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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 01.10.2003
Aktenzeichen: 5 UE 3006/02
Rechtsgebiete: GG, GetrStS der Stadt Frankfurt am Main, RL 92/12/EWG


Vorschriften:

GG Art. 105 Abs. 2a
GG Art. 3 Abs. 1
GetrStS der Stadt Frankfurt am Main, RL 92/12/EWG Art. 3
Die Klärung der Vereinbarkeit einer kommunalen Steuer auf alkoholische Getränke mit Art. 3 RL 92/12/EWG wird dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

5 UE 3006/02

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Getränkesteuer

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzender Richter am Hess. Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Dr. Göbel-Zimmermann, ehrenamtlicher Richter Horst Kowarsch, ehrenamtlicher Richter Friedhelm Lecke

am 1. Oktober 2003 beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Gemäß Art. 234 EG-Vertrag wird eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu nachfolgenden Fragen eingeholt:

1. Eine kommunale Getränkesteuersatzung bestimmt als Gegenstand der Steuer "die entgeltliche Abgabe alkoholhaltiger Getränke zum unmittelbaren Verzehr" und als eine derartige Abgabe "jede Abgabe zum Verzehr an Ort und Stelle". Handelt es sich bei dieser Steuer um eine andere indirekte Steuer auf verbrauchssteuerpflichtige Waren im Sinne von Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchssteuerpflichtiger Waren oder um eine Steuer auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit verbrauchssteuerpflichtigen Waren im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 RL 92/12/EWG?

2. Für den Fall, dass die zweite Alternative der Frage zu 1. bejaht wird: Bezieht sich die Tatbestandsvoraussetzung "unter der gleichen Voraussetzung" in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 RL 92/12/EWG auch bei der Besteuerung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit verbrauchssteuerpflichtigen Waren im Sinne von Art. 3 Abs. 1 RL 92/12/EWG allein auf die in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 dieser Richtlinie aufgeführte Bedingung "sofern diese Steuern im Handelsverkehr zwischen Mitgliedsstaaten keine mit dem Grenzübertritt verbundenen Formalitäten nach sich ziehen" oder muss in einem derartigen Fall auch die in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehene "besondere Zielsetzung" der Besteuerung vorliegen?

Gründe:

I.

Die Beklagte begehrt mit ihrer Berufung die Abweisung der in erster Instanz erfolgreichen Klage der Klägerin gegen deren Heranziehung zur Getränkesteuer für das dritte Quartal 1995.

Die Klägerin betreibt seit April 1981 in dem Gebiet der beklagten Stadt eine Gaststätte unter dem Namen ".................", in der sie Speisen und Getränke abgibt.

Mit Getränkesteuererklärung für das dritte Quartal 1995 vom 7. November 1995 - eingegangen beim Stadtsteueramt der Beklagten am 10. November 1995 - errechnete die Klägerin im Wege der Selbstveranlagung eine von ihr zu entrichtende Getränkesteuer in Höhe von 9.135,35 DM. Mit Schreiben vom selben Tag legte sie Widerspruch gegen die Heranziehung zur Getränkesteuer ein.

In einer internen Stellungnahme der Beklagten vom 12. Juni 1996 sah sich das Fachamt unter Hinweis auf einen Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Oktober 1995 - 10 E 1992/93(2) - außerstande, dem Widerspruch abzuhelfen. Für die steuerliche Befreiung des Apfelweines gebe es einen sachlichen Grund. Der Apfelwein werde von den Bürgern als bevorzugtes und besonderes typisches Getränk im Gebiet der Beklagten gesehen, so dass im Rahmen der satzungsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten auf die Besteuerung des Apfelweins rechtmäßig verzichtet worden sei.

Der Widerspruch blieb bisher unbeschieden.

Zur Begründung ihrer am 16. Juli 1998 beim Verwaltungsgericht in Frankfurt am Main erhobenen Klage führte die Klägerin im Wesentlichen aus, die Getränkesteuersatzung der Beklagten sei nichtig, weil sie gegen höherrangiges Recht verstoße, insbesondere gegen europäisches Recht, nämlich Art. 33 der 6. Richtlinie des Rates 77/388/EWG vom 17. Mai 1977, der sogenannten Mehrwertsteuerrichtlinie, und gegen Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie des Rates 92/12/EWG vom 25. Februar 1992, der sogenannten Verbrauchssteuerrichtlinie. Der Verstoß gegen Art. 33 der Mehrwertsteuerrichtlinie ergebe sich daraus, dass es sich bei der Getränkesteuer um eine der Umsatzsteuer ähnliche bzw. gleichartige Abgabe (spezielle Umsatzsteuer auf Getränke) handele, deren Einführung und Beibehaltung durch die Richtlinie verboten sei. Der Verstoß gegen die Verbrauchssteuerrichtlinie ergebe sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. März 2000 - Rs. C - 437/97 -, in dem der Gerichtshof die österreichische Gemeindegetränkesteuer als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 2 der genannten Richtlinie angesehen habe. Die streitgegenständliche Getränkesteuer sei insofern identisch, als auch mit ihr keine besondere Zielsetzung im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie verfolgt werde und sie strukturell weder mit den Verbrauchssteuern noch der Mehrwertsteuer vergleichbar sei. Des Weiteren verletze § 2 Abs. 1 der Getränkesteuersatzung den in Art. 3 Grundgesetz - GG - normierten Gleichbehandlungsgrundsatz, denn es gebe keinen sachlichen Grund dafür, die Abgabe von Apfelwein von der Besteuerung auszunehmen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Getränkesteuerheranziehungsbescheid vom 7. November 1995 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, ein Verstoß gegen Art. 33 der Mehrwertsteuerrichtlinien scheide schon aus, weil die Getränkesteuer als örtliche, spezielle Verbrauchssteuer keine der umsatzsteuerähnliche Abgabe darstelle. Sie knüpfe im Unterschied zu dieser an einen Realakt an, erfasse nur einzelne, auserwählte Erzeugnisse, werde nur auf einer Handelsebene erhoben und berechtige den Steuerpflichtigen nicht zum Vorsteuerabzug. Das von der Klägerin angesprochene Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Verbrauchssteuerrichtlinie habe für die in Streit stehende Getränkesteuer keine rechtlichen Konsequenzen, weil diese mit der in Österreich erhobenen Gemeindegetränkesteuer nicht vergleichbar sei. Während dort die Lieferung von Getränken Steuergegenstand sei, knüpfe ihre eigene Getränkesteuer an den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle, d.h. den unmittelbaren Verbrauch an. Schließlich verstoße die Unterscheidung zwischen Apfelwein und anderen alkoholischen Getränken nicht gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung. Ein sachlicher Grund für die Differenzierung ergebe sich, wie das Verwaltungsgericht in dem früheren Gerichtsbescheid zutreffend festgestellt habe, aus der Einmaligkeit der Tradition des Apfelweins in diesem Raum und der daraus resultierenden Unvergleichbarkeit dieses Getränks im Hinblick auf Zusammensetzung und Herstellung mit ähnlichen Getränken in anderen Gebieten.

Mit Urteil vom 14. März 2002 hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Getränkesteuerheranziehungsbescheid der Beklagten vom 7. November 1995 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid sei rechtswidrig, weil er auf einer mit höherrangigem Recht unvereinbaren Rechtsgrundlage basiere, nämlich der Getränkesteuersatzung der Beklagten. Diese verstoße zum einen gegen Art. 1 Hessische Verfassung (Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 142 GG). Der dort normierte allgemeine Gleichheitssatz verbiete, wesentlich Gleiches ungleich, und gebiete, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln. Ein sachlicher Grund für die "Befreiung" des Apfelweins von der Getränkesteuer könne nicht darin gesehen werden, dass es sich beim Apfelwein um ein seit jeher in dem Gebiet der Beklagten bevorzugtes, von den Anwohnern als besonders typisch empfundenes Getränk handele. In dem Bestreben, eine bestimmte traditionsreiche Trinkkultur zu fördern, sei kein sachlicher Grund für die Herausnahme der entgeltlichen Abgabe des Apfelweins aus der Besteuerung zu sehen. Die Rechtswidrigkeit der Getränkesteuersatzung der Beklagten folge zudem aus der Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Oktober 1992. Dies ergebe sich im Wesentlichen auch aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur österreichischen Getränkesteuer vom 9. März 2000. Dem könne nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die österreichische Gemeindegetränkesteuer an die "Lieferung" von Getränken, die Getränkesteuer der Beklagten demgegenüber an den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle anknüpfe. Dagegen spreche zum einen, dass auch in Oberösterreich die Gemeindegetränkesteuer "auf den Akt der Veräußerung" u.a. der Getränke in Schank- und Gastwirtschaften und sonstigen Stätten, wo derartige Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben werden, erhoben werde. Zum anderen handele es sich bei der "entgeltlichen Abgabe zum unmittelbaren Verzehr" letztlich auch um eine entgeltliche "Lieferung", was eine Übertragbarkeit des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur österreichischen Getränkesteuer auf den hier zu entscheidenden Fall mehr als nahe lege. Die streitige Getränkesteuer verfolge keine "besondere Zielsetzung" und entspreche strukturell weder dem für die harmonisierten Verbrauchssteuern auf alkoholische Getränke geltenden Steuerrecht, noch dem Mehrwertsteuerrecht. Unter dem Begriff "besondere Zielsetzung" sei zu verstehen, dass damit andere als reine Haushaltszwecke angestrebt werden müssten. Solche würden mit der Getränkesteuersatzung der Beklagten nicht verfolgt. Zudem entspreche die Steuer strukturell nicht dem für die Verbrauchssteuern auf alkoholische Getränke geltenden Steuerrecht, denn sie werde anders berechnet als die harmonisierte Verbrauchssteuer (aufgrund des Wertes der Ware und nicht aufgrund ihres Gewichts, ihrer Menge oder ihres Alkoholgehaltes) und sie entstehe erst auf der Stufe des Verkaufs an den Endverbraucher und nicht bereits bei der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Systemrichtlinie. Sie entspreche auch strukturell nicht dem Mehrwertsteuerrecht, obgleich sie mit Art. 33 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar sei. Dies gelte sowohl für ihre Berechnung (keine Möglichkeit des Vorsteuerabzugs), als auch für ihre Entstehung (Erhebung nur auf der Stufe des Verkaufs an den Endverbraucher, nicht jedoch auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs).

Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 15. November 2002 - 5 UZ 1271/02 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.

Zur Begründung der Berufung führt die Beklagte aus, die beiden Annahmen des Verwaltungsgerichts über Rechtsverstöße der Getränkesteuersatzung seien fehlerhaft. Entgegen seiner Annahme sei die Privilegierung des Apfelweins nicht willkürlich. Sie beruhe vielmehr auf den sachgerechten Überlegungen, die die Stadt im Jahr 1991 unmittelbar vor Ergehen der ab dem Jahr 1992 in Kraft getretenen Getränkesteuersatzung angestellt habe. Dabei sei die traditionelle Bedeutung des Apfelweins im Stadtgebiet der Beklagten besonders berücksichtigt worden. Diese Bedeutung des Apfelweins in der Lokalkultur der Beklagten habe das Verwaltungsgericht nicht richtig bewertet. Der Ausnahmetatbestand halte sich demnach innerhalb des weiten Gestaltungsspielraums, den die höchstrichterliche Rechtsprechung und auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof dem Satzungsgeber zugestehe. Soweit sich das Urteil in Bezug auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchssteuerrichtlinie auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs über die österreichische Getränkesteuer berufe, irre es bereits hinsichtlich des Anknüpfungspunktes des Steuergegenstandes. Dort sei die "entgeltliche Lieferung" Steuergegenstand gewesen, d.h. ausschließlich der Verkauf von Waren. Unerheblich sei gewesen, ob dieser Verkauf in Behältnissen, d.h. zum Transport nach Hause und einem späteren privaten Konsum erfolgt sei oder ob die Waren zum sofortigen Verbrauch in einer Gastwirtschaft abgegeben worden seien. Wesentlich sei dabei, dass in der letztgenannten Alternative die beim Verzehr in einer Gastwirtschaft weiter entstehenden Dienstleistungen nicht in den Steuergegenstand einbezogen gewesen seien. Demgegenüber sei Steuergegenstand der streitbefangenen Satzung die Abgabe von Getränken zum unmittelbaren Konsum in einem öffentlich zugänglichen Restaurationsbetrieb, d.h. nicht im Rahmen eines Kauf-, sondern im Rahmen eines Schankwirtsvertrages, der durch besondere Dienstleistungen charakterisiert werde. Danach enthalte die Besteuerungsgrundlage neben den reinen Sachkosten des Getränks vor allem und überwiegend die mit dem Ausschank und dem Betrieb der Gastwirtschaft verursachten Dienstleistungskosten. Insofern widerspreche die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch dem Urteil des EuGH vom 2. Mai 1996 (Rs.C - 231/94), das wegen der gebotenen EU-Konformität im Sinne der vorstehenden Abgrenzung der Steuertatbestände auch Eingang in das deutsche Umsatzsteuerrecht gefunden habe. Auch dort werde nämlich die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle nicht als Lieferung im Sinne von § 3 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz - UStG -, sondern als sonstige Leistung im Sinne von § 3 Abs. 9 UStG angesehen. So habe der Europäische Gerichtshof in dem genannten Urteil erklärt, dass Restaurationsumsätze als Dienstleistungen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der 6. Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 anzusehen seien. Wesentlich beruhe das Urteil daher auf der falschen Einordnung des Steuergegenstandes unter Art. 3 Abs. 2 der System- oder Verbrauchssteuerrichtlinie. Die Bedeutung der Sondervorschrift des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie werde vollständig übersehen. Danach könnten Steuern auf Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit verbrauchssteuerpflichtigen Waren, erhoben werden, wenn sie die Voraussetzung erfüllten, dass sie im Handelsverkehr zwischen Mitgliedsstaaten keine mit dem Grenzübertritt verbundenen Formalitäten nach sich zögen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. März 2002 abzuweisen.

Die Klägerin hat bisher keinen Antrag gestellt und im Berufungsverfahren keine Ausführungen gemacht.

II.

Die Berufung der beklagten Stadt ist zulässig, insbesondere nach Zulassung durch den Senat frist- und formgerecht begründet worden.

Ob die Berufung der Beklagten auch begründet ist, d. h. ob die Heranziehung der Klägerin zur Getränkesteuer für das dritte Quartal 1995 zu Recht erfolgt ist, hängt entscheidungserheblich von der Beantwortung der dem Europäischen Gerichtshof vorgelegten Fragen ab. Nach nationalem Recht ist die Satzungsregelung der Beklagten nicht zu beanstanden.

Mit dem Erlass der Satzung über die Erhebung einer Getränkesteuer - GetrStS - vom 13. Dezember 1991 (geändert mit Wirkung vom 25. Mai 1996, aufgehoben zum 1. Januar 2000) hat die Beklagte von dem Steuerfindungsrecht nach § 7 Abs. 2 Hessisches Kommunalabgabengesetz - KAG - Gebrauch gemacht. Die gemeindliche Getränkesteuer, deren Erhebung an die entgeltliche Abgabe von Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle anknüpft, die auf Abwälzbarkeit angelegt und wirtschaftlich vom Verbraucher getragen wird, gehört nach ständiger nationaler höchstrichterlicher Rechtsprechung zu den herkömmlichen örtlichen Verbrauchssteuern, die nicht mit bundesrechtlich geregelten Verbrauchssteuern im Sinne von Art. 105 Abs. 2a Grundgesetz - GG - gleichartig sind (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. März 1977 - 2 BvR 812/74 -, BVerfGE 46, 216, und vom 26. Februar 1985 - 2 BvL 14/84 -, BVerfGE 69, 174).

Die Beklagte erhebt nach ihrer Satzung die Steuer auf die Abgabe alkoholhaltiger Getränke mit Ausnahme des Apfelweins. Anders als das Verwaltungsgericht hält der Senat die Satzung der Beklagten nicht bereits aus diesem Grund wegen eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG für unwirksam.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt allgemein formuliert, dass Gleiches gleich, Unterschiedliches dagegen seiner Eigenart entsprechend behandelt wird. Die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt somit den Vergleich von Lebenssachverhalten, die nicht in allen, sondern nur in einzelnen Elementen gleich sein können. Grundsätzlich ist es Sache des Normgebers zu entscheiden, welche dieser Elemente er als maßgeblich für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Bei der Erschließung von Steuerquellen und somit bei der Auswahl des Steuergegenstandes und der Bestimmung des Steuersatzes hat er einen weitreichenden Spielraum und ist in der Gestaltung hinsichtlich der Erschließung von Steuerquellen weitgehend frei. Will er eine Steuerquelle erschließen, andere hingegen nicht, dann ist der allgemeine Gleichheitssatz so lange nicht verletzt, wie die Differenzierung auf sachgerechten Erwägungen, insbesondere finanzpolitischer, volkswirtschaftlicher, sozialpolitischer oder steuertechnischer Natur beruht (BVerfG, Beschlüsse vom 29. November 1989 - 1 BvR 1402/87, 1 BvR 1528/87 -, BVerfGE 81, 108, vom 3. Mai 2001 - 1 BvR 624/00 -, NVwZ 2001, 1264, und vom 5. Februar 2002 - 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93 -, NJW 2002, 3009; vgl. auch Beschluss des Senats vom 7. März 1989 - 5 TH 484/87 -, ZKF 1989, 207). Dies gilt auch für die Schaffung oder Streichung von Subventionen.

Hier hat der Satzungsgeber von den alkoholischen Getränken allein den Apfelwein von der Besteuerung ausgenommen, um dieses Getränk, das den Charakter einer besonderen Gaststättenkultur der Stadt prägt, in seinem Bestand zu sichern. Diese lokalpolitisch geprägte Erwägung ist als sachgerechter Grund für die Differenzierung ausreichend. Bei der Überprüfung einer Norm auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfG, Beschluss vom 29. November 1989, a. a. O., m. w. N.). Dies ist hier gegeben.

Der Senat sieht aber Klärungsbedarf bezüglich der Vereinbarkeit der Satzungsregelung der Beklagten mit Art. 3 RL 92/12/EWG im Hinblick auf die im Beschlusstenor formulierten Fragen.

Zu Frage 1.:

§ 2 Abs. 1 GetrStS der Beklagten sieht als Gegenstand der Steuer die entgeltliche Abgabe alkoholhaltiger Getränke mit Ausnahme des Apfelweins durch Unternehmer zum unmittelbaren Verzehr vor. § 2 Abs. 3 GetrStS definiert als Abgabe zum unmittelbaren Verzehr jede Abgabe zum Verzehr an Ort und Stelle. Die Steuer beträgt gemäß § 4 Satz 1 GetrStS zehn von hundert des Verkaufspreises des Getränks ausschließlich der Getränkesteuer.

Art. 3 Abs. 2 RL 92/12/EWG über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchssteuerpflichtiger Waren, wonach auf die in Abs. 1 genannten Waren indirekte Steuern, die keine Verbrauchssteuern sind, erhoben werden dürfen, steht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 9. März 2000 - C-437/97 -, EuGHE I 2000, 1157 = NVwZ-RR 2000, 705) der Einführung oder Beibehaltung einer nach dem Recht eines Mitgliedsstaats auf die entgeltliche Lieferung von alkoholhaltigen Getränken erhobenen Steuer entgegen, die keine anderen als reine Haushaltszwecke verfolgt und strukturell weder dem für Verbrauchssteuern auf alkoholische Getränke geltenden Steuerrecht - etwa wenn sie aufgrund des Wertes der Ware, nicht aufgrund von deren Gewicht, Menge oder Alkoholgehalt festgelegt wird -, noch den Grundsätzen der Mehrwertsteuer in Bezug auf die Berechnung und die Steuerentstehung entspricht, entgegen. Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 RL 92/12/EWG ist es den Mitgliedsstaaten "unter der gleichen Voraussetzung" freigestellt, Steuern auf Dienstleistungen auch im Zusammenhang mit verbrauchssteuerpflichtigen Waren zu erheben, sofern es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt. Anders als im oben zitierten, vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall der Gemeindegetränkesteuer in Österreich wird die Steuer der Beklagten nicht auf die entgeltliche Lieferung, sondern auf die Abgabe der Getränke zum unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle erhoben. Die Beklagte beruft sich darauf, es handele sich deshalb um eine nach Art. 3 Abs. 2 Satz 3 RL 92/12/EWG zulässige Steuer auf eine Dienstleistung, da die Steuer auf die Getränkeabgabe zum Verzehr an Ort und Stelle, also in Gaststätten erhoben werde. Das Merkmal "zum unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle" dient jedoch eigentlich zur Erfüllung des nach nationalem Recht (Art. 105 Abs. 2a GG) erforderlichen örtlichen Bezugs einer kommunalen Verbrauchssteuer, wie oben erläutert worden ist. Der Senat neigt - auch angesichts der Tatsachen, dass die Steuer nach ihrem Tatbestand auch bei Abgabe der Getränke in Selbstbedienungsrestaurants oder in Trinkhallen oder Ähnlichem anfällt, wo es an einer besonderen Dienstleistung fehlt, und dass die Steuer auch auf den Eigenverbrauch des Steuerschuldners erhoben wird (§ 2 Abs. 2, § 5 Abs. 2 GetrStG) - dazu, hier eine Steuer auf eine verbrauchssteuerpflichtige Ware im Sinne von Art. 3 Abs. 1 und 2 RL 92/12/EWG anzunehmen. In diesem Fall dürfte die Erhebung der Steuer mangels des Vorliegens einer "besonderen Zielsetzung" - andere als Haushaltszwecke sind nicht ersichtlich - unzulässig sein. Der Europäische Gerichtshof hat allerdings in seinem Urteil vom 2. Mai 1996 (- C-231/94 -, EuGHE I 1996, 2395) zur Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern - gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage - entschieden, dass Restaurationsumsätze, die in der Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr bestehen, keine Lieferungen von Gegenständen im Sinne von Art. 5 der Sechsten RL 77/388/EWG darstellen, sondern als Dienstleistungen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie anzusehen sind, da solche Umsätze durch eine Reihe von Vorgängen gekennzeichnet sind, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei weitem überwiegen. Überträgt man diese Abgrenzung auch auf Art. 3 RL 92/12/EWG, könnte im vorliegenden Fall von einer Steuer auf eine Dienstleistung im Zusammenhang mit einer verbrauchssteuerpflichtigen Ware des Abs. 1 auszugehen sein, die unter der Voraussetzung des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 RL 92/12/EWG zulässig ist.

Zur Frage 2.:

Wird festgestellt, dass es sich bei der Getränkesteuer der Beklagten um eine Steuer auf eine Dienstleistung im Zusammenhang mit verbrauchssteuerpflichtigen Waren gehandelt hat, schließt sich die Frage an, unter welcher Voraussetzung oder welchen Voraussetzungen diese erhoben werden kann. Art. 3 Abs. 3 Satz 3 RL 92/12/EWG verwendet insofern die Formulierung "unter der gleichen Voraussetzung ...". Auf die Klärung des Inhalts dieser Verweisung bei Steuern auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit verbrauchssteuerpflichtigen Waren im Sinne des Art. 3 Abs. 1 RL 92/12/EWG bezieht sich die zweite Frage.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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