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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 03.05.2000
Aktenzeichen: 5 UE 4657/96.A
Rechtsgebiete: GG, AuslG


Vorschriften:

GG Art. 16A
AuslG § 51
AuslG § 53
1. Tamilen droht heute und in naher Zukunft in keinem Landesteil Sri Lankas mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit eine gruppengerichtete politische Verfolgung.

2. Unabhängig davon steht aus Deutschland zurückkehrenden Tamilen im Großraum Colombo grundsätzlich eine inländische Fluchtalternative offen (so auch ständige Rechtsprechung des 10. Senats des Hess. VGH).


Tatbestand:

Der am 11. April 1970 in Point Pedro (Jaffna-District) geborene Kläger ist srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 14. Juni 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 6. Juli 1992 stellte er einen Asylantrag.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) hörte den Kläger am 27. Januar 1994 zu seinen Asylgründen an. Er gab dabei an, in Puttur/Jaffna aufgewachsen zu sein. 1989 habe er die Schule ohne Abschluss der 12. Klasse verlassen. Bis 10 Tage vor seiner Ausreise habe er sich in Puttur/Jaffna aufgehalten. Im Jahr 1989 sei er von "englischen" Soldaten für fünf Tage mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der LTTE in einem Armeelager inhaftiert worden. Während der Haft sei er von den Soldaten geschlagen und verhört worden. Er sei dann freigelassen worden mit der Auflage, sich jeden Tag zu melden. Im Jahr 1989 sei er von der ENDLF ebenfalls zur Zusammenarbeit aufgefordert und zwei Tage lang festgehalten worden. Nachdem im Jahr 1990 die LTTE die Kontrolle über die Jaffna-Halbinsel übernommen hatte, sei er von dieser der Zusammenarbeit mit den Indern bzw. der ENDLF verdächtigt worden. Er sei ständig von der LTTE mitgenommen worden und habe etwa 15-mal für diese Schützengräben in der Nähe von Armeelagern ausheben müssen. Aus Angst sei er dann im März 1992 von der Jaffna-Halbinsel nach Colombo geflüchtet. Dort sei er während seines 10-tägigen Aufenthalts einmal von der Polizei verhaftet und vier Tage lang inhaftiert worden, weil er aus Jaffna gekommen sei. Bei den Verhören sei er geschlagen und mit dem Tode bedroht worden, falls er nicht die Wahrheit sagen würde. Ein Onkel, der in Colombo lebte, habe ihn mit einem Bestechungsgeld in Höhe von 15.000 Rupien ausgelöst. Er sei weder Mitglied einer politischen Organisation, noch einer Partei. Am 7. April 1992 sei er nach Singapur geflogen, am 13. April 1992 mit dem Bus nach Malaysia gefahren und von dort am 17. April 1992 nach Moskau geflogen. Nach etwa zweimonatigem Aufenthalt sei er am 5. Juni 1992 mit dem Zug nach Prag und am 14. Juni 1992 weiter nach Deutschland gereist. Er habe einen eigenen Reisepass dabeigehabt, den ihm aber der Schlepper in Prag abgenommen habe. Sein Onkel habe die Reise gezahlt. Probleme beim Verlassen Sri Lankas habe er nicht gehabt. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er, als Tamile im Süden von der Regierung verdächtigt zu werden, mit der LTTE zusammenzuarbeiten. Im Norden würde ihn die LTTE verdächtigen, mit anderen Organisationen zusammenzuarbeiten.

Mit Bescheid vom 9. Februar 1994 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab, verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG und forderte den Kläger unter Abschiebungsandrohung auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 23. Februar 1994 Klage bei dem Verwaltungsgericht Gießen erhoben.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. Februar 1994 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen,

hilfsweise festzustellen, dass der Abschiebung Hindernisse nach § 53 AuslG entgegenstehen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nachdem die Beteiligten einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt hatten, hat das Verwaltungsgericht Gießen mit Urteil vom 23. August 1995 den Bescheid des Bundesamtes vom 9. Februar 1994 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass der Kläger im Zeitpunkt der Ausreise aus Sri Lanka am 7. April 1992 unmittelbar von politischer Verfolgung bedroht gewesen sei. Tamilen seien mindestens seit Mitte 1990 auf der Jaffna-Halbinsel und in weiteren Teilen des Nordens und Ostens Sri Lankas einer Gruppenverfolgung ausgesetzt gewesen. Männlichen und weiblichen Tamilen im wehrdienstfähigen Alter von 16 bis 40 Jahren, zu denen der Kläger rechne, stehe mindestens seit Mitte 1990 auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Auch zum Zeitpunkt der Entscheidung bestünden die fluchtbegründenden Umstände ohne wesentliche Änderung fort, so dass für den Fall der Rückkehr keine hinreichende Sicherheit vor politischer Verfolgung gegeben sei.

Gegen das am 29. August 1995 dem Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten zugestellte Urteil hat er am 7. September 1995 bei dem Verwaltungsgericht Gießen die Zulassung der Berufung wegen Divergenz beantragt.

Seine vom damals für Sri Lanka ausschließlich zuständigen 10. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluss vom 18. November 1996 zugelassene Berufung hat der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten nicht weiter begründet.

Der Bundesbeauftragte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom 23. August 1995 die Klage abzuweisen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die Berufung bereits unzulässig sei, weil sie nach ihrer Zulassung nicht begründet worden sei.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Sie ist der Meinung, dass entgegen der Ansicht des Klägers die Berufung zulässig sei, da mit dem Zulassungsantrag ein Antrag gestellt und dieser auch begründet worden sei. Zum Zeitpunkt des Zulassungsbeschlusses am 18. November 1996 habe im Übrigen § 124 VwGO a. F. gegolten. Danach sei die Begründungspflicht lediglich als Soll-Vorschrift ausgestaltet gewesen. Eine schriftliche Begründung sei somit nicht zwingend vorgeschrieben gewesen.

Auch der Bundesbeauftragte vertritt die Ansicht, dass die mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) vom 1. November 1996 in die Verwaltungsgerichtsordnung eingefügte Bestimmung des § 124 a Abs. 3 VwGO im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Nach der Überleitungsvorschrift des Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 der 6. VwGOÄndG richte sich die Zulässigkeit der Berufung nach dem bisherigen Recht, wenn in Verfahren ohne mündliche Verhandlung die Geschäftsstelle die anzufechtende Entscheidung vor dem 1. Januar 1997 zum Zwecke der Zustellung an die Parteien herausgegeben habe.

Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Bundesamtes sowie der den Beteiligten mitgeteilten Erkenntnisquellen, die beigezogen und Gegenstand der Beratung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe :

Die Berufung des Bundesbeauftragten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), ist vom 10. Senat mit Beschluss vom 18. November 1996 (10 UZ 3235/95) zugelassen worden und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere musste die Berufung nicht nach § 124 a Abs. 3 VwGO, der mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996 - 6. VwGOÄndG - in die Verwaltungsgerichtsordnung eingefügt worden ist, begründet werden. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 6. VwGOÄndG sind in Verfahren ohne mündliche Verhandlung die Zulässigkeitsregelungen des § 124a VwGO nicht auf Fälle anwendbar, in denen vor dem 1. Januar 1997 die Geschäftsstelle zum Zwecke der Zustellung die anzufechtende Entscheidung an die Parteien herausgegeben hat. Die Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts Gießen hat unter dem 23. August 1995 die Zustellung des Urteils vom selben Tag verfügt, so dass sich die Zulässigkeit der Berufung nach bisherigem Recht richtet. Nach § 124 Abs. 3 Satz 2 VwGO a. F. war die Begründungspflicht aber lediglich als Soll-Vorschrift ausgestaltet (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.06.1998 - 9 C 6.98 -, BVerwGE 107, 117 = NVwZ 1998, 1311). Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten ist auch berechtigt, den Antrag auf Zulassung der Berufung zu stellen, obwohl er sich am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt hat. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung in dem Beschluss des 10. Senats auf Zulassung der Berufung vom 18. November 1996 (10 UZ 3235/95) Bezug genommen.

Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage bezüglich des Hauptantrags zu Unrecht stattgegeben. Die Ablehnung des Asylbegehrens des Klägers durch das Bundesamt im Bescheid vom 9. Februar 1994 erweist sich nach der im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. AsylVfG) als rechtmäßig.

Die Asylanerkennung des Klägers ist allerdings nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil er über Moskau nach Deutschland eingereist ist. § 27 Abs. 1 AsylVfG ist nicht anwendbar, da Moskau nur Zwischenstation auf dem Wege nach Deutschland war. Ebenfalls kommt § 26a AsylVfG nicht zur Anwendung, denn diese Vorschrift gilt nicht für Asylbewerber, die, wie der Kläger, vor dem 1. Juli 1993 einen Asylantrag gestellt haben (§ 87a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG liegen nicht vor (A). Weiterhin steht dem Kläger der in erster Instanz hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 AuslG, über den infolge der Abweisung der Klage mit den Hauptanträgen in der Berufungsinstanz zu entscheiden ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.04.1997 - 9 C 19.96 -, BVerwGE 104, 260 und vom 28.04.1998 - 9 C 2.98 -), nicht zu (B). Daraus ergeben sich die Nebenentscheidungen (C).

A

I.

Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne des nach Wortlaut und Inhalt mit dem früheren Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG übereinstimmenden Art. 16 a Abs. 1 GG genießt, wer bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat (BVerfG, Beschluss vom 02.07.1980 - BvR 147/80 u. a. -, BVerfGE 54, 341). Unter "politischer Verfolgung" ist in Anlehnung an die Flüchtlingsdefinition des Art. 1 A Nr. 2 Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - ein Vorgehen zu verstehen, das im weitesten Sinne dem Machterwerb oder -erhalt bzw. der Entscheidungsfindung oder -durchsetzung in einem Gemeinwesen dienen soll und das bei dem Zufluchtsuchenden aufgrund seiner Rasse, Ethnie, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Überzeugung zu einer Gefährdung für Leib und Leben oder einer Beschränkung der persönlichen Freiheit führt (BVerfG, Beschluss vom 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u. a. -, BVerfGE 76, 143 ; BVerwG, Urteil vom 17.05.1983 - 9 C 874.82 -, BVerwGE 67, 195; BVerwG, Urteil vom 26.06.1984 - 9 C 185.83 -, BVerwGE 69, 320). Eine Verfolgung ist dann politisch, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylrelevante Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Diese spezifische Zielrichtung ist anhand des inhaltlichen Charakters der Verfolgung nach deren erkennbarem Zweck und nicht nach den subjektiven Motiven des Verfolgenden zu ermitteln (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/96 u. a. -, BVerfGE 80, 315). Werden nicht Leib, Leben oder physische Freiheit gefährdet, sondern andere Grundfreiheiten wie etwa die Religionsausübung oder die berufliche und wirtschaftliche Betätigung, so sind allerdings nur solche Beeinträchtigungen asylrelevant, die nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bevölkerung des Herkunftsstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen hat (BVerfG, Beschlüsse vom 02.07.1980 und vom 01.07.1987, a. a. O., BVerwG, Urteil vom 18.02.1986 - 9 C 16.85 -, BVerwGE 74, 31). Soweit der Asylbewerber in dem Herkunftsstaat noch keinen asylrechtlich relevanten Repressionen ausgesetzt war, die ihn zur Flucht veranlassten, hat er nur dann einen Asylanspruch, wenn ihm nach Rückkehr in seinen Herkunftsstaat aufgrund eines asylrechtlich erheblichen Nachfluchttatbestandes politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, Beschluss vom 26.11.1996 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 = EZAR 200 Nr. 18 = NVwZ 1987, 311; BVerwG, Urteil vom 20.11.1990 - 9 C 74.90 -, BVerwGE 87, 152 = NVwZ 1991, 382 = EZAR 201 Nr. 22). Insoweit ist eine Prognose darüber anzustellen, ob dem Betroffenen bei verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung droht, wobei die insoweit erforderliche Zukunftsprognose auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abgestellt und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein muss (BVerwG, Urteil vom 03.12.1985 - 9 C 22.85 -, NVwZ 1986, 760 m. w. N.). Beachtlich ist die Wahrscheinlichkeit dann, wenn bei zusammenfassender Bewertung des Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deswegen gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993 - 9 C 45.92 -, DVBl. 1994, 524). Für diejenigen Asylbewerber, die schon in ihrem Herkunftsstaat politisch verfolgt wurden, gilt ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab. In diesem Fall kann dem Asylbewerber eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (BVerfG, Beschluss vom 02.07.1980, a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 25.09.1984 - 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169 = EZAR 200 Nr. 12 m. w. N.). Nach diesem Maßstab wird nicht verlangt, dass die Gefahr erneuter Übergriffe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist - über die theoretische Möglichkeit, Opfer eines Übergriffs zu werden, hinaus - erforderlich, dass objektive Anhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als durchaus "reale" Möglichkeit erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 08.09.1992 - 9 C 62.91 -, NVwZ 1993, 191).

Der Asylbewerber ist aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht gehalten, von sich aus umfassend die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse substantiiert und in sich schlüssig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen, so dass sein Vortrag insgesamt geeignet ist, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, Urteile vom 08.05.1984 - 9 C 141.83 -, NVwZ 1985, 36 = EZAR 630 Nr. 13, vom 12.11.1985 - 9 C 27.85 -, EZAR 630 Nr. 23 = InfAuslR 1986, 79 und vom 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25), und insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen festzustellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 22.03.1983 - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 Nr. 44 zu § 28 AuslG und vom 18.10.1983 - 9 C 473.82 -, EZAR 630 Nr. 8). Hinsichtlich der allgemeinen politischen Verhältnisse im Herkunftsstaat reicht es für die Mitwirkungspflicht aus, wenn der Asylbewerber Tatsachen vorträgt, aus denen sich - ihre Wahrheit unterstellt - die nicht entfernt liegende Möglichkeit ergibt, dass ihm bei Rückkehr politische Verfolgung droht (BVerwG, Urteil vom 23.11.1982 - 9 C 74.81 -, BVerwGE 66, 237 = EZAR 630 Nr. 1).

Da der Anspruch auf Asyl ein Individualgrundrecht und der Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG ebenfalls personenbezogen ist, setzen beide eine eigene Verfolgungsbetroffenheit voraus. Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann sich aber auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn Dritte wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das der Asylbewerber mit ihnen teilt. Zudem muss er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befinden und deshalb seine bisherige Verschonung als eher zufällig anzusehen sein (BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991, a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200). Zu einer in diesem Sinne verfolgungsbetroffenen Gruppe gehören alle Personen, die der Verfolger für seine Verfolgungsmaßnahmen in den Blick nimmt. Dies können entweder sämtliche Träger eines zur Verfolgung Anlass gebenden Merkmals - etwa einer bestimmten Ethnie oder Religion - sein oder nur diejenigen von ihnen, die zusätzlich (mindestens) ein weiteres Kriterium erfüllen, beispielsweise in einem bestimmten Gebiet leben oder ein bestimmtes Lebensalter aufweisen. In diesen Fällen handelt es sich um eine örtlich, sachlich oder persönlich begrenzte Gruppenverfolgung (BVerwG, Urteile vom 20.06.1995 - 9 C 294.94 -, NVwZ-RR 1996, 57, vom 30.04.1996 - 9 C 171.95 -, BVerwGE 101, 134 und vom 09.09.1997 - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 204 = DVBl. 1998, 274). Bei einer regionalen Verfolgung verfolgt ein "mehrgesichtiger" Staat aus Gründen der politischen Opportunität Personen einer bestimmten Gruppe nicht landesweit, sondern z. B. nur in einem akut umkämpften Bürgerkriegsgebiet. Dabei bleibt aber ein mitbetroffenes Gruppenmitglied, das in einer anderen Region lebt, potentiell gefährdet, da die regional begrenzte Verfolgung jederzeit in eine landesweite umschlagen kann. Soweit eine regionale Gefahr als objektiver Nachfluchtgrund auftritt, ist zu prüfen, ob dem Asylbewerber eine Rückkehr in den anderen Landesteil zumutbar ist. Dort muss eine Verfolgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein (BVerwG, Urteil vom 30.04.1996 - 9 C 171.95 -, a. a. O.). Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt eine Verfolgungsdichte voraus, die in quantitativer Hinsicht die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen aufweist, dass ohne weiteres von einer aktuellen Gefahr jedes Gruppenmitglieds gesprochen werden kann (BVerfG, Beschluss vom 02.07.1980, a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 05.07.1994, a. a. O.). Die notwendige Verfolgungsdichte liegt immer dann vor, wenn die Übergriffe im Verfolgungszeitraum und -gebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und in quantitativer und qualitativer Hinsicht so um sich greifen, dass für jedes Gruppenmitglied nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, Urteile vom 15.05.1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139 und vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200). Eine unmittelbare staatliche Gruppenverfolgung kann schon dann angenommen werden, wenn alternativ zur " Verfolgungsdichte" hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm bestehen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht. Ein solches "Verfolgungsprogramm" kann etwa dann vorliegen, wenn festgestellt werden kann, dass der Heimatstaat ethnische oder religiöse Minderheiten physisch vernichten, ausrotten oder aus seinem Staatsgebiet vertreiben will (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.08.1996 - 9 C 172.95 -, BVerwGE 101, 328 = NVwZ 1997, 194). Die Verfolgung muss von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgehen, der der Verletzte unterworfen ist. Verfolgungshandlungen Dritter sind dem Herkunftsstaat nur zuzurechnen, wenn er Einzelne oder Gruppen zu Verfolgungsmaßnahmen anregt oder derartige Handlungen unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und damit den Betroffenen den erforderlichen Schutz versagt (BVerfG, Beschlüsse vom 02.07.1980 und vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 06.03.1990 - 9 C 14.89 -, BVerwGE 85, 12 und vom 23.07.1991 - 9 C 154.90 -, BVerwGE 88, 369). Eine derartige mittelbare Verfolgung ist dem Staat aber dann nicht zuzurechnen, wenn er gegen solche Übergriffe im Großen und Ganzen erfolgreich vorgeht, selbst wenn ihm eine lückenlose Verhinderung und Ahndung aller in seinem Machtbereich auftretenden Vorfälle misslingt und die Betroffenen vor Diskriminierung und Straftaten auch künftig nicht völlig sicher sein können (BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u. a. -, BVerfGE 83, 216). Bei vereinzelten Exzesstaten von Amtswaltern ist festzustellen, ob diese dem Staat ausnahmsweise zurechenbar sind, z. B. weil die Regierung gegen diese weder disziplinarisch noch strafrechtlich vorgeht (BVerfG, Beschlüsse vom 10.07.1989,a. a. O. und vom 11.05.1993 - 2 BvR 1989/92 u. a. -, InfAuslR 1993, 310).

Die staatliche Herrschaftssicherung im Rahmen eines Bürgerkriegs stellt nicht schon für sich allein politische Verfolgung dar. Voraussetzung für eine von dem Staat ausgehende oder ihm zurechenbare Verfolgung ist die effektive Gebietsgewalt des Staates im Sinne wirksamer hoheitlicher Überlegenheit. Daran kann es sowohl beim offenen Bürgerkrieg als auch beim Guerilla-Bürgerkrieg fehlen. Dies ist dann der Fall, wenn der Staat in dem umkämpften Gebiet faktisch nur noch die Rolle einer militärisch kämpfenden Bürgerkriegspartei einnimmt und als übergreifende effektive Ordnungsmacht nicht mehr besteht. Maßnahmen, die typisch militärisches Gepräge aufweisen, also nicht von Justiz oder Polizei außerhalb der Bürgerkriegsgebiete oder unabhängig von den Kampfhandlungen ergehen, sondern der Bekämpfung des Bürgerkriegsgegners zur Rückeroberung des Gebietes dienen, sind in der Regel keine politische Verfolgung (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989, a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 20.11.1990 - 9 C 75.90 -, Buchholz 402.25, AsylVfG § 1 Nr. 138 und Beschluss vom 10.06.1992 - 9 B 176.91 -). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die staatlichen Kräfte den Kampf in einer Weise führen, die auf die physische Vernichtung von auf der Gegenseite stehenden oder ihr zugerechneten Personen gerichtet ist, obwohl diese keinen Widerstand mehr leisten wollen oder können oder als Zivilisten an dem militärischen Geschehen nicht oder nicht mehr beteiligt sind. Ein systematisch als Mittel der Kriegsführung eingesetzter Gegenterror der staatlichen Sicherheitskräfte kann auch bei Fehlen einer effektiven Gebietsgewalt politische Verfolgung sein (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989, a. a. O.; BVerwG, Beschluss vom 10.06.1992 - 9 B 176.91 -).

Ergibt die rückschauende Betrachtung eine lediglich regionale Verfolgungsgefahr am letzten Wohn- und Aufenthaltsort des Asylbewerbers vor seiner Ausreise aus dem Heimatstaat, der nicht identisch mit dem Ort zu sein braucht, aus dem er stammt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.02.1993 - 9 C 31.42 -, EZAR 203 Nr. 7), so bedarf es der weiteren Feststellung, dass der Asylbewerber dadurch landesweit in einer ausweglosen Lage war. Dies ist der Fall, wenn er in den anderen Landesteilen vor politischer Verfolgung nicht hinreichend sicher war oder mit dem Ausweichen dorthin aus anderen als asylerheblichen Gründen in eine ausweglose Lage zu geraten drohte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989, a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 30.04.1996, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 188). Soweit dem Asylbewerber innerhalb des Herkunftsstaates eine Fluchtalternative zur Verfügung steht, kann ihm unter bestimmten Umständen zugemutet werden, in die verfolgungsfreien Teile des Herkunftsstaates zurückzukehren. Eine inländische Fluchtalternative setzt voraus, dass der Asylbewerber in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist (BVerwG, Beschluss vom 10.07.1989, a. a. O.). Für die Verneinung einer zumutbaren Fluchtalternative genügt nicht jede (noch so geringe) Möglichkeit des abermaligen Verfolgungseintritts; auch muss die Gefahr erneuter Übergriffe nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden (BVerwG, Urteil vom 01.10.1985 - 9 C 20.85 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 37). Leitet der Asylsuchende seine Betroffenheit aus einer ihm drohenden Gruppenverfolgung ab, so kann die "reale" Möglichkeit neuerlicher Nachstellungen durch den Verfolgerstaat am Ort einer inländischen Fluchtalternative nur dann bejaht werden, wenn sich die mangelnde Sicherheit aus dem festgestellten Schicksal ableiten lässt. Dabei ist nicht allein auf die Zahl der Beispielsfälle von Übergriffen abzustellen, sondern die Größe der betroffenen Bevölkerungsgruppe zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 30.04.1996 - 9 C 170.95 -, BVerwGE 101, 123). Am Ort der inländischen Fluchtalternative dürfen dem Asylbewerber auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existenzielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989, a. a. O.). Zu diesen existenziellen Gefährdungen kann vor allem die nicht mögliche Wahrung eines religiösen und wirtschaftlichen Existenzminimums gehören (BVerwG, Urteile vom 15.05.1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139 und vom 31.03.1992 - 9 C 40.91 -, DVBl. 1992, 1541). Für das erforderliche Existenzminimum reicht es aus, wenn dem Flüchtling in dem anderen Landesteil auf Dauer ein Leben ermöglicht wird, das nicht zu Hunger, Elend und schließlich zum Tode führt, und das zum Leben unerlässlich Notwendige sichergestellt ist (BVerwG, Urteile vom 16.06.1988 - 9 C 1.88 -, InfAuslR 1989, 107, vom 05.09.1989 - 9 B 330.89 -, InfAuslR 1989, 354 und vom 31.03.1992 - 9 C 40/91 -, NVwZ-RR 1992, 584). Trotz der grundsätzlich gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise können auch individuelle Umstände Berücksichtigung finden. So kann eine inländische Fluchtalternative beispielsweise zu verneinen sein, wenn für den Verfolgten dort wegen in seiner Person liegender Merkmale wie etwa Behinderung oder hohes Alter das wirtschaftliche Existenzminimum nicht gewährleistet ist. Sie kann auch dann zu verneinen sein, wenn der Flüchtling am Ort der Fluchtalternative keine Verwandten oder Freunde hat, bei denen er Obdach oder Unterstützung finden könnte, und ohne eine solche Unterstützung dort kein Leben über dem Existenzminimum möglich ist (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993 - 9 C 45.92 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166 m. w. N.). Dies bedeutet, dass eine zumutbare inländische Fluchtalternative grundsätzlich erst dann ausscheidet, wenn die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen am Ort der inländischen Fluchtalternative durch keine ihm zumutbare Beschäftigung oder auf sonstige Weise gewährleistet ist (BVerwG, Beschluss vom 18.07.1996 - 9 B 367.96 - m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 15.07.1997 - 9 C 2.97 -, EZAR 203 Nr. 10).

II.

Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger aufgrund seiner Angaben vor dem Bundesamt und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen (Stand: 31. März 2000) keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Diese Bewertung beruht zunächst auf einer Betrachtung der innenpolitischen Entwicklung und aktuellen Lage in Sri Lanka (1.). Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger vor seiner Ausreise individuell politisch verfolgt war oder dass ihm seinerzeit unmittelbar eine solche Verfolgung drohte (2.). Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Kläger bei seiner Ausreise im Jahre 1992 im Norden Sri Lankas eine gruppengerichtete politische Verfolgung allein wegen seiner tamilischen Volkszugehörigkeit drohte. Jedenfalls stand ihm bei seiner Ausreise im Jahre 1992 auch im Süden und Westen seines Herkunftsstaats, insbesondere im Großraum Colombo, eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung (3.). Dem unverfolgt ausgereisten Kläger droht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch bei der Rückkehr nach Sri Lanka heute und in naher Zukunft in keinem Landesteil eine staatliche oder dem Staat zurechenbare gruppengerichtete Verfolgung allein wegen seiner tamilischen Volkszugehörigkeit (4.). Auch aus individuellen Gründen droht dem Kläger bei der Rückkehr keine politische Verfolgung (5.). Jedenfalls steht dem Kläger nach seiner Rückkehr im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im Großraum Colombo auch eine inländische Fluchtalternative offen (6.).

1. Die ehemalige britische Kronkolonie Ceylon wurde 1948 unabhängig und gab sich 1972 den Namen Sri Lanka. Von den derzeit etwa 18 Millionen Einwohnern sind 74 % Singhalesen, 12 % Sri Lanka-Tamilen, 5,5 % so genannte Indien-(Plantagen-)Tamilen und 7 % Muslime. Die singhalesische Bevölkerung lebt hauptsächlich im Süden und Westen des Landes, während der Norden, insbesondere die Halbinsel Jaffna, überwiegend von Tamilen bewohnt wird. Die so genannten Indien-Tamilen leben vor allem im Zentralen Hochland um Kandy. Der Osten des Landes wird von Tamilen, Moslems und Singhalesen besiedelt. Im Großraum Colombo leben alle ethnischen Gruppen (AA, 06.04.1998, S. 3).

In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen Singhalesen und Tamilen, die ihre Ursache in den ethnischen, sozio-ökonomischen und religiösen Unterschieden hatten. Im Unterschied zu den Indien-Tamilen genossen die Ceylon-Tamilen wegen der in ihren Siedlungsgebieten besseren Ausbildungen eine gewisse Bevorzugung seitens der britischen Kolonialherren. Sie waren daher bei Erlangung der Unabhängigkeit Ceylons 1948 in leitenden Funktionen von Wirtschaft und Verwaltung gegenüber den Singhalesen überrepräsentiert (Südasien-Institut, 12.07.1982, S. 5).

Die nach Erlangung der Unabhängigkeit Ceylons 1948 in Kraft getretene Verfassung enthielt in Art. 29 ausdrücklich eine Gleichstellung aller Volksgruppen und Religionen sowie ein generelles Diskriminierungs- und Privilegierungsverbot (VG Wiesbaden, IuD-Stelle, 1983). Die nach der Unabhängigkeit erlassenen Staatsangehörigkeits- und Wahlgesetze sahen allerdings vor, dass nur derjenige als Staatsbürger - woran auch das Wahlrecht anknüpfte - registriert wurde, der seit 1936 ansässig war. Als Folge durfte die Mehrheit der Indien-Tamilen nicht wählen und wurde zu Staatenlosen (VG Wiesbaden, IuD-Stelle, 1983). Im Jahr 1956 wurde aufgrund der dritten Parlamentswahlen die liberal-konservative "United National Party" (UNP) von der ebenfalls mehrheitlich von Singhalesen beherrschten Partei "Sri Lanka Freedom Party" (SLFP) unter der Führung des neuen Ministerpräsidenten S. W. R. D. Bandaranaike abgelöst, deren politisches Handeln durch einen antitamilischen, singhalesisch-buddhistischen Nationalismus geprägt war. Die singhalesische Bevölkerungsmehrheit übernahm die führenden Positionen in Staat und Gesellschaft und setzte die singhalesische Sprache (Sinhala) als einzige Staats- und Unterrichtssprache durch. Mit einiger zeitlicher Verzögerung kam es 1958 zu sich ausweitenden Tamilen-Demonstrationen gegen dieses Gesetz, die im Mai 1958 zum ersten Tamilen-Pogrom des singhalesischen Mobs, dem etwa 500 Menschen zum Opfer fielen, führten (VG Wiesbaden, IuD-Stelle, 1983). Mit der "Tamil Language Act" vom Juli 1958 wurde daraufhin Tamil in den Nord- und Ostprovinzen als gleichrangige Unterrichts- und Behördensprache anerkannt. Durch den 1961 erlassenen "Language of the Courts Act" wurde jedoch die englische allein durch die singhalesische Sprache ersetzt. Erst nach dem Wahlsieg der UNP im März 1965 wurde im Rahmen von Koalitionsgesprächen mit der tamilischen "Federal Party" (FP) vereinbart, den "Language of the Courts Act" von 1961 dahingehend zu ergänzen, dass in der Nord- bzw. Ostprovinz auch Tamil als Amts- und Gerichtssprache zugelassen werden sollte (VG Wiesbaden, IuD-Stelle 1983).

Im Mai 1970 errang die SLFP nach Angriffen gegen die UNP wegen ihrer "tamilenfreundlichen" Sprachenpolitik einen erneuten Wahlsieg, der zur Bildung einer Koalitionsregierung unter Ministerpräsidentin Bandaranaike führte. Mit der am 22. Mai 1972 verabschiedeten neuen Verfassung wurde die damalige konstitutionelle Monarchie Ceylon zur Republik Sri Lanka erklärt (vgl. zum Folgenden VG Wiesbaden, IuD-Stelle, 1983). In den 70er Jahren verstärkten sich zunehmend tamilische Autonomiebestrebungen gegenüber der singhalesischen Vorherrschaft. 1976 bildete sich aus gemäßigteren Tamilen-Parteien die radikalere "Tamil United Liberation Front" (TULF), deren Ziel die Bildung eines souveränen Tamilenstaates "Eelam" auf dem Gebiet Sri Lankas war. Bei den Parlamentswahlen 1977 errang die TULF im Norden des Landes fast 70 % der Stimmen und wurde insgesamt stärkste Oppositionspartei. Noch im gleichen Jahr kam es ausgehend von Jaffna auf der ganzen Insel zu schweren Rassenunruhen mit Pogromen gegen Tamilen, die vorwiegend in den überwiegend von Singhalesen bewohnten Gebieten des Südens und Südwestens stattfanden. Die Unruhen forderten nach offiziellen Angaben 125 Tote, darunter 97 Tamilen, 4000 Personen wurden verhaftet. Im Verlauf der Unruhen kam es zu einer ersten Fluchtbewegung von Tamilen nach Norden, bei der etwa 40.000 Tamilen aus den umkämpften Gebieten in die Großstädte der Nordprovinz oder in Flüchtlingslager der Armee flohen.

Mit einer Verfassungsänderung vom Oktober 1977 wurde ein Präsidialsystem nach französischem Vorbild eingeführt. Das Amt des Präsidenten übernahm im Februar 1978 der bisherige Ministerpräsident Jayewardene, Ministerpräsident wurde Ranasinghe Premadasa (VG Wiesbaden, IuD-Stelle, 1983; Keller, Mai 1990; AA, 29.08.1990). Bereits die Regierung Jayewardene hatte eine Politik begrenzter Autonomiegewährung für die tamilischen Provinzen verfolgt und konnte hierfür teilweise auch die Kooperation der TULF gewinnen. Dennoch kam es immer wieder zu Zusammenstößen und Ausschreitungen singhalesischer und tamilischer Extremisten, wie der seit Mitte der 70er Jahre im Norden operierenden radikalen und militanten Tamilenorganisation "Liberation Tigers of Tamil Eelam" - LTTE - (Befreiungstiger von Tamil Eelam), die das Ziel eines souveränen Tamilen-Staates mit Terroranschlägen zu erreichen versuchten (VG Wiesbaden, IuD-Stelle, 1983; Keller, Mai 1990). Die LTTE, die 1972 von Velupillai Prabhakaran gegründet wurde, führt einen militärischen Kampf gegen die Regierung und versteht sich als einzig legitime Tamilenorganisation in Sri Lanka. So ist die LTTE verantwortlich für vorsätzliche Tötungen singhalesischer Zivilisten, für Massenhinrichtungen von Tamilen, die des "Verrats" verdächtigt werden, für brutale Foltermethoden und Misshandlungen von Gefangenen sowie für Entführungen (a. i., 01.06.1999). Zu nennen sind hier u. a. das Massaker an 42 singhalesischen Zivilisten in Kallawava und die Ermordung eines buddhistischen Priesters in Dimbulagalla am 26.05.1995, die Ermordung von 62 singhalesischen Zivilisten in insgesamt 7 Dörfern im Grenzbereich zu den Konfliktgebieten am 26.10.1995 sowie der Anschlag im Puttalam-Distrikt mit 14 singhalesischen Opfern am 11.06.1996 (AA, 06.04.1998, S. 5). Die LTTE schreckt auch nicht davor zurück, Mitglieder der konkurrierenden Tamilen-Organisationen zu töten. Zu den Getöteten gehören u. a. der Führer der PLOTE Una Nakeswaran und der Präsident der Tamilen-Partei TULF Amirthaligam (AA, 18.11.1998, S. 3). Für seine Hinrichtungsaktionen gegenüber Gegnern in der eigenen Organisation, bei tamilischen Parteien und der Regierung Sri Lanka bedient sich Prabhakaran seiner "Schwarzen Tiger", d. h. Selbstmordkommandos, die häufig auch aus Frauen bestehen (vgl. u. a. FR, 21.01.2000). Sie tragen im Amulett eine Zyankalikapsel, um einem Verrat unter Folter der Regierungstruppen entgehen zu können (AA, 21.07.1993). Für die im Süden und Westen des Landes ausgeführten Terroranschläge und Selbstmordattentate setzt die LTTE Tamilen beiderlei Geschlechts im Alter von 15 bis 40 Jahren ein (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 54 und 13.05.1996, S. 3). Die LTTE deckt ihren Nachwuchsbedarf für die Kampfgruppen auch durch Zwangsrekrutierung von Kindern (a. i., 01.09.1999; nach Wingler, 01.04.1999 Jungen und Mädchen ab 13 Jahren), darunter die vereinzelte Entführung ganzer Schulklassen (AA, 06.04.1998). Sie unterhält auch so genannte "Baby-Brigaden", die aus bis zu 15 Jahre alten, überwiegend weiblichen Kämpfern bestehen (Keller-Kirchhoff, 24.10.1995, S. 9). Die Taktik der LTTE in den von ihr beherrschten Gebieten gegenüber der singhalesischen und moslemischen Bevölkerung läuft auf den Versuch einer "ethnischen Säuberung" hinaus (AA, 06.04.1998, S. 5). Im Osten des Landes operiert eine Anzahl von LTTE-Gruppen im Dschungel und fügt den Regierungstruppen immer wieder durch gezielte Überfälle auf Kasernen und Patrouillen empfindliche Verluste zu. Nach erheblichen Verlusten der LTTE bei Kämpfen in der Vanni-Region haben Zwangsrekrutierungen in den unter LTTE-Kontrolle stehenden Gebieten um Batticaloa und Ampara zugenommen. Im Süden und Westen des Landes verfolgt die LTTE mit ihren Terrormaßnahmen nicht nur das Ziel einer politischen Erpressung der Regierung und der dortigen singhalesischen Bevölkerung, sondern wohl auch die Taktik, durch Anschläge singhalesische Pogrome gegen Tamilen zu provozieren, um die Regierung international in Verruf zu bringen (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 34). Neben der militärisch dominanten LTTE sind weitere bedeutende militante tamilische Gruppierungen in der Folgezeit entstanden, insbesondere die "Eelam People's Revolutionary Liberation Front" (EPRLF), die im Gebiet zwischen Trincomalee und Batticaloa aktiv ist, die "Eelam Revolutionary Organisation" (EROS), die "Tamil Eelam Liberation Organisation" (TELO) und die "People's Liberation Organisation of Tamil Eelam" (PLOTE) im Gebiet von Vavuniya und die "Eelam National Democratic Liberation Front" (ENDLF). "Exmilitante Gruppierungen" wie TELO und PLOTE sowie die "Eelam People's Democratic Party" (EPDP), die auf den der Jaffna-Halbinsel vorgelagerten Inseln operiert, arbeiten mit der Armee bzw. den Sicherheitsbehörden zusammen (AA, 06.04.1998, S. 4).

Mit dem am 19. Mai 1978 vom Parlament verabschiedeten "Proscribing of Liberation Tigers of Tamil Eelam and other Organizations Law" wurden die LTTE und andere Organisationen befristet für ein Jahr gesetzlich verboten. Zudem wurde die Strafprozessordnung durch die Einfügung besonderer Bestimmungen verschärft, nach denen eine einjährige Vorbeugehaft für Personen ermöglicht wurde, die im Verdacht standen, an Aktivitäten der betreffenden Organisationen teilgenommen oder diese unterstützt zu haben. Außerdem wurde die Versammlungs- und Meinungsäußerungsfreiheit eingeschränkt (VG Wiesbaden, IuD-Stelle, 1983). Am 7. September 1978 trat die dritte Verfassung in Kraft, mit der der Staat in "Demokratische Sozialistische Republik Sri Lanka" umbenannt wurde. Das Präsidialsystem - nunmehr mit Direktwahl des Präsidenten - wurde beibehalten. Singhalesisch blieb offizielle Amtssprache, daneben wurde jedoch Tamil als Nationalsprache anerkannt. Die neue Verfassung enthielt ausdrücklich ein Verbot aller Formen von Folter oder grausamer, unmenschlicher bzw. erniedrigender Behandlung oder Strafe, ließ aber daneben beträchtliche Grundrechtsbeschränkungen zu, wie etwa ein Abweichen von der Unschuldsvermutung und dem Rückwirkungsverbot von Strafgesetzen aus Gründen der nationalen Sicherheit (VG Wiesbaden, IuD-Stelle, 1983).

Wegen andauernder lokaler Unruhen zwischen Tamilen und Sicherheitskräften unter Beteiligung verbotener tamilischer Untergrundorganisationen wurde am 12. Juli 1979 der Ausnahmezustand über die Provinz Jaffna verhängt (VG Wiesbaden, IuD-Stelle, 1983). Im Zusammenhang mit den Unruhen und dem aufkommenden Terrorismus verabschiedete das Parlament am 20. Juli 1979 den "Prevention of Terrorism Act" (PTA). Das Gesetz trat zunächst auf drei Jahre befristet in Kraft. Es ermächtigte u. a. bestimmte Polizeibeamte, Verdächtige und Zeugen zu verhaften, zum Zwecke des Verhörs an jeden anderen Ort zu verbringen und bis zu 72 Stunden ohne richterlichen Haftbefehl festzuhalten. Auf Anordnung eines Ministers konnten Verdächtige wiederholt für jeweils drei Monate bis zu einer Gesamtdauer von 18 Monaten festgehalten werden, ohne dass hiergegen die Anrufung eines Richters zulässig war. Bei dieser so genannten "Incommunicato-Haft" wird über den Namen des Verhafteten, seinen Verbleib und die Haftgründe keine Auskunft erteilt (vgl. zu den weiteren Einzelheiten des PTA, BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 205/86 u. a. - BVerfGE 80, 315). Nach Erkenntnissen der TULF wurden im Distrikt Jaffna bis zum August 1979 auf der Grundlage des PTA 147 Personen festgenommen und gefoltert. Weitere Unruhen in der Provinz Jaffna im Mai 1981, in deren Verlauf zwei Polizisten erschossen wurden und es zu schweren Vergeltungsmaßnahmen durch zum Teil zivil gekleidete Polizisten kam, führten im März 1982 zu einer befristeten Neufassung des PTA, die insbesondere erweiterte Vollmachten für den Verteidigungsminister vorsah, der nunmehr die Inhaftierung eines mutmaßlichen Terroristen bis zu 18 Monaten ohne richterliche Anordnung und ohne Begründung der Untersuchungshaft veranlassen konnte (VG Wiesbaden, IuD-Stelle, 1983). Der PTA ist heute noch in Kraft und inzwischen durch die Bestimmungen der Notstandsregularien ("Emergency Regulations" - ER -) ergänzt.

Eine Kommission unter Leitung des Staatspräsidenten, der neben 15 Ministern auch Vertreter der TULF angehörten, erarbeitete im Laufe des Jahres 1982 eine Reihe von Vorschlägen zur Lösung der Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen. Dazu gehörte auch die Regelung der finanziellen Entschädigung der tamilischen Opfer der Ausschreitungen vom Mai/Juni 1981 (AA, 25.10.1982). Gleichwohl wuchsen die Spannungen weiter und eskalierten im Juli/August 1983 zum bislang größten Tamilen-Pogrom seit Erlangung der Unabhängigkeit. Nach im Februar 1984 veröffentlichten amtlichen Zahlen fielen den pogromartigen Ausschreitungen insgesamt 471 Menschen zum Opfer. Im Zuge der Auseinandersetzungen sei es zu rund 8000 Brandstiftungen und fast 4000 Plünderungen gekommen. 79.000 obdachlos gewordene Tamilen seien in 18 Notaufnahmelagern bei Colombo untergebracht worden, mehrere Tausend andere seien aus südlichen Landesteilen in den Jaffna-Distrikt verschickt worden. In der Zeit von Juli bis November 1983 sollen 24.000 Tamilen aus Sri Lanka nach Indien geflohen sein. Nach Erkenntnissen der TULF seien im Verlaufe der Unruhen sogar etwa 2.000 Tamilen getötet und 155 Tamilen obdachlos geworden (VG Wiesbaden, IuD-Stelle, 1983). Die nach dem Abflauen der Unruhen vom Parlament verabschiedete sechste Verfassungsänderung (zu den Einzelheiten vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, BVerfGE 80, 315) stellte den Einsatz für einen unabhängigen Staat unter Strafe und verlangte von allen Parlamentsabgeordneten einen Eid auf den Einheitsstaat. Die 14 Abgeordneten der TULF, die im Hinblick auf die separatistischen Ziele ihrer Partei diesen Eid verweigerten, verloren Ende 1983 ihre Mandate.

Insbesondere auf der Halbinsel Jaffna übernahm die LTTE ab etwa 1985 zunehmend die alleinige Herrschaft, baute in Ansätzen eine Zivilverwaltung auf und drängte die Kräfte der Zentralmacht in die Forts zurück. Spätestens 1986 lag jedenfalls die militärische Macht in weiten Teilen der Halbinsel Jaffna in der Hand der LTTE, die zunehmend versuchte, zivile Verwaltungsaufgaben, die bis dahin zum Teil noch von der Zentralregierung in Colombo wahrgenommen wurden, an sich zu ziehen (AA, 16.02.1987). Die LTTE bemühte sich, neben dem paramilitärischen Ordnungswesen eigenständig vor allem Steuerwesen, Rechtspflege und Verkehrswesen auf- und auszubauen und die Reste der alten staatlichen Zentralverwaltung zu beherrschen (AA, 15.03.1987).

Am 29. Juli 1987 vereinbarten die srilankische und die indische Regierung ein Abkommen zur Wiederherstellung von Frieden und Normalität in Sri Lanka (Südasien, 30.10.1987). Dieses Abkommen gestattete den Nord- und Ostprovinzen, eine Verwaltungseinheit zu bilden und Provinzparlamente und Provinzräte mit größeren autonomen Kompetenzen zu wählen. Zudem war eine Generalamnestie sämtlicher tamilischer Gefangener vorgesehen, die auf der Grundlage des PTA festgenommen worden waren, und außerdem die Abgabe der Waffen durch die tamilischen Untergrundkämpfer. Die Einhaltung des Abkommens wurde entsprechend dem Willen der Vertragsparteien durch die indischen Truppen überwacht ("Indian Peace Keeping Forces" - IPKF). Deren Truppenstärke stieg bis Mitte 1988 auf bis zu 100.000 Soldaten. Die indischen Truppen übten auf der Jaffna-Halbinsel in der Folgezeit faktisch die Gebietsgewalt des srilankischen Staates aus (AA, 20.04.1990). Nach dem vollständigen Abzug der indischen Truppen im März 1990 rückte die LTTE mit ihren Verbänden in das entstandene Machtvakuum nach und übernahm im größten Teil der Jaffna-Halbinsel und in weiten Teilen des Nordostens die "de-facto-Herrschaft" (vgl. zu dem Ganzen: Hess. VGH, Urteil vom 11.12.1995 - 12 UE 2151/95). Mit dem Abzug der indischen Truppen endete auch die Periode, in der die EPRLF und die ENDLF die Regierungsgeschäfte in der neu geschaffenen Nord-Ostprovinz ausgeübt hatten. Auf der Jaffna-Halbinsel erreichte die LTTE als Ordnungsmacht eine staatsähnliche Überlegenheit und später die fast alleinige umfassende Gebietsgewalt über etwa 90 % der Jaffna-Halbinsel (AA, 29.11.1990). In den wenigen von der LTTE nicht beherrschten Gebieten der Jaffna-Halbinsel vermochte der srilankische Staat nur noch Verwaltungsfunktionen vor allem im humanitären Bereich (Verteilung von Lebensmitteln) auszuüben. Im Übrigen war der Staat dort Kampfpartei ohne Ordnungsmachtfunktion. Unter dauernden Kämpfen blieb der Norden überwiegend in der Hand der LTTE (AA, 05.06.1993, 28.02.1994 und 25.08.1994).

Im Osten des Landes gelang es der LTTE dagegen nicht, die Gebietsgewalt zu übernehmen. Dort verübte sie guerillaartige Überfälle auf die Sicherheitskräfte sowie auf singhalesische und moslemische Siedlungen. Im Gegenzug kam es zu Massakern und Vergeltungsaktionen gegen tamilische Zivilisten insbesondere durch die Sicherheitskräfte sowie moslemische Heimwehren ("Home guards") und mit der Regierung kooperierende LTTE-feindliche militante Tamilenorganisationen (AA, 23.06.1992).

Ab Mai 1992 versuchten die staatlichen Streitkräfte durch weitreichende Militäraktionen, an denen Tausende von Soldaten teilnahmen, von der LTTE kontrollierte Gebiete der Jaffna-Halbinsel wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Dies gelang ihnen im Laufe des Sommers 1992 über die von ihnen schon beherrschten, oben genannten Gebiete, insbesondere über Marine- und Luftwaffenstützpunkte hinaus vor allem im Süden der Halbinsel um Iyakachchi und Mullivan. Der LTTE-Herrschaft entrissen wurden auch mehrere strategisch wichtige Gebiete wie Zugänge zur Halbinsel Jaffna, in denen die Regierung versuchte, wieder eine zivile Verwaltung aufzubauen (Keller-Kirchhoff, Oktober 1992). Insgesamt aber stand die Jaffna-Halbinsel auch 1992 nach wie vor ganz überwiegend unter Kontrolle der LTTE.

Im Süden und Westen des Landes, insbesondere im Großraum Colombo, blieb das alltägliche Leben vom Bürgerkrieg weitgehend unberührt (AA, 03.03.1994). Die äußere Lage war allerdings durch erhöhte Sicherheitskontrollen, Razzien und Verhaftungen der LTTE-Verdächtigen gekennzeichnet, da es immer wieder zu Terroranschlägen kam, die von der LTTE verübt oder ihr zumindest angelastet wurden. Zu den bekanntesten gehören die Ermordung des Verteidigungsministers Wijeratne am 02.03.1991, der Autobombenanschlag eines Selbstmordkommandos auf das Hauptquartier der Streitkräfte in Colombo am 21.06.1991, die Ermordung des Oppositionsführers Athulathmudali am 23.04.1993, die Ermordung des Staatspräsidenten Premadasa am 01.05.1993, die Bombenanschläge auf die Zentralbank in Colombo am 31.01.1996 mit über 80 getöteten Zivilisten und über 1.000 Verletzten (Keller-Kirchhoff, 20.03.1996), auf einen Pendlerzug in einem Vorort von Colombo am 25. Juli 1996 mit ca. 70 Toten und 3.000 Verletzten (AA, 30.08.1996, S. 3), auf das "World Trade Center" im Zentrum Colombos am 15.10.1997 mit 18 Toten und 100 Verletzten und auf den "Zahntempel" in Kandy, das wichtigste buddhistische Heiligtum in Sri Lanka, am 25.01.1998 mit 8 Toten und 100 Verletzten (AA, 06.04.1998). Am 5. März 1998 zündete ein Selbstmordkommando an einem belebten Bahnhof in Colombo die in einem Bus versteckte Bombe, wodurch mindestens 35 Menschen getötet und mehr als 250 verletzt wurden. Mitte 1998 kam es zur Ermordung der Bürgermeisterin von Jaffna und ihres Nachfolgers innerhalb weniger Monate. Seit dem Anschlag auf das Heiligtum in Kandy im Jahre 1998 ist die LTTE formell verboten. Seit der Ausweitung des Ausnahmezustandes auf das gesamte Land am 04.08.1998 gilt das Verbot landesweit. Die US-Regierung hat die LTTE mit Wirkung vom 08.10.1997 auf die Liste internationaler Terrororganisationen gesetzt.

Den Terroranschlägen durch die LTTE begegneten die Sicherheitskräfte insbesondere im Großraum Colombo mit routinemäßigen Kontrollen ("cordon and search operations") und groß angelegten Razzien nach LTTE-Verdächtigen ("round up's"), bei denen viele Tamilen - zum größten Teil kurzfristig - festgenommen und erkennungsdienstlichen Behandlungen ("screening actions") unterzogen wurden (AA, 21.07.1993 und 25.08.1994). Im ganzen Land kam es zu massiven Menschenrechtsverletzungen (Folterungen in der Haft, Entführungen, "Verschwindenlassen" bis hin zur Ermordung von Personen) durch Angehörige der Sicherheitskräfte (a.i., Januar 1993).

Einen Umschwung brachten die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Jahr 1994. Aus ihnen ist die seither amtierende Staatsführung mit Präsidentin Kumaratunga an der Spitze hervorgegangen. Die Regierung wird von einer Koalition ("People`s Alliance" - PA -) getragen, die aus der SLFP von Präsidentin Kumaratunga und anderen vorherigen Oppositionsparteien besteht. Bei Parlamentsentscheidungen ist die SLFP auf die Unterstützung der gemäßigten Tamilen-Partei TULF und der Moslempartei "Sri Lanka Muslim Congress" angewiesen (AA, 01.02.1995, S. 6). Präsidentin Kumaratunga hat seit 1994 entsprechend ihrem Wahlversprechen den Schutz der Menschenrechte zu einem Schwerpunkt ihrer Politik erklärt (AA, 12.10.1995, S. 2). Zunächst wurde der Notstand für die nicht unmittelbar vom Bürgerkrieg betroffenen Landesteile aufgehoben.

Im September 1994 wurde eine Kommission zur Untersuchung von Verhaftungen unter Notstandsrecht ("Committee to inquire into matters in relation to persons detained under the Prevention of Terrorism Act and the Emergency Regulation") eingesetzt, die im Januar 1995 die Empfehlung vorlegte, 181 der Inhaftierten freizulassen und die übrigen einem ordentlichen Strafverfahren zuzuführen (AA, 12.10.1995 und 17.03.1997). Die Kommissionsarbeit führte dazu, dass die meisten inhaftierten Tamilen, insbesondere in den Gefängnissen Magazin Prison Colombo sowie in Camps in Kalutara und Bandarawela freigelassen wurden (Keller-Kirchhoff, 20.02.1995).

Die schon im August 1991 von der Regierung Premadasa auf internationalen Druck eingerichtete "Human Rights Task Force" (HRTF) wurde wiederbelebt und am 7. Juni 1995 mit neuen Rechten ausgestattet. 1994 verfügte sie neben der Zentrale in Colombo landesweit über 9 Außenstellen (AA, 19.10.1994). Neben der Registrierung und Beobachtung von Verhaftungen hatte sie das Recht, Gefängnisse, Gefangenenlager, jede Polizeistation und jedes Armeelager, in denen Häftlinge festgehalten werden, zu besuchen und Beschwerden nachzugehen (AA, 19.10.1994 und 12.10.1995).

Am 14. September 1995 wurden die Bestimmungen über die Verhaftung von Personen nach dem Notstandsrecht ergänzt. Danach müssen Angehörige aller Behörden bzw. Sicherheitskräfte, die jemanden zu Verhörzwecken festhalten, die nächstgelegene Polizeistation innerhalb von 24 Stunden über die Tatsache der Verhaftung unterrichten. Schon bisher musste die HRTF innerhalb von vier Tagen informiert werden. Das Unterlassen der Meldung bei der Polizeistation konnte als Vergehen mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden (AA, 12.10.1995, S. 5).

Am 9. Juli 1996 nahm das Parlament einen Gesetzentwurf zur Errichtung einer "National Human Rights Commission" (NHCR) an, die u. a. die Funktion hat, Exekutiv- und Verwaltungspraktiken zu beobachten, bei Beschwerden Grundrechtsverletzungen zu untersuchen und bei Gesetzesvorhaben sowie der Formulierung von Verwaltungsvorschriften zu beraten. Die fünf Mitglieder (3 Singhalesen, 1 Tamile, 1 Moslem) der Kommission unter Vorsitz eines pensionierten Richters des obersten Gerichtshofs Sri Lankas, hat ihre Arbeit am 01.07.1997 aufgenommen (AA, 06.04.1998, S. 8 f.). Verhaftungen nach dem "Prevention of Terrorism Act" müssen der Kommission innerhalb von 48 Stunden gemeldet werden. Die vorsätzliche Unterlassung der Meldung ist strafbar (AA, 06.04.1998, S. 9). Die Kommission hat die Aufgabe, darüber zu wachen, dass die in den ER bzw. den PTA vorgesehenen Regelungen eingehalten werden (AA, 21.08.1997, S. 3). Sie kann Menschenrechtsverletzungen vor Gericht bringen und eine Bestrafung des Schuldigen empfehlen (UNHCR, 25.04.1997, S. 3). Die Kommission hat zwischenzeitlich unter Erweiterung ihrer Zuständigkeiten alle Funktionen und Unterlagen der Mitte 1997 aufgelösten HRTF übernommen (AA, 21.08.1997, S. 3 und 06.04.1998, S. 9). 1998 führte die Kommission ca. 1.500 Besuche in Polizeistationen und Haftanstalten durch.

Des Weiteren berief die Regierung drei - jeweils für eine bestimmte Region zuständige - Kommissionen ("Presidential Commission of Inquiry into Involuntary Removal and Disappearences"), die ihre Arbeit am 10. Januar 1995 aufnahmen. Aufgabe der Kommissionen ist die Aufklärung des Schicksals der zahlreichen "Verschwundenen-Fälle" unter der UNP-Regierung seit 1988. Auch soll sie die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen veranlassen (AA, 14.02.1995, S. 3 und 17.03.1997, S. 7). Nach dem Länderbericht von amnesty international vom 01.06.1999 wurden im Februar 1999 sechs Angehörige der Sicherheitskräfte und ein Schuldirektor schuldig gesprochen, Ende der 80er Jahre für das "Verschwinden" von 25 Menschen in Embilipitiya, darunter 24 Schüler und Schülerinnen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren verantwortlich zu sein. Sie wurden zu zehn Jahren Haft verurteilt. Die Kommissionen legten der Präsidentin im September 1997 die Abschlussberichte vor, die Beweise dafür enthalten sollen, dass in Sri Lanka seit dem 1. Januar 1988 16.742 Menschen dem "Verschwindenlassen" zum Opfer gefallen sind. Die Regierung erklärte, sie werde die Berichte veröffentlichen und die Fälle mit stichhaltigen Beweisen vor Gerichte bringen (a.i., November 1997, S. 12).Ferner hat die Regierung Maßnahmen zur Verhinderung von Polizeigewalt bei Verhören, insbesondere Folter, ergriffen. Die Regierung erteilte Befehle, auf Gewalt bei Verhören zu verzichten (AA, 14.02.1995, S. 3 und 17.03.1997, S. 8). Der oberste Gerichtshof hat in einer Reihe von Fällen Folteropfern eine Entschädigung zugesprochen. Diese wurde in der Vergangenheit regelmäßig durch den Staat bezahlt. Nunmehr soll der betreffende Polizist selbst für die Entschädigung aufkommen und disziplinarischen Maßnahmen unterliegen. Aufgrund der am 25. November 1994 erfolgten Umsetzung der Konvention gegen Folter in nationales Recht kann diese nunmehr mit einer Gefängnisstrafe nicht unter sieben bis zehn Jahren und Geldstrafe nicht unter 10.000 bis 50.000 Rupien bestraft werden (AA, 14.02.1995, S. 3).

Zudem reagierte die Regierung auf Vorwürfe inkorrekten Verhaltens von Polizisten anlässlich der Behandlung von unter Terrorismusverdacht festgenommenen Personen durch die Einsetzung des "President's Comittee on Unlawful Arrests and Harassments" ("Anti Harrassment Comittee" - AHC -). Durch das hochrangig besetzte Komitee, dem neben mehreren angesehenen Ministern auch führende Vertreter tamilischer Parteien und ein Parlamentarier einer moslemischen Partei angehört, sollen Fälle unrechtmäßiger Inhaftierungen und Schikanierungen durch Amtsträger untersucht werden (a. i., 01.06.1999). 1998 nahm der Ausschuss insgesamt 154 Beschwerden entgegen. In 47 Beschwerden wurden Folterungen und Misshandlungen, in weiteren zehn Verstöße gegen die von der Präsidentin erlassenen Richtlinien zum Schutz von Häftlingen geltend gemacht (a. i., 01.06.1999). Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (04.02.2000) wird landesweit von rund 300 Beschwerden pro Jahr über Fehlverhalten von Polizisten und Armeeangehörigen ausgegangen. Die Anzahl der Beschwerden hat seit Bestehen des Komitees stark abgenommen. Amnesty international kommt zu der Bewertung, dass die Kommission ihre Untersuchungen offenbar effektiv durchführt (a. i., 01.06.1999).

In der Armee wurden ebenfalls Maßnahmen zur Verhinderung von Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung ergriffen. So wurde bei der Rekrutierung als auch bei der Offiziersausbildung Menschenrechtsfragen in den Ausbildungskatalog aufgenommen (AA, 21.08.1997, S. 2). Auch wurde in der Armee damit begonnen, Angehörige, die Menschenrechte verletzten, zu bestrafen (AA, 21.08.1997, S. 2). Nach dem sprunghaften Anstieg von "Verschwundenenfällen" auf der Halbinsel Jaffna Mitte 1996 wurde von der Regierung Ende 1996/Anfang 1997 im Verteidigungsministerium ein Untersuchungsausschuss ("Bord of Investigation" - Bol -) errichtet, der die Fälle von Verschwinden nach Festnahme durch die srilankischen Sicherheitskräfte im Nordosten untersuchen soll (AA, 17.03.1997, S. 6; UNHCR, 25.04.1997; a.i., November 1997, S. 1; Keller-Kirchhoff, 22.02.1997, S. 7; Wingler, 10.02.1997, S. 26). Nach Angaben von amnesty international soll der Ausschuss 1997 von 760 Beschwerden 180 verfolgt haben (a.i., November 1997, S. 1).

Mitte 1995 wurden insgesamt 21 Personen von Angehörigen einer Sondereinheit der Polizei ("Special Task Force" - STF -) entführt und nach Verhören in deren Diensträumen ermordet. Die Leichen wurden zum Teil im südlichen von Colombo gelegenen "Bolgoda Lake" versenkt. Die Regierung hat nach Bekanntwerden der Vorfälle eine 150 Personen starke Sonderkommission eingesetzt und den Leiter der STF abgesetzt. Innerhalb einiger Wochen wurden 22 Verdächtige ermittelt und verhaftet (AA, 17.03.1997, S. 8). Im Übrigen vollzieht sich die Strafverfolgung von Übergriffen Militärangehöriger, Polizisten oder anderer Amtsträger grundsätzlich im Rahmen der normalen strafrechtlichen und strafprozessualen Bestimmungen, wie sie in Sri Lanka auch bei gewöhnlicher Kriminalität Anwendung finden (AA, 30.05.1997, S. 2). Die Justiz ist unabhängig und das strafprozessuale Verfahren beruht auf britischer Rechtstradition (AA, 17.03.1997, S. 2).

Die bereits 1994 aufgenommenen Friedensverhandlungen mit der LTTE führten zwar im Januar 1995 zu einem Waffenstillstand, der jedoch bereits im April 1995 von der LTTE gebrochen wurde (AA, 14.02.1995, S. 1; Wingler, 10.02.1995, S. 2). Bei der ersten Offensive "Leap Forward" im Juli 1995, dem ersten wesentlichen Vorstoß der srilankischen Armee auf der Jaffna-Halbinsel im Valikamam Sektor nach dem Abzug der IPKF (AA, 21.09.1999), sollen 205 Zivilisten getötet und 953 schwerverletzt worden sein (Keller-Kirchhof, 04.01.1996, S. 13). Die Regierung startete darauf im zweiten Halbjahr 1995 zwei militärische Großoffensiven ("Operation Handshake II" ab 12.10.1995 und "Operation Thunder Strike" ab 01.10.1995), um die im Norden des Landes gelegene Halbinsel Jaffna, die seit 1990 überwiegend unter der Herrschaft der LTTE stand, zurückzuerobern. Es kam zu zahlreichen Opfern der im Kampfgebiet lebenden Zivilbevölkerung. Soziale, kulturelle und religiöse Einrichtungen wurden beschädigt und zerstört (Keller-Kirchhof, 04.01.1996, S. 7, 10). Diese Militäroffensiven lösten die Flucht von Hunderttausenden von Flüchtlingen aus (Keller-Kirchhof, 04.01.1996, S. 6, 15; Wingler, 07.12.1995, S. 2). Die weitere Offensive "Riviresa I.", die am 17.10.1995 begann und im Dezember 1995 mit der Einnahme der Stadt Jaffna endete, forderte im Oktober 1995 zahlreiche Tote und Verwundete unter den Soldaten und LTTE-Kämpfern sowie unter der Zivilbevölkerung und führte ebenfalls zu einer großen Zahl von Flüchtlingen (Keller-Kirchhof, 04.01.1996, S. 14 f., 22). Die Regierung errichtete nördlich von Vavuniya Auffangflüchtlingslager und führte ein Passagierscheinsystem ein, um einen Zustrom der Flüchtlinge in südliche und westliche Teile des Landes zu verhindern (Wingler, 01.04.1997, S. 43).

Ungeachtet des Krieges im Norden legte die Regierung Anfang August 1995 Vorschläge zur Lösung des Volksgruppenkonflikts sowie zu einer Dezentralisierung der Macht vor ("Devolution of Power package", Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 24 ff.), deren Realisierung jedoch wegen der Mehrheitsverhältnisse im Parlament und wegen des Widerstands des buddhistischen Klerus schwierig ist. Präsidentin Kumaratunga versuchte trotz der Fortsetzung des Guerilla-Krieges seitens der LTTE in einer Doppelstrategie einerseits die LTTE durch militärische Niederlagen an den Verhandlungstisch zu zwingen ("Frieden durch Krieg") andererseits der tamilischen Minderheit durch Autonomieangebote entgegenzukommen. 1995 legte sie einen Friedensplan mit dem Vorschlag einer umfassenden Verfassungsreform vor, der u. a. die Abschaffung der Exekutiv-Präsidentschaft sowie eine weitreichende Übertragung von Zuständigkeiten von der Zentrale auf die Regionalprovinzen ("Devolution of Power") enthielt (AA, 17.03.1997, S. 1). Weiterhin sieht der Friedensplan einen föderativen Staat ("Union of Regions") mit einer weitgehenden Autonomie für die Nordostprovinz vor (Keller-Kirchhoff, 24.10.1995, S. 20 f.). Die größte Oppositionspartei "United National Party" und Teile des buddhistischen Klerus lehnten die vorgeschlagene Reform weitgehend ab, da sie die territoriale Integrität des Staates bedrohe (AA, 17.03.1997, S. 1 und 06.04.1998, S. 1; Keller-Kirchhoff, 07.10.1996, S. 3). Der LTTE war der Friedensplan dagegen nicht weitreichend genug.

Die Offensiven "Riviresa II. und III." führten im Mai 1996 zur Einnahme weiterer Gebiete der Jaffna-Halbinsel. Allerdings stand die Jaffna-Halbinsel noch nicht vollständig unter der Kontrolle der Armee, da es noch "unbereinigte Gebiete" gab, in denen die LTTE-Kämpfer agierten (Wingler, 01.04.1997, S. 45). Am 18. Juli 1996 eroberten die LTTE-Rebellen einen strategisch wichtigen Militärstützpunkt für den Seeweg von Trincomalee nach Jaffna bei Mullaitivu. Die srilankische Armee erlitt eine verheerende Niederlage und hatte über 1000 gefallene Soldaten zu beklagen (FAZ, 22.07.1996). Im September 1996 nahm die Armee Kilinochchi ein. Dadurch erhöhte sich die Zahl der Flüchtlinge auf insgesamt 478.000, woraus sich erhebliche Unterbringungs- und Versorgungsprobleme ergaben (Keller-Kirchhoff, 07.10.1996, S. 5; Wingler, September 1996, S. 4). Im Januar 1997 griff die LTTE größere Militärstützpunkte in Paranthan und am Elephant-Pass an. Bei den Kämpfen gab es auf beiden Seiten mehr als 200 Tote und Verletzte. Ungeachtet des Bürgerkrieges fanden am 29. Januar 1998 in den von der LTTE zurückeroberten Gebieten des Nordens Kommunalwahlen statt, an denen sich fünf tamilische Parteien beteiligten. Als Sieger ging die EPDP hervor. Am 4. August 1998 wurde der Ausnahmezustand auf das ganze Land ausgedehnt (Keller-Kirchhoff, 11.09.1998). Ende September 1998 fiel die Stadt Kilinochchi wieder an die LTTE, jedoch konnten die Regierungstruppen durch eine Offensive im März 1999 in der Vanni-Region 24 Dörfer erobern. Um die Dörfer der Vanni-Region ging es auch bei einer Offensive der Armee im Juni 1999. Mit ihrer Offensive "Unaufhaltsame Wellen" griff die LTTE seit Anfang November 1999 Stellungen der Regierungstruppen an. In raschen Bewegungen und im Feuerschutz schwerer Artillerie drangen Guerillaverbände im Nordosten gegen das Zentrum des Landes vor und eroberten innerhalb weniger Tage 10 Garnisonsstädte und die wichtigsten Kreuzungen von Oddusuddan, Nedunkeni, Mankulam und Kanakarayankulam (NZZ, 08.11.1999). Ziel der LTTE ist die Eroberung und Sicherung der Straßenverbindung (A 9), welche die zentrale Landverbindung zwischen dem Süden und dem Norden darstellt. Am 5. November brach die als "Operation Wasserscheide" bezeichnete Offensive der Regierungstruppen mit einer Flucht weiter Teile der Armee zusammen (a. i., 23.02.2000). Pressemeldungen zufolge soll es über 1.000 Tote allein auf Seiten der Regierungstruppen gegeben haben (NZZ, 08.11.1999; a. i., 25.02.2000). Ende November 1999 hatte die LTTE binnen zwei Wochen 100 Dörfer im Vanni-Gebiet erobert und die Armee aus Stellungen vertrieben, die 1995 eingenommen worden waren.

Wegen des militärischen Konflikts im Norden existiert zur Zeit keine Verkehrsverbindung auf dem Landweg. Die Flugverbindung wird durch die srilankische Armee wahrgenommen. Eine Seeverbindung existiert zwischen Trincomalee und der Jaffna-Halbinsel.

Während einer Wahlkampfveranstaltung am 18. Dezember 1999 wurde die Präsidentin Kumaratunga durch eine Selbstmord-Attentäterin am rechten Auge verletzt und konnte nur knapp dem Tode entgehen. 21 Menschen starben, 110 wurden verletzt (SZ, 20.12.1999). Zu einem weiteren Selbstmordanschlag vor dem Sitz der Regierungschefin kam es am 5. Januar 2000, bei dem mindestens 11 Menschen getötet und mehr als 20 Menschen verletzt wurden. Kurze Zeit nach dem Anschlag wurde in einem anderen Viertel der Hauptstadt Colombo der Rechtsanwalt und Politiker Kumar Ponnambalam, ein Repräsentant der Tamilen, von einem unbekannten Attentäter erschossen (Die Welt, 06.01.2000). Die Präsidentin wurde bei der Wahl am 21. Dezember 1999 mit 51,12 % in ihrem Amt bestätigt. Ihr Widersacher Ranil Wickremasinghe von der "United National Party" erhielt 42,72 % der Stimmen (Keller-Kirchhoff, Südasien 1/2000, S. 50; FR, 23.12.1999). Die UNP behauptet, dass es zu zahlreichen Wahlverfälschungen durch die regierende Volksallianz gekommen sei. Der Oppositionsführer Wickremasinghe hat sich inzwischen bereit erklärt, die von der Präsidentin geplante Verfassungsreform mit dem Angebot größerer Autonomie für die Tamilen im Parlament zu unterstützen und ihr dort zu der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit zu verhelfen. Auch die norwegische Regierung hat sich angeboten, zwischen der Regierung und der LTTE zu vermitteln (FAZ, 23.02.2000), um den nunmehr seit 17 Jahren andauernden Bürgerkrieg, der schätzungsweise bisher 60.000 Todesopfer forderte, zu beenden.

Ungeachtet der Friedensbemühungen wird der Bürgerkrieg im Norden Sri Lankas mit Offensiven der LTTE fortgesetzt. Die jüngsten Geländegewinne der LTTE haben die seit Mai 1997 im Rahmen mehrerer Offensiven der Regierungstruppen erzielten militärischen Erfolge weitgehend wieder zunichte gemacht (a. i., 23.02.2000). So wurden im März dieses Jahres bei einem Angriff tamilischer Rebellen auf eine Hauptverkehrsstraße im Norden Sri Lankas und auf Stellungen der Armee mindestens 59 Menschen getötet (FR, 29.03.2000). Im April 2000 mussten die Regierungstruppen die wichtigen Stellungen am Elephant Pass, der wichtigsten Zufahrtsstraße zur Halbinsel-Jaffna, räumen. Nach Presseberichten sollen dabei 79 Soldaten getötet und 625 verwundet worden sein. Seither rückt die LTTE wieder auf Jaffna vor.

2. Ausgehend von diesen tatsächlichen Verhältnissen und den eigenen Bekundungen des Klägers kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Sri Lanka im April 1992 individuell politisch verfolgt war oder dass ihm seinerzeit unmittelbar eine solche Verfolgung drohte. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt hat der Kläger über typische Ereignisse berichtet, wie sie sich im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg im Norden Sri Lankas des öfteren zugetragen haben. Er hat angegeben, dass er 1989 von "englischen" Soldaten für fünf Tage in einem Armeelager inhaftiert worden sei. Offensichtlich meint der Kläger damit, dass er von den damals auf der Jaffna-Halbinsel stationierten "indischen" Soldaten inhaftiert wurde. Auf der Jaffna-Halbinsel übten zum damaligen Zeitpunkt die indischen Streitkräfte ("Indian Peace Keeping Forces" - IPKF -) noch die tatsächliche Macht aus. Folgt man dem Vortrag des Klägers, dass er von den indischen Soldaten während einer fünftägigen Haft wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der LTTE geschlagen und verhört wurde und nur unter Meldeauflagen wieder freikam, könnten diese Ereignisse eine asylrelevante individuelle politische Verfolgung nicht begründen. Bei diesen Ereignissen fehlt der notwendige kausale Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asylrecht setzt von seinem Tatbestand her grundsätzlich den Kausalzusammenhang Verfolgung-Flucht-Asyl voraus. Die Ausreise muss sich bei objektiver Betrachtung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als eine unter dem Druck erlittener Verfolgung stattfindende Flucht darstellen. In dieser Hinsicht kommt der zwischen Verfolgung und Ausreise verstrichenen Zeit entscheidende Bedeutung zu. Je länger der Ausländer nach erlittener Verfolgung in seinem Heimatstaat verbleibt, umso mehr verbraucht sich der objektive äußere Zusammenhang zwischen Verfolgung und Ausreise. Daher kann allein schon bloßer Zeitablauf dazu führen, dass eine Ausreise den Charakter einer unter dem Druck erlittener Verfolgung stehenden Flucht verliert. Ein Ausländer ist daher grundsätzlich nur dann als verfolgt ausgereist anzusehen, wenn er seinen Heimatstaat in nahem zeitlichen Zusammenhang mit der erlittenen Verfolgung verlässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.11.1990 - 9 C 72.90 -, BVerwGE 87, 141). Dieser zeitliche Zusammenhang war hier im Zeitpunkt der Ausreise des Klägers im Jahre 1992 ersichtlich nicht gegeben. Dies gilt auch, soweit der Kläger vorträgt, er sei ständig für die behaupteten Maßnahmen durch die ENDLF im Jahre 1989 von der LTTE mitgenommen und gezwungen worden, etwa 15-mal Schützengräben für sie in der Nähe von Armeelagern auszuheben. Im Übrigen stellen die durch die LTTE erzwungenen Hilfsleistungen schon deshalb keine politische Verfolgung dar, weil sie dem srilankischen Staat nicht zugerechnet werden können. Es ist nicht ersichtlich, dass der srilankische Staat zur Schutzgewährung gegen Angriffe der LTTE nicht bereit war oder er sich nicht in der Lage dazu sah, die ihm an sich verfügbaren Mittel gegen Verfolgungsmaßnahmen der LTTE hinreichend einzusetzen. Weder hat der srilankische Staat Zwangsmaßnahmen der LTTE gegen tamilische Volkszugehörige angeregt, noch derartige Maßnahmen unterstützt oder tatenlos hingenommen. Bei Übergriffen der LTTE gegen Tamilen ist Verfolgungssubjekt somit nicht der srilankische Staat.

Politische Verfolgung drohte dem Kläger auf der Jaffna-Halbinsel im Zeitpunkt seiner Ausreise auch nicht durch eine quasi-staatliche Organisation. Es ist bereits fraglich, ob die LTTE bis zur Ausreise des Klägers auf der gesamten Jaffna-Halbinsel über eine quasi-staatliche Gebietsgewalt, die auf einer staatsähnlich organisierten, effektiven und stabilisierten Herrschaftsmacht beruhen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.11.1997 - 9 C 34.96 -, DVBl. 1998, 280), verfügte. Dies setzt eine gewisse Stetigkeit und Dauerhaftigkeit des Machtapparates voraus. Während eines andauernden Bürgerkrieges sind Effektivität und Stabilität der regionalen Herrschaftsorganisation vorsichtig zu beurteilen (BVerwG, Urteil vom 04.11.1997, a. a. O.). Selbst wenn man in den Bedrängungen durch die LTTE eine quasi-staatliche Maßnahme sehen wollte, da die LTTE zum damaligen Zeitpunkt zumindest teilweise die Gebietsgewalt im Norden Sri Lankas innehatte, vermag der Senat keine ausreichenden Anhaltspunkte zu erkennen für die Annahme, dass es sich hierbei um eine politische Verfolgung gehandelt haben könnte. Auch eine Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei, die eine effektive Gebietsgewalt ausübt, wäre zunächst nicht anders zu beurteilen, als die Rekrutierung durch eine staatliche Macht. Um eine solche Maßnahme als politische Verfolgung zu qualifizieren, müsste dieser zumindest ein an asylrelevante Merkmale anknüpfender, ausgrenzender Charakter zukommen. Dies wäre etwa bei Heranziehung politisch Andersdenkender zu "Strafexpeditionen" der Fall. Aus den Ausführungen des Klägers lassen sich Anhaltspunkte für ein derartiges Vorgehen der LTTE allerdings nicht entnehmen. Auch der Vortrag des Klägers, wonach er im März 1992 von der Polizei in Colombo für vier Tage inhaftiert und währenddessen auch geschlagen worden sei, ist nicht geeignet, eine asylrelevante Vorverfolgung zu begründen. Dabei handelt es sich nicht um eine Beeinträchtigung, die nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzte und über das hinausging, was viele Tamilen in Colombo aufgrund der dort herrschenden Bedrohung durch LTTE-Terroristen hinzunehmen hatten. Wie unten (II 4 c) noch näher ausgeführt wird, ist die Inhaftierung als präventive polizeiliche Maßnahme zu qualifizieren, die auf die Abwehr und Bekämpfung der terroristischen Aktivitäten der LTTE gerichtet war. Von solchen Maßnahmen sind zahlreiche gerade aus dem Norden und Osten gekommene Tamilen betroffen, die in den kleineren Hotels und Pensionen, den so genannten "Lodges", untergekommen sind (AA, 31.08.1998). Unter den Zugereisten befinden sich nicht selten auch LTTE-Terroristen. Die polizeilichen Maßnahmen wie Vernehmungen und Inhaftierungen zur Klärung der Identität sind deshalb ersichtlich darauf gerichtet, die Infiltration der Hauptstadt durch LTTE-Terroristen aus dem Norden des Landes zu unterbinden. Soweit Tamilen Eingriffe in das Recht der persönlichen Freiheit dadurch zu gegenwärtigen haben, dass sie bei Razzien, vor allem aus Anlass bestimmter sicherheitsrelevanter Vorkommnisse, aufgegriffen und verhört werden, handelt es sich um grundsätzlich verhältnismäßige Maßnahmen zur Bekämpfung der Terrororganisation LTTE. Zwar müssen sich staatliche Maßnahmen zur Abwehr des Terrorismus bei objektiver Betrachtung auch als solche erweisen. Dies ist zu bejahen, wenn der von den Maßnahmen Betroffene aufgrund objektiver Anhaltspunkte (Besitz von Waffen, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, schwerwiegende Indizien der Beteiligung an bzw. Vorbereitung einer terroristischen Gewalttat) hinreichend verdächtig ist. Reine Mutmaßungen der Sicherheitskräfte rechtfertigen einen solchen Verdacht prinzipiell nicht (BVerwG, Urteil vom 20.11.1990 - 9 C 74.90 -, BVerwGE 87, 152). Gleichwohl ist es asylrechtlich unbedenklich, wenn tamilische Volkszugehörigkeit, Herkunft (aus dem Norden oder Osten), Alter und gegebenenfalls Geschlecht Anknüpfungspunkte für die Durchführung von Razzien, Durchsuchungen und kurzfristigen Verhaftungen sind. Abgesehen davon, dass bei diesen Maßnahmen die für die asylrechtliche Verfolgung notwendige Eingriffsintensität fehlt, ist regelmäßig nicht von einer Schikane um ihrer selbst Willen und mit Zielrichtung auf eine Bevölkerungsgruppe als solche auszugehen (siehe auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.05.1998 - 21 A 571/96.A -). Dass besonders verdächtig die jungen ledigen Tamilen im Rekrutierungsalter der LTTE sind, die aus dem Norden stammen und erst vor kurzem nach Colombo gekommen sind, wo sie meistens in "Lodges" wohnen (AA, 07.07.1993), ist nachvollziehbar. Diese Verdachtskriterien hängen zusammen mit der Strategie des kalkulierten Einsatzes von Mord und Selbstmord durch die LTTE. Dies erklärt, dass am ehesten junge Männer aus dem Norden aufgegriffen und genauer auf ihre Identität überprüft werden, bei denen nicht auszuschließen ist, dass sie, da sie keine Verantwortung für eine Familie tragen, auch bereit sind, bei Anschlägen das eigene Leben zu opfern. Somit sind das Aufgreifen von tamilischen Volkszugehörigen und kurzzeitige "Überprüfungsverhaftungen" als noch der Vorbeugung bzw. Bekämpfung terroristischer Anschläge und Täter dienende Maßnahmen für sich allein nicht als asylrechtlich relevante Beeinträchtigungen zu bewerten. Dabei darf bei der Frage, was dem Einzelnen unter asylrechtlichen Gesichtspunkten noch zumutbar ist, die ständige Bedrohung auch des Großraums Colombo durch den LTTE-Terror nicht außer Betracht bleiben.

Aufgrund der Angaben des Klägers vor dem Bundesamt, die Polizei habe ihm damals vorgeworfen, dass er aus Jaffna sei, fehlen zudem jegliche Anhaltspunkte dafür, dass in seinem Fall über die als Grundlage der Überprüfung an sich dienende pauschale Annahme von Verbindungen mit der LTTE hinaus ein konkreter Verdacht auf LTTE-Zugehörigkeit oder -Unterstützung bestanden hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger bei seinem Aufenthalt in Colombo lediglich bei einer der üblichen Verhaftungsaktionen nach einem Attentat, nicht aber gezielt im Hinblick auf seine Person verhaftet wurde. Der Kläger hat auch nicht behauptet, dass gezielt und individuell nach ihm gesucht wurde oder er gar auf diese Verhaftung hin wegen eines gegen ihn durchgeführten Ermittlungsverfahrens oder aus ähnlichen Gründen künftig speziell und individuell gefährdet war. Es gibt auch keine Hinweise dafür, dass der Kläger anlässlich der Inhaftierung individuell in einem Maß auffällig geworden ist, das zu der Annahme führen muss, er wäre bei künftiger Betroffenheit von solchen Verhaftungen in Gefahr gewesen, zur intensiveren Überprüfung über einen längeren Zeitraum festgehalten zu werden und damit menschenrechtswidrigen Übergriffen ausgesetzt zu sein. Es ist auch nichts darüber bekannt und angesichts der Massen von Verhafteten auch überaus unwahrscheinlich, dass schon über solche "Überprüfungsverhaftungen" Akten, Vermerke oder Ähnliches angelegt und längere Zeit aufbewahrt werden. Es ist durchaus glaubhaft, dass er erst freigekommen ist, nachdem sein Onkel ein "Lösegeld" in Höhe von 15.000 Rupien (ca. 390 DM) gezahlt hatte. Zum damaligen Zeitpunkt - wie heute auch - war es durchaus üblich, dass srilankische Sicherheitskräfte die Verhaftung junger Tamilen, die über verwandtschaftliche Beziehungen in Colombo verfügten, mit der Möglichkeit der Einnahme von Bestechungsgeldern verbanden (Keller-Kirchhoff, September 1993 und 12.03.1999, S. 5; Wingler, 07.08.1997, S. 5; EU 02.04.1997, S. 10). Nach Informationen von Wingler (09.08.1995) müssen von verhafteten Tamilen 1.000 US-Dollar oder mehr aufgebracht werden, um aus einer Untersuchungshaft herauszukommen. Im Vergleich dazu betrage die übliche "Kaution" für eine Freilassung selbst bei schweren kriminellen Taten wie z. B. vorsätzlicher Körperverletzung meist 2.000 bis 5.000 Rupien. Inzwischen seien viele Tamilen im Süden mehrfach festgenommen worden. In der Regel sei fast jeder Tamile aus dem Norden bzw. Osten, der sich im Süden aufgehalten habe, einmal bis dreimal in "Detention-Haft" gewesen. Dies werde mittlerweile von jungen Tamilinnen oder Tamilen bereits für den Weg über den Süden Sri Lankas in das Ausland finanziell eingeplant (Wingler, 09.08.1995). Die Lösegelderpressung stellt eine kriminelle Handlung dar und ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Inhaftierung des Klägers gerade nicht im Sinne des Asylrechts zielgerichtet erfolgte, da nur eine Gelegenheit ausgenutzt wurde (siehe dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.10.1996 - 21 A 3050/96 -; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 20.06.1995 - 9 C 294.94 -, InfAuslR 1995, 442). Es ist ferner davon auszugehen, dass die von dem Kläger im Einzelnen nicht substantiierte körperliche Misshandlung während der Inhaftierung nicht über das hinausging, was in den Gefängnissen Sri Lankas Personen zu befürchten haben, die dort wegen krimineller Delikte inhaftiert sind. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass Gewaltanwendung bei Verhören in Sri Lanka allgemein verbreitete Praxis ist und zwar unabhängig von der Art des der Person zur Last gelegten Vergehens (AA, 16.01.1996, S. 11; Keller-Kirchhoff, 20.03.1996). Aufgrund der Erkenntnisquellen ist zugrunde zu legen, dass die Schläge, über deren Intensität sich der Kläger nicht näher geäußert hat, nicht über die Behandlung hinausgingen, die bei Inhaftierungen üblich ist (siehe Wingler, Informationsschrift, 31.05.1998, S. 35 f.). Die Schläge während der Polizeihaft stellten somit keine zielgerichtete politische Verfolgung dar. Dies folgt auch daraus, dass der Kläger nach seiner Entlassung keinen weiteren Schwierigkeiten durch die Sicherheitskräfte ausgesetzt war und bei seiner Ausreise über den Flughafen Colombo die Grenzkontrolle mit seinem Reisepass ohne Probleme passieren konnte.

3. Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Kläger zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Jahre 1992 im Norden Sri Lankas eine gruppengerichtete politische Verfolgung allein wegen seiner tamilischen Volkszugehörigkeit etwa durch Übergriffe der srilankischen Regierungstruppen im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die LTTE drohte (hierzu bejahend bis 1995 der 12. Senat des Hess. VGH in ständiger Rechtsprechung, siehe Urteil vom 11.12.1995 - 12 UE 2151/95 -; bejahend für das Jahr 1991 auch der 10. Senat, Urteil vom 10.12.1996 - 10 UE 2117/95 -; siehe auch OVG Niedersachsen, Urteil vom 01.03.1994 - 12 L 7098/91 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 06.11.1992 - 21 A 13040/91.A -). Jedenfalls stand einem srilankischen Staatsangehörigen tamilischer Volkszugehörigkeit vor seiner Ausreise im Großraum Colombo eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung (eine Fluchtalternative bei Ausreise Anfang der neunziger Jahre bejahend auch 10. Senat des Hess. VGH, so u. a. Urteile vom 11.06.1996 - 10 UE 1919/95 und 10 UE 3183/95 -, vom 01.11.1996 - 10 UE 1988/95 - sowie vom 10.11.1998 - 10 UE 3035/95). Ein srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit hatte dort grundsätzlich die Möglichkeit, wenn auch unter bescheidenen Verhältnissen, verfolgungsfrei zu leben. Seit Mitte 1992 hatte sich die allgemeine Sicherheitslage im Süden deutlich entspannt (Keller-Kirchhoff, Oktober 1992). Menschenrechtsverletzungen waren im Süden deutlich weniger zahlreich, als dies für den Osten und Norden Sri Lankas festzustellen ist. Die damals knapp 300.000 im Großraum Colombo lebenden Tamilen, die dort etwa 30 % der Bevölkerung ausmachten, lebten dort aufgrund der Verbesserung der Menschenrechtssituation im Allgemeinen unbehelligt (AA, 14.10.1992). Im Großraum Colombo fanden zwar häufig so genannte "screening actions" (Überprüfungsaktionen) statt, die unter erkennungsdienstlicher Behandlung von verdächtigen Personen der Feststellung der Identität, des Wohnortes, des Arbeitsplatzes und Ähnlichem dienten. Die im Rahmen solcher Fahndungsaktionen vorläufig festgenommenen Personen wurden aber zum größten Teil nach kurzer Zeit wieder freigelassen (AA, 29.11.1990 und AA, 30.08.1991). Dies gilt auch für die den "screening actions" häufig vorausgehenden Razzien, bei denen die nach bestimmten Kriterien besonders verdächtigen Personen, die einem Verhör unterzogen werden sollten, ausgewählt wurden. Betroffen von Razzien konnten bei der Fahndung nach LTTE-Kämpfern alle jüngeren, männlichen und weiblichen Tamilen im kampffähigen Alter sein (AA, 15.11.1991). Soweit junge Tamilen in Colombo allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit und ihres Alters einen Eingriff in das Recht der persönlichen Freiheit dadurch zu gegenwärtigen hatten, dass sie bei Razzien, vor allem aus Anlass bestimmter sicherheitsrelevanter Vorkommnisse aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt wurden, handelte es sich um grundsätzlich verhältnismäßige Maßnahmen zur Bekämpfung terroristischer Organisationen, insbesondere der LTTE. Solche Maßnahmen knüpften nach ihrer objektiv erkennbaren Gerichtetheit nicht willkürlich an asylrelevante Merkmale der Volkszugehörigkeit und Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersgruppe an, sondern dienten anlassbezogen dem Rechtsgüterschutz in einer Weise, die der Staatenpraxis geläufig ist (vgl. zu diesen Kriterien BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -). Da die Attentate insbesondere durch die LTTE begangen wurden, die sich überwiegend aus jungen Tamilen im Alter bis zu 40 Jahren rekrutiert, mussten Fahndungsmaßnahmen wie Razzien und "screenings" anlässlich von Gewalttaten, als deren Urheber auch terroristische Organisationen, wie vor allem die LTTE, in Betracht kommen, zwar an diese Merkmale Volkszugehörigkeit und Alter anknüpfen, sie waren aber nicht auf diese Merkmale in dem Sinne gerichtet, dass sie allein wegen dieser Kriterien erfolgten. Diese Ermittlungsaktionen wurden grundsätzlich zur Aufklärung und Prävention weiterer Straftaten durchgeführt. Insoweit ist auch nicht festzustellen, dass die von Razzien und "screenings" Betroffenen, soweit sie ganz überwiegend kurzfristig freigelassen wurden, einer härteren Behandlung unterlagen, als dies sonst in Sri Lanka bei der Verfolgung von Taten vergleichbarer Gefährlichkeit üblich war. Überwiegend handelte es sich auch um kurzfristige Festnahmen für ein bis zwei Tage. Etwa 90 % der Festgenommenen wurden nach dem "screening" kurzfristig wieder freigelassen (AA, 29.11.1990 und 16.01.1991; Keller-Kirchhoff, 07.09.1991, 23.04.1992 und 31.08.1992). Vorläufig festgenommen wurden bei den Razzien insbesondere junge Tamilen, die keinen plausiblen Grund ("valid reason") hatten, sich im Großraum Colombo aufzuhalten, insbesondere weil sie dort wohnten, arbeiteten oder im Familienverband lebten (Keller-Kirchhoff, Oktober 1992). Ein solcher Grund konnte auch darin liegen, dass der Betroffene nicht "registriert" war. Die Registrierung stellte mittelbar gleichzeitig einen Schutz gegen das Risiko einer Verhaftung bei Razzien dar, die insbesondere junge Tamilen betrafen (AA, 31.08.1992). Soweit es zu längeren Inhaftierungen kam, beruhte dies in der Regel darauf, dass es konkrete Anhaltspunkte für eine aktive Unterstützung von Organisationen gab, die terroristische Straftaten begingen. Einzelfälle längerer Inhaftierungen erfolgten nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen grundsätzlich nur bei Vorliegen zusätzlicher Verdachtsmomente, die auf eine Unterstützung terroristischer Gruppen wie der LTTE hindeuteten (AA, 29.11.1990 und 30.08.1991). Auch insoweit knüpften die Verfolgungsmaßnahmen nicht maßgeblich an die Volkszugehörigkeit und das Alter eines jungen Tamilen an, sondern an weitere zusätzliche Gesichtspunkte, die aufgrund konkreter weiterer Anhaltspunkte individuell in dessen Person begründet waren, wie vorliegende Erkenntnisse der Sicherheitsbehörde über Verbindungen der festgenommenen Person zur LTTE. Lediglich bei längeren Inhaftierungen bestand die Gefahr asylrelevanter Eingriffe, wie körperliche Misshandlungen insbesondere durch Folter, die in der Regel aber nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für die Unterstützung insbesondere der LTTE erfolgte.

Zusammenfassend ist für den Zeitpunkt der Ausreise des Klägers festzustellen, dass ein tamilischer Volkszugehöriger im Alter bis zu 40 Jahren, der sich im Süden und insbesondere im Großraum Colombo niederließ, dort vor einer politischen Verfolgung, die allein an die asylrelevanten Merkmale seiner Volkszugehörigkeit und seines Alters anknüpfte, hinreichend sicher war.

Es bestand für tamilische Volkszugehörige auch eine hinreichende Sicherheit vor einer existenziellen Gefährdung am Ort der inländischen Fluchtalternative im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im Großraum Colombo. Tamilen drohte dort auch nicht wirtschaftliche Verelendung, die ein menschenwürdiges Dasein unmöglich machten. Nach den vorliegenden Berichten ist vielmehr zugrunde zu legen, dass in diesem Gebiet niedergelassene Tamilen eine - wenn auch häufig nur bescheidene - Lebensgrundlage finden konnten, die ein menschenwürdiges Überleben dort ermöglichte. So hatten sich Anfang 1990 zehntausende von Tamilen nach ihrer Flucht aus dem Norden Sri Lankas, insbesondere von der Jaffna-Halbinsel, im Großraum Colombo niedergelassen, um dort unbehelligt von den Kriegswirren leben zu können. Sie lebten dort meist bei Verwandten oder Bekannten, in "Lodges" oder in Flüchtlingslagern (AA, 29.11.1990; Keller-Kirchhoff, 14./21.12.1990). In den Flüchtlingslagern wurden Lebensmittel ("dry rations") zur Sicherung des Existenzminimums verteilt. In der Regel gab es aber darüber hinaus keine finanzielle Unterstützung (AA, 30.08.1991). Dadurch war es für Tamilen in Colombo und Umgebung zwar schwierig, eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen (AA, 29.11.1990). Durch Gelegenheitsarbeiten war aber ein wirtschaftliches Überleben - wenn auch mit großen Problemen - möglich (Keller-Kirchhoff, Oktober 1992). Hinzu kommt, dass der Kläger in Colombo mit der finanziellen Unterstützung seines Onkels rechnen konnte. Wenn es dem Onkel des Klägers damals möglich gewesen war, seinen Neffen aus der Haft "freizukaufen" und seine Ausreise zu finanzieren (hierfür müssen in der Regel fünfstellige DM-Beträge aufgebracht werden (AA, 03.03.1994, S. 4; AA, 30.08.1996: bis zu 20.000 US-Dollar; AA, 01.09.1999 durchschnittlich 20.000 DM pro Person; AA, 31.01.2000: 15.000 - 20.000 DM), so wäre er auch in der Lage dazu gewesen, den Kläger bei einem Verbleiben in Colombo finanziell zu unterstützen.

Der Kläger ist demnach unverfolgt ausgereist, da ihm jedenfalls im Großraum Colombo zum Zeitpunkt seiner Ausreise eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stand.

4. Der unverfolgt ausgereiste Kläger kann seine Asylanerkennung auch nicht aufgrund eines im Sinne von § 28 AsylVfG beachtlichen Nachfluchtgrundes verlangen. Ein Nachfluchtgrund setzt voraus, dass dem Asylbewerber aufgrund von Umständen, die nach seiner Ausreise aus seinem Heimatland eingetreten sind, für den Fall seiner Rückkehr dort gegenwärtig und in absehbarer Zeit politische Verfolgung droht. Bei einem unverfolgt ausgereisten Asylbewerber ist eine Prognose darüber anzustellen, ob politische Verfolgung bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, Urteil vom 31.03.1981 - 9 C 286.80 -, EZAR 200 Nr. 3). Der Senat ist auf der Grundlage der in dieses Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen der Überzeugung, dass tamilischen Volkszugehörigen heute und in naher Zukunft in keinem Landesteil Sri Lankas mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine staatliche oder dem Staat zurechenbare asylerhebliche Verfolgung allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit (Gruppenverfolgung) droht (so auch u. a. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.12.1999 - 21 A 3979/96.A -; OVG Berlin, Beschluss vom 28.10.1999 - 3 B 20.95 -; landesweit hinreichende Sicherheit vor gruppengerichteter Verfolgung; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.05.1999 - A 6 S 393/99 -; OVG Thüringen, Urteil vom 17.12.1998 - 3 KO 869/96 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.07.1998 - 11 A 10473.98 OVG -).

a) Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen ist heute und für die nahe Zukunft die Annahme gerechtfertigt, dass tamilische Volkszugehörige im Norden von Sri Lanka weder durch die in Teilbereichen fortdauernden militärischen Auseinandersetzungen noch durch das Vorgehen der Sicherheitskräfte in den von der Regierung zurückeroberten Gebieten einer gruppengerichteten Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sind. Es liegen keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass der srilankische Staat als Bürgerkriegspartei Tamilen allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit verfolgt. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Aktionen der Sicherheitskräfte ihrer objektiven Gerichtetheit nach über die militärische Zielsetzung der Rückeroberung der von der LTTE eingenommenen Gebiete unter Schwächung der LTTE hinaus auf die physische Vernichtung oder schwerwiegende Beeinträchtigung der tamilischen Minderheit im Norden etwa durch die Ausübung militärischen Gegenterrors abzielen (so auch OVG Berlin, Beschluss vom 28.10.1999 - 3 B 20.95 -, S. 24; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.10.1996 - 21 A 3050.96 A -; OVG Niedersachsen, Urteil vom 22.02.1996 - 12 L 7722/95 -; Hess. VGH, Urteil vom 05.03.1997 - 10 UE 3270/96.A -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.05.1998 - 21 A 571.96 A -).

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die militärischen Aktionen der Regierungstruppen objektiv auf eine Vertreibung der Tamilen aus ihren Siedlungsgebieten im Norden mit der Folge des Abdrängens in eine ausweglose Lage gerichtet sind. Die schwersten Menschenrechtsverletzungen ereigneten sich im Jahre 1996 auf der Jaffna-Halbinsel. Das vom Verteidigungsministerium im November 1996 eingerichtete Untersuchungsgremium hatte 760 Fälle von "Verschwindenlassen" zu bearbeiten. Bei 180 "Verschwundenen" ergaben die Ermittlungen, dass sie sich in Haft befanden und wieder entlassen worden waren. Bei 540 Personen besteht die begründete Befürchtung, dass sie nach der Verhaftung ermordet worden sind (a. i., Jahresbericht 1998, S. 510; a. i., Bericht über die Fälle von Verschwindenlassen vom November 1997). Nach Wingler (29.09.1998) offenbart sich heute, dass von den etwa 700 in den Händen der staatlichen Kräfte verschwundenen Tamilen etwa 300 bis 400 in der Hochsicherheitszone von Chemmani verscharrt liegen. Zuvor hatte schon die Vergewaltigung und Ermordung der 18-jährigen Krishanthi Kumaraswamy und von drei anderen Personen im September 1996 besonderes Aufsehen erregt. Das energische Durchgreifen des srilankischen Staates und seiner Justizbehörden in diesem Fall (neun Mitglieder der Sicherheitskräfte wurden inhaftiert, der Generalstaatsanwalt erhob unmittelbar Anklage beim High Court in Colombo) führte dazu, dass der Fall besonders schnell verhandelt werden konnte (Bericht des UN-Sonderberichterstatters, 12.03.1998). Nach Auffassung von amnesty international (Bericht vom November 1997) ist dies ein deutliches Signal an die Sicherheitskräfte, dass die Regierung solche Menschenrechtsverletzungen nicht hinnehmen werde. Hinsichtlich der Armeeangehörigen, gegen die wegen der Vergewaltigung der Schülerin Krishanti Kumaraswamy Anklage erhoben wurde, wurden inzwischen fünf der Angeklagten zum Tode verurteilt (AA, 19.01.1999, S. 14). In der ersten Jahreshälfte 1997 wurden noch 41 Fälle von Verschwundenen gemeldet (a. i., November 1997, S. 2). Amnesty international geht davon aus, dass sich seit Anfang 1997 die Menschenrechtssituation entscheidend gebessert hat, und zwar auch dank des Kommandowechsels bei der 51. Armeedivision in Jaffna und der für die Vadamarachchi-Division zuständigen Armeeeinheit. Amnesty international zeigte sich auch ermutigt durch verschiedene Menschenrechtstrainingsprogramme der Regierung für die Sicherheitskräfte. Darunter befinden sich Lehrgänge, die ein von Armeekommandanten im Mai 1997 eingesetztes Direktorium für Menschenrechte organisiert hat. Das Auswärtige Amt gibt in seiner Auskunft vom 5. September 1997 eine Äußerung des regierungskritischen Erzbischofs von Jaffna wieder, dass die Armee eine sehr schwierige Aufgabe gut meistere. In der letzten Zeit habe die Armee auch begonnen, Truppenangehörige, die Menschenrechte verletzten, zu bestrafen. Es sei ein "Volksrat für Frieden und guten Willen" eingerichtet worden, der die Fälle beobachte. Die Menschenrechtsorganisation "Jaffna University Teachers for Human Rights (UTHR)" hat das Verhältnis zwischen den den Sektor Vadamarachchi im Nordosten der Halbinsel kontrollierenden Truppen und der dortigen Bevölkerung gelobt und sogar als herzlich bezeichnet. Eine erhebliche Verbesserung der allgemeinen Menschenrechtssituation auf der Jaffna-Halbinsel verzeichnet auch Wingler. Seit Juni 1997 habe es nur noch vereinzelte Fälle außerlegaler Tötung durch singhalesische Soldaten gegeben, Fälle von "Verschwindenlassen" seien nicht mehr bekannt geworden (Wingler, 30.01.1998 und 31.05.1998, S. 43). Zumeist würden jetzt Mitteilungen bei Verhaftungen ausgestellt (Wingler, 31.05.1998, S. 44). In Bezug auf Jaffna stimmt Wingler mit der Lageeinschätzung des Auswärtigen Amtes überein (AA, 06.04.1998, S. 12), das außerdem darauf hinweist, dass bei den in Jaffna stationierten Truppen Menschenrechts-Einheiten eingerichtet worden seien. Das negativere Bild, das demgegenüber der UN-Sonderberichterstatter von der Lage im Norden und Nordosten zeichnet (Bericht vom 12.03.1998) und das vom UNHCR Bonn in seiner Stellungnahme vom Juli 1998 wiedergegeben wird, scheint nach alledem in Bezug auf die Jaffna-Halbinsel überholt zu sein. Dort werden die Massenmorde des Jahres 1996 keineswegs "unter den Teppich gekehrt". In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die neu gebildete Menschenrechtskommission NHCR am 8. Januar 1998 ein Büro in Jaffna eingerichtet hat (zu den Erfolgen vgl. Keller-Kirchhoff, 26.10.1998). Sie ist auch in der Untersuchung der "Verschwundenen-Fälle" eingeschaltet worden (a. i., November 1997). Auch Keller-Kirchhoff (26.10.1998) berichtet von ersten Erfolgen der NHCR. Der Leiter des im März 1998 in Jaffna eröffneten Büros der NHCR wird von ihm mit den Worten zitiert, er habe es geschafft, dass viele Militärs, die in Menschenrechtsfragen bisher wenig sensibel gewesen seien, mit ihm kooperierten. Der Menschenrechtskommission müsse jetzt jede Festnahme innerhalb von 48 Stunden angezeigt werden. Die verstärkten terroristischen Aktivitäten der LTTE auf der Jaffna-Halbinsel haben trotz der Befürchtung von Wingler (31.05.1998) nicht zu einem Rückfall in Bezug auf die Menschenrechtssituation geführt. Im Gegensatz zu der Einschätzung des UNHCR in dem "Hintergrundpapier über Flüchtlinge und Asylbewerber aus Sri Lanka" vom März 1997, wo er an mehreren Stellen von einem "Verlust der Verantwortlichkeit" des srilankischen Staates spricht, wird in dem Bericht vom Juli 1998 dieser Vorwurf nicht mehr erhoben. Nach dem Länderbericht von amnesty international vom 1. Juni 1999 sind die Ermittlungen zu den in den Vorjahren begangenen Menschenrechtsverletzungen fortgeführt worden. Der Generalstaatsanwaltschaft zufolge seien bis Mitte Oktober 1998 die Ermittlungen in 485 von 3.861 Fällen abgeschlossen und gegen 150 mutmaßliche Verantwortliche Anklage vor dem obersten Gericht erhoben worden. Eine weitere Kommission sei mit der Untersuchung der von den drei Kommissionen nicht mehr erledigten Fälle von "Verschwindenlassen" betraut. Amnesty international geht auch davon aus, dass die Zahl der neuen Fälle von "Verschwindenlassen" erkennbar abgenommen habe, da nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofes im Fall der Schülerin Krishanti Kumaraswamy die für "Verschwindenlassen" Verantwortlichen in Sri Lanka nicht mehr ohne weiteres mit Straffreiheit rechnen können. Die mitunter lange Verfahrensdauer ist im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Gerichte nicht als Nachlässigkeit der Regierung zu werten. Die Sicherheitskräfte können also im Fall willkürlicher Übergriffe ersichtlich nicht auf eine großzügige Duldung oder gar Billigung durch die Regierung vertrauen. Die Übergriffe sind insoweit als asylrechtlich nicht relevante Exzesshandlungen einzuordnen.

Bekämpft der srilankische Staat mithin im Großen und Ganzen erfolgreich das pflichtwidrige Handeln von Angehörigen der Sicherheitskräfte, so entfällt seine asylrechtliche Verantwortlichkeit, selbst wenn ihm eine lückenlose Ahndung aller in seinem Machtbereich auftretenden Vorfälle misslingt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.04.1986 - 9 C 318.85 u. a. -, BVerwGE 74, 160). Dem srilankischen Staat kann auch nicht vorgeworfen werden, dass er in den Regionen, in denen er die Gebietsgewalt besitzt, zum Schutz anderer Gruppen oder zur Wahrung seiner eigenen Interessen mit deutlich effektiveren Mitteln vorgeht. Es erscheint auch angesichts der beschriebenen LTTE-Taktik nahezu unmöglich, einen lückenlosen Schutz vor Unrecht und Gewalt auch aus den eigenen Reihen zu gewähren. Auch die einzelnen militärischen Operationen der srilankischen Streitkräfte im Norden des Landes sind nicht von staatlichem Gegenterror geprägt. Zu Opfern unter der Zivilbevölkerung kam es nach den vorliegenden Erkenntnissen immer ganz überwiegend im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit konkreten militärischen Auseinandersetzungen. Diese hatten seit April 1995 eine Vielzahl von Toten und Verletzten zur Folge. Dem UNHCR (23.07.1996, S. 2) zufolge führten die verstärkten Kämpfe zwischen Regierungstruppen und der LTTE nicht zu einer Verschlechterung der Menschenrechtssituation in den von der Regierung kontrollierten Landesteilen. Amnesty international (August 1996, S. 17) berichtet, die meisten Beobachter stimmten darin überein, dass die Sicherheitskräfte während der Operation Riviresa (einschließlich Riviresa II. und III.) keine systematischen Menschenrechtsverletzungen begangen hätten, was möglicherweise der Tatsache zuzuschreiben sei, dass während der militärischen Operation die meisten Zivilisten das Gebiet geräumt hatten. Zu zivilen Opfern kam es auch bei den Militäroffensiven "Sathy Jaya I. bis III." durch Bombardements und Granatbeschuss (Keller-Kirchhoff, 07.10.1996; Wingler, September 1996, S. 7). Die zivilen Verluste wurden auf 80 Tote geschätzt (Wingler, September 1996, S. 14, 17). Bei der Militäroffensive "Jaya Sikurui" ("Sicherer Sieg"), die am 13.05.1997 startete und der Schaffung einer Landverbindung von Vavuniya nach Jaffna diente, kam es nach singhalesischen Presseberichten offensichtlich erneut zu Bombardierungen und Artilleriebeschießungen von Ortschaften im Norden (vgl. Wingler, 10.07.1997, S. 35, 42, 43, 66 und 08.10.1997, S. 16 f.). Dabei sollen laut Wingler zahlreiche Flüchtlinge getötet worden sein. Zugleich weist er darauf hin, dass durch das veränderte Fluchtverhalten und das weitere Hinterland für eine Flucht bei den letzten Militäroperationen auf dem Festland im Norden weniger zivile Opfer zu beklagen gewesen seien als 1995 bei der Eroberung von Jaffna (Wingler, 10.07.1997, S. 43). Insgesamt kann indessen nicht festgestellt werden, dass sich die verschiedenen Offensiven der srilankischen Armee über eine militärische Prägung mit dem Ziel der Rückeroberung der von der LTTE auf der Halbinsel Jaffna und dem vorgelagerten Festland beherrschten Gebiete und der Zerschlagung der LTTE bzw. zumindest einer Beendigung der militärischen und politischen Dominanz der LTTE auf der Halbinsel Jaffna hinaus zusätzlich gegen die Tamilen als Volksgruppe richteten. Dabei ist bei der Bewertung der militärischen Handlungen der Armee zu berücksichtigen, dass sich die verschiedenen Offensiven der Armee jeweils auf von der LTTE besetzte Gebiete bezogen (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 9). Zum einen fanden die Kämpfe des Jaffna-Krieges in dicht besiedelten Gebieten statt (Wingler, 01.11.1995, S. 3). Zum anderen unterhielt die LTTE in den von ihr kontrollierten Gebieten ein sehr ausgedehntes Netz mit einer nicht bekannten Anzahl einzelner militärischer Stützpunkte (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 2, 11) und mobiler Lager (AA, 16.01.1996, S. 2). Eine "punktgenaue" Bekämpfung von Zielen war der srilankischen Luftwaffe aufgrund ihres schlechten technischen Standards nicht möglich (vgl. Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 41; Wingler, 01.11.1995, S. 8). Auch Granatbeschuss konnte nicht "punktgenau" sein (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 41; Wingler, 01.11.1995, S. 4). So wurde aus Rücksicht auf die Bevölkerung auf den Einsatz von Artillerie in Wohngebieten möglichst verzichtet (AA, 17.03.1997, S. 10). Auch beim Angriff auf Kilinochchi verfolgte die Armee, wie zuvor bereits bei der Eroberung der Jaffna-Halbinsel, eine die Zivilbevölkerung schonende Strategie. Durch langsames Vorrücken bzw. entsprechendes Abwarten erhielt die Zivilbevölkerung die Möglichkeit zur Flucht (Wingler, September 1996, S. 17). Zwar finden sich teilweise Hinweise auf Luftbombardements und Artilleriebeschuss in zivilen Gebieten. Auch diese wiesen jedoch grundsätzlich einen militärischen Bezug auf. Sie gingen regelmäßig den Armee-Operationen zu Lande voraus (Wingler, 29.04.1996, S. 22 und 01.04.1997, S. 31) und richteten sich gegen von der LTTE kontrollierte Orte, die zwischenzeitlich von den Regierungstruppen wieder eingenommen wurden (AA, 17.03.1997, S. 1, 5). Soweit es nachweislich zu Luftangriffen gegen zivile Ziele gekommen ist, konnte im Übrigen häufig nicht aufgeklärt werden, ob die Übergriffe tatsächlich keinen militärischen Hintergrund hatten. Nicht geklärt ist ein Zwischenfall, bei dem am 9. Juli 1995 auf dem Gelände einer katholischen Kirche in Navali 65 (nach anderen Berichten 130) Menschen getötet wurden. Zunächst war berichtet worden, der Pilot habe das Kirchengelände direkt bombardiert (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 4). Die von der Regierung eingesetzte Untersuchungskommission kam zu dem Ergebnis, dass in der Nähe abgeworfene Bomben Explosionen in Munitionslagern der LTTE auf dem Gelände ausgelöst hatten (AA, 12.10.1995, S. 6 und 17.03.1997, S. 11). Selbst wenn es sich in Einzelfällen tatsächlich um gezielte Angriffe einzelner Armeeangehöriger auf zivile Ziele gehandelt haben sollte, so wären diese als Exzesstaten zu qualifizieren, die nicht die Kriegsführung der srilankischen Armee charakterisieren und dem Staat zugerechnet werden könnten. Die srilankische Regierung hat wiederholt betont, dass der Kampf sich nicht gegen die tamilische Bevölkerung, sondern ausschließlich gegen die LTTE richte. Sie hat die Sicherheitskräfte angewiesen, die Verluste unter der Zivilbevölkerung möglichst gering zu halten. Auch waren die schwerwiegenden Angriffe auf zivile Ziele eher Einzelfälle und zivile Opfer sind bei den verschiedenen militärischen Offensiven insgesamt verhältnismäßig gering geblieben. Sowohl bei der Rückeroberung von Jaffna als auch von Kilinochchi kam es im Vergleich zu den Verlusten des Militärs und der LTTE-Kämpfer zu wesentlich geringeren Opfern unter der Zivilbevölkerung. Insgesamt liegt nach Angaben des Auswärtigen Amtes (AA, 17.03.1997, S. 10) die Zahl der getöteten oder verletzten Zivilisten bei schätzungsweise 900. Nach offiziellen Angaben kam es bei der Operation Riviresa in der Zeit vom 17. Oktober bis zum 25. November 1995 zu 1.600 Toten und 3.750 Verwundeten auf Seiten der LTTE sowie 1.014 Toten und 332 Verletzten auf Seiten der Regierungssoldaten. Zivile Opfer wurden nicht genannt (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 14). Die Menschenrechtsorganisation "University Teachers for Human Rights" (UTHR) gibt für den Zeitraum vom 4. bis 30. Oktober 1995 104 getötete und 194 verletzte Zivilisten an (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 12). Offiziellen Berichten zufolge hat die Offensive zur Eroberung Kilinochchis 1.254 LTTE-Kämpfern, 260 Soldaten und 10 Zivilisten das Leben gekostet. Weiter spricht die Relation der zivilen Opfer zur Gesamtbevölkerung der Jaffna-Halbinsel gegen ein auf physische Vernichtung der Tamilen gerichtetes Vorgehen der Sicherheitskräfte oder gar ein staatliches Verfolgungsprogramm. Die Gesamtbevölkerung betrug allein auf der Jaffna-Halbinsel aufgrund von im Jahre 1994 erhobenen Daten insgesamt 728.393 (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 15). Bei dieser Bevölkerungszahl handelt es sich um Tamilen, da die Angehörigen der anderen Bevölkerungsgruppen von der LTTE vertrieben worden waren (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 2). Das IKRK weist darauf hin, dass die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung geringer sei als in anderen Ländern unter vergleichbaren Bedingungen (AA, 21.01.1999, S. 2).

Auch die während der militärischen Offensiven auftretenden großen Fluchtbewegungen der tamilischen Zivilbevölkerung sprechen nicht dafür, dass die Aktionen der Sicherheitskräfte objektiv auf eine Vertreibung der Tamilen aus den ehemaligen bzw. noch existierenden LTTE-Gebieten und das Abdrängen in eine ausweglose Lage gerichtet sind. Die Flucht ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die LTTE die bisher unter ihrem Regime auf der Jaffna-Halbinsel lebenden Zivilisten gezwungen hatte, die Stadt Jaffna sowie andere Kampfgebiete zu verlassen (AA, 01.03.1996, S. 2, 30.08.1996, S. 5 und 17.03.1997, S. 10). Auch ohne den Druck der LTTE ist ein Teil der Bevölkerung vor den kriegerischen Auseinandersetzungen aus den bisher von ihnen bewohnten Gebieten in andere Regionen der Jaffna-Halbinsel oder auf das Festland geflüchtet. Nach Einnahme der Jaffna-Halbinsel durch die Regierungstruppen sind aber Hunderttausende in ihre angestammten Wohngebiete zurückgekehrt (AA, 30.08.1996, S. 8), davon nach Jaffna Zehntausende allein im ersten Halbjahr 1997 (AA, 02.10.1997). Auch 1998 und 1999 war Jaffna Ziel zehntausender freiwilliger tamilischer Rückkehrer. Auf der Jaffna-Halbinsel sind zahlreiche internationale Hilfsorganisationen tätig (u. a. UNDP, UNHCR, UNICEF, USAID, GTZ). Die Regierung hat mit Nachdruck die Wiedereinsetzung einer Zivilverwaltung betrieben. Schulen, Banken, Geschäfte und Tankstellen wurden wieder in Betrieb genommen. Weiter registrierte die Regierung Kriegsschäden an Häusern und Unterkünften als Grundlage für Reparaturdarlehen (AA, 02.09.1996, S. 2 und 02.10.1997). Insofern kann Winglers Einschätzung (01.04.1997, S. 30 f.) nicht überzeugen, die Militäroperationen zielten auf Flüchtlingselend und eine Zerstörung des tamilischen Lebensraums. Dasselbe gilt für den nicht hinreichend belegten Vorwurf, die Armee habe die Flüchtlinge als "menschliche Schutzschilde" gegen die LTTE missbraucht (Wingler, 27.11.1996, S. 7). Dass dies von Seiten der Regierungstruppen in größerem Umfang oder gar regelmäßig geschah, kann nicht angenommen werden, wenngleich einzelne solcher Vorkommnisse nicht auszuschließen sind (AA, 21.09.1999). Auch der Vorwurf, vor Angriffen werde vorsätzlich Panik, Chaos und Wirrwarr unter den Flüchtlingen und Vertriebenen verursacht, um in dem Durcheinander koordinierte Abwehraktionen der LTTE zu verhindern (Wingler, 01.04.1997, S. 31), ist nicht belegt. Für die Politik der Regierung ist vielmehr bezeichnend, dass sie den Versorgungs- und Nahrungsmangel im Norden des Landes entgegenwirkt, indem sie mit Hilfe des IKRK sowie anderer Hilfsorganisationen und mitunter unter großen Schwierigkeiten die Zivilbevölkerung in den von der LTTE beherrschten Gebieten mit Lebensmitteln und anderen Hilfsgütern versorgt, obwohl die LTTE regelmäßig einen großen Teil der Lieferungen zur Versorgung der eigenen Mitglieder abzweigt (AA, 17.03.1997, S. 10). Auch der UNHCR (März 1997, S. 20 f.) beschreibt Mängel in der Versorgung, nicht aber Hungersnöte. Keller-Kirchhoff (04.01.1996, S. 49) bezeichnet die Versorgungslage im Norden zwar als schlecht, wobei unklar sei, ob Behinderungen von Lebensmitteltransporten immer nur auf eigenwilliges Verhalten und willkürliche Entscheidungen der Streitkräfte zurückzuführen seien. Er weist aber auch darauf hin, dass objektiv gesehen die Versorgung der Flüchtlinge gerade nach großen Flüchtlingswellen schwierig, kostenintensiv und mit großen logistischen und Sicherheitsproblemen verbunden sei (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 46 f.; UNHCR, März 1997, S. 20).

Weite Teile der Distrikte Mullaittivu, Kilinochchi und zu einem geringen Teil auch noch Vavuniya und Mannar ("Vanni-Region") werden nach wie vor von der LTTE kontrolliert. Die LTTE konnte im November 1999 erhebliche zusätzliche Geländegewinne erzielen. Danach erstreckt sich das kontrollierte Gebiet östlich und westlich der Straßenverbindung von Vavuniya nach Jaffna bis zur Küste, und zwar auf Höhe eines 18 km breiten Streifens von Vavuniya bis nach Kilinochchi. Auch in diesen Gebieten findet eine gruppengerichtete politische Verfolgung auch dann nicht statt, wenn neuere Angaben zutreffen sollten, dass seit Juni 1998 keine Nahrungsmittel mehr in die von der LTTE kontrollierten Gebiete geliefert bzw. von den Regierungsstellen dort verteilt werden (Wingler, 30.09.1998). Politische Verfolgung ist nämlich grundsätzlich staatliche Verfolgung (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/96 u. a. -, BVerfGE 80, 315), d. h. der Verfolger muss die effektive Gebietsgewalt eines Staates im Sinne wirksamer hoheitlicher Überlegenheit besitzen. Die Möglichkeit, politisch zu verfolgen, ist nicht gegeben, solange der Staat bei offenem Bürgerkrieg im umkämpften Gebiet faktisch nur noch die Rolle einer militärisch kämpfenden Bürgerkriegspartei einnimmt, als übergreifende effektive Ordnungsmacht also nicht mehr existiert (BVerfG, a. a. O.). Eine übergreifende effektive Ordnungsmacht des srilankischen Staates besteht aber schon seit Jahren nicht mehr in den so genannten "uncleared areas", d. h. in den von der LTTE, kontrollierten Gebieten insbesondere der Vanni-Region. Dass die Gebietsgewalt des srilankischen Staates auch nicht in bestimmten Gebietsteilen auf einer staatsähnlichen, organisierten, effektiven und stabilisierten Herrschaftsmacht beruht, zeigte sich u. a. daran, dass die Stadt Kilinochchi zum zweiten Mal an die LTTE verloren gegangen ist. In einer solchen Situation kann politische Verfolgung nur vorliegen, wenn der Kampf der staatlichen Kräfte auf die physische Vernichtung von auf der Gegenseite stehenden oder ihr zugerechneten und nach asylrechtlichen Merkmalen bestimmten Personen gerichtet ist (BVerfG, a. a. O.). Davon kann aber nicht gesprochen werden, wenn der Staat - wie hier - humanitäre Hilfslieferungen in das vom Gegner beherrschte Gebiet unterlässt, nachdem die LTTE-Armee einen erheblichen Teil dieser Lieferungen für sich abgezweigt hat und "nach Darstellung der Regierung eine künstliche Nahrungsmittelknappheit erzeugt und Lieferungen von Regierungsgütern gehortet hat, um die Regierung zu diskriminieren" (Wingler, 10.07.1997, S. 43). Solche Maßnahmen des srilankischen Staates können nicht einer gezielten physischen Vernichtung oder Zerstörung der ethnischen, kulturellen oder religiösen Identität des gesamten aufständischen Bevölkerungsteils gleichgesetzt werden.

Schließlich bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass gegen tamilische Volkszugehörige ein staatliches Verfolgungsprogramm besteht. Im Gegenteil unterscheidet die srilankische Regierung streng zwischen der LTTE einerseits und der tamilischen Zivilbevölkerung andererseits. Auch ihre so genannte "Hearts- and Minds-Policy" ("Herz- und Kopf-Politik") zielt in der Gesamtheit ihrer Maßnahmen darauf ab, das Vertrauen der tamilischen Zivilbevölkerung gerade im Norden und Osten zu gewinnen (AA, 14.09.1998, S. 2 f.). Auch nach Rückeroberung der Jaffna-Halbinsel waren Tamilen, die Hilfsdienste für die LTTE erbracht hatten, keinen groß angelegten Strafverfolgungsmaßnahmen unterworfen, obwohl davon ausgegangen werden konnte, dass zeitweise ein großer Teil der dortigen tamilischen Bevölkerung die LTTE nicht nur gezwungenermaßen unterstützt hatte (AA, 04.11.1999; Keller-Kirchhoff, 23.07.1998 und 24.07.1998, spricht dagegen von der Festnahme tausender Personen). Die srilankische Regierung ist nach Auskunft des Auswärtigen Amtes auch bekannt, dass gerade Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in den von der LTTE kontrollierten bzw. infiltrierten "uncleared areas" der Vanni-Region massiven Indoktrinationen und Rekrutierungs-Kampagnen der LTTE ausgesetzt sind und die Bevölkerung wohl oder übel die LTTE unterstützt bzw. sich für den bewaffneten Kampf rekrutieren lässt. Aus diesen Gründen wird den Strafverfolgungsbehörden hinsichtlich der Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen nach dem PTA und den ER ein weites Ermessen eingeräumt (AA, 13.01.2000, S. 2). Selbst ehemalige LTTE-Kader unterer Ränge, die sich später auf Dauer ins Privatleben zurückgezogen haben, müssen heute in aller Regel nicht mit Strafverfolgung rechnen, wenn sie sich zu ihrer Vergangenheit bekennen (AA, 13.01.2000, S. 2).

Die Ereignisse aus jüngster Zeit, insbesondere die in der Presse berichteten militärischen Erfolge der LTTE in der Vanni-Region, geben nichts Greifbares dafür her, dass sich die Situation zu Lasten der tamilischen Bevölkerung in asylrelevanter Weise verschärfen könnte. Zwar haben diese Ereignisse unter anderem zu vermehrten Razzien und zu Festnahmewellen im Großraum Colombo geführt. Für die Annahme, dass die gegenwärtige Entwicklung auch zu durchgreifend anderen Reaktionen der Sicherheitskräfte in den umkämpften Gebieten führen könnte als in der Vergangenheit, spricht angesichts der Vergleichbarkeit der Lage mit seinerzeitigen Rückschlägen für die Regierungstruppen auf der Jaffna-Halbinsel nichts.

Nach alledem kann eine regionale Gruppenverfolgung der Tamilen wegen ihrer Volkszugehörigkeit im Norden Sri Lankas nicht festgestellt werden.

Auch aus individuellen Gründen droht dem Kläger im Falle seiner Rückkehr in den Norden Sri Lankas nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Er hat neben seiner Volkszugehörigkeit keine asylerheblichen Merkmale geltend gemacht, derentwegen die Wahrscheinlichkeit besteht, dass ihm nach seiner Rückkehr eine längere Inhaftierung und Folter drohen. Dass er nach seinen Angaben vor seiner Ausreise Opfer von Bürgerkriegsfolgen wurde, ergibt kein asylerhebliches Merkmal. Nach seinen Angaben hat er sich in Sri Lanka nicht politisch betätigt und gehört auch keiner Partei und Organisation an.

b) Auch in den von der LTTE beherrschten Gebieten des Ostens von Sri Lanka droht dem Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen seiner tamilischen Volkszugehörigkeit politische Verfolgung. Die LTTE hat im Osten ihren Einflussbereich ausgeweitet (Wingler, 01.04.1997, S. 53) und hat versucht dort eine Verwaltungsstruktur aufzubauen (Keller-Kirchhoff vom 04.01.1996, S. 32). Der srilankische Staat besitzt zwar die Gebietsgewalt über die größten Orte Batticaloa, Trincomalee und Ampara und die zu ihnen führenden Hauptstraßen, jedoch beherrscht die LTTE die dazwischen gelegenen, teilweise dschungelartigen Gebiete. Die LTTE verstärkte ihre Guerilla-Aktivitäten, indem sie überraschend Polizeistationen, Militärstützpunkte und singhalesische Dörfer überfiel (so genannte "hit and run"-Aktionen), wobei sie schwere Menschenrechtsverletzungen beging (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 34).

Zwar schließen die Militäroperationen nach den Erkenntnissen des UN-Sonderberichterstatters auch "indiscriminate (wahllose) bombings" von zivilen Zielen ein (UN-Sonderberichterstatter, 12.03.1998, Nr. 46), doch machen die wiedergegebenen Zahlen der zu beklagenden Opfer (37 Tote und 30 Verwundete) deutlich, dass von einem systematisch betriebenen militärischen Gegenterror nicht gesprochen werden kann. Das Auswärtige Amt (31.07.1998) hat darauf hingewiesen, dass vor größeren Operationen der Sicherheitskräfte die Zivilbevölkerung regelmäßig gewarnt und darauf hingewiesen wird, die entsprechenden Operationsgebiete zu verlassen bzw. zu meiden. Im Rahmen der "Hearts- and Minds-Policy" der srilankischen Regierung, die darauf gerichtet sei, gerade die tamilische Zivilbevölkerung wieder für ihre Politik zu gewinnen, sei die Regierung bei ihrem Vorgehen gegen die LTTE darum bemüht, die Zivilbevölkerung möglichst wenig zu behelligen. Auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz habe darauf hingewiesen, dass - verglichen mit ähnlichen Konflikten in anderen Ländern - die Zivilbevölkerung in den betroffenen Gebieten Sri Lankas in geringerem Ausmaß betroffen sei. Zwar sind häufig Vergeltungsaktionen der Sicherheitskräfte nach Angriffen der LTTE zu verzeichnen (AA, 30.08.1996, S. 9; Wingler, 08.10.1997, S. 23), auch Fälle von "Verschwindenlassen" (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 70 f.; EU, 02.04.1997, S. 12; a. i. November 1997, S. 2; Wingler, 08.10.1997, S. 26; UNHCR, Juli 1998, S. 4), außergesetzlicher Tötungen (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 18 f.; AA, 30.08.1996, S. 9; UNHCR, Juli 1998, S. 9; Wingler, 31.05.1998, S. 43), Übergriffe gegen Frauen (EU, 02.04.1997, S. 12) und Plünderungen (Wingler, 08.10.1997, S. 24). Solche Vorfälle erreichen aber nicht eine solche Dichte, dass bei objektiver Betrachtung für jeden Tamilen die aktuelle Gefahr einer Betroffenheit entsteht, die für ihn ein Verbleiben dort oder eine Rückkehr dorthin unzumutbar erscheinen lässt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der letzten Volkszählung 1981 im Osten Sri Lankas knapp 400.000 Tamilen lebten (Keller, Mai 1990, S. 12). Diese Zahl dürfte heute angesichts der Bevölkerungsentwicklung eines jährlichen Bevölkerungswachstums von 1,3 % auch angesichts der Bevölkerungswanderungen nicht wesentlich unterschritten sein. Allein in den Städten Batticaloa und Trincomalee leben ca. 100.000 Menschen, überwiegend Tamilen. Dass die "Menschenrechtsverletzungen so zahlreich, häufig und schwerwiegend sind, dass auch nicht von isolierten Einzelfällen gesprochen werden könne" (UNHCR, Juli 1998 unter Bezugnahme auf UN-Sonderberichterstatter, Nr. 151), sondern von einem allgegenwärtigen Element des täglichen Lebens (UN-Sonderberichterstatter, Nr. 154), wird weder von dem UNHCR noch von dem UN-Sonderberichterstatter ausreichend belegt. An anderer Stelle beklagt der UNHCR (Juli 1998, S. 4) lediglich, die Zahl der Sicherheitsvorfälle, willkürlichen Verhaftungen und Kurzzeitinhaftierungen habe im Osten zugenommen. Auch sind nicht alle Vorkommnisse leicht aufzuklären. So berichtet die UTHR, dass Anfang Februar 1998 betrunkene Polizisten acht tamilische Zivilisten in einem Dorf bei Trincomalee ermordet hätten. Dagegen behauptet die Polizeibehörde, es handele sich bei den Toten um Teilnehmer eines LTTE-Angriffs auf eine Polizeistation (AA, 06.04.1998, S. 13). Auch im Übrigen ist die Annahme nicht gerechtfertigt, Tamilen seien Übergriffen der Sicherheitskräfte völlig hilflos ausgesetzt und fänden nirgendwo Gehör. So hat die NHRC im Osten des Landes weitere Büros u. a. in Trincomalee und Batticaloa also auch in dem Ort, von dem neuere Fälle von Verschwindenlassen gemeldet werden, eingerichtet (UNHCR, Juli 1998). Dass die Übergriffe der Sicherheitskräfte nicht regelmäßig sanktionslos bleiben, zeigen die staatlichen Reaktionen auf Vorfälle vom 23. September 1997 im Raum Ampara (Wingler, 08.10.1997, S. 23) und nicht zuletzt die Verurteilung der Mörder von Krishanti Kumaraswamy u. a. (Inform, Juli 1998, S. 10). In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass in den Medien ausgiebig von den Übergriffen berichtet wird und Politiker Vorfälle aufgreifen sowie zum Gegenstand von Protesten machen (Wingler, 08.10.1997, S. 23).

Aus Übergriffen und Vergeltungsaktionen gegen die tamilische Zivilbevölkerung und vermeintliche LTTE-Angehörige nach Angriffen der LTTE ergibt sich zwar eine Gefährdung der in den Kriegsgebieten lebenden Bevölkerung. Sie führt aber nicht zur Annahme einer Gruppenverfolgung der Tamilen insgesamt in diesem Gebiet, zumal eine Situation, bei der praktisch nach jedem Angriff der LTTE mit Übergriffen der Sicherheitskräfte zu rechnen ist, nicht festzustellen ist. Dies zeigt ein Vergleich der Vergeltungsschläge der Sicherheitskräfte mit den Übergriffen der LTTE, die sehr hohe Opfer unter den Soldaten und Polizisten forderten (allein im Januar 1997 betrug sie über 200, Wingler, 10.02.1997, S. 18) und die fast täglich vorkommen (EU, 02.04.1997, S. 4). Die Vergeltungsaktionen und sonstigen Übergriffe lassen insgesamt auch nicht den Schluss zu, die srilankischen Sicherheitskräfte seien zu asylrechtlich relevantem Gegenterror übergegangen. Vielmehr handelt es sich um Vorfälle, die - wie auf der Jaffna-Halbinsel - als Exzesstaten Einzelner zu qualifizieren sind, die von der Regierung weder gebilligt, noch tatenlos hingenommen werden. So fand im Februar 1996 in dem Dorf Kumarapuram als Vergeltung für einen LTTE-Anschlag ein Massaker an den Einwohnern statt. Dabei wurden 25 Zivilisten (darunter 13 Kinder und auch Frauen) getötet. Keller-Kirchhoff (20.03.1996, S. 4) zufolge war dies der bisher schlimmste Vorfall. Zunächst wurde eine Untersuchung auf militärischer Ebene eingeleitet. Nach Protesten der tamilischen Parteien fand auch eine zivile Untersuchung statt. Acht verdächtige Militärangehörige sowie 16 Mitglieder einer bewaffneten tamilischen Freiwilligengruppe wurden inzwischen inhaftiert (EU-Bericht, 02.04.1997, S. 14). Auch im Februar 1997 kam es im Gebiet von Batticaloa nach der Ermordung eines Angehörigen der moslemischen Minderheit durch die LTTE zu gegenseitigen Vergeltungsaktionen zwischen Moslems und Tamilen mit insgesamt 8 Todesopfern. Hier konnte das IKRK durch Vermittlung zur Entspannung der Situation beitragen. Aus diesen Vorfällen kann nicht geschlossen werden, dass die Politik der Regierung gegenüber Tamilen im Osten des Landes eine andere Zielrichtung als im Norden des Landes hat. Auch hier kann nicht davon ausgegangen werden, die Regierung lasse die Situation gewollt unkontrolliert und dulde bewusst die Beeinträchtigung der Tamilen, etwa um diese als Bevölkerungsgruppe ungeachtet einer etwaigen sicherheitsrelevanten Verbindung zur LTTE auszugrenzen.

c) Dem Kläger droht bei seiner Rückkehr nach Sri Lanka auch im Süden und Westen, insbesondere im Großraum Colombo, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. In diesem Landesteil finden zwar keine militärischen Auseinandersetzungen zwischen Armee und LTTE statt. Es werden aber von der LTTE in unregelmäßigen Abständen Terroranschläge verübt, auf die staatliche Stellen mit verschärften Sicherheitsmaßnahmen reagieren. Trotz dieser Maßnahmen ist im gegenwärtigen Zeitpunkt sowie für die nahe Zukunft zugrunde zu legen, dass grundsätzlich einem tamilischen Volkszugehörigen im Großraum Colombo aus ethnischen Gründen weder mittelbare noch unmittelbare staatliche Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (insoweit übereinstimmend auch für die jungen männlichen Tamilen im Alter zwischen 14 und 35 Jahren: OVG Niedersachsen, Urteil vom 22.02.1996 - 12 L 7721/95 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.06.1996 - 21 A 5046/94.A -; so auch OVG Berlin, Beschluss vom 28.10.1999 - OVG 3 B 20.95 -; Bay. VGH, Urteil vom 25.03.1996 - 20 BA 95.30359 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 30.08.1995 - 11 A 12025/95 -: allerdings eingeschränkt auf Tamilen, die im Familienverband nach Sri Lanka zurückkehren; vom 12.06.1996 - 11 A 11369/96 -: alleinstehenden Tamilinnen, die aus Deutschland nach Sri Lanka zurückkehren, stehe im Großraum Colombo eine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung - und vom 19.03.1997 - 11 A 10298/97 -: ohne die vorgenannten Einschränkungen; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 26.05.1998 - 21 A 571/96.A -und vom 17.12.1999 - 21 A 3979/96.A -: die reale Möglichkeit vor politischer Verfolgung könne für junge tamilische Männer nicht ausgeschlossen werden, ohne dass sich diese Möglichkeit allerdings zur beachtlichen Wahrscheinlichkeit verdichtet; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.03.1998 - A 16 S 60/97 -).

Im Großraum Colombo (das Gebiet, das nördlich durch die Stadt Negombo, südlich durch die Stadt Kalutara und östlich durch die Stadtgrenze Colombos begrenzt wird) finden aufgrund der angespannten Sicherheitslage routinemäßige Sicherheitsüberprüfungen ("cordon and search operations", "screenings") sowie anlassbezogen groß angelegte Razzien ("round ups") insbesondere nach Bombenanschlägen, vor befürchteten Bombenanschlägen bzw. wenn die Befürchtung besteht, dass die LTTE-Selbstmordtrupps einschleust worden sind (EU, 11.11.1997, S. 36), statt. Personen, die aus dem Norden nach Colombo übersiedeln wollen, werden vorher sorgfältig kontrolliert und auf eventuelle Verdachtsmomente hinsichtlich strafbarer Handlungen für die LTTE überprüft. Strengere Sicherheitsprüfungen finden vor allem bei Personen statt, die aus den so genannten "uncleared areas" der Vanni-Region in die von den Regierungstruppen kontrollierten Gebiete überwechseln bzw. auf dem Luft- oder Seeweg aus Jaffna in Richtung Süden reisen. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes betreffen die Sicherheitskontrollen hauptsächlich die 15- bis 30-jährigen Tamilen beiderlei Geschlechts, da die LTTE diesen Personenkreis für Terroranschläge rekrutiere. Ältere Männer dagegen seien unverdächtig (AA, 06.04.1998, S. 3). Keller-Kirchhoff (04.01.1996, S. 54 und 13.05.1996, S. 3) veranschlagt den betroffenen Personenkreis auf Tamilen im Alter von ca. 15 bis 40 Jahren. So verhafteten die Sicherheitskräfte nach dem Anschlag auf das World Trade Center in Colombo im Oktober 1997 965 Tamilen, von denen etwa 50 bis auf weiteres in Untersuchungshaft blieben (a. i., Jahresbericht 1998, S. 510). Wingler zufolge wurden Ende März/Anfang April 1998 ca. 5.000 Tamilen aller Altersstufen und Schichten festgenommen und verhört, obwohl die meisten die erforderlichen Papiere vorweisen konnten (Wingler, 31.05.1998, S. 33). "Nach Angaben" seien etwa 1.000 tamilische Jugendliche festgenommen worden. Weit über 100 zumeist jüngere Tamilen seien als angebliche LTTE-Kader ausgesiebt und in Langzeithaft genommen worden. Da Unterstützer und Mitglieder der LTTE vornehmlich unter der tamilischen Bevölkerungsgruppe vermutet werden, können derartige Maßnahmen gerade in Stadtteilen mit einem hohen tamilischen Bevölkerungsanteil (Kotahena, Welawatte, Grandpass, Pettah und Hulftsdorp) beobachtet werden (AA, 31.08.1998).

Auch in den letzten Monaten führte eine Reihe schwerer, der LTTE zugerechneter Attentate in Colombo (u. a. Anschlag auf die Präsidentin und auf eine parallele Wahlkampfveranstaltung der UNP am 18.12.1999, Anschlag vor dem Amtssitz der Premierministerin am 06.01.2000, vereitelter Anschlag auf der Parlamentsstraße in Colombo am 10.03.2000) sowie die Offensiven der LTTE auf Gebiete im Vanni und das Gebiet um den Elephant Pass zur Verschlechterung der Sicherheitslage für die gesamte Bevölkerung in der Hauptstadt und zu verstärkten Personen- und Verkehrskontrollen, insbesondere in überwiegend tamilisch besiedelten Gebieten Colombos und in den benachbarten Vororten (Keller-Kirchhoff, 18.02.2000). Anfang Januar 2000 wurden bei Razzien, die mit kurzfristig angesetzten Ausgangssperren verbunden waren, mehrere tausend Personen (Keller-Kirchhoff, 03.02.2000) und bei einem "round-up" am 29./30. Januar 2000 in den Gebieten Wattala, Jaela, Negombo und Katana (nördlich von Colombo) insgesamt 1.736 Tamilen festgenommen (Keller-Kirchhoff, 18.02.2000).

Die bei den genannten Kontrollen und Razzien vorläufig Festgenommenen müssen zunächst ihre Identität nachweisen, wofür ein gültiger Personalausweis ("identity card") und eine Meldebestätigung ("householder registration") nötig ist (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 67). Kann sich die überprüfte Person nicht ausweisen, so wird sie regelmäßig in Polizeigewahrsam genommen und verhört, bis ihre Identität feststeht (Keller-Kirchhoff, 20.03.1996, S. 8). Neben dem Nachweis ihrer Identität müssen die vorläufig Festgenommenen widerspruchsfreie und zufriedenstellende Erklärungen über den Zweck ihres Aufenthalts im Großraum Colombo geben (Keller-Kirchhoff, 08.12.1998, S. 4 f.; UNHCR, 23.07.1996, S. 3). Gegen den Verdacht einer LTTE-Unterstützung sprechen dabei nach Auffassung der Sicherheitsbehörden außer dem Besitz von Personalpapieren ein langjähriger Wohnsitz am Ort der Kontrolle, eine gesicherte familiäre und wirtschaftliche Existenz, eine feste Arbeitsstelle oder ein sonstiger plausibler Grund ("valid reason") für den Aufenthalt (AA, 16.01.1996, S. 8 f.). Eine schnellere Haftentlassung erfolgt im Regelfall, wenn eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vorliegt, die von der Polizei beim "Criminal Investigation Department", beim "National Intelligence Bureau" oder dem "Criminal Detective Bureau" eingeholt wird (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 68). Es kommt allerdings auch zu Mehrfachverhaftungen, da die Behörden die Prüfung der Identität nicht bescheinigen (Keller-Kirchhoff, 20.03.1996, S. 8 f.; a. i., August 1996, S. 36). Nach übereinstimmenden Berichten wurden bislang im Allgemeinen 90 % der Festgenommenen innerhalb von 48 Stunden, weitere 9 % innerhalb einer Woche wieder entlassen (EU, 02.04.1997; AA, 13.01.2000, S. 2). Nach aktuellen Auskünften soll die Mehrheit der Inhaftierten aufgrund der "round-ups" seit Dezember 1999 nach 24 Stunden wieder freigelassen worden sein (Keller-Kirchhoff, 18.02.2000).

Nach den Notstandsvorschriften ("Emergency Regulations" - ER -) kann ein Angehöriger der Polizei oder der Streitkräfte einen einer schwerwiegenden Straftat Verdächtigen außerhalb des Nordens und Ostens des Landes für 48 Stunden vorläufig festnehmen. Der Festgenommene muss innerhalb von 24 Stunden der nächstgelegenen Polizeistation überstellt werden. Dies muss innerhalb von 24 Stunden dem "Superintendent of Police" des Bezirks bzw. bei militärischen Festnahmen dem befehlshabenden Offizier mitgeteilt werden. Nach Ablauf dieser Fristen kann die Inhaftierung nach den ER nur durch eine Untersuchungshaftanordnung ("Detention Order") aufrechterhalten werden, die für bis zu 60 Tage von einem hochrangigen Polizeibeamten ab dem Rang eines "Deputy Inspector General of Police" oder einem Offizier ab dem Rang eines Brigadier, Commodore usw. erlassen werden kann (AA, 06.04.1998, S. 11 und 02.12.1999, S. 5). Die Unterbringung der Inhaftierten muss an einem vom Verteidigungsministerium autorisierten Ort (derzeit 100) erfolgen, dessen Adresse im Mitteilungsblatt der Regierung veröffentlicht wird. Unterbringungen an einem nicht autorisierten Ort können mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren geahndet werden.

Bei Delikten mit terroristischem Hintergrund kann die Polizei Verdächtige nach dem PTA bis zu 72 Stunden festhalten. Danach müssen sie grundsätzlich dem zuständigen "Magistrate" (Untersuchungs- bzw. Ermittlungsrichter) vorgeführt werden, es sei denn, der Verteidigungsminister erlässt eine "Detention Order" für höchstens drei Monate, die für jeweils maximal drei Monate höchstens dreimal verlängert werden kann, wofür allerdings vom obersten Gericht ("Supreme Court") besonders hohe Anforderungen gestellt werden (AA, 02.12.1999). Wenn dies überhaupt geschieht, so werden "Detention Orders" im Großraum Colombo mittlerweile selbst bei so genannten "Hardcore Terrorists" nur noch in sehr seltenen Einzelfällen erwirkt (AA, 02.12.1999). Eine weitergehende Haft kann nur durch den Ermittlungsrichter angeordnet werden, was in der Praxis auch regelmäßig eingehalten wird (AA, 21.04.1999, S. 4).

Der NHCR sind alle Verhaftungen nach Notstandsrecht und nach den Vorschriften zur Terrorismusbekämpfung binnen 48 Stunden zu melden. Des Weiteren schreiben Anweisungen der Präsidentin der Verhaftetenstelle vor, Verwandte oder Freunde des Festgenommenen zu benachrichtigen. Inhaftierten muss außerdem Gelegenheit gegeben werden, mit Verwandten oder Freunden Kontakt aufzunehmen und sie über die Verhaftung und den Aufenthaltsort zu unterrichten (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 74). Der Zugang zu Rechtsanwälten ist in der Regel ausreichend gewährleistet. Die Aussagen der Festgenommenen werden in der Sprache ihrer Wahl aufgenommen. Zusätzlich sind besondere Maßnahmen zum Schutze von Frauen und Kindern angeordnet (Keller-Kirchhoff, 28.11.1997). Der srilankische Justizminister hat dem Einsatz von mehr Tamil sprechenden Polizisten zugestimmt, da Festnahmen auch auf Verständigungsschwierigkeiten zurückzuführen sind (AA, 21.08.1997). Schließlich hat der Generalstaatsanwalt bei den Polizeibehörden "Menschenrechtsoffiziere" eingesetzt. Ein ähnliches System soll bei der Armee installiert werden (a. i., 01.06.1999).

Die Strafverfahren aufgrund der Sondergesetze ER und PTA werden nicht vor Militärgerichten, sondern vor den, einem deutschen Landgericht vergleichbaren normalen Strafgerichten ("High Courts") zur Anklage gebracht. Die Verhandlungen sind öffentlich und werden in der Praxis von einer interessierten Öffentlichkeit rege besucht (AA, 21.04.1999, S. 3). Über 90 % der gemäß PTA/ER Angeklagten sind anwaltlich vertreten. Eine nicht geringe Anzahl von solchen Strafverfahren endet mit Freisprüchen (AA, 21.04.1999, S. 4). Selbst in Fällen, in denen gewaltsame Aktivitäten der LTTE lediglich unterstützt wurden, ist mit Ausnahme von schwerwiegenden Fällen in der Strafrechtspraxis zu beobachten, dass es zumeist zur Verhängung von Bewährungsstrafen von etwa 1 bis 2 Jahren kommt, wobei die Bewährungszeit oftmals zwischen 5 und 10 Jahren lag (AA, 06.04.1998, S. 5 und 08.12.1999). Die Strafrechtspraxis, Bewährungsstrafen auszusprechen, erfolgt entgegen dem Gesetzeswortlaut zugunsten der Betroffenen, da der PTA ausdrücklich vorsieht, keine Bewährungsstrafen zu verhängen (AA, 06.04.1998, S. 5 und 08.12.1999).Allerdings werden immer wieder Fälle bekannt, in denen sich die Sicherheitskräfte nicht an die gesetzlichen Bestimmungen halten (Keller-Kirchhoff, 20.03.1996). So wird landesweit von rund 300 Beschwerden vor dem "Anti Harassment Comittee" über Fehlverhalten von Polizisten bzw. Armeeangehörigen ausgegangen (AA, 04.02.2000, SZ). Beklagt wird die Tatsache weitgehender Straflosigkeit mit dem Hinweis darauf, dass mehrere wegen der Folterungen und Tötungen verdächtige Sicherheitsbeamte gegen Kaution wieder freigelassen und auf andere Posten versetzt worden sind (Schweizerische Flüchtlingshilfe, 13.02.1998). Trotz nicht zu leugnender Mängel ist aber zugrunde zu legen, dass die Überwachungsmechanismen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen in der Haft funktionieren. Verstöße sind weiterhin strafbewehrt und ihnen wird nachgegangen (AA, 11.07.1997; EU, 11.11.1997, S. 15). Neben den eingesetzten Kommissionen zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen gewährt die srilankische Regierung in dem Bemühen, Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden, neben dem NHRC auch dem IKRK den Zugang zu den gemäß den Sondergesetzen zur Terrorismusbekämpfung festgehaltenen Verdächtigen oder Verurteilten, um diese zu registrieren und die Haftbedingungen zu dokumentieren (AA, 05.06.1998, S. 3). Alle diese von der srilankischen Regierung geschaffenen Sicherungsmechanismen zeigen nach Auffassung des UNHCR (25.04.1997, S. 3), dass die Regierung darum bemüht ist, das Verhalten der Sicherheitskräfte zu kontrollieren und die Sicherheit der Bevölkerung zu verbessern. Bei Menschenrechtsverletzungen steht außerdem jedem Srilanker die Möglichkeit offen, im Rahmen einer "Habeas Corpus Application" oder einer "Human Rights Application" gerichtlichen Schutz vor dem "Court of Appeal" und dem "Supreme Court" zu suchen. Trotz der zu beobachtenden Fortdauer von Menschenrechtsverletzungen und der mehrfach beklagten nicht zufriedenstellenden Verfolgung solcher Straftaten kann angesichts der Vielzahl hierfür ursächlicher Gründe nicht von einem mangelnden Willen der Regierung Sri Lankas gesprochen werden, des Problems Herr zu werden, zumal auch in mehreren Fällen gegen verantwortliche Sicherheitsbeamte lang andauernde Haftstrafen bzw. auch Todesurteile verhängt worden sind (so im Fall der Schülerin Kumaraswany). Der als regierungskritisch angesehene Bischof von Jaffna hat in einem Interview vom 16.04.1997 demgemäß auch bestätigt, dass sich die Situation in Sachen Menschenrechten zum Besseren gewendet habe (AA, 06.04.1998; Keller-Kirchhoff, 11.09.1998). Wenn auch im Übrigen die Strafverfolgung von Übergriffen Angehöriger der Sicherheitskräfte unbefriedigend verläuft, so ist doch darauf hinzuweisen, dass das Strafverfahren auf britischer Rechtstradition beruht und durch eine unabhängige und selbstbewusste Justiz gekennzeichnet ist (AA, 17.03.1997, S. 2). Die lange Verfahrensdauer in Strafprozessen gegen Angehörige der Sicherheitskräfte wird von der Staatsanwaltschaft vor allem damit begründet, dass auch in diesen Fällen die allgemeine Unschuldsvermutung zugunsten der Verdächtigen bzw. Angeklagten gelte, die Regierung könne wegen der Unabhängigkeit der Justiz nur beschränkten Einfluss nehmen (AA, 17.03.1997, S. 6 f.). Eine Besonderheit des Gerichtssystems in Sri Lanka ist ferner, dass selbst bei Kapitalverbrechen von der Möglichkeit der Freilassung auf Kaution bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens Gebrauch gemacht wird, was aber nicht bedeutet, dass damit das Verfahren gegen die Beschuldigten beendet wäre (AA, 30.05.1997, S. 2 f.).

Wie oben bereits dargestellt wird im Zusammenhang mit Festnahmen und Haft berichtet, dass in Polizeistationen von den Betroffenen für die Entlassung weiterhin Lösegelder abgepresst werden (Keller-Kirchhoff, 12.03.1999, S. 5). Dabei handelt es sich aber - wenn nicht um Exzesse von Amtsträgern ohne asylrechtliche Relevanz (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.06.1995 - 9 C 294.94 -, InfAuslR 1995, 422) - um Übergriffe mit geringer Verfolgungsintensität (BVerwG, Beschluss vom 16.12.1997 - 9 B 882.97 -). Auch fehlt die asylerhebliche Gerichtetheit der Lösegelderpressung, da von einzelnen Sicherheitskräften nur eine Gelegenheit ausgenutzt wird (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.10.1996 - 21 A 3050/96 -; OVG Berlin, Beschluss vom 28.10.1999 - OVG 3 B 20.95 -; BVerwG, Urteil vom 20.06.1995 - 9 C 294.94 -, InfAuslR 1995, 442). Auch Wingler (07.08.1997, S. 5) räumt ein, dass es sich hierbei um landesübliche unpolitische Maßnahmen handele.

Am 29. August 1996 wurde die ER ergänzt. Danach soll jede Person, die sich einem Polizisten, einem Armeeangehörigen oder anderen durch Präsidialorder autorisierten Amtsträgern oder Körperschaften im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen die ER oder den PTA bzw. sonstigen einschlägigen strafrechtlichen Bestimmungen stellt, aufgefordert werden, dem Beamten oder der zuständigen Person eine schriftliche Erklärung abzugeben, wonach sie sich freiwillig ergibt. Der Betroffene wird dann einem vom Verteidigungsministerium eingerichteten "Zentrum für geschützte Unterbringung und Wiedereingliederung" ("Protective Accomodation and Rehabilitation Center") übergeben, wo ihm eine Berufs-, technische oder sonstige Ausbildung gewährt werden soll. Gerade die Rekrutierung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die zumeist aus sozial schwachen Schichten stammen, durch die LTTE in den von ihr beherrschten Gebieten wird von der Regierung als soziales Problem aufgefasst, dem sie mit Resozialisierungsmaßnahmen begegnen will (AA, 13.01.2000). In den "Rehabilitation Centers" kann der Betroffene in einer ersten Phase bis zu insgesamt 12 Monaten festgehalten werden. Eine Verlängerung von jeweils drei Monaten bis zu 12 weiteren Monaten ist möglich. Bei der Strafzumessung hat das Gericht in Betracht zu ziehen, dass sich der Betroffene freiwillig gestellt hat. Derzeit existieren zwei "Rehabilitation Centers" in Weerawila und Bindunuwewa.

Schätzungen über die Zahl der nach den Sondergesetzen zur Terrorismusbekämpfung Inhaftierten schwanken zwischen 1.000 und 2.000 Personen. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes lag die Zahl 1996 bei 500 bis 800, (AA, 30.08.1996, S. 5) und 1997 bei ca. 1.500 (AA, 17.03.1997, S. 6). Keller-Kirchhoff (24.02.1997, S. 7) berichtet, nach Informationen srilankischer Menschenrechtsorganisationen befänden sich derzeit immer zwischen 1.000 und 1.500 Tamilen und Tamilinnen in Haft. Dem Bericht der EU (02.04.1997, S. 10) zufolge hat die HRTF Ende Februar 1996 die Zahl der Inhaftierten auf 724 landesweit ohne die Häftlinge in bestimmten Militär-Camps geschätzt. Amnesty international (August 1996, S. 40) geht von insgesamt mindestens 800 aus. Wingler (01.04.1999, S. 5 f.) schätzt die Zahl der nach den Notstandsgesetzen landesweit inhaftierten verdächtigen Tamilen auf 1.000 bis 1.500. Stellt man der Zahl der für längere Zeit Inhaftierten allein die Zahl der im Großraum Colombo lebenden Tamilen gegenüber (nach Wingler etwa 340.000; dagegen nach Schätzungen des Rates der EU vom 02.04.1997 - S. 41 - etwa 400.000 tamilische Volkszugehörige, davon 150.000 aus dem Norden Zugewanderte), so ist bereits von daher der Schluss unabweisbar, dass die für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendige Dichte von Eingriffshandlungen nicht erreicht wird (siehe zur Notwendigkeit, Intensität und Anzahl aller Verfolgungshandlungen zur Größe der Gruppe in Beziehung zu setzen: BVerwG, 15.07.1994 - 9 C 158.94 -, NVwZ 1995, 175). Das gilt erst recht, wenn man auf die Tamilen in ganz Sri Lanka abstellt. Die Zahl der asylrechtlich relevanten Inhaftierungen im Großraum Colombo ist nicht so hoch, dass daraus mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsbetroffenheit des einzelnen Angehörigen des tamilischen Bevölkerungsteils folgt. An diesem Ergebnis würde sich auch dann nichts ändern, wollte man in den vorgenommenen Vergleich allein den Anteil der jungen Tamilen im Rekrutierungsalter der LTTE einstellen. Auf der Grundlage der Volkszählung von 1981 schätzt das Auswärtige Amt (10.01.1996, S. 3) den Anteil der 14 bis 40-jährigen - gemessen an der jungen Altersstruktur der srilankischen Bevölkerung - auf etwa 60 %. Verlässliche Zahlen aus neuerer Zeit stehen nicht zur Verfügung, doch dürfte sich an der Altersstruktur der srilankischen Bevölkerung und der Bewohner von Colombo - die Zuwanderer aus dem Norden eingeschlossen - nichts Wesentliches geändert haben. Dies bedeutet, dass schätzungsweise 240.000 Personen in Colombo der risikobehafteten Gruppe angehören (siehe auch OVG Thüringen, Urteil vom 17.12.1998 - 3 KO 869/96 -).

Wingler bildet nun eine weitere Untergruppe derjenigen Personen, die "in besonders hohem Maße in einer ausweglosen Lage steckt". Es handele sich um den Personenkreis der aus dem Norden oder Osten stammenden Tamilen (ca. 14 - 28 Jahre), die im Süden über keine feste Unterkunft verfügten, keine finanziellen Mittel und keine ausreichenden Legitimationspapiere für einen nicht nur vorübergehend polizeilich geduldeten Aufenthalt besäßen und keine Bezugsperson hätten und sich deshalb nicht ohne Gefahr, von der Polizei aufgegriffen zu werden, auf die Straße wagen könnten (30.09.1998, S. 2, 13). Soweit Wingler die Verfolgungsdichte dieser "zahlenmäßig nur vierstelligen Population" (Größenordnung etwa 1.000) als sehr hoch ansetzt und behauptet, die Festnahmedichte für diesen Personenkreis ("mit keinem Kainszeichen") sei bei der Aufgreifoperation am 25. Oktober 1997 nahezu 100 % gewesen, so bleibt er dafür und für die Dauer der Inhaftierung dieses Personenkreises stichhaltige Anhaltspunkte schuldig. Auch ist nicht ersichtlich, dass sich Rückkehrer nach längerem Aufenthalt in Europa - wie der Kläger - in einer vergleichbaren Gefährdungssituation befinden (siehe dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 05.02.1999 - 21 A 4118/96.A -).

Festnahmen bzw. Inhaftierungen müssen keinen asylrechtlichen Bezug haben. Bei vielen sind sie bereits darauf zurückzuführen, dass sich die Klärung der Identität verzögert (Keller-Kirchhoff, 04.01.1996 S. 75 und 20.03.1996, S. 12). Die Verhaftungen zielen in der Regel auf die Aufklärung und Verhinderung terroristischer Gewalttaten, nicht aber auf die Ausgrenzung der tamilischen Bevölkerungsgruppe. Tamilische Volkszugehörigkeit, Herkunft (aus dem Norden, Osten), Alter und gegebenenfalls Geschlecht sind Anknüpfungspunkte für die Durchführung von Razzien, Durchsuchungen und kurzfristigen Verhaftungen. Diese Kriterien sind für die "Überprüfungsverhaftungen" ("erster Zugriff") bestimmend, doch ist regelmäßig nicht von einer Schikane um ihrer selbst willen und mit Zielrichtung auf eine Bevölkerungsgruppe als solche auszugehen. Bei Personen, die zur Überprüfung mit zur Wache genommen werden, werden regelmäßig die Personalien mit den inzwischen größtenteils computergestützten Registern der Sicherheitsdienste abgeglichen. Wenn sich hieraus keine neuen Verdachtsmomente ergeben, erfolgt in der Praxis regelmäßig die Freilassung der Betroffenen. Im Rahmen der Überprüfungen kommt es auch zur erkennungsdienstlichen Behandlung, zum Fotografieren und Filmen sowie zur Identifizierung durch Angehörige von mit den Sicherheitskräften kooperierenden Tamilenorganisationen (Keller-Kirchhoff, 18.02.2000). Besonders verdächtig sind die jungen ledigen Tamilen im Rekrutierungsalter der LTTE, die aus dem Norden stammen und erst vor kurzem nach Colombo gekommen sind, wo sie in Pensionen und kleineren Hotels wohnen (AA, 07.07.1993). Insbesondere dieses Verdachtskriterium hängt zusammen mit der Strategie der LTTE des kalkulierten Einsatzes von Mord und Selbstmord. Dies erklärt, dass am ehesten junge Männer aus dem Norden aufgegriffen und genauer auf ihre Identität überprüft werden, bei denen nicht ausgeschlossen ist, dass sie, da sie keine Verantwortung für eine Familie tragen, auch bereit sind, bei Anschlägen das eigene Leben zu opfern. Die Personenkontrollen finden gerade in vornehmlich von Tamilen bewohnten Stadtteilen statt, denn dort halten sich erfahrungsgemäß auch LTTE-Infiltranten auf (AA, 31.08.1998). In den "Lodges" dieser Stadtteile wurden schon LTTE-Attentäter kurze Zeit vor den Anschlägen festgenommen und zur Identitätsfeststellung in Polizeigewahrsam genommen, dann wieder freigelassen, da sich die vermutete LTTE-Unterstützung nicht nachweisen ließ (AA, 25.01.2000, S. 2). Die billigen "Lodges" sind nach den Erkenntnissen der Polizei von Colombo auch bekannt für andere Straftaten wie Drogenhandel, Prostitution, Hehlerei usw. (AA, 31.08.1998), so dass die Grenze zwischen Terrorismusbekämpfung und allgemeiner Verbrechensbekämpfung fließend ist. Auch soweit es zu großflächigen Verhaftungswellen kommt, liegen keine Erkenntnisse dafür vor, dass diese nicht anlassbezogen lediglich Ermittlungszwecken und Identitätsfeststellungen dienen oder die Sicherheitskräfte übermäßig reagieren. So berichtet Keller-Kirchhoff (18.02.2000), dass seit den Offensiven der LTTE im Vanni-Gebiet und dem Bombenattentat auf die Präsidentin am 18. Dezember 1999 größere Razzien im Großraum Colombo und den angrenzenden Gebieten (Gompaha-Distrikt) durchgeführt wurden und dabei schätzungsweise bis zehntausend Tamilen vorübergehend festgenommen worden seien. Es könne aber davon ausgegangen werden, dass die Mehrheit der Inhaftierten nach 24 Stunden wieder freigelassen wurde.

Die Kontrollen und Festnahmen einzelner Personen bezwecken nicht die Schlechterstellung tamilischer Volkszugehöriger als solche, sondern dienen der Aufklärung der LTTE-Verbindungen und zur Verhinderung weiterer terroristischer Straftaten (AA, 15.04.1999, S. 2). Es kann auch nicht davon gesprochen werden, dass der Ausnahmezustand und das Notstandsrecht der Repression gegenüber der gesamten tamilischen Bevölkerung dienten sowie willkürliche Verhaftungen und Massenfestnahmen an der Tagesordnung seien (so Schweizerische Flüchtlingshilfe, 31.05.1999, S. 5 und 8). Dabei darf bei der Frage, was dem Einzelnen unter asylrechtlichen Gesichtspunkten noch zumutbar ist, die ständige Bedrohung des Großraums Colombo durch LTTE-Sprengstoffattentate nicht außer Betracht bleiben.

Soweit es zu längerfristigen Inhaftierungen kommt, beruht dies in erster Linie darauf, dass Identität und Lebensumstände der Betroffenen nicht schneller geklärt werden können und daher der Verdacht einer Tätigkeit für die LTTE nicht ausgeräumt ist. Zu längerfristiger Haft kommt es darüber hinaus, wenn die Polizei aufgrund der Gesamtumstände der festen Überzeugung ist, dass ein Verdächtiger in terroristische Aktivitäten der LTTE verwickelt ist bzw. als Unterstützer oder Mitwisser daran Mitverantwortung trägt, d. h. eine Straftat entsprechend der Sondergesetze zur Terrorismusbekämpfung begangen hat. Die staatlichen Maßnahmen beziehen sich demnach nicht auf die asylrelevanten Merkmale Volkszugehörigkeit und Alter an sich. Inhaftierungen von mehr als nur kurzer Dauer erscheinen auch bereits bei geringen Verdachtsmomenten gerechtfertigt, wenn die Intensität der abzuwendenden Gefahr neuer Anschläge durch die LTTE sehr groß ist. Eine solche Gefahrenabwehr aufgrund einer konkreten Sicherheitslage ist asylrechtlich nicht erheblich. Auch die Art der Ausführung einer Vielzahl gemeingefährlicher Terroranschläge unter anderem durch Selbstmordattentäter macht es erforderlich, das mögliche Umfeld des Täterkreises zu untersuchen und bereits weit im Vorfeld Verdachtsmomenten nachzugehen, selbst wenn unbeteiligte Staatsbürger dadurch stärker in ihrer Freiheit beschränkt werden, als dies bei sonstiger Kriminalität der Fall ist.

Folterungen sind in Sri Lanka weiterhin ein Problem. Nach amnesty international (August 1996, S. 34 f.) gibt es Berichte über Folterungen aus dem Bereich der CID, des CEB (Amt für Verbrechensaufklärung) und der "Special Task Force" (Sondereinsatzgruppe der Polizei in Colombo). Seit Jahren gehörten Folterungen zu den weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka (a. i., 01.06.1999). Mit der Dauer einer Inhaftierung nehme die Gefahr der Folter zu (a. i., 01.03.1999, S. 2). Amnesty international (Juni 1999 und 01.06.1999) weist auch darauf hin, dass Sri Lanka im Mai 1998 das erste Mal vor dem Ausschuss gegen Folter, der die Beachtung der UN-Anti-Folterkonvention beaufsichtigt, erschienen ist. Die Delegation habe eingestanden, dass Folter ein Problem in Sri Lanka sei und jede Anstrengung unternommen werde, die Empfehlungen des Ausschusses umzusetzen. Auch Wingler (01.04.1999, S. 61) meint, Sicherheitskräfte würden Tamilen in Polizeistationen und Gefängnissen foltern. Keller-Kirchhoff (04.01.1996, S. 56) differenziert dahin, dass einerseits Folter in Sri Lanka nicht ausgeschlossen sei und mit der Länge der Haftzeit die Gefahr der Folter wachse, dass es aber andererseits Beweise für größere Folteraktionen nicht gebe. Das Auswärtige Amt (17.03.1997, S. 8) teilt mit, Folter habe bisher zur allgemein verbreiteten Verhörpraxis gehört und zwar unabhängig von der Abstammung der betroffenen Person und der Art des Vergehens. Demgegenüber bestehen im Falle einer kurzzeitigen Inhaftierung zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach den Erkenntnisquellen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine nicht nur theoretische Gefahr der Folter. Verhaftete Tamilen werden nach dem Bericht der EU vom 11.11.1997 (S. 36) im Allgemeinen durch Polizei und Sicherheitskräfte korrekt behandelt. Das weitgehende Fehlen von Folter wird auch von der Schweizer Flüchtlingshilfe (Bericht vom 13.02.1998) im Wesentlichen bestätigt. Wegen der Anwesenheit von Menschenrechtsgruppen scheinen Fälle von Folter in Colombo kaum noch aufzutreten (EU, 11.11.1997). Im Vergleich zu den gegenwärtig über 1.000 nach den Sondergesetzen zur Terrorismusbekämpfung inhaftierten Personen und zu den bei Razzien und Massenverhaftungen zum Teil längerfristig Festgenommenen von jährlich mehreren Tausend (a. i., 01.06.1999; Keller-Kirchhoff, 18.02.2000) können die in mehreren Erkenntnisquellen niedergelegten Fälle von Folter auch noch als vereinzelt angesehen werden. Die verfügbaren Zahlen lassen eine systematische oder regelmäßige Anwendung von Folter insbesondere auch mit Billigung höherer Beamter nicht erkennen. Die seit 1994 amtierende Regierung lässt angesichts der vielfältigen Probleme im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg weiterhin ausreichende Bemühungen erkennen, seinen internationalen Verpflichtungen zur Verhinderung und Ahndung der Folter nachzukommen. Die Regierung hat einige Schritte unternommen, die Anwendung der Folter zu unterbinden. So hat sie eindeutige Befehle erlassen, auf Gewalt bei Verhören zu verzichten. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (AA, 01.09.1996, S. 2) verhielten sich die Sicherheitsbehörden im Allgemeinen auch zurückhaltender. Verstöße kämen aber in Einzelfällen weiter vor, da die Sicherheitsbeamten mangels Ausbildung in modernen Verhörmethoden mitunter keinen anderen Weg kennen würden, zu Geständnissen zu kommen. Die Anwendung der Folter ist neben den allgemeinen Strafvorschriften auch nach den Strafvorschriften, die am 25.11.1994 zur Umsetzung der UN-Anti-Folter-Konvention in nationales Recht erlassen worden sind, strafbar. Danach ist Folter mit einer Gefängnisstrafe von nicht unter 7 und bis zu 10 Jahren und Geldstrafe von nicht unter 10.000 bis zu 50.000 Rupien zu bestrafen. Der oberste Gerichtshof hat in einer Reihe von Fällen Folteropfern eine Entschädigung zugesprochen. Die verantwortlichen Beamten müssen die Entschädigungen "selbst aufbringen" und unterliegen zusätzlich disziplinarischen Maßnahmen. Gleichwohl hat der "Supreme Court" verschiedentlich beklagt, dass er die Polizeibehörden ("Inspector General of Police") mehrmals vergeblich aufgefordert habe, gegen einzelne Beschuldigte zu ermitteln (a. i., 23.02.2000). Nach der Ratifizierung des fakultativen Zusatzprotokolls zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ist es nunmehr auch Einzelpersonen möglich, sich mit Menschenrechtsbeschwerden direkt an den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen zu wenden (UNHCR, März 1997).Unter Würdigung aller Umstände geht der Senat davon aus, dass sich die Situation zum Positiven entwickelt. Auch wenn der Regierung Sri Lankas derzeit eine Verhinderung und lückenlose Ahndung aller in ihrem Machtbereich auftretenden Vorfälle aus den unterschiedlichsten Gründen noch nicht vollständig gelungen ist, sind die nach wie vor zu beobachtenden Menschenrechtsverletzungen und Folterungen nur als Exzesshandlungen einzelner Amtsträger einzuordnen (so auch u. a. OVG Sachsen, Urteil vom 25.01.2000 - A 4 B 4114/97 -; OVG Berlin, Beschluss vom 28.10.1999 - OVG 3 B 20.95 -).

Tamilen werden als ethnische Gruppe im Großraum Colombo in Anlegung des normalen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes gegenwärtig und in naher Zukunft auch nicht mittelbar politisch verfolgt (ebenso OVG Berlin, Beschluss vom 28.10.1999- OVG 3 b 20.95 - S. 44 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.07.1998 - A 6 S 1092.98 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.05.1998 - 21 A 571.96 A -; Hess. VGH, Urteil vom 10.11.1998 - 10 UE 3035/95 -). Pogrome, wie das von 1993, als in Colombo aufgehetzte Singhalesen in tamilischen Wohnstätten mordeten, plünderten und brandschatzten und die Sicherheitskräfte nicht eingriffen, hat es in ähnlichen Ausmaßen in der Zwischenzeit nicht gegeben. Auch in absehbarer Zukunft sind derartige Ausschreitungen höchst unwahrscheinlich (AA, 17.03.1997, S. 4; Wingler, April 1997, S. 5). Verglichen mit der Bevölkerungszahl im Süden des Landes sind gewalttätige Auseinandersetzungen wie die vom 2. Juni 1995 in Galle, bei denen Häuser von Tamilen in Brand gesetzt wurden und die Sicherheitskräfte die Situation schließlich unter Kontrolle bringen konnten, und am 4. Juli 1995, als ein tamilisches Mädchen ums Leben kam (Wingler, 22.06.1995, S. 2 f. und 20.07.1995, S. 3; Keller-Kirchhoff, 24.10.1995, S. 33 ff.; AA, 17.03.1997, S. 4 f.), verschwindend gering. Auch die Niederlagen der Regierungsarmee im Norden haben zu keiner weiteren Verschärfung der Lage der Tamilen in Colombo geführt. Nach dem Vorfall im Magazin-Gefängnis in Colombo im Februar 1996 als Reaktion auf den LTTE-Anschlag auf die Zentralbank von Colombo - dort hatten bis zu 100 Gefängniswärter, die an diesem Tag dienstfrei hatten, inhaftierte tamilische Gefangene überfallen - und es wurde ein "special Panel of Inquiry" unter der Leitung des stellvertretenden Sekretärs des Justizministeriums eingesetzt (Keller-Kirchhoff, 20.03.1996 und 06.06.1996, S. 1). Nicht ohne Reaktion des Staates blieb auch der Vorfall am 12. Dezember 1997 im Gefängnis von Kalutara. Dabei wurden drei Personen, zwei Tamilen und ein Muslim, zu Tode geprügelt, ohne dass die Aufseher eingriffen. Eine Gruppe von Singhalesen, die sich außerhalb des Gefängnisses aufgehalten hatte, konnte ungehindert Steine und andere Gegenstände ins Gefängnis werfen. Daraufhin wurden die meisten singhalesischen Gefangenen in andere Haftanstalten im Süden des Landes verlegt, zusätzliches Wachpersonal wurde eingestellt. Auch sollen Tamilen künftig wieder vermehrt in dem etwa 100 km südlich gelegenen Gefängnis von Boussa untergebracht werden (Keller-Kirchhoff, 20.04.1998). Bei Übergriffen in anderen Regionen des Südens (Stadt Galle am 2./3. Juni 1995) handelt es sich um Einzelfälle, bei denen die srilankische Regierung ebenfalls deutlich gemacht hat, dass sie gewillt ist, gegen solche Ausschreitungen vorzugehen. Die Schutzfähigkeit und Schutzbereitschaft des srilankischen Staates gegenüber der tamilischen Minderheit besteht daher grundsätzlich fort (ebenso OVG Niedersachsen, Urteil vom 22.02.1996 - 12 L 7721/95 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.05.1998 - 21 A 571/96.A -).

Auch Tamilen, die - wie der Kläger - nach erfolglosem Asylverfahren aus Europa nach Sri Lanka zurückkehren, müssen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politischer Verfolgung rechnen. Aus dem Ausland zurückkehrende Tamilen unterliegen grundsätzlich den gleichen Beschränkungen in Form von Überprüfungen und Identitätsfeststellungen wie die im Inland verbliebenen Tamilen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, 13.02.1998, S. 11). Das Auswärtige Amt (13.01.2000) weist nachvollziehbar darauf hin, dass gerade Rückkehrer aus dem westlichen Ausland sogar weniger im Verdacht stehen, als LTTE-Angehörige eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darzustellen, als etwa Tamilen, die erst kürzlich aus den von der LTTE beherrschten "uncleared areas", wie etwa der Vanni-Region, nach Colombo kommen. Von den Sicherheitsbehörden wird es als unwahrscheinlich angesehen, dass nach langem Aufenthalt im westlichen Ausland zurückkehrende Tamilen in terroristische Aktivitäten der LTTE durch eigene Unterstützungshandlungen verwickelt sind oder zur Begehung oder Unterstützung von Gewalttaten etwa in Colombo beauftragt oder bereit sind (AA, 13.01.2000).

Bei der Einreise am Flughafen Colombo werden alle Rückkehrer von der Einwanderungsbehörde nach Dauer und Zweck des Aufenthalts befragt und einer Identitätsprüfung ("identity check") unterzogen. Soweit ein Rückkehrer über einen gültigen Reisepass oder andere Identitätspapiere verfügt, nimmt die Überprüfung nur eine kurze Zeitspanne in Anspruch. Da die Einwanderungsbehörde nicht über computergestützte Technologie verfügt, kommt es dabei auch in der Regel nicht zu einem Fahndungsabgleich (AA, 01.09.1999; Keller-Kirchhoff, 04.05.1998). Anders verhält es sich jedoch, wenn der Betreffende keinen Reisepass vorlegen kann, weil er etwa allein über ein so genanntes "Emergency Certifikate", das nur zu einer einmaligen Einreise allein nach den Angaben des Betroffenen von der Botschaft erstellt worden ist, verfügt oder wenn sonstige Zweifel an der Identität des Rückkehrers bestehen (AA, 01.09.1999; EU, 09.02.1999). In diesen Fällen kann es zu weiteren Überprüfungen und gegebenenfalls zu einer Abgleichung mit Fahndungslisten kommen. Der Rückkehrer wird in diesem Fall von den Beamten der Einwanderungsbehörde an Mitarbeiter des "Criminal Investigation Department" und des "National Intelligence Bureau of Immigration" übergeben. Soweit die Personenüberprüfung nicht innerhalb eines Tages abgeschlossen werden kann, erfolgt innerhalb von 24 Stunden eine Vorführung vor den örtlich zuständigen Haftrichter in Negombo ("Magistrate's Court"). Der Richter entscheidet über die Frage, ob ein weiteres Festhalten zum ausschließlichen Zweck der Personenüberprüfung durch die Polizei zulässig ist. Hierbei werden in aller Regel die Sondervorschriften zur Terrorismusbekämpfung nicht angewendet (AA, 16.11.1998). 98 % der Vorgeführten werden gegen Kaution ("Personal Bail") sofort entlassen. Bei starken Verdachtsmomenten bzw. gar Hinweisen für LTTE-Aktivitäten kann auch eine "Remand Order" (Untersuchungshaftanordnung) ergehen. Der Betreffende wird dann in die Obhut der Gefängnisbehörden überführt.

Dass Rückkehrer bei den Sicherheitsüberprüfungen im Allgemeinen in einer fairen und menschlichen Art und Weise durch die Behörden behandelt werden, hat der UNHCR in seiner Information Note vom 1. März 1997 bekräftigt (siehe auch EU, 11.11.1997, S. 36). Nähere Angaben über das Schicksal von Rückkehrern enthalten die Berichte des Rates der EU vom 2. April 1997 (S. 15) und vom 11. November 1997 (S. 38 ff.). Danach sind im Jahre 1996 aus Deutschland 66 erfolglose Asylbewerber und bis Ende April 1997 35 Personen (u. a. Asylbewerber) abgeschoben worden, darunter ein hoher Anteil (über drei Viertel) Tamilen. Nur zwei Deutschland-Rückkehrer wurden dem Vernehmen nach festgenommen (UNHCR, Juli 1998). Daraus und aus den übrigen Zahlen von Festnahmen kann nach Einschätzung des Rates der EU (11.11.1997) nicht geschlossen werden, dass abgelehnte Asylbewerber sich bei der Rückkehr wesentlichen Problemen gegenübersehen. Auch dem Auswärtigen Amt sind keine Schwierigkeiten hinsichtlich der im Jahre 1996 abgeschobenen (98), zurückgewiesenen (35) und zurückgeschobenen (10) srilankischen Staatsangehörigen bekannt (AA, 17.03.1997, S. 12). Die Schweiz hat aufgrund des im Januar 1994 mit Sri Lanka getroffenen Rückführungsabkommens bis November 1998 ca. 900 abgelehnte tamilische Asylbewerber abgeschoben. Auch hier soll es keine Auffälligkeiten bei der Behandlung der Rückkehrer gegeben haben (AA, 30.08.1996, S. 10). Gelegentlich seien Rückkehrer lediglich für einen Tag einer Befragung in einer Polizeistation unterzogen worden. Sie hätten angegeben, dort korrekt behandelt worden zu sein (EU, 02.04.1997, S. 12; Keller-Kirchhoff, 04.01.1996, S. 69 f.). Soweit über längerfristige Inhaftierungen in Einzelfällen berichtet wird (vgl. Keller-Kirchhoff, 02.09.1997, S. 2, 23.02.1997, S. 5 f. und 24.02.1997, S. 6; Wingler, April 1997, S. 22; AA, 30.05.1997, S. 1), handelt es sich um Einzelfälle, die die günstige Prognose für Europa- und insbesondere Deutschland-Rückkehrer nicht in Frage stellt. Dies gilt auch für die von Keller-Kirchhoff in den Anlagen zu seinem Gutachten vom 8. Dezember 1998 an das OVG Hamburg dokumentierten Fälle, zumal die Hintergründe der Verhaftungen (Anlage F) ebenso unklar bleiben wie der weitere Fortgang der Verfahren (Anlagen A und D). Der aus Holland zurückgekehrte E. Jayavel konnte von seinen Anwälten besucht werden (D). Der ebenfalls aus Holland abgeschobene V. S. Ganesalingam wurde nur kurze Zeit über ein Wochenende inhaftiert. Es fand sich sogar ein Freund, mit dem er in Colombo Kontakt aufnehmen konnte (Anlage E). Der in der Anlage C behandelte Fall des T. Kamathasan - er soll auf der Polizeiwache von Pettah gefoltert worden sein - zeigt, dass Folter im Polizeigewahrsam immer noch vorkommt, es sich auf Colombo bezogen aber um einen Einzelfall zu handeln scheint, der die günstige Prognose für Europarückkehrer nicht in Frage stellt. Bei dem mehrere Monate lang in Untersuchungshaft einsitzenden K. Shanthakumar ist von Bedeutung, dass er dreimal von Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes besucht wurde (Anlage F). Die vorgelegten Unterlagen enthalten zwar Indizien dafür, dass er in der Haft gefoltert worden ist, mit letzter Sicherheit steht das jedoch nicht fest. Im Übrigen ergibt sich aus dem Gutachten nicht, ob und gegebenenfalls welche Besonderheiten bei den Rückkehrern zu dem LTTE-Verdacht geführt haben. Offensichtlich hat Keller-Kirchhoff die Fälle nicht selbst recherchiert, sondern hat die Anlagen in Colombo von den dort bezeichneten Menschenrechtsorganisationen erhalten. Auch die in dem Anhang zu seinem Gutachten vom 18.02.2000 an das VG Bremen beigefügten Listen mit den Namen von Rückkehrern, die inhaftiert, angeklagt und verurteilt wurden, veranlasst den Senat nicht zu einer anderen Einschätzung. Hinsichtlich der in Liste C, D und E aufgeführten Rückkehrer, die auf der Grundlage des "Immigrants and Emigrants Act" dem "Magistrate's Court" zwischen Oktober und Dezember 1999 vorgeführt wurden, gibt Keller-Kirchhoff selbst an, dass diese später auf Kaution ("Bail") wieder freigelassen wurden. Die Liste F bezieht sich lediglich auf Inhaftierungen bei der Ausreise aus Sri Lanka. Hinsichtlich der in den Listen A aufgeführten Fälle handelt es sich um Verhaftungen nach dem PTA und den ER, ohne dass im Einzelnen über die Länge der Inhaftierungen und die Behandlung während des Vollzugs eine Aussage getroffen wird. Auch für die Verhaftung der in der Liste B aufgeführten 15 Tamilen auf der Grundlage des "Immigrants and Emigrants Act" wird nur pauschal darauf verwiesen, dass die Betreffenden zur Zeit eine Haftstrafe verbüßen. Den immer wieder berichteten sonstigen Einzelfällen längerfristiger Inhaftierungen ist ebenfalls nicht zuverlässig zu entnehmen, dass über die Terrorismusbekämpfung hinausgehende asylrelevante Anknüpfungspunkte vorliegen. Bei zwangsweise zurückgeführten Personen hat das Auswärtige Amt mehrfach beobachtet, dass diese nicht mehr über entsprechende Identifikationspapiere verfügten. Westliche Botschaften sind bei Verhaftungen von Betroffenen immer wieder präsent und beobachten das Einreiseverfahren bei abgeschobenen Asylbewerbern. Wenn es im Zusammenhang mit der Einreise zu Festnahmen kommt, nehmen deren Mitarbeiter mitunter auch als Beobachter an den entsprechenden Gerichtsterminen teil. Die Betroffenen können von diesen genauso wie von ihren Familienangehörigen sowie von Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen und deren Rechtsbeiständen ohne weiteres besucht werden. Rüde Behandlung, Misshandlungen oder gar Folterungen sind dabei nicht bekannt geworden (AA, 08.09.1997).

Schließlich können sich Rückkehrer an die NHCR, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz sowie lokale Menschenrechtsorganisationen wenden, um dadurch zusätzlich ein Maximum an Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit bei der Rückkehr herzustellen, die erfahrungsgemäß den besten Schutz vor rechtswidrigen Behandlungen darstellen (AA, 08.09.1997). Auch das srilankische Rote Kreuz kann um Hilfe gebeten werden (AA, 03.02.1998, S. 5). Die Befürchtung von Wingler (08.10.1997, S. 42), eine solche Aktion könne sich schnell in das Gegenteil des Beabsichtigten kehren, ist nicht recht nachvollziehbar. Er hat selbst immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass die Regierung gegenüber der "aufgeschreckten internationalen Gebergemeinschaft und den Kritikern der Menschenrechtssituation ihre Bemühungen zu rechtfertigen versuche", und dass die Lage für so genannte "Europaschüblinge" sich als besonders unsicher entwickeln könne, wenn diese in Colombo keine Bezugsperson hätten, die bei Festnahmen nachfragen bzw. sich an eine Menschenrechtsorganisation um Hilfe wenden (Wingler, 08.10.1997, S. 41).

Den zahlreichen Erkenntnisquellen sind auch keine konkreten Hinweise dafür zu entnehmen, dass die erzwungene Rückkehr nach einem gescheiterten Asylverfahren in Deutschland und folglich die Notwendigkeit, in Sri Lanka d. h. zunächst in Colombo, wieder Fuß zu fassen, von den zuständigen Behörden nicht als plausibler Grund ("valid reason") für den Aufenthalt in Colombo angesehen wird (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.05.1998 und Urteil vom 17.12.1999 - 21 A 3979/96.A -), zumal angesichts der Erschwernisse, die der Weiterreise in den Norden der Insel entgegenstehen, dem Rückkehrer nichts anderes übrig bleibt, als zunächst in Colombo "stecken zu bleiben" (Wingler, 30.09.1998, S. 9). Der von Keller-Kirchhoff hervorgehobene Nachweis über eine Arbeit in Colombo ("Work-ID") ist sicherlich hilfreich bei den häufigen Personenkontrollen, er stellt aber nur einen "valid reason" "unter anderen" dar (so wohl auch Keller-Kirchhoff, Anlage S. 5 zum Gutachten an VG Stuttgart, 22.11.1997). Im Hinblick auf die Kriterien, die die Sicherheitskräfte bei den Überprüfungen anlegen, ist für das Ausweiserfordernis von wesentlicher Bedeutung, dass eine Vereinbarung zwischen der srilankischen Regierung und dem UNHCR getroffen wurde, wonach den Einreisenden ihre Einreisepapiere zum Zwecke des Nachweises belassen werden sollen (Wingler, 11.10.1995, S. 3). Allerdings wird dies nicht stets eingehalten. Vielmehr werden gerade die "Emergency Certificates" nach Verhören auf dem Flughafen teilweise einbehalten und durch Ausweispapiere zur Meldung bei der örtlich zuständigen Polizeistation in Colombo ersetzt (Wingler, 31.05.1998, S. 30). Der eigentliche Nachweis erfolgt durch die Identitätskarte (UNHCR, 12.02.1998; Keller-Kirchhoff, 22.09.1997, S. 4), die mit sich zu führen jeder Srilanker ab 16 Jahren verpflichtet ist. Die zur Erlangung des Dokuments erforderliche Geburtsurkunde können Rückkehrer im Regelfall - auch schon von Europa aus - erhalten (Wingler, 11.10.1995, S. 3 f., 31.05.1998, S. 40; EU, 02.04.1997, S. 6).

Zu berücksichtigen ist auch, dass in Colombo im Stadtteil Maradana als Anlaufstelle für alle in Colombo eintreffenden Tamilen ein Beratungsbüro eingerichtet wurde. Das Beratungsbüro vereinigt Nebenstellen aller Behörden, die Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden sowie Schüler- und Studentenausweise und nationale I. D.-Cards ausstellen. Auch Übersetzungen können dort gefertigt werden. Damit werden gerade für nach Colombo ziehende Tamilen mehrere Behördengänge überflüssig, die oft mit langen Wartezeiten und Sprachproblemen verbunden waren (AA, 06.04.1998, S. 14). Mit der Einrichtung dieses Beratungsbüros hat die srilankische Regierung gezeigt, dass sie ernsthaft darum bemüht ist, den tamilischen Volkszugehörigen, die entweder aus dem Ausland oder aus dem Norden oder Osten nach Colombo kommen, die Eingliederung zu erleichtern und Ausgrenzungen zu vermeiden.

Ob sich darüber hinaus der Rückkehrer selbst nach den Vorschriften der ER bei der Polizei registrieren lassen bzw. anmelden muss (so Keller-Kirchhoff, 22.09.1997 und 12.03.1999), ist in Sri Lanka rechtlich umstritten. Da ein Abdruck der Registrierung bisweilen bei Kontrollen verlangt wird, scheint es aber vielfach üblich zu sein, sich anzumelden. Hierfür reicht im Regelfalle der Personalausweis aus. Eine Verlängerung der grundsätzlich befristeten Registrierung scheint zumindest bei einem plausiblen Grund für einen weiteren Verbleib in Colombo ohne weiteres möglich.

Verdichtet sich bei der Einreise der Verdacht auf LTTE-Unterstützung oder -Mitgliedschaft, so kann die Gefahr einer längerfristigen Inhaftierung bestehen (a. i., 01.06.1999). Als gefährdet werden auch "nicht unauffällige" Tamilen angesehen, die wegen allgemeiner Kriminalität von den Behörden gesucht werden (so OVG Saarland, Urteil vom 23.04.1999 - 3 R 32/99 -) bzw. auf den zum Datenabgleich geführten Fahndungslisten erfasst sind (so OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.1999 - 21 A 3321/96.A -).Bei körperlichen Untersuchungen festgestellte Narben, wie sie typischerweise nach Verletzungen zurückbleiben (z. B. Schuss- oder Schrapnellverletzungen; nicht Operationsnarben) können den Verdacht auf einen LTTE-Bezug erregen (siehe Wingler, 01.04.1999, S. 5; AA, 21.04.1999, S. 5; a. i., 30.08.1999). Narben werden aber nicht ohne weiteres als zuverlässiges Indiz für eine Zugehörigkeit zur kämpfenden Truppe der LTTE gewertet, da auch bei der Arbeit, im Haushalt und im Straßenverkehr die Verletzungsgefahr sehr hoch ist (AA, 25.01.2000). In Sri Lanka sind im Zusammenhang mit Kriegsereignissen und Anschlägen auch eine Vielzahl von Personen verletzt worden (so auch OVG Berlin, Beschluss vom 28.10.1999 - OVG 3 B 29.95 -). Auch führt nicht jede Unterstützung der LTTE zur Gefahr asylrechtlich erheblicher Maßnahmen. Erforderlich ist der gegenwärtige, noch anhaltende konkrete Verdacht der aktiven Unterstützung der terroristischen Vorgehensweise der LTTE. Dies ist nicht schon der Fall, wenn auf Demonstrationen und in Flugblättern die srilankische Regierung, Polizei- und Sicherheitskräfte kritisiert werden, also etwa Menschenrechtsverletzungen angeprangert werden. Ebenso wenig reicht die Teilnahme an Sport- und Kulturveranstaltungen der LTTE nahestehender Organisationen aus (AA, 20.04.1999, S. 2.; Keller-Kirchhoff, 20.05.1998, S. 3). Ein Strafverfolgungsinteresse des srilankischen Staates besteht nur an Personen, die etwa als Führungspersönlichkeiten in verantwortlicher Position in nicht unerheblichem Ausmaß an Propagandaaktivitäten für die LTTE beteiligt sind (AA, 20.01.1999, S. 1). Der PTA nimmt zwar an mehreren Stellen auf "ungesetzliche" Aktivitäten ("unlawfull activities") Bezug, worunter ausdrücklich alle Handlungen im In- und Ausland zu verstehen sind. Die Generalstaatsanwaltschaft Sri Lankas hat aber mitgeteilt, dass sie nach Überprüfung der Rechtslage inzwischen davon ausgeht, dass eine im Ausland begangene Unterstützung der LTTE bzw. ihrer Frontorganisationen in Sri Lanka nicht strafrechtlich verfolgt werde und entsprechende Anklagen zurückzuziehen seien. Dies soll selbst bei Aktivitäten von Führungspersönlichkeiten des internationalen LTTE-Netzwerks der Fall sein (AA, 08.12.1999). Zudem würde eine konsequente Aufklärung und Verfolgung einer minderschweren Unterstützung der LTTE oder von Mitläufertum die ohnehin schon überlastete Strafrechtspflege Sri Lankas zum völligen Erliegen bringen (AA, 02.11.1999).Auch allein eine finanzielle Unterstützung der LTTE durch die im Ausland lebenden Tamilen (nach Schätzungen nimmt die LTTE ca. 2 Mio. US-Dollar monatlich durch Geldsammelaktionen unter Auslandstamilen ein, AA, 30.08.1996, S. 3) führt nicht zur Qualifizierung als strafrechtlich relevante LTTE-Unterstützung. Da es gewichtige Hinweise dafür gibt, dass bei den Spendensammlungen auch Zwang angewendet wird (AA, 19.01.1991, S. 10), führt dies, wie auch das staatliche Vorgehen nach Rückeroberung der Jaffna-Halbinsel zeigt, nicht zu entsprechenden Strafen durch die Regierung. Selbst wenn die ER-Ergänzung für den weiten Begriff der finanziellen Unterstützung der LTTE eine Freiheitsstrafe von 7 bis 13 Jahren vorsieht (vgl. Keller-Kirchhoff, 12.03.1999, S. 4), besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Sicherheitskräfte in Sri Lanka allein die Hingabe von Spenden als eine relevante LTTE-Unterstützung qualifizieren. Lediglich das Eintreiben und Verwalten der Gelder kann zu entsprechenden Strafverfolgungsmaßnahmen führen, weil die LTTE solche Vertrauenspositionen in aller Regel nur lang gedienten Kadern überträgt, die weitgehend in terroristische Aktivitäten der LTTE verwickelt sind (AA, 13.02.1998, S. 2; 14.09.1998, S. 1 f., 01.07.1999 und 08.12.1999, S. 2).

Auch wegen des bloßen Verwandtschaftsverhältnisses muss ein Rückkehrer nicht mit asylrelevanten Maßnahmen rechnen. Sippenhaft findet in Sri Lanka in der Regel nicht statt. Die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung besteht nur für solche Rückkehrer, deren Angehörige eine höherrangige aktive Stellung in der LTTE bekleiden (Keller-Kirchhoff, 13.05.1996, S. 2 f.), wenn dies den Sicherheitskräften bekannt wird. Je enger die verwandtschaftliche Beziehung ist, desto wahrscheinlicher dürfte es im Allgemeinen sein, dass der Betroffene selbst einer LTTE-Tätigkeit verdächtigt wird. Je höher die Stellung des Verwandten in der LTTE ist und je spektakulärer seine Taten sind, umso größer ist für seine Familienangehörigen die Wahrscheinlichkeit, selbst in Verdacht zu geraten (AA, 09.11.1996, S. 3; a. i., 23.02.2000, S. 2). Dabei ist allerdings davon auszugehen, dass oftmals verwandtschaftliche Beziehungen nur schwer erkennbar sind, da LTTE-Kämpfer während ihrer fünfjährigen "Dienstzeit" zumindest Alias-Namen haben und ihre Identität nicht an Außenstehende bekannt geben (AA, 09.11.1996, S. 3). Gehört ein naher Angehöriger somit "nur" zu den LTTE-Kämpfern, so begründet dieser Sachverhalt als solcher keine Rückkehrgefährdung des Einreisenden. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (04.02.2000, S. 1 f.) werden gelegentlich Angehörige von gesuchten Personen illegalerweise kurzfristig festgehalten, um Flüchtlinge zu veranlassen, sich den Behörden zu stellen. Dies beschränkt sich aber nicht auf Angehörige der tamilischen Minderheit. Auch sei nicht von alltäglichen, weit verbreiteten oder zumindest regelmäßigen Vorkommnissen dieser Art auszugehen. Auch amnesty international (23.02.2000) geht davon aus, dass die Verhaftungen von Familienangehörigen zurückgegangen sind, so dass "derzeit nicht von einer Alltäglichkeit" ausgegangen werden könne. Auch hätten keine konkreten Zahlen bezüglich der gegenwärtigen Verbreitung von Geiselhaft oder stellvertretender Inhaftnahme von Familienangehörigen von mutmaßlichen LTTE-Angehörigen ermittelt werden können (a. i., 23.02.2000).

Nach alledem kann nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass dem Kläger wegen Verdachts der LTTE-Unterstützung oder -Mitgliedschaft bei seiner Rückkehr politische Verfolgung durch den srilankischen Staat droht. Er behauptet selbst nicht, dass er eine höherrangige aktive Stellung in der LTTE innegehabt hat. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Angehörige des Klägers eine höherrangige, aktive Stellung in der LTTE bekleiden. Der Kläger hat auch selbst eingeräumt, dass er ohne Schwierigkeiten Sri Lanka mit seinem eigenen Reisepass über den internationalen Flughafen von Colombo verlassen hat. Nach der unbestrittenen Auskunftslage findet dort aber eine Ausreisekontrolle und ein Abgleich mit den ausliegenden Fahndungslisten statt. Personen, die von den Sicherheitskräften wegen terroristischer Aktivitäten landesweit gesucht werden, wird die Ausreise nicht gestattet (AA, 16.03.1998, S. 2). Es bestehen somit keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in einen Zusammenhang mit der LTTE gebracht werden könnte und deshalb bei Rückkehr nach Sri Lanka mit Verfolgung rechnen müsste.

Die Strafverschärfungen durch die Änderungen des "Immigrants and Emigrants Act" vom 28. Juli 1998, der die "unerlaubte Ausreise" und/oder den "Gebrauch gefälschter Dokumente" unter Strafe stellt, sind asylrechtlich irrelevant (so auch OVG Niedersachsen, Beschluss vom 23.12.1998 - 21 A 5548/98.A -; OVG Berlin, Beschluss vom 28.10.1999 - OVG 3 B 20.95 -; OVG Saarland, Beschluss vom 28.02.2000 - 3 Q 359/99). Nach der Gesetzesänderung müssen Einreisende verschärft mit Strafverfolgung rechnen, wenn ihnen eine Fälschung von Reisedokumenten - auch bei der vorangegangenen Ausreise - zur Last fällt (AA, 16.04.1999, S. 1; Keller-Kirchhoff, 26.02.1999, S. 2). Betrug das Strafmaß bei Verstoß gegen das Gesetz zuvor bis zu 10.000 Rupien Geldstrafe oder 3 Monate bis 5 Jahre Haft, werden nun eine Haft- und eine Geldstrafe verhängt. Die Haftstrafe kann dabei zwischen 6 Monaten oder, in anderen Fällen, zwischen einem Jahr und 5 Jahren betragen, die Geldstrafe zwischen 50.000 und 200.000 Rupien (a. i., 01.06.1999). Aus diesen Bestimmungen ist für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung selbst dann nichts herzuleiten, wenn ihnen rückwirkende Geltung beikommen sollte, was vom Auswärtigen Amt (16.04.1999, S. 3) verneint wird. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass eine strafrechtliche Ahndung von Verstößen gegen Ein- und Ausreise- bzw. Passbestimmungen in Anknüpfung an asylrechtliche Merkmale erfolgt (siehe auch Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.12.1998 - 21 A 5344/98.A -; OVG Berlin, Beschluss vom 28.10.1999 - OVG 3 B 20.95 -; AA, 16.04.1999, S. 3). Mit den Strafvorschriften soll der Fälschung von Reisedokumenten und der Schleppertätigkeit durch mafiaähnlich strukturierte Banden entgegengewirkt werden (AA, 16.04.1999, S. 1). Zu den Auswirkungen der Strafverschärfung des "Einwanderungsgesetzes" liegen zahlreiche in das Verfahren eingeführte Erkenntnisquellen neueren Datums vor (Keller-Kirchhoff, 18.03.1998; Keller, 14.09.1998; Keller-Kirchhoff, 25.02.1999; AA, 16.04.1999). Zur Zielgerichtetheit der Strafverschärfung gibt die Parlamentsdebatte vom 14. Juni 1998 Auskunft (Parlamentsdebatte, 14.06.1998), zur Anwendung des Gesetzes in der Praxis Keller-Kirchhoff (25.02.1999). Aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes (16.04.1999) folgt, dass die Ausreise mit einem echten Pass nicht strafbewehrt ist. Bei Fälschungsdelikten in Bezug auf das eigene Reisedokument, bei Manipulation oder unrechtmäßigem Gebrauch des Reisedokuments werde in der Regel eine Geldstrafe von umgerechnet 260,-- DM (früher: 130,-- DM) verhängt. Zwar sei seit November 1998 im Zuständigkeitsbereich des Magistratsgerichts von Negombo, zu dessen Bezirk auch der Flughafen Colombo gehört, nicht auszuschließen, dass eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe in Verbindung mit einer Geldstrafe verhängt werde. Sachfremde Erwägungen bei der Strafzumessung - etwa in Anknüpfung an Volks- oder Religionszugehörigkeit - oder etwaige Misshandlungen oder sonstige rechtswidrige Behandlung in diesem Zusammenhang, denen allein tamilische Rückkehrer ausgesetzt wären, sind dem Auswärtigen Amt bislang nicht bekannt geworden. Das Auswärtige Amt betont, dass es in der Praxis jedoch nur selten zu Anklagen wegen Passfälschung bzw. wegen illegaler Ausreise komme, da es nahezu unüberwindliche Beweisschwierigkeiten gebe. In der Vergangenheit sei es hauptsächlich lediglich in den Fällen, in denen Schleppungen in die Transitländer scheiterten und die Betroffenen von den dortigen Polizei- bzw. Grenzkontrollbehörden - unmittelbar - mit den gefälschten Reisedokumenten nach Sri Lanka zurückgeschickt wurden, zu entsprechenden Anklagen gekommen. Daneben seien Fälle bekannt geworden, in denen die Betreffenden bei einer Befragung ein Passdelikt zugegeben haben. Auch den sonstigen Quellen ist nicht zu entnehmen, dass die strafrechtliche Ahndung von Verstößen gegen Ein- und Ausreisebestimmungen eine Rechtsgutverletzung in Anknüpfung an asylrelevante Merkmale darstellt. Selbst wenn bisher nur Verurteilungen von Tamilen bekannt geworden sein sollten, ist dies kein Beleg dafür, dass, wie von Wingler (26.04.1998) behauptet, das verschärfte Strafmaß in der Regel in der Praxis nur auf Tamilen angewandt wird. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass Passvergehen in allen Fällen mit Terrorismusdelikten in Zusammenhang gebracht und folglich zu einem Verfahren unter Anwendung der Sondergesetze zur Terrorismusbekämpfung führen (AA, 16.04.1999, S. 2). Selbst Wingler (01.04.1999, S. 7) hält in diesem Zusammenhang die Gefahr einer längeren Inhaftierung und von Menschenrechtsverletzungen nur dann für beachtlich wahrscheinlich, wenn aufgrund besonderer Umstände der Verdacht aufkommen sollte, der Betroffene habe aktiv für die LTTE gekämpft.

Im Falle des Klägers dürfte eine Verletzung von Ausreisebestimmungen bereits deshalb ausscheiden, weil er seinen Angaben zufolge Colombo mit seinem eigenen srilankischen Reisepass verlassen hatte. Erst in Prag sei ihm der Pass von einem Schlepper abgenommen worden. Für die Rückkehr ist es dem Kläger zumutbar, sich ordnungsgemäße Identitäts- und Einreisedokumente zu besorgen. Der Senat sieht auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die srilankische Botschaft einem entsprechenden Antrag des Klägers nicht entsprechen wird.

5. Dem Kläger droht bei der Rückkehr auch aus individuellen Gründen keine politische Verfolgung. So hat der Kläger in seiner Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, er befürchte bei der Rückkehr nach Sri Lanka wegen seiner Tätigkeit für die Tiger verhaftet zu werden. Diese Befürchtung ist jedoch nicht nachvollziehbar, da der Kläger vor seiner Ausreise nach viertägiger Haft nach Zahlung eines Lösegeldes wieder freigelassen wurde. Wenn tatsächlich ein Verdacht in Bezug auf Verbindungen zur LTTE bestanden hätten, wäre der Kläger wohl kaum nach 4 Tagen gegen ein Bestechungsgeld freigelassen worden. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes (21.04.1999) würde eine solche Handlungsweise im Fall der Aufdeckung gravierende strafrechtliche und disziplinarische Konsequenzen für den betreffenden Beamten bzw. Soldaten nach sich ziehen. Auch konnte der Kläger mit seinem eigenen, nicht gefälschten Ausweispapier ausreisen. Anhaltspunkte dafür, dass die Sicherheitskräfte sich nach so langer Zeit immer noch an den Kläger erinnern, bestehen nicht. Aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, ist davon auszugehen, dass der Kläger für die von ihm beschriebenen Aktivitäten zugunsten der LTTE heute nicht bestraft werden wird. Wingler weist in seiner Auskunft an das VG Bayreuth vom 1. April 1999 im Falle einer einst für die LTTE kämpfenden Tamilin darauf hin, es sei kaum anzunehmen, ein Gericht in Sri Lanka werde diese für einen acht Jahre zurückliegenden LTTE-Kampfeinsatz heutzutage noch mit einer Haftstrafe bestrafen, zumal sich die Tamilin schon lange von der LTTE losgesagt habe. Im vorliegenden Fall hat der Kläger in den Jahren 1989 bis 1992 noch nicht einmal für die LTTE gekämpft, sondern lediglich Schützengräben ausgehoben. Im Übrigen fanden diese Aktivitäten statt, als die Jaffna-Halbinsel noch von der LTTE beherrscht war. Auch bei einer Rückkehr auf die Jaffna-Halbinsel muss der Kläger somit nicht befürchten, wegen der Ereignisse im Jahre 1992 acht Jahre später von der Regierung zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Nach alledem hat der Kläger bei einer Rückkehr in keinem Landesteil Sri Lankas heute und in absehbarer Zukunft weder wegen seiner tamilischen Volkszugehörigkeit und seines Alters eine gruppengerichtete, noch aus individuellen Gründen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung zu befürchten.

6. Selbst wenn man die vorstehende Einschätzung des erkennenden Senats wegen der nicht feststellbaren Stabilisierung der Situation im Norden Sri Lankas nicht teilt, und von einer dem Kläger drohenden gruppengerichteten staatlichen Verfolgung bei einer Rückkehr in die Gebiete der Nordprovinz ausgeht, käme seine Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG dennoch nicht in Betracht, da ihm auch heute noch im Süden und Westen Sri Lankas, insbesondere im Großraum Colombo, eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht, die ihm eine hinreichende Sicherheit vor politischer Verfolgung gewährt (so auch Bay. VGH, Beschluss vom 25.02.1997 - 20 B 95.35939 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.03.1999 - 11 A 10421/99 -; OVG Saarland, Urteil vom 09.05.1997 - 1 R 150/96 -; OVG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.03.1998 - A 16 S 60/97 - und Beschluss vom 05.05.1999 - A 6 S 393/99 -; OVG Berlin, Beschluss vom 28.10.1999 - OVG 3 B 20.95 -; OVG Thüringen, Urteil vom 17.12.1998 - 3 KO 869/96 -; OVG Saarland, Urteil vom 23.04.1999 - 3 R 32/99 - und Beschluss vom 28.02.2000 - 3 Q 359/99 -).

Der Kläger ist als tamilischer Volkszugehöriger im Großraum Colombo vor politischer Verfolgung hinreichend sicher. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich - wie oben dargelegt - keine Anhaltspunkte für eine individuelle Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Sri Lanka, da bei ihm kein individualisierter LTTE-Verdacht vorliegt. Der Kläger unterliegt auch gegenwärtig im Süden und Westen des Landes, insbesondere im Großraum Colombo, weder einer mittelbaren noch einer unmittelbaren staatlichen Verfolgung wegen seiner Volkszugehörigkeit. Allein die Tatsache, dass nach den obigen Ausführungen bei jungen Tamilen eine asylrelevante Inhaftierung nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, lässt die Annahme einer hinreichenden Verfolgungssicherheit nicht entfallen. Denn für die Bejahung einer Verfolgungsgefahr nach dem so genannten herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab genügt nicht bereits jede noch so geringe Möglichkeit eines Verfolgungseintritts. Vielmehr müssen mindestens ernsthafte Zweifel an der Sicherheit bestehen. Es ist nicht erforderlich, dass die Gefahr von Übergriffen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Eine hinreichende Verfolgungssicherheit entfällt erst dann, wenn objektive Anhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als durchaus "reale" Möglichkeit erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 08.09.1992 - 9 C 62/91 -, NVwZ 1993, 191). Hiervon kann im Fall des Klägers mangels eines individualisierten LTTE-Verdachts aber nicht ausgegangen werden. Er steht bei einer Rückkehr im Großraum Colombo nicht im Blickfeld der Sicherheitskräfte, so dass bei ihm keine Verfolgungsgefahr im Sinne einer "realen" Möglichkeit besteht. Allein aufgrund seiner tamilischen Volkszugehörigkeit gegebenenfalls in Verbindung mit seinem Alter und seiner Herkunft aus dem Norden hat er derzeit und in absehbarer Zukunft im Großraum Colombo keine asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten. Dabei ist - wie oben ausgeführt - zu berücksichtigen, dass eine kurzfristige Festnahme zur Identitätsüberprüfung für sich allein noch nicht asylerheblich ist, eventuelle Exzesse von Angehörigen der Sicherheitskräfte dem srilankischen Staat nicht zuzurechnen sind und für eine dem Staat zurechenbare längerfristige Inhaftierung und/oder menschenrechtswidrige Behandlung mangels Vorliegens eines individualisierten LTTE-Verdachts objektive Anhaltspunkte fehlen.

Das verfolgungsfreie Gebiet ist über den Flughafen Colombo ohne Gefahr politischer Verfolgung erreichbar. Aus dem Ausland zurückkehrenden Tamilen, die aus dem Norden und Osten des Landes stammen, ist es auch möglich, auf Dauer ihren Aufenthalt im Großraum Colombo zu nehmen, ohne dass sie gezwungen werden, in die Konfliktgebiete im Norden und Osten des Landes zurückzukehren (AA, 23.09.1997, S. 1 und 02.10.1997, S. 1; EU, 02.04.1997, S. 15, 18; UNHCR, 08.12.1997, S. 1). Bei den in letzter Zeit aus Europa zurückkehrenden Tamilen ist kein Fall bekannt geworden, in dem die Niederlassung und der Aufenthalt im Großraum Colombo verweigert worden ist. Innerhalb des größeren, nicht LTTE-beherrschten Landesteils besteht Freizügigkeit. Personen, die sich in einer bestimmten Region bedroht fühlen, können daher grundsätzlich in andere Landesteile ausweichen (AA, 19.01.1999, S. 9, 23). Die Behauptung des Südasien-Büros (02.07.1997, S. 3, Anlage zu Keller-Kirchhoff, 02.09.1997), aus dem Ausland nach Colombo zurückkehrende Tamilen erhielten nur eine zeitlich begrenzte Erlaubnis sich dort aufzuhalten, und der der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (31.05.1999, S. 7), wer keinen plausiblen Aufenthaltsgrund habe, könne sich formell nicht in Colombo niederlassen, werden vom Auswärtigen Amt und dem UNHCR nicht bestätigt. Es existiert auch keine Rechtsvorschrift, wonach den aus dem westlichen Ausland zurückkehrenden Tamilen untersagt ist, ihren Wohnsitz im Großraum Colombo zu begründen (UNHCR, 08.12.1997, S. 1; Keller-Kirchhoff, 13.09.1997, S. 1; AA, 02.10.1997). Ebenso wenig werden sie gezwungen, in die Konfliktgebiete im Norden und Osten des Landes zurückzukehren (AA, 06.05.1998, S. 2; UNHCR, 12.02.1998). Auch Keller-Kirchhoff (02.09.1997, S. 3 f.) geht offenbar grundsätzlich nicht von einem Zwang zur Rückkehr in den Norden und Osten aus. So legt er dar, dass den aus dem Ausland abgeschobenen, zuvor im Großraum Colombo nicht ansässigen Tamilen es "nicht ohne Umstände möglich" sei, ihren Wohnsitz dort dauerhaft zu begründen. Ohne polizeiliche Meldebestätigung müssten sie bei einer Kontrolle mit Verhaftung und mit der Aufforderung rechnen, an den Ort ihres eigentlichen Wohnsitzes zurückzukehren (Keller-Kirchhoff, 08.12.1998, S. 5). Soweit Keller-Kirchhoff (03.02.2000) auf einen jüngeren Vorfall hinweist, wonach 150 Tamilen, die bisher ein "Stay Permit" für Colombo gehabt hätten, von der Polizei aufgefordert worden seien, Colombo zu verlassen, und ihre Aufenthaltsgenehmigungen nicht verlängert worden seien, weist er lediglich auf das erhöhte Sicherheitsrisiko hin, bei zukünftigen Kontrollen inhaftiert zu werden. Auch amnesty international (23.02.2000, S. 4) ist nicht bekannt, inwieweit die Behörden auch Zwangsmaßnahmen anwenden, um das Verlassen Colombos sicherzustellen.

Dem Kläger drohen in den in Betracht kommenden Gebieten auch keine anderen Nachteile und Gefahren, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen. So ist das Existenzminimum am Ort der Fluchtalternative, insbesondere bei jungen, gesunden Tamilen beiderlei Geschlechts, gesichert. Nach den Auskünften des Auswärtigen Amtes können Hilfsbedürftige in Sri Lanka auch traditionell mit einer sehr weitgehenden Unterstützung durch Verwandte, Freunde, und sogar ehemalige Nachbarn rechnen (AA, 31.08.1992, S. 5). Zwar gibt es keine speziellen Wiedereingliederungsprogramme für Rückkehrer. Das Auswärtige Amt (06.04.1998) weist aber zu Recht darauf hin, dass in Sri Lanka, wie in vielen anderen asiatischen Staaten, die Familie und die Dorfgemeinschaft traditionell die Hauptträger für die Unterstützung von Hilfsbedürftigen sind. Eine Unterstützung bedürftiger Angehöriger erfolgt auch durch regelmäßige Transferzahlungen von im Ausland lebenden Angehörigen. Etwa 10 % aller Srilanker lebt im Ausland und die Überweisungen stellen einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei dem geringeren Wirtschaftsniveau, einem Durchschnittsverdienst von umgerechnet etwa 150,-- DM monatlich und den geringen Lebenshaltungskosten auch durch geringe Beträge aus dem Ausland eine Lebensführung in Sri Lanka ermöglicht wird (AA, 31.03.2000, S. 3). Die Regierung gewährt Bedürftigen Sozialhilfeleistungen ("Samurdhi-Programm"; vgl. im Einzelnen AA, 27.05.1999). Der Staat leistet Hilfe sowohl für vorübergehend Einkommens- und Unterhaltslose als auch für infolge Krankheit, Alter, Bürgerkrieg oder Naturkatastrophen Bedürftige (AA, 17.03.1997, S. 12 und 27.05.1999, S. 1 ff.). "Samurdhi" hat 1998 mit 8 Milliarden Rupien ca. 1,8 Millionen srilankische Familien unterstützt. Insgesamt gibt der Staat jährlich fast 32 Mio. Rupien für soziale Hilfen aus (AA, 06.05.1998, S. 1). Soweit Keller-Kirchhoff darauf hinweist, dass ein aus Deutschland zurückkehrender srilankischer Staatsbürger keinen Anspruch auf eine Einbeziehung in das staatliche Sozialprogramm haben dürfte, trifft dies nur auf diejenigen zu, die nicht aus Colombo stammen und sich dort aufhalten wollen. Das Auswärtige Amt (27.05.1999, S. 1 f.) hat klargestellt, dass mittellose Rückkehrer staatliche Hilfe beanspruchen können, entweder am Heimatort in Gestalt eines Unterhaltsbeitrags nach dem Samurdhi-Programm oder, wenn eine Rückkehr nicht möglich ist oder nicht gewünscht wird, in einem der Flüchtlingslager ("Welfare Centre"), in dem eine kostenlose Unterbringung und Verpflegung gewährt wird. In den "Welfare Centres" - etwa in Vavuniya - lebten 1999 ca. 800.000 Srilanker aller ethnischen Bevölkerungsgruppen. Dort ist eine ausreichende Lebensmittelversorgung mit so genannten "dry rations" oder "cooked meals" sichergestellt. Auch diejenigen, die einer Arbeit nachgehen, können die Unterkunft und Verpflegung dort kostenlos in Anspruch nehmen (AA, 27.05.1999). Daneben gibt es zahlreiche karitative Organisationen, die sich alter, gebrechlicher oder behinderter Menschen annehmen und die notwendigen Hilfen dauerhaft sicherstellen (AA, 31.03.2000, S. 2). Es ist somit davon auszugehen, dass selbst bei fehlenden familiären Bindungen, Ersparnissen oder fehlenden singhalesischen Sprachkenntnissen das wirtschaftliche Existenzminimum des Klägers bei Rückkehr gesichert wäre. Auch wenn der Kläger nach Rückkehr keine familiäre oder staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen würde, könnte er im Großraum Colombo trotz der hohen Arbeitslosigkeit, die alle Bevölkerungsgruppen im gleichen Umfang trifft (AA, 01.02.1995, S. 4), als junger, arbeitswilliger und arbeitsfähiger Tamile einen Arbeitsplatz finden, um seine wirtschaftliche Existenz zu sichern. Aufnahmefähig ist dem Auswärtigen Amt (27.05.1999, S. 1 f.) zufolge beispielsweise die Bekleidungsindustrie (nach AA, 27.05.1999 seien dort 1999 15.000 Stellen vakant gewesen), aber auch der Dienstleistungsbereich (Boten, Fahrer, Träger, Hauspersonal, Reinigung und Bewachung), wenn auch bei vergleichsweise niedrigen Gehältern. Da Rückkehrer häufig während ihres Deutschland-Aufenthalts Ersparnisse ansammeln und besondere Fach- und Sprachkenntnisse erwerben, fällt ihnen der Einstieg ins Erwerbsleben mitunter leichter als der übrigen Bevölkerung (AA, 06.05.1998, S. 2). Dabei dürfte insbesondere eine Tätigkeit im vom Tourismus geprägten Gastronomie- und Hotelbereich in Betracht zu ziehen sein (so im Ergebnis AA, 27.05.1999). Dass gerade Tamilen besondere Schwierigkeiten haben sollten, einen Arbeitsplatz zu finden, weil Arbeitgeber wegen möglicher Schwierigkeiten mit den Sicherheitsbehörden ihre Beschäftigung ablehnten (so nur Schweizerische Flüchtlingshilfe, 13.02.1998; Südasienbüro, 15.03.1999), ist angesichts der Tatsache, dass sogar im sensiblen Bewachungsgewerbe zwischen 15 % bis 20 % Tamilen arbeiten und der Bevölkerungsanteil wirtschaftlich erfolgreicher Tamilen in Colombo weit überproportional wächst (vgl. AA, 27.05.1999), wenig wahrscheinlich. Auch Keller-Kirchhoff (22.06.1999) schließt die Möglichkeit, dass junge arbeitsfähige und arbeitswillige Tamilen im Großraum Colombo einen Arbeitsplatz finden, nicht aus. Er begnügt sich mit dem Hinweis, im Großraum Colombo gebe es nur eingeschränkte Möglichkeiten für Tamilen, eine Arbeit zu finden. Auch bestünde eine große Zurückhaltung potentieller Arbeitgeber gegenüber den aus dem Ausland zurückkehrenden Tamilen (Keller-Kirchhoff, 18.02.2000). Allerdings gesteht Keller-Kirchhoff zu, dass Tamilen mit überdurchschnittlich guter Ausbildung und guten Sprachkenntnissen im Einzelfall große Chancen haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Für die Schaffung von Existenzgründungsprogrammen für Rückkehrer aus westlichen Industrieländern sehen deshalb der UNHCR und srilankische Nichtregierungsorganisationen keinen Bedarf (AA, 27.05.1999, S. 3, 5; UNHCR, März 1997, S. 20 f.). Auch die Wohnprobleme im Großraum Colombo sind nicht existenzieller Natur. Unbestritten ist die Wohnungssuche in Colombo generell und für Tamilen im Besonderen wegen der Sicherheitslage besonders schwierig (Keller-Kirchhoff, 23.04.1992, 04.01.1996, S. 78; 06.06.1996, S. 2, 18.02.2000, S. 4). Zwar steht Wohnraum zur Verfügung, doch ist er für viele zu teuer (Wingler, 08.10.1997, S. 41; Keller-Kirchhoff, 18.02.2000). Zahlreiche Rückkehrer, die tatsächlich keine Bekannten oder Verwandten in Colombo haben, werden deshalb zunächst auf eine Unterkunft in einer der zahlreichen "Lodges" angewiesen sein. Zwar wird auch insoweit die Möglichkeit, dort unterzukommen, eher pessimistisch eingeschätzt, zumal die Polizei den Betreibern offenbar informell geraten hat, Tamilen unter 35 Jahren nicht zu beherbergen (Schweizer Flüchtlingshilfe, 13.02.1998, S. 9; Keller-Kirchhoff, 24.02.1997, S. 3). Soweit in den Erkenntnisquellen von der Schließung mehrerer "Lodges" und den weiteren Problemen bei der Suche nach einer Unterkunft berichtet wird, ist ihnen aber nicht zu entnehmen, dass diese zwischenzeitlich ein derartiges Ausmaß angenommen haben, dass tamilischen Zuwanderern aus dem Nordosten bzw. aus Europa zurückkehrenden Tamilen ohne Familienbande in Colombo damit jede Unterkunftsmöglichkeit abgeschnitten worden ist. Gegen eine existenzielle Gefährdung zurückkehrender Tamilen im Großraum Colombo durch Obdachlosigkeit spricht auch der Hinweis des Auswärtigen Amtes, dass das von der Schweiz finanzierte Rückkehrerheim in Nugegoda zur vorübergehenden Aufnahme der nach dem Rückführungsabkommen zwischen der Schweiz und Sri Lanka Zurückkehrenden nie auch nur annäherungsweise ausgelastet sei, obwohl die dort anzutreffenden Verhältnisse - gemessen am allgemeinen Lebensstandard in Sri Lanka - als überdurchschnittlich bezeichnet werden könnten. Offensichtlich fänden die Rückkehrer meist bei Verwandten oder Freunden Aufnahme (AA, 17.03.1997, S. 12, 06.04.1998, S. 17, 06.05.1998, S. 1, 27.05.1999; EU, 02.04.1997, S. 33). Keller-Kirchhoff (08.12.1998, S. 6 f.) bestätigt dieses Argument indirekt, indem er ausführt, Tamilen würden das Heim wegen des fast ausschließlich singhalesischen Wohnumfeldes aus Sicherheitsgründen meiden. Da singhalesische Übergriffe gegen Tamilen selten sind, kann es sich nicht um einen, drohende Obdachlosigkeit überwiegenden Grund handeln. Der weiter aufgeführte Grund, im regelmäßig von der Polizei kontrollierten "Schweizer Heim" bestehe die Gefahr, ohne Personalausweis angetroffen zu werden, überzeugt ebenso wenig, weil diese Gefahr bei fehlenden Papieren für den gesamten Großraum Colombos gilt.

Bei Alten, Kranken und Behinderten mag die Einschätzung zutreffen, dass ein menschenwürdiges Existenzminimum im Süden und Westen Sri Lankas nicht gewährleistet ist, wenn sie keine staatliche, karitative oder familiäre Hilfe in Anspruch nehmen können. Bei jungen, gesunden Tamilen beiderlei Geschlechts, die ihre Flexibilität bereits durch die Reise nach Deutschland unter Beweis gestellt haben, und deren Einsatzbereitschaft und Einsatzfähigkeit nicht bezweifelt werden kann, ist jedenfalls zugrunde zu legen, dass ihr wirtschaftliches Überleben und damit die Wahrung des Existenzminimums in Colombo nach wie vor möglich ist.

Als junger Tamile, der seine Belastbarkeit durch seine Ausreise aus Sri Lanka unter Beweis gestellt und in Deutschland gelernt hat, in einem anderen Kulturkreis zu leben und zu arbeiten, besitzt der Kläger demnach grundsätzlich die Möglichkeit, in Colombo ein menschenwürdiges Dasein zu führen, zumal er dort auch mit der finanziellen Unterstützung durch seinen Onkel, der ihn nach eigenen Angaben sowohl aus der Haft "freigekauft", als auch seine Reise nach Europa finanziert hat, rechnen kann.

III.

Für den Kläger sind auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht festzustellen, da diese in dem hier maßgeblichen Umfang mit denen des Art. 16a GG übereinstimmen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 u. a. -, EZAR 203 Nr. 2 = NVwZ 1994, 500; Urteil vom 18.01.1995 - 9 C 48.92 -, EZAR 230 Nr. 3 = NVwZ 1994, 497).

B

Auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG sind nicht gegeben. Es ist nicht erkennbar, dass für den Kläger in Sri Lanka die Gefahr der Folter bzw. der Todesstrafe besteht (§ 53 Abs. 1 und 2 AuslG). Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 AuslG in Verbindung mit Art. 3 EMRK gegeben. Diese Bestimmung setzt das Vorliegen einer individuellen, konkreten Gefahr, unmenschlich oder erniedrigend behandelt zu werden, voraus. Gründe für die Annahme, der Kläger werde in Sri Lanka in einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Weise behandelt werden, sind nicht ersichtlich. Auch ein Extremfall, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, DVBl. 1996, 203) einen Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründet, liegt nicht vor. Durch die Abschiebung nach Sri Lanka wird der Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in eine Gefahrenlage versetzt, die ihn gleichsam "sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde" (BVerwG, a. a. O.). Die dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel zur Lage im Großraum Colombo reichen aus, die Voraussetzungen für Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 AuslG und § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG auszuschließen. Diese Bestimmungen kommen nur dann in Betracht, wenn die geltend gemachten Gefahren landesweit drohen, nicht also bereits dann, wenn sich der Ausländer ihnen wie hier durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann (BVerwG, Urteile vom 17.10.1995, a. a. O. und vom 15.04.1997 - 9 C 38.96 -, DVBl. 1997, 1384). Im Großraum Colombo drohen dem Kläger auch keine extremen Gefahren für Leib und Leben infolge völliger Unterversorgung mit dem elementaren Bedarf des täglichen Lebens. Das Bundesverwaltungsgericht verlangt bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer solchen drohenden Gefahr im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, dass gegenüber dem im Asylrecht entwickelten Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit ein erhöhter Maßstab anzusetzen sei (BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 6/95 -, NVwZ 1997, 685 m. w. N.). Dem Kläger droht im Großraum Colombo nicht mit der zu verlangenden erhöhten Wahrscheinlichkeit auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führt.

C

Da die Berufung des Bundesbeauftragten Erfolg hat und auch der Hilfsantrag des Klägers, das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG festzustellen, keinen Erfolg haben konnte, hat der Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens und des erstinstanzlichen Verfahrens in voller Höhe zu tragen. Nach § 83b Abs. 1 AsylVfG werden Gerichtskosten nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO, 167 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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