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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.11.2005
Aktenzeichen: 5 UZ 46/05
Rechtsgebiete: EWS der Stadt Haiger, HessKAG


Vorschriften:

EWS der Stadt Haiger v 30.09.1998 idF v 13.06.2002
HessKAG § 11 Abs. 9 Satz 1
HessKAG § 2 Satz 2
Auch bei einem auf den späteren Eintritt vorteilsbegründender Umstände beruhenden "Hineinwachsen des Grundstücks in die Beitragspflicht" ist der den aktuellen Stand der Globalberechnung wiedergebende Beitragssatz der im Zeitpunkt der Beitragsentstehung geltenden Beitragssatzung anzuwenden, kann also nicht der Beitragssatz einer früheren Beitragssatzung zugrunde gelegt werden, die im Zeitpunkt der Fertigstellung des vorausgehenden Schaffungsvorgangs galt.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 UZ 46/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag;

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 5. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Lohmann, Richter am Hess. VGH Dr. Apell, Richter am Hess. VGH Schneider

am 10. November 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf den Antrag der Beklagten wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 5. Oktober 2004 - 2 E 5542/03 - zugelassen.

Das Verfahren wird als Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen 5 UE 2955/05 fortgeführt.

Gründe:

Mit dem im Tenor bezeichneten Urteil hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 11. November 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2003 insoweit aufgehoben, als für die Abwassersammelleitungen ein höherer Beitrag als 586,55 € festgesetzt ist. Der u. a. auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, denn die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, die streitige Heranziehung sei in der genannten Höhe rechtswidrig, weil nach § 16 Abs. 3 Satz 2 der Entwässerungssatzung der Beklagten in der Fassung vom 13. Juni 2002 (im Folgenden: EWS 2002) der niedrigere Beitragssatz der vorangehenden Abwasserbeitrags- und -gebührensatzung der Beklagten zur Anwendung kommen müsse, stößt, wie die Beklagte in ihrem Zulassungsantrag dargelegt hat, auf durchgreifende rechtliche Bedenken.

Die Berechnung des Beitrags für die Verschaffung der vorteilhaften Anschlussmöglichkeit an eine leitungsgebundene Einrichtung richtet sich grundsätzlich nach dem Beitragssatz, der auf der Grundlage einer aktuellen Globalberechnung in der im Zeitpunkt der Beitragsentstehung geltenden Beitragssatzung festgelegt ist. Im vorliegenden Fall ist dies der in § 10 Abs. 2 EWS 2002 vorgesehene Beitragssatz von 2,30 € je qm Grundstücksfläche und 3,07 € je qm Geschossfläche für das Sammelleitungsnetz. Soweit in Abweichung davon § 16 Abs. 3 Satz 2 EWS 2002 bei nachträglichem Hineinwachsen des Grundstücks in die Beitragspflicht die "Heranziehung nach demjenigen Beitragssatz" vorschreibt, der im Zeitpunkt der Fertigstellung des dem nachträglichen Eintritt der vorteilsbegründenden Umstände vorausgehenden Einrichtungsvorgangs in der damals geltenden Satzung festgelegt war, gibt es dafür keine Rechtfertigung. Die Verweisung auf den früher geltenden Beitragssatz kann nur mit der Vorstellung erklärt werden, mit dem zu erhebenden Schaffungsbeitrag für das nachträglich in die Beitragspflicht hineinwachsende Grundstück werde gesondert der Aufwand abgerechnet, der auf den in der Vergangenheit liegenden "Schaffungsvorgang" entfalle, und insoweit komme es noch auf den damaligen Schaffungsbeitragssatz an. Das aber ist eine Fehlvorstellung, denn der für die Verschaffung der vorteilhaften Anschlussmöglichkeit zu entrichtende Schaffungsbeitrag dient nicht isoliert der auf einen bestimmten Schaffungsvorgang bezogenen Aufwandsdeckung, sondern er stellt die Beteiligung am Gesamtaufwand der leitungsgebundenen Einrichtung dar. Von daher ist stets - und rechtlich zwingend - der den aktuellen Stand der Globalberechnung wiedergebende Beitragssatz der im Zeitpunkt der Beitragsentstehung geltenden Beitragssatzung anzuwenden (dazu im Einzelnen: Driehaus, Hrsg., Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 888).

Soweit das Verwaltungsgericht die Anwendung des früheren Beitragssatzes damit begründet, dass die Beklagte die in § 16 Abs. 3 Satz 2 EWS 2002 getroffene Regelung "in Ausübung ihrer Satzungsbefugnis getroffen" habe und hieran so lange gebunden sei, als sie diese Regelung nicht aufhebe, kann dem nicht gefolgt werden. Eine förmliche Aufhebung ist im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit bei der Satzungsanwendung sicherlich wünschenswert und der Beklagten deshalb auch anzuraten. Doch auch ohne solche Aufhebung kann von der Regelung des § 16 Abs. 3 Satz 2 EWS 2002 keine rechtliche Bindung ausgehen, da sie mit dem Prinzip der gleichmäßigen Belastung aller Beitragspflichtigen nach Maßgabe einer auf die Gesamteinrichtung bezogenen Globalberechnung nicht vereinbar und damit materiell ungültig ist.

Der Wegfall des § 16 Abs. 3 Satz 2 EWS 2002 führt andererseits nicht zur Unvollständigkeit der Satzung in einem nach § 2 Satz 2 KAG notwendigen Regelungsbestandteil, was die Gesamtungültigkeit der Satzung zur Folge hätte. Die Vollständigkeit auch hinsichtlich der Beitragssatzregelung bleibt erhalten, da die in § 10 EWS 2002 getroffene Beitragssatzregelung auf sämtliche im Stadtgebiet vorkommenden Beitragsfälle beziehbar ist und auch die Fälle des nachträglichen Hineinwachsens in die Beitragspflicht erfasst.

Da aus den vorgenannten Gründen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen und hierauf gestützt die Berufung zuzulassen ist, kann dahinstehen, ob auch das sonstige Vorbringen der Beklagten geeignet ist, eine Zulassung der Berufung, sei es im Hinblick auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel, sei es im Hinblick auf die außerdem geltend gemachten Zulassungsgründe, zu rechtfertigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens folgt der Kostenentscheidung im Berufungsverfahren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen ist. Die Begründung ist beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

Ende der Entscheidung

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