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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 13.06.2006
Aktenzeichen: 5 UE 1658/05
Rechtsgebiete: HVG


Vorschriften:

HVG § 15
HVG § 19
Ein öffentlich bestellter Vermessungsingenieur kann die Einmessung eines im Grundriss veränderten Gebäudes anlässlich eines Auftrags zur Katastervermessung auf dem betroffenen Grundstück oder zur Fertigung von Bauvorlagen, in denen das betroffene Gebäude darzustellen ist, aufgrund von § 19 Abs. 3 Hess. Vermessungsgesetz auch noch nach Ablauf der Frist von zwei Monaten nach Fertigstellung des Rohbaus (§ 19 Abs. 2 Satz 2 HVG) vornehmen.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 UE 1658/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Vermessungskosten

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof -5. Senat - durch Richter am Hess. VGH Dr. Apell als Berichterstatter ohne mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2006 für Recht erkannt: Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 9. Februar 2005 - 1 E 478/04(V) - abgeändert.

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der festgesetzten Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses seinen Bescheid über Vermessungskosten zu einem wesentlichen Teil aufgehoben hat.

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks in C-Stadt, Flur .., Flurstück .../., C-Straße, das mit einem Wohnhaus nebst Wintergarten bebaut ist. Im Jahre 1997 beabsichtigte er, auf seinem Grundstück eine Lärm- und Sichtschutzwand zu errichten. Dafür beantragte er durch das Bauunternehmen M.............. am 20. Juni 1997 bei dem Beklagten die Erstellung eines Lageplans zum Bauantrag. Nach einem Ortsvergleich erstellte der Beklagte den Lageplan unter dem Datum vom 7. Juli 1997. Die Baugenehmigung datiert vom 30. September 1997. Unter dem Datum vom 24. Oktober 1997 teilte der Rheingau-Taunus-Kreis dem Kläger mit, das Verwaltungsverfahren sei abgeschlossen und zum Archiv genommen worden.

Mit Kostenbescheid (Nr. 4006) vom 30. Januar 2004 - dem Kläger zugestellt am 31. Januar 2004 - zog der Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf seinen Antrag vom 20. Juni 1997 zu Kosten in Höhe von 1.052,72 € heran. Hinsichtlich der Berechnung im Einzelnen wird auf die Anlage zum Kostenbescheid (Bl. 14 der Gerichtsakte) verwiesen.

Mit Schreiben vom 17. Februar 2004 - eingegangen beim Verwaltungsgericht Wiesbaden am 20. Februar 2004 - hat der Kläger Klage erhoben.

Mit Kostenbescheid vom 3. März 2004 hat der Beklagte seinen Kostenbescheid Nr. 4006 durch einen neuen Kostenbescheid Nr. 4011 über 1.073,48 € ersetzt. Hinsichtlich der Berechnung wird auf dessen Anlage (Bl. 32 der Gerichtsakte) Bezug genommen. In der Begründung des neuen Bescheides heißt es, der alte Bescheid enthalte anstelle des Begriffs "Wert" irrtümlich den Begriff "Rohbauwert". Außerdem sei der Staffelbetrag nach Gebührenverzeichnis Nr. 7161 um 70,-- DM zu hoch angesetzt gewesen, andererseits seien drei Mehrausfertigungen des Lageplans zum Bauantrag in Höhe von 105,-- DM nicht erfasst gewesen. Der Kläger hat daraufhin seine Klage auf den neuen Kostenbescheid umgestellt.

Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, nach der Mitteilung des Rheingau-Taunus-Kreises vom 24. Oktober 1997 habe er, der Kläger, davon ausgehen müssen, dass er in der Sache nicht mehr mit Kosten belastet werde. Ohnehin sei die Kostenforderung bereits verjährt, da mehr als vier Jahre nach ihrer Entstehung vergangen seien. Das Hessische Verwaltungskostengesetz enthalte insoweit eine Regelungslücke, die durch das Kommunalabgabengesetz in Verbindung mit § 169 Abgabenordnung - AO - auszufüllen sei, so dass eine vierjährige Verjährungsfrist gelte. Hilfsweise sei auf die Verjährungsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs zurückzugreifen. Im Übrigen nenne der Kostenbescheid die falsche Rechtsgrundlage, nämlich die Verwaltungskostenordnung vom 5. Juni 2002. Ferner werde in der Anlage zum Kostenbescheid eine Gebäudeeinmessung mit einem Rohbauwert von 30.000,-- DM zugrunde gelegt. Auch die übrigen Einzelpositionen der Berechnung ließen sich weder dem Grunde noch der Höhe nach nachvollziehen.

Der Kläger hat beantragt,

den Kostenbescheid des Beklagten Nr. 4011 vom 3. März 2004 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, nach § 2 Abs. 1 der damals geltenden Bauvorlagenverordnung habe der Lageplan auf der Grundlage der Liegenschaftskarte aufgestellt werden müssen. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 der Bauvorlagenverordnung habe der Lageplan außerdem die vorhandenen baulichen Anlagen auf dem Grundstück enthalten müssen. Diese seien aber nur unvollständig nachgewiesen gewesen, weshalb eine Gebäudeeinmessung habe erfolgen müssen. Zu dieser sei er gemäß § 19 Abs. 3 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 2 Hessisches Vermessungsgesetz berechtigt gewesen. Die Gebäudeeinmessung habe sich aus mehreren Gründen als äußerst schwierig erwiesen und sich zunächst bis Mai 1998 hingezogen. Im November 2003 sei die Bearbeitung erneut aufgenommen worden. Erst am 19. November 2003 hätten die Vermessungsschriften dem Katasteramt zur Übernahme in das Liegenschaftskataster eingereicht werden können. Erst damit sei der Auftrag des Klägers erledigt gewesen und habe abgerechnet werden können. Die Kosten im Bescheid Nr. 4006 seien auf der Grundlage der Verwaltungskostenordnung vom 23. Januar 1996 berechnet. Im Übrigen seien nach § 23 Hessisches Verwaltungskostengesetz die neuen Vorschriften heranzuziehen, wenn sie für den Kostenschuldner günstiger seien.

Mit Urteil vom 9. Februar 2005 hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden den Kostenbescheid Nr. 4011 des Beklagten vom 3. März 2004 aufgehoben, soweit darin Kosten von mehr als 211,18 € festgesetzt worden sind. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kostenbescheid des Beklagten sei rechtswidrig, soweit dieser Kosten für die Gebäudeeinmessung geltend mache. Es könne dahinstehen, ob der Beklagte nach § 19 Abs. 3 Hessisches Vermessungsgesetz - HVG - berechtigt gewesen sei, das Wohnhaus des Klägers nebst Wintergarten einzumessen, da der Erstattungsanspruch des Beklagten insoweit verwirkt sei. Der Anspruch sei allerdings nicht verjährt, da das Hessische Verwaltungskostengesetz keine Vorschrift enthalte, wonach Kosten nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr festgesetzt werden dürften. Es liege auch keine ausfüllungsbedürftige Lücke des Gesetzes vor, wie sich aus einem Vergleich der ursprünglichen Fassung des Gesetzes und der anzuwendenden Fassung ergebe. Allerdings sei der Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Gebäudeeinmessung verwirkt. Der Beklagte habe mit den Vermessungsarbeiten bereits im Juni/Juli 1997 begonnen und die Gebäudeeinmessung zunächst bis Mai 1998 fortgeführt, um sie sodann bis November 2003 - also immerhin für mehr als fünf Jahre - zu unterbrechen. Ein eventueller Gebührenanspruch des Beklagten für die Gebäudeeinmessung wäre teilweise vor der Unterbrechung bereits nach Abbruch der Gebäudeeinmessung im Jahr 1998 entstanden. Diesen Anspruch habe der Beklagte über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht. Der Kläger habe seinerseits nicht mehr mit einer Gebührenforderung für diese Gebäudeeinmessung rechnen müssen. Zum einen seien Messgehilfen des Beklagten auf seinem Grundstück nur im Jahr 1997 tätig gewesen und sonstige Arbeiten im Zusammenhang mit der Gebäudeeinmessung für ihn nicht erkennbar gewesen. Zum anderen habe der Kläger selbst keinen Auftrag zur Gebäudeeinmessung erteilt, sondern lediglich die Erstellung eines Lageplans als Bestandteil der Bauvorlage für die Errichtung einer Lärmschutz- bzw. Sichtschutzwand in Auftrag gegeben. Damit habe für ihn zu keinem Zeitpunkt Anlass bestanden, mit einer Kostenforderung des Beklagten für die Einmessung eines Wohnhauses nebst Wintergarten zu rechnen. Somit könne der Beklagte weder die Gebühr für die Gebäudeeinmessung nach Nr. 7161 der Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesplanung noch die Kosten für Messgehilfen nach Nrn. 7163, 743 der Verwaltungskostenordnung verlangen. Gleiches gelte für die behördlichen Kosten ("Vermessungsunterlagen" und "Übernahme/VN"), da diese ebenfalls die Gebäudeeinmessung beträfen. Im Übrigen sei der angefochtene Kostenbescheid allerdings rechtmäßig, da er den Kläger zur Zahlung der Kosten verpflichte, die mit der Erstellung des Lageplans angefallen seien. Insofern könne er sich auch nicht auf Verwirkung berufen, da er mit einer Kostenforderung des Beklagten habe rechnen müssen.

Mit Beschluss vom 16. Juni 2005 hat der Senat auf Antrag des Beklagten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit zugelassen, als mit dem Urteil der Kostenbescheid aufgehoben worden ist.

Ein zwischen den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2006 vor dem erkennenden Berichterstatter geschlossener Vergleich ist von dem Beklagten fristgemäß widerrufen worden.

Zur Begründung der Berufung trägt der Bevollmächtigte des Beklagten vor, für die Annahme einer Verwirkung müsse bereits die Annahme des so genannten Zeitmoments verneint werden. Am 14. Juli 1997 seien erste Vermessungsarbeiten bezüglich der Gebäudeeinmessung durchgeführt worden, im September 1997 weitere Vermessungsarbeiten und sodann mehrere Versuche, die erfolgte Gebäudeeinmessung in das Liegenschaftskataster zu übernehmen. Nachdem am 19. November 2003 die Arbeiten abgeschlossen gewesen seien und der Antrag auf Übernahme der Gebäudeeinmessung an das Katasteramt gestellt worden sei, sei ein Zeitraum von sechs Jahren vergangen, der nicht als "längere Zeit" anzusehen sei. Gerade im Hinblick darauf, dass das Hessische Verwaltungskostengesetz keine Verjährung mehr kenne und deshalb der Besteller grundsätzlich keine zeitliche Grenze ziehen können, nach der er mit Kostenforderungen nicht mehr rechnen müsse, sei das nicht normierte Rechtsinstitut der Verwirkung sehr zurückhaltend in Ansatz zu bringen. In jedem Fall fehle es aber am Umstandsmoment. Dieses verlange eine besondere Situation, aus deren Gesamtschau sich für den Schuldner berechtigterweise der Eindruck ergeben könne, mit einer grundsätzlich bestehenden Forderung nicht mehr belastet zu werden. Diese liege bereits dann nicht vor, wenn der Schuldner gar nicht wisse, dass noch eine Forderung bestehe, weil in einem solchen Fall ein Vertrauenstatbestand schon begrifflich nicht geschaffen werden könne. Hier habe der Kläger vorgetragen, er habe gar nicht gewusst, dass der Beklagte zu einer Gebäudeeinmessung und sodann zur Kostenveranlagung gegenüber dem Kläger berechtigt gewesen sei. In jedem Fall aber genüge bloße Untätigkeit des Gläubigers nicht, sondern es müssten aktiv Zeichen gesetzt werden, die dem Schuldner zu seiner Annahme verleiteten, die Forderung werde nicht mehr geltend gemacht. Auch der Ansatz des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe die Gebäudeeinmessung gar nicht bestellt und deshalb nicht mit einer Forderung rechnen müssen, sei unrichtig. Für den Kläger habe die Pflicht aus § 19 HVG gegolten, wonach der Grundstückseigentümer bei einer Gebäudeerrichtung oder Grundrissveränderung verpflichtet sei, auf seine Kosten die Gebäudeeinmessung durchzuführen. Diese Pflicht sei zudem zeitlich in keiner Weise befristet. Für den Beklagten habe sich aus § 19 Abs. 3 HVG nicht nur die Berechtigung ergeben, die Gebäudeeinmessung auch ohne ausdrücklichen Auftrag des Klägers durchzuführen. Er sei zu diesen Arbeiten sogar verpflichtet gewesen, weil er nur durch die Gebäudeeinmessung ein Lageplan habe erstellen können, der den Vorgaben des § 2 Abs. 2 Nr. 5 Bauvorlagenverordnung entsprochen habe. Nach dieser Vorschrift müsse der Lageplan die vorhandenen baulichen Anlagen auf dem Baugrundstück enthalten, was nur möglich sei, wenn der Grundstückseigentümer seiner Pflicht zur Gebäudeeinmessung nach Veränderung des Grundrisses (oder Schaffung von Neubauten) nachgekommen sei und diese Gebäudeänderung im Liegenschaftskataster verzeichnet sei. Die Äußerung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, er habe "keine Lust mehr gehabt", werde in jeder Hinsicht unrichtig interpretiert. Der Beklagte habe mit dieser Äußerung, die er im Übrigen ausführlich begründet habe, was ich aber nicht im kurzen Terminsprotokoll finde, lediglich die Situation beschrieben, dass es erhebliche Probleme gegeben habe, weil die von ihm festgestellten Messergebnisse mit den Katasterunterlagen nicht übereinstimmten. Zwei erfahrene Fachkräfte hätten in mehreren Versuchen keine widerspruchsfreie Einarbeitung der Gebäudemessung in die vorhandenen Katasterunterlagen erzielen können. Der Widerrufsvergleich sei abgeschlossen worden, nachdem das Gericht seine Bedenken im Hinblick auf § 19 Abs. 3 HVG dargelegt habe. Diese Bedenken habe der Beklagte mit der Katasterbehörde besprochen, die sofort darauf hingewiesen habe, dass diese Bedenken aufgrund des Gesetzgebungsverfahrens nicht berechtigt seien. Aus der Begründung des Gesetzentwurfes vom 11. Mai 1992, mit dem der heutige Abs. 3 in das Gesetz eingefügt worden sei, ergebe sich, dass die Bestimmung so zu lesen sei, dass die dortige Berechtigung des Vermessungsingenieurs zur Durchführung der Einmessung sogar schon vor Ablauf der Frist des Abs. 2 möglich sei, nicht aber dass dies eine zeitliche Begrenzung dergestalt sein solle, dass nach Ablauf dieser Frist die Einmessung nicht mehr möglich sei. dies widerspräche der gesamten Intention des Hessischen Vermessungsgesetzes, sonach nicht parallele Vermessungen stattfinden sollten. Bei einem derartigen Verständnis des § 19 Abs. 3 HVG würde dies bedeuten, dass in einem solchen Falle der Vermessungsingenieur den Auftrag ablehnen und das Katasteramt die Vermessung durchführen müsse, um sodann gleichzeitig auch die Einmessung durchzuführen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 9. Februar 2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Seine Bevollmächtigte trägt vor, das Verwaltungsgericht gehe zu Recht vom Vorliegen der Voraussetzungen einer Verwirkung des Anspruchs des Beklagten aus. Entscheidend sei, dass der Beklagte mit den Vermessungsarbeiten bereits im Juni/Juli 1997 begonnen und die Gebäudeeinmessung bis Mai 1998 fortgeführt habe, um sie dann bis November 2003 zu unterbrechen. Somit liege eine fünfjährige Unterbrechung vor. Der Beklagte habe zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt, den Kläger auf seine Tätigkeit etwa durch einen Zwischenbescheid aufmerksam zu machen. Aufgrund der Gesamtumstände sei der Kläger vollkommen überrascht gewesen, als ihm im Januar 2004 ein Kostenbescheid des Beklagten erreicht habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er mit einer Kostenfestsetzung aus einer Tätigkeit, die er für abgeschlossen gehalten habe, nicht mehr rechnen müssen. Die letzte für den Kläger erkennbare Tätigkeit habe im Jahre 1997 stattgefunden. Weiterhin sei der ursprüngliche Auftrag des Klägers darauf gerichtet gewesen, dass eine Bauvorlage für die Errichtung einer Lärmschutz- bzw. Sichtschutzwand ermöglicht werde. Von einer noch weiter vorzunehmenden Gebäudeeinmessung habe er keine Kenntnis gehabt. Auch hierüber habe der Beklagte den Kläger informieren müssen. Auch das Umstandsmoment bezüglich der Verwirkung sei von Seiten der Beklagten erfüllt. Spätestens Mitte Oktober 1997 habe der Kläger davon ausgehen müssen, dass alle vorliegenden Verwaltungsarbeiten abgeschlossen seien, da er am 24. Oktober 1997 vom Rheingau-Taunus-Kreis hinsichtlich seiner Bauanfrage die Mitteilung erhalten habe, dass damit das Verwaltungsverfahren abgeschlossen und zum Archiv genommen worden sei. Insoweit habe der Beklagte auch selbst einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Der Kläger habe darauf vertrauen dürfen, dass ein öffentlich bestellter Vermessungsingenieur gerade die Arbeiten, die aufgrund einer gesetzlichen Pflicht durchgeführt würden, dem Gebührenschuldner zeitnah zur Kenntnis bringe. § 19 Abs. 3 HVG regele ausdrücklich nicht, was nach Ablauf der Zweimonatsfrist des § 19 Abs. 2 HVG geschehen solle. Die vom Beklagten durchgeführten Arbeiten seien keinesfalls mehr in einer angemessenen Frist erfolgt. Demnach bestehe kein Gebührenanspruch.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens, des Eilverfahrens VG Wiesbaden 1 G 479/04 sowie eines Hefters Unterlagen des Beklagten verwiesen, die insgesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die mit Beschluss vom 16. Juni 2005 - 5 UZ 1090/05 - zugelassene Berufung des Beklagten - über die im Einverständnis der Beteiligten der Berichterstatter anstelle des Senats ohne weitere mündliche Verhandlung entscheidet (§ 87a Abs. 2 und 3 und § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) - ist auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage gegen den Kostenbescheid des Beklagten Nr. 4011 vom 3. März 2004 zu Unrecht teilweise stattgegeben und den Bescheid aufgehoben, soweit darin Kosten von mehr als 211,18 € festgesetzt worden sind.

Streitig ist im Berufungsverfahren zwischen den Beteiligten allein noch die Rechtmäßigkeit des Kostenbescheides des Beklagten vom 3. März 2004, soweit darin Kosten für die Gebäudeeinmessung auf dem Grundstück des Klägers geltend gemacht werden. Soweit sich die Klage auch gegen den übrigen Teil des Kostenbescheides gerichtet hat, ist sie durch das verwaltungsgerichtliche Urteil rechtskräftig abgewiesen worden.

Rechtsgrundlage für die im Berufungsverfahren noch streitigen Kosten ist § 1 Hessisches Verwaltungskostengesetz in Verbindung mit der Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesplanung vom 19. Mai 1994 (GVBl. I S. 2) in der Fassung der 2. Änderungsverordnung vom 31. Januar 1997 (GVBl. I S. 26) und dem dazu gehörenden Verwaltungskostenverzeichnis Nrn. 716 ff. Der Beklagte war auch nach § 19 Abs. 3 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 2 Hessisches Vermessungsgesetz - HVG - vom 2. Oktober 1992 (GVBl. I S. 453) berechtigt, die Einmessung des auf dem Grundstück des Klägers vorhandenen Wintergartens anlässlich der Erstellung des beantragten Lageplanes vorzunehmen. Nach § 19 Abs. 2 HVG ist der Eigentümer eines Gebäudes, dessen Grundriss verändert wird, verpflichtet, auf seine Kosten die für die Fortführung des Liegenschaftskatasters erforderliche Einmessung von einer Vermessungsstelle nach § 15 Abs. 1 HVG durchführen zu lassen. Dieser Verpflichtung war der Kläger als Grundstückseigentümer nach Errichtung des Wintergartens, die bereits Jahre vor der Einmessung durch den Beklagten erfolgt war, nicht nachgekommen. Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 HVG kann die Katasterbehörde, sofern ein Eigentümer die Einmessung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fertigstellung des Rohbaus selbst veranlasst, diese von Amts wegen vornehmen oder vornehmen lassen und Kostenerstattung verlangen. Kostenpflichtig ist in diesen Fällen, wer zum Zeitpunkt der Einmessung Eigentümer ist. Unbeschadet von § 19 Abs. 2 HVG ist eine Vermessungsstelle im Sinne des § 15 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 HVG nach § 19 Abs. 3 HVG unmittelbar berechtigt, die Einmessung vor Ablauf der Frist vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, wenn sie bereits den Auftrag hat, auf dem betroffenen Grundstück eine Katastermessung durchzuführen oder Bauvorlagen oder Teile davon zu fertigen, in denen das betroffene Gebäude darzustellen ist. Nach dieser Vorschrift war der Beklagte als Vermessungsstelle im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 HVG berechtigt, die Einmessung des Wintergartens auf dem Grundstück des Klägers anlässlich der Erstellung des beantragten Lageplans als Bauvorlage vorzunehmen und die Kosten für die Einmessung vom Kläger zu erheben. Nach seinem Wortlaut stellt § 19 Abs. 3 Satz 1 HVG darauf ab, dass die Vermessungsstelle die Einmessung auch schon vor Ablauf der Zweimonatsfrist nach Erstellung des Rohbaus, innerhalb der der Eigentümer die Einmessung zu veranlassen hat, diese vornehmen oder vornehmen lassen kann. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift ergreift sie jedoch auch den vorliegenden Fall, in dem die Zweimonatsfrist, innerhalb der der Eigentümer die Einmessung selbst zu veranlassen hat, ohne dass das Katasteramt eingreifen darf, bereits verstrichen ist und die Katasterbehörde noch nicht von Amts wegen die Einmessung vorgenommen hat. Sinn und Zweck des § 19 Abs. 3 HVG ist nämlich erkennbar, als Verwaltungsvereinfachung gesetzlich vorgeschriebene Einmessungen anlässlich von Vermessungsarbeiten, die aus anderen Gründen vorgenommen werden, mit zu erledigen. Diese Zweckrichtung gilt aber nach Ablauf der Zweimonatsfrist des § 19 Abs. 2 HVG ebenso wie vor ihrem Ablauf. Allerdings ergibt sich dieser Sinn und Zweck nicht - wie vom Beklagtenbevollmächtigten in seiner Widerrufsschrift vorgetragen - aus den Gesetzesmaterialien. Dort findet sich darauf kein ausdrücklicher Hinweis. Dies ist auch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Berichterstatter bereits ausdrücklich erörtert worden.

Erörtert worden ist allerdings auch die Frage, ob die Einmessung des Wintergartens auf dem Grundstück des Klägers durch den Beklagten noch "aus Anlass" der Erstellung des Lageplans erfolgt ist. Den Lageplan hat der Beklagte unter dem Datum des 7. Juli 1997 erstellt. Vermessungsschriften bezüglich des Wintergartens auf dem Grundstück des Klägers hat der Beklagte dagegen erst am 19. November 2003 dem Katasteramt zur Übernahme in das Liegenschaftskataster eingereicht. Trotz dieses erheblichen Zeitraums zwischen Vermessung und Erstellung der Vermessungsunterlagen geht das Gericht jedoch davon aus, dass die zeitliche Verknüpfung mit der Erstellung des Lageplans auch hinsichtlich der Einmessung des Wintergartens noch gegeben ist. Die eigentlichen Vermessungsarbeiten hat der Beklagte nämlich im Jahr 1997 abgeschlossen.

Allerdings dürfte der Beklagte damit, dass er zwischen der eigentlichen Vermessung und dem Erstellen der Vermessungsunterlagen einen Zeitraum von sechs Jahren verstreichen ließ, gegen die Verpflichtung des § 19 Abs. 5 HVG, den Katasterbehörden alle Unterlagen, die für die Führung des Liegenschaftskatasters von Bedeutung sind, in einer angemessenen Frist einzureichen, verstoßen haben. Auch die Schwierigkeiten, die der Beklagte nach der Einmessung nach eigenem Bekunden hatte, die ermittelten Daten mit den Katasterunterlagen in Einklang zu bringen, lassen den Zeitraum von sechs Jahren bis zur Einreichung der Unterlagen beim Katasteramt nicht als angemessen erscheinen, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass der Beklagte nach eigenem Bekunden die Sache für einen erheblichen Zeitraum zur Seite gelegt hatte. Allerdings bleibt dieser Verstoß gegen die Pflicht des § 19 Abs. 5 HVG, alle Unterlagen der Katasterbehörde in einer angemessenen Frist einzureichen, hinsichtlich der Kostenpflicht des Klägers ohne Folge. § 19 Abs. 5 HVG regelt eine Pflicht gegenüber der Katasterbehörde, um die Richtigkeit des Liegenschaftskatasters zu gewährleisten. Die Kostenpflicht aus § 19 Abs. 3 Satz 2 HVG wird davon nicht betroffen. Dies erscheint auch gerechtfertigt, denn den gebührenpflichtigen Vorteil - Einmessung des Wintergartens - hat der Kläger erlangt.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Anspruch des Beklagten auf Erstattung der Kosten nicht verjährt ist, weil das Hessische Verwaltungskostengesetz keine Vorschrift mehr enthält, nach der Kosten nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr festgesetzt werden dürfen. § 19 Abs. 1 HVwKostG regelt allein die so genannte Zahlungsverjährung innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch fällig geworden ist. Fällig werden die Kosten nach § 13 HVwKostG allerdings erst mit der Bekanntgabe der Kostenentscheidung an den Kostenschuldner, wenn nicht die Behörde einen späteren Zeitpunkt bestimmt. Die früher normierte so genannte Festsetzungsverjährung hat der Gesetzgeber in der Neufassung des Hessischen Verwaltungskostengesetzes aus dem Jahr 1995 ausdrücklich nicht mehr aufgenommen.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und des Klägers ist der im Berufungsverfahren noch streitige Anspruch des Beklagten für die Einmessung des Wintergartens des Klägers auch nicht verwirkt. Das Institut der Verwirkung ist Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben, der für die gesamte Rechtsordnung Gültigkeit hat. Sie bildet insofern einen Anwendungsfall des "venire contra factum proprium", des Verbots widersprüchlichen Verhaltens. Dies bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (so genannte Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (so genannte Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2004 - 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, 314 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des Gebührenanspruchs des Beklagten nicht vor. Vielmehr kann insofern allenfalls von einem gewissen Zeitmoment ausgegangen werden, da zwischen der Erteilung der Baugenehmigung am 30. September 1997 und dem Erlass des Gebührenbescheides am 31. Januar 2004 immerhin über sechs Jahre vergangen sind. Anhaltspunkte für das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen bestehen jedoch nicht. Weder hat der Kläger darauf vertraut, dass der Beklagte seinen Anspruch nicht mehr geltend machen werde - er wusste von diesem Anspruch nichts - noch hat er sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen darauf dergestalt eingerichtet, dass ihm die verspätete Durchsetzung des Rechts nicht zumutbar wäre. Insofern hat das Verwaltungsgericht auch das Vorliegen einer Verwirkung hinsichtlich des Gebührenanspruchs des Beklagten für die Erstellung des vom Kläger bestellten Lageplans verneint, weil er von dieser Maßnahme zwar wusste, aber gerade aufgrund dieser Kenntnis nicht damit rechnen konnte, dass dieser Anspruch nicht geltend gemacht werde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO - in Verbindung mit § 167 VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf einen Betrag von 862,30 € festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3, Gerichtskostengesetz - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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