation in der Kernstadt bezogen haben.

Soweit schon mit den in der zweiten Hälfte der 1990-er Jahre durchgeführten ersten Netzarbeiten für eine Vielzahl der Grundstücke in Usenborn, Gelnhaar und Bergheim die Möglichkeit der Ableitung sämtlicher Abwässer in die Kanalisation verbunden war, ist das kein Hinderungsgrund, in den später sich anschließenden Leitungsarbeiten einen Einrichtungsvorgang zu sehen, der nach wie vor der Schaffung der Vollkanalisation im Netzbereich zuzuordnen ist. Nach § 11 Abs. 9 Satz 1 KAG entsteht die Beitragspflicht außer im Falle des Abs. 8 "mit der Fertigstellung der Einrichtung". Gemeint ist damit die bauprogrammgemäße Fertigstellung des jeweiligen Vorgangs der Schaffung, Erneuerung oder Erweiterung (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht [Hrsg.], § 8 Rdnr. 882). Das kann bei einem längerfristigen - weil auf ein ganzes Baugebiet oder, wie hier, auf einen ganzen Ortsteil bezogenen - Schaffungsbauprogramm zur Folge haben, dass die Beitragsentstehung hinter dem vom Baufortschritt abhängigen tatsächlichen Vorteilseintritt für das einzelne Grundstück zeitlich mehr oder weniger weit zurückbleibt. Andere Landesgesetze lassen aus diesem Grunde die Anschlussbeitragspflicht bereits dann entstehen, wenn ("sobald") das einzelne Grundstück angeschlossen werden kann (so z. B.: § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NW, § 10 Abs. 7 Satz 1 KAG BW, § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG MV, § 7 Abs. 5 Satz 2 ThürKAG). Das Fehlen einer entsprechenden Regelung im hessischen Landesrecht mag rechtspolitisch bedauert werden. Es ergeben sich daraus für die Gemeinden freilich keine unzumutbaren Konsequenzen, denn mit der vom Gesetz ausdrücklich geregelten Erhebung von Vorausleistungen (§ 11 Abs. 10 KAG) und dem darüber hinaus von der Rechtsprechung zugelassenen Verfahren einer vorgezogenen abschnittsweisen Abrechnung (dazu: Driehaus, Kommunalabgabenrecht [Hrsg.], § 8 Rdnr. 901 ff.) stehen ihnen Instrumente der Vorfinanzierung zur Verfügung, deren Anwendung im Bedarfsfall einen zeitigeren Eingang der Beiträge ermöglicht.

Wollte man in den auf Herstellung von Vollkanalisationsnetzen gerichteten Leitungsarbeiten in den Stadtteilen Usenborn, Gelnhaar und Bergheim beitragstatbestandlich eine "Erweiterung" sehen, weil mit ihnen eine bislang eingerichtete Teilkanalisation im Sinne des Ausbaus zur Vollkanalisation "erweitert" wird, so würde auch dies an der auf eine Heranziehung der Anlieger in diesen Stadtteilen beschränkten - Anlieger in anderen Stadtteilen also nicht erfassenden - Abrechnung nichts ändern. Maßgeblich bleibt, dass es durch die Herstellung der Vollkanalisation zur Verschaffung eines neuen - bislang nicht vermittelten - Vorteils kommt, und dass aus Anlass des dafür verantwortlichen Einrichtungsvorgangs zeitversetzt nur diejenigen Anlieger zu zahlen haben, die durch gerade diesen Einrichtungsvorgang bevorteilt werden. Für eine Erstreckung der Abrechnung auf das Gesamtgebiet der Einrichtung - entsprechend dem Vorgehen bei Abrechnung einer Erneuerung - ist also auch unter der Bezeichnung "Erweiterung" kein Raum. Soweit der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung den Ausbau einer Teilkanalisation zur Vollkanalisation tatsächlich dem Beitragstatbestand der "Erweiterung" zugeordnet hat (vgl. B. v. 05.05.1989 - 5 TH 2098/85 - NVwZ 1990, 396 - HSGZ 1990, 58, sowie U. v. 28.07.1989 - 5 UE 767/86 - GemHH 1990, 283 = HSGZ 1990, 104), rückt er im Übrigen von dieser Terminologie wieder ab. Durch die Herstellung der Vollkanalisation entsteht auch dann, wenn Rohrleitungen einer bislang betriebenen Teilkanalisation erhalten und in das neue Vollkanalisationsnetz integriert werden, eine neue u n d a n d e r e Einrichtung, die, was ihr Funktionieren und den vermittelten Vorteil angeht, mit der früheren Teilkanalisationseinrichtung nicht vergleichbar ist. Die Umstellung auf Vollkanalisation ist daher richtigerweise - wie es auch einer älteren Senatsrechtsprechung entspricht (so U. v. 27.06.1984 - V OE 56/82 - GemHH 1985, 188 = HSGZ 1985, 37) - dem Beitragstatbestand der Schaffung zuzuordnen. Der Begriff der Erweiterung muss auf die Fallgestaltung beschränkt bleiben, dass eine Einrichtung durch "Hinzufügen" mit dem Ziel der Verbesserung verändert wird, ohne dass dadurch - wie bei der Umstellung von Teil- auf Vollkanalisation - eine neue und andere Einrichtung entsteht. Die Erweiterung gehört damit wie die Erneuerung zu den Maßnahmen, die den bislang schon vermittelten Vorteil erhalten und sichern, nicht aber einen qualitativ anderen Vorteil erstmals begründen.

Der Senat legt, um Missverständnisse auszuschließen, Wert auf die Feststellung, dass mit der vorliegenden Entscheidung nicht zum Ausdruck gebracht ist, die Beklagte sei an einer Beitragserhebung für die Leitungsbaumaßnahme in den Stadtteilen Usenborn, Gelnhaar und Bergheim überhaupt rechtlich gehindert. Die Abrechnung als Schaffung bleibt selbstverständlich möglich. Dabei müssen allerdings die für die Abrechnung von Schaffungsmaßnahmen geltenden Modalitäten beachtet werden. Die Abrechnung setzt also einen Schaffungsbeitragssatz voraus, der - ausgehend von der in der Entwässerungssatzung der Beklagten vorgesehenen Einrichtungseinheit - so kalkuliert ist, dass sich der Gesamtaufwand für die Schaffung der Vollkanalisation im Stadtgebiet auf sämtliche an die neue Vollkanalisation mit vorteilhafter Wirkung anschließbaren Flächen, damit sowohl auf die Flächen bisheriger Teilkanalisationsanlieger als auch auf die Flächen überhaupt erstmals anzuschließender Anlieger, verteilt. Die Vornahme etwa einer auf "Erstanlieger" beschränkten Rechnungsperiodenkalkulation verbietet sich, denn zu den in der Rechnungsperiode der Schaffung der neuen Vollkanalisation an die Vollkanalisation anschließbaren Grundstücken zählen auch die Flächen der bisherigen Teilkanalisationsanlieger. Auf welche Stadtteile sich nach Maßgabe des so kalkulierten Schaffungsbeitragssatzes die zeitversetzte Erhebung des Schaffungsbeitrages jeweils erstreckt, richtet sich nach dem Schaffungsvorgang, der durch das Schaffungsbauprogramm bestimmt wird. Bei einem auf einen einzelnen Stadtteil bezogenen Schaffungsbauprogramm hängt mithin die Entstehung des Schaffungsbeitrags auf der Grundlage einer gültigen Beitragssatzregelung von der endgültigen Fertigstellung der Schaffungsmaßnahme in gerade diesem Stadtteil ab. Ob und inwieweit im Stadtgebiet der Beklagten auf dieser Grundlage schon jetzt der Schaffungsbeitrag erhoben werden kann oder ob vorerst nur eine Vorfinanzierung durch Vorausleistungen in Betracht kommt, ist nach dem erreichten Stand der jeweiligen Bauarbeiten in den einzelnen Stadtteilen zu beurteilen.

Da der Kläger aus den genannten Gründen mit seiner auf die Vorausleistungsanforderung für die Abwasseranlage bezogenen Berufung Erfolg hat, ist das erstinstanzliche Urteil antragsgemäß abzuändern und der diesbezügliche Vorausleistungsbescheid aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils im Kostenpunkt ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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