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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.01.2005
Aktenzeichen: 5 UE 903/04
Rechtsgebiete: GG, HStS der Stadt Bad Camberg


Vorschriften:

GG Art. 3
HStS der Stadt Bad Camberg
Eine Kommune kann in ihrer Hundesteuersatzung in die Liste der unwiderleglich als "gefährlicher Hund" vermuteten Hunderassen, für die eine erhöhte Steuer erhoben wird, auch den "Staffordshire Bullterrier" aufnehmen.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

5 UE 903/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Hundesteuer

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 11. Januar 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 4. November 2003 - 1 E 1103/01(1) - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf einen Betrag von 398,47 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Hinsichtlich des Tatbestandes verweist der Senat auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (§ 130b Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), da er sich diese tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu eigen macht.

Mit Urteil vom 4. November 2003 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 27. April 2001 und den Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2001 aufgehoben, soweit für die Hündin "Franziska" (Staffordshire-Bullterrier) ein Hundesteuerbetrag erhoben worden ist, der über 54,-- DM hinaus geht. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, zwar gehörten Staffordshire-Bullterrier zu den in § 5 Abs. 5 Satz 2 der Hundesteuersatzung der Beklagten genannten Hunderassen, für die unwiderlegbar die Einstufung als "gefährlicher Hund" mit erhöhter Steuerbelastung vermutet werde. Doch erweise sich diese unwiderlegbare Vermutung der Gefährlichkeit allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Hunderasse insoweit als nicht gerechtfertigt und unvereinbar mit höherrangigem Recht, als es gerade die hier in Frage stehende Hunderasse "Staffordshire-Bullterrier" betreffe. Dies führt das Verwaltungsgericht anhand des Vortrags der Klägerseite sowie des diesen Vortrag nicht widerlegenden Einwands der Beklagten aus.

Mit Beschluss vom 17. März 2004 - 5 UZ 3563/03 - hat der Senat auf Antrag der Beklagten die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil zugelassen.

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe mit Urteil vom 27. Januar 2004 die Liste der gefährlichen Hunde in der Hundeverordnung als zulässig angesehen. Auch habe das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 16. März 2004 zum Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz vom 12. April 2001 entschieden, dass insbesondere auch die Einbeziehung des "Staffordshire-Bullterriers" in die Liste der gefährlichen Hunde verfassungsgemäß sei. Insofern könne sie, die Beklagte, ebenfalls in ihrer Hundesteuersatzung diese Rasse als unwiderlegbar gefährlich aufnehmen. Zwar habe der Kläger im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens ein Sachverständigengutachten dahingehend vorgelegt, dass es sich bei Hunden der Rasse "Staffordshire-Bullterrier" nicht automatisch um außergewöhnlich gefährliche Hunde handele, die Auswertung der bundesweit in verschiedenen Ländern erhobenen Beißstatistiken habe aber letztlich gezeigt, dass Hunde der Rassen "Pit-Bull", "American Staffordshire-Terrier" sowie "Staffordshire-Bullterrier" im Verhältnis zu der Anzahl der gehaltenen Hunde dieser Rasse überproportional in Beißvorfälle mit Menschen verwickelt gewesen seien. Dies sei letztlich auch für das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung ausschlaggebend gewesen. Vor diesem Hintergrund gebe es für Beklagte und Berufungsklägerin keinen Anlass, die Hunderasse "Staffordshire-Bullterrier" von der Liste der gefährlichen Hunde zu streichen. Sie habe als Satzungsgeberin im Hinblick auf die Ausgestaltung ihrer Hundesteuersatzung auch das Recht, mit der Steuer einen gewissen Lenkungszweck zu verbinden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 4. November 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er bezieht sich zum einen auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Die Wertungen des Verwaltungsgerichts, insbesondere in Bezug auf die Hunderasse "Staffordshire-Bullterrier" seien tatsächlich und rechtlich in keiner Weise zu beanstanden. Letztlich komme es dafür darauf aber für die Entscheidung des Streitfalls nicht an, da das angegriffene Urteil auch bei anderer Bewertung der Frage der "Gefährlichkeit" dieser Hunderasse nicht anders habe ergehen können. Insofern werde die Auffassung vertreten, dass es Normgebern nach den jetzt vorliegenden kynologischen und sachverwandten Erkenntnissen überhaupt nicht mehr gestattet sei, abstrakte "Rasselisten" zur Bestimmung der vermeintlichen "Gefährlichkeit" von Hunderassen aufzustellen. Die Richtigkeit der Wertung des Ausgangsgerichts werde auch nicht durch das von der Beklagten angeführte Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf das bundesrechtliche Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz in Frage gestellt. Das Bundesverfassungsgericht habe in dem erwähnten Urteil entweder keine Feststellungen im Hinblick auf die Hunderasse "Staffordshire-Bullterrier" getroffen oder sachlich eindeutig falsche. Dies führt der Bevollmächtigte des Klägers im Einzelnen aus. Tatsache sei, wie bereits ausführlich dargelegt worden sei, dass die Hunderasse "Staffordshire-Bullterrier" eine äußerst kleine und leichte Hundesrasse sei (Schulterhöhe zwischen 30 und knapp 40 cm bei durchschnittlich 10 bis 15 kg Gewicht), die seit über 70 Jahren allein für Ausstellungszwecken gezüchtet werde. Diese Rasse werde in England als "Kindermädchen-Hund" zu Hunderttausenden gehalten. Im Übrigen gehe der von der Beklagten geltend gemachte Lenkungszweck in einer größenmäßig überschaubaren Kommune mit bürgerlich-ländlicher Sozialstruktur gänzlich ins Leere. Es bestehe dort in Ermangelung von Interessenten für "gefährliche" Hunde schlicht und ergreifend kein Anlass für die Verfolgung eines solchen Ziels.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten (1 Hefter) sowie der von Klägerseite vorgelegten Unterlagen Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

II.

Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig und begründet. Da der Senat einstimmig dieser Auffassung ist und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 130a VwGO durch Beschluss. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden (§ 130a Satz 2 in Verbindung mit § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Die vom Senat mit Beschluss vom 17. März 2004 - 5 UZ 3563/03 - zugelassene Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht begründet worden. Die Berufung ist auch begründet.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sind der Bescheid der Beklagten vom 27. April 2001 und ihr Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2001 gegenüber dem Kläger über Hundesteuer für dessen Staffordshire-Bullterrier rechtmäßig. Der Senat hat keine Bedenken dagegen, dass § 5 Nr. 3 der Satzung über Erhebung einer Hundesteuer im Gebiet der Beklagten vom 20. November 1998, nach dem die Steuer für einen "gefährlichen Hund" jährlich 1.000,-- DM beträgt, auch auf die Rasse "Staffordshire-Bullterrier" Anwendung findet.

Die Aufnahme auch dieser Rasse in den Katalog der nach § 5 Nr. 5 Satz 2 HStS unwiderlegbar als gefährlich geltenden Hunde unterliegt keinen Bedenken.

Der Senat hat bereits in seinem Normenkontrollbeschluss vom 29. Mai 2001 (5 N 92/00, HSGZ 2001, 346 = HessVGRspr. 2002, 89) eine Hundesteuersatzung, die in ihren Regelungen der dem streitigen Steuerbescheid zugrundeliegenden Steuersatzung der Beklagten entsprach, geprüft und für rechtmäßig befunden (ebenso die vorherrschende Rechtsprechung: vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2000 - 11 C 8.99 -, BVerwGE 110, 265; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. September 2000 - 6 A 10789/00 -, NVwZ 2001, 228; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Januar 2002 - 2 S 926/01 -, VBlBW 2002, 210; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Juni 2004 - 14 A 953/02 -). Auf diese den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens bekannte Entscheidung, der das Verwaltungsgericht ausdrücklich auch gefolgt ist, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Demnach kann eine Kommune mit ihrer Hundesteuersatzung neben dem Zweck der Einnahmeerzielung auch einen Lenkungszweck verfolgen, um die Haltung bestimmter Hunde aufgrund eines abstrakten Gefährdungspotentials einzudämmen. Insoweit kann die Eigenschaft als "gefährlicher Hund" auch an die bloße Zugehörigkeit zu bestimmten Hunderassen - oder deren Kreuzungen - geknüpft werden (vgl. die obigen Nachweise). Anders als vom Verwaltungsgericht angenommen ist die Einbeziehung der Hunderasse "Staffordshire-Bullterrier" in die Liste der Hunderassen, für die die Eigenschaft "gefährlicher Hund" unwiderlegbar vermutet wird (§ 5 Nr. 5 Satz 2 HStS), nicht zu beanstanden. Wie oben bereits ausgeführt, darf der Steuernormgeber neben dem Zweck der Einnahmeerzielung auch Lenkungszwecke verfolgen. Dabei ist das Ermessen des Steuernormgebers erheblich weiter als etwa die Regelungsbefugnis des Normgebers im Ordnungsrecht. Die Liste des § 5 Nr. 5 Satz 2 HStS enthält - unter im Tierhandel gebräuchlichen Bezeichnungen - solche Hunde, denen wegen ihres Gewichts oder ihrer Beißkraft eine abstrakte Gefährlichkeit zugesprochen wird. Es entspricht auch den Anforderungen des Gleichheitssatzes, bei diesen Hunden typischerweise die Erfüllung der Gefährlichkeitsmerkmale zu unterstellen. Eine nahezu gleichlautende Liste von Hunden, für die unwiderleglich deren steuerbegründende "Kampfhundeeigenschaft" vermutet wurde, hat die herrschende Rechtsprechung als rechtmäßig angesehen (vgl. die oben angegebenen Entscheidungen). Die Beklagte konnte als kommunale Satzungsgeberin auch die Rasse des "Staffordshire-Bullterriers" mit in diese Liste der Hunde, deren Gefährlichkeit unwiderleglich vermutet wird, einbeziehen. Diese Hunderasse ist ausdrücklich in § 2 Abs. 1 Satz 1 Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz vom 12. April 2001 (BGBl. I S. 530) aufgeführt. Hunde der dort aufgeführten Rassen sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden dürfen nicht in das Inland eingeführt oder verbracht werden. Diese Regelung und die Aufnahme der dort genannten Hunderassen hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich - d.h. mit Gesetzeskraft - für rechtmäßig erklärt (BGBl. I 2004, 543). Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ausgeführt, die der Regelung in abstrakter Betrachtung zugrunde gelegte Annahme, dass Hunde der Rassen Pit-Bullterrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier für Leib und Leben von Menschen so gefährlich seien, dass ihre Einfuhr und ihr Verbringen ins Inland unterbunden werden müssten, sei vertretbar und nicht offensichtlich unrichtig. Zwar könne nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand allein aus der Zugehörigkeit eines bestimmten Hundes zu einer bestimmten Rasse nicht auf seine Gefährlichkeit geschlossen werden. Dies hänge vielmehr von einer Vielzahl von Faktoren - neben bestimmten Zuchtmerkmalen eines Hundes etwa von dessen Erziehung, Ausbildung und Haltung, von situativen Einflüssen, vor allem aber von der Zuverlässigkeit und Sachkunde seines Halters - ab. Auch wenn das schädigende Ereignis das Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren voraussetze, soweit diese in hinreichender Wahrscheinlichkeit zusammentreffen könnten, dürfe der Gesetzgeber zum Schutz des menschlichen Lebens und der menschlichen Gesundheit aber gesetzliche Vorkehrungen treffen, wenn genügend Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass Hunde bestimmter Rassen - und sei es auch erst im Zusammenwirken mit anderen Faktoren der genannten Art - für diese Schutzgüter in besonderer Weise gefährlich werden könnten. Für Hunde der o.g. Rassen habe der Gesetzgeber vom Vorhandensein derartiger Anhaltspunkte ausgehen können. Auch der 11. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat in einem Normenkontrollverfahren die Einbeziehung der in § 2 Abs. 1 der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden vom 22. Januar 2003 (GVBl. I S. 54) genannten Hunderassen, darunter unter Nr. 3 des Staffordshire-Bullterriers, für rechtmäßig erklärt (Urteil vom 27. Januar 2004 - 11 N 520/03 - Juris). Angesichts dieser bundes- und landesrechtlichen Gesetzeslage, die u.a. auch die Rasse des "Staffordshire-Bullterriers" als besonders gefährlich einstuft, konnte auch der kommunale Steuersatzungsgeber von dieser Gefährlichkeit ausgehen. Ein Lenkungsinteresse, die Haltung von Hunderassen, von deren Gefährlichkeit Bundes- und Landesordnungsrecht ausgehen, im Gemeindegebiet einzudämmen, ist insofern nicht zu beanstanden. Gesonderte kommunale Statistiken, die gerade die Gefährlichkeit dieser Hunderasse auch für das Geltungsgebiet der kommunalen Steuersatzung belegen, sind insofern nicht erforderlich.

Da somit die Einbeziehung auch der Hunderasse "Staffordshire-Bullterrier" in die Satzungsregelung der Beklagten für eine erhöhte Steuer für "gefährliche Hunde" nicht zu beanstanden ist, verfügt der Hundesteuerbescheid der Beklagten vom 27. April 2001 über eine ausreichende Rechtsgrundlage. Somit ist auf die Berufung der Beklagten hin die dagegen gerichtete Anfechtungsklage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Die Entscheidung über die Höhe des Streitwerts beruht auf den §§ 13 Abs. 2, 14 Gerichtskostengesetz - GKG - in der vor dem 1. Juli 2004 geltenden Fassung.



Ende der Entscheidung

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