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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 28.01.2009
Aktenzeichen: 6 A 1867/07.A
Rechtsgebiete: Richtlinie 2004/83/EG, AufenthG, VwVfG


Vorschriften:

Richtlinie 2004/83/EG Art. 15 Buchst. b
Richtlinie 2004/83/EG Art. 18
AufenthG § 60 Abs. 7
VwVfG § 51 Abs. 5
1. Ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots kann aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 15 Buchst. b und Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG hergeleitet werden, da das nationale Recht die Vorgaben der Richtlinie nicht richtig umsetzt.

2. Eine abschließende gerichtliche Entscheidung kommt auch im Verfahren nach § 51 Abs. 5 VwVfG i. V. m. §§ 48, 49 VwVfG in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 15 Buchst. b und Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG vorliegen.

3. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 AufenthG stehen grundsätzlich in einem Stufenverhältnis derart, dass die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG als Hauptantrag und die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG als Hilfsantrag begehrt wird.

4. Muslimische Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, sind spätestens dann einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt, wenn sie sich im Iran zu ihrem christlichen Glauben bekennen und Kontakt zu einer solchen Gruppierung aufnehmen.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 A 1867/07.A

Verkündet am: 28. Januar 2009

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 6. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Igstadt, Richterin am Hess. VGH Fischer, Richter am Hess. VGH Bodenbender, ehrenamtliche Richterin Rossi, ehrenamtlichen Richter Schneider v. Lepel

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2009 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 22. Mai 2007 und des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 27. Juni 2006 verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 15 Buchst. b und Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG in der Person des Klägers vorliegen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszugs haben der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte zu tragen. Die Kosten des zweiten Rechtszugs - soweit sie nicht bereits von der Kostenentscheidung im Beschluss vom 6. September 2007 (6 UZ 1631/07.A) erfasst sind - hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der am ... 1973 in Ahwaz geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste im Januar 2001 mit Hilfe eines Schleppers auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 25. Januar 2001 stützte sich der Kläger im Wesentlichen darauf, aus Angst vor politischer Verfolgung wegen einer von ihm eingereichten Diplomarbeit ausgereist zu sein.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid vom 7. November 2001 ab und gab zur Begründung an, die Anerkennung als Asylberechtigter scheitere daran, dass der Kläger - seinen eigenen Angaben zufolge - auf dem Landweg und somit über einen sicheren Drittstaat nach Deutschland eingereist sei, und Abschiebungsschutz scheitere daran, dass der Kläger weder zum Reiseweg noch zu seinem individuellen Verfolgungsschicksal glaubhafte Angaben gemacht habe. Die dagegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Wiesbaden mit Urteil vom 4. Juli 2003 ab. Dabei bestätigte das Verwaltungsgericht die Einschätzung des Bundesamtes und bewertete vom Kläger vorgetragene exilpolitische Aktivitäten als unbedeutend. Einen Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das vorbezeichnete Urteil lehnte der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. Januar 2004 (11 UZ 2080/03.A) ab.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 21. Mai 2005 - beim nunmehr zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingegangen am 1. Juni 2005 - stellte der Kläger einen "Asylfolgeantrag und Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens" und wies darauf hin, dass er sich während des anhängigen Verwaltungsstreitverfahrens dem christlichen Glauben zugewandt habe. Er gehöre dem Persischen Christlichen Zentrum, Mitglied im Bund der Freikirchlichen Pfingstgemeinde, an und sei für diese Gemeinde seit Februar 2004 tätig. Er habe nach Absolvierung eines Glaubensgrundkurses die Taufe am 30. Januar 2005 erhalten und sei seitdem als volles Mitglied aufgenommen worden. Er habe Aufgaben in der Gemeinde übernommen und an allen Veranstaltungen teilgenommen. Es stehe zu befürchten, dass er wegen der Mitgliedschaft in dieser stark missionierenden Gemeinde, die im Iran verboten sei und deren Mitglieder "ohne Zweifel nach ganz übereinstimmender Meinung verfolgt" würden, im Falle der Rückkehr Gefährdungsmaßnahmen asylrelevanten Ausmaßes wegen dieser Konversion ausgesetzt sei.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie den Antrag auf Abänderung des nach altem Recht ergangenen Bescheids vom 7. November 2001 bezüglich der Feststellungen zu § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG mit Bescheid vom 27. Juni 2006 ab. Die Ablehnung des Antrags auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens stützte das Bundesamt darauf, dass dieser bereits an der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 51 Abs. 3 VwVfG scheitere, da der Kläger den Antrag mehr als drei Monate, nachdem er von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erlangte, gestellt habe. Gründe, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gem. § 49 VwVfG rechtfertigten, lägen ebenfalls nicht vor. Allein der Glaubensübertritt führe grundsätzlich nicht zu einer Verfolgung durch den iranischen Staat, sofern der Konvertierte nicht missionierend tätig sei. Eine Missionierung in Deutschland werde nach Einschätzung des Deutschen Orient-Instituts nicht als die Belange Irans betreffend angesehen, so dass die Gefahr, dass dieser Personenkreis nach einer etwaigen Rückkehr im Iran staatlichen Maßnahmen ausgesetzt sein könnte, im Ergebnis als irrelevant anzusehen sei, es sei denn, qualifizierende Umstände träten hinzu. Derartige Umstände habe der Kläger nicht vorgetragen.

Der Bescheid wurde am 30. Juni 2006 als Einschreiben zur Post gegeben.

Am 12. Juli 2006 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung der Klage hat er den Taufschein sowie Bescheinigungen vom 29. Juni 2006 und 27. November 2006 zum Beweis dafür vorgelegt, dass er nach wie vor als Übersetzer der Bibel für die Organisation wycliff tätig und in der Gemeinde des Persischen Christlichen Zentrums Mainz aktiv sei. Darüber hinaus hat er vorgetragen, dass es sich bei dem Persischen Christlichen Zentrum Mainz um eine missionierende Gemeinde handele, so dass im Falle der Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit religiöse Verfolgung gem. § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. Art. 10 Abs. 1b der Richtlinie 2004/83/EG - sog. Qualifikationsrichtlinie - drohe. Die Beschränkung der Religionsausübung wie bisher in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 16a GG und § 60 Abs. 1 AufenthG sei insoweit nicht richtlinienkonform, als nach der Qualifikationsrichtlinie nicht mehr nur das "forum internum", sondern auch die Betätigung nach außen geschützt sei. Er - der Kläger - sei aktives Mitglied seiner Gemeinde und missionierend tätig und müsse daher im Falle der Rückkehr in den Iran mit asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen wegen der Konversion zum christlichen Glauben rechnen. Quellen jüngeren Datums zur Verfolgungssituation der Christen im Iran belegten, dass sich insbesondere die Situation für Konvertiten unter der Regierung Ahmadinejad verschärft habe. Christen würden zunehmend mit Misshandlung und Schikane konfrontiert. Konversion errege in der iranischen muslimischen Öffentlichkeit den Verdacht einer regimekritischen Haltung, wobei sich die Gefahr erhöhe, wenn Konvertiten zusätzlich Missionstätigkeiten und andere öffentliche Aktivitäten oder eine leitende Funktion in einer christlichen Gemeinde ausübten. Nicht auszuschließen sei auch, dass fanatische Muslime Übergriffe durchführten, da Konvertiten nach islamischem Recht von Muslimen getötet werden dürften. Bei der Iranisch-Presbyterianischen Gemeinde, der er - der Kläger - angehöre, handele es sich um eine evangelische Sekte, zu deren Hauptziel es gehöre, zu missionieren, so dass diese Kirche im Gegensatz zu anderen Religionsgemeinschaften im Iran verboten sei. Dementsprechend habe das Deutsche Orient-Institut in seiner Stellungnahme an das VG Wiesbaden vom 11. Dezember 2003 ausgeführt, dass die Pfingstchristlichen Gemeinden nicht als Glaubensgemeinschaften, sondern als verbotene politische Organisationen angesehen würden und sich deshalb nur im Untergrund versammeln könnten.

Das Verwaltungsgericht hat den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung informatorisch angehört; wegen der dortigen Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 47 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Juni 2006, das Asylverfahren fortzuführen und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 AufenthG im Übrigen, insbesondere des § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit am 22. Mai 2007 verkündetem Urteil abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, dass ein Anspruch des Klägers aus § 60 Abs. 1 AufenthG an der Versäumung der Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG scheitere und ein Anspruch aus § 60 Abs. 7 AufenthG nicht gegeben sei, da dem Kläger bei Einreise in sein Heimatland Iran keine konkrete unmittelbare Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit drohe. Nicht jedem (übergetretenen aktiven) Christen drohe mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit Verfolgung. Entscheidend für die Verfolgungsprognose sei vielmehr, ob ein zum Christentum übergetretener Moslem selbst eine missionarische Tätigkeit in herausgehobener Position entfaltet habe oder bei einer Rückkehr in den Iran entfalten werde oder ob er sich in anderer exponierter Weise für die christliche Religion eingesetzt habe, die aus Sicht der Mullahs als Angriff auf den Bestand der Islamischen Republik Iran angesehen werden könne. Die vorgelegten Bescheinigungen ließen zwar ein besonderes Eintreten für die Glaubensgemeinschaft erkennen, machten aber nicht deutlich, dass der Kläger in besonders herausragender Weise durch Missionstätigkeit nach Außen in Erscheinung getreten sei.

Mit Beschluss vom 6. September 2007 hat der Senat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 22. Mai 2007 hinsichtlich der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG zugelassen und den Zulassungsantrag im Übrigen abgelehnt.

Der Kläger nimmt zur Begründung der Berufung vollinhaltlich Bezug auf den Schriftsatz vom 6. August 2007, mit dem die Zulassung der Berufung beantragt worden ist, und weist erneut darauf hin, dass das Auswärtige Amt in einem Schreiben vom 27. April 2007 ausgeführt habe, Mitglieder religiöser Gruppierungen, die selbst offene und aktive Missionsarbeit im Iran betrieben, riskierten staatliche Repressionen. Daraus folge - so die Argumentation des Klägers -, dass für alle missionierenden Christen ungeachtet dessen, ob es sich um konvertierte oder nichtkonvertierte handele, die Gefahr der religiösen Verfolgung bestehe. In diesem Kontext sei seine - des Klägers - Tätigkeit zu würdigen, der einer missionierenden Gemeinde angehöre und insbesondere durch seine Mitarbeit an einer Bibelübersetzung in iranische Sprachen - beispielsweise Gileki - missionierend in den Iran (auch via Internet) Einfluss nehme.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 22. Mai 2007 hinsichtlich der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes sowie durch Einholung von schriftlichen Sachverständigengutachten. Wegen des Beweisthemas wird verwiesen auf die Anfrage der Berichterstatterin vom 7. Juli 2008 (Bl. 114 f. der GA) und wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 8. August 2008, das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Thielmann (KOOM) vom 22. September 2008 (Bl. 147 ff. der GA) sowie das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Brocks vom 15. Oktober 2008 (Bl. 15 ff. der GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Prozessakte (1 Band), die Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes (2 630 450 - 439 betreffend das Erstverfahren und 5165853 - 439 betreffend das Folgeverfahren) sowie die den Beteiligten mit Verfügung vom 11. Dezember 2008 sowie ergänzend im Termin zur mündlichen Verhandlung mitgeteilten Unterlagen zur Lage der Christen im Iran.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat lediglich hinsichtlich des Anspruchs auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG zugelassene Berufung ist auch im Übrigen zulässig.

Die Bevollmächtigte des Klägers hat die Berufung mit Schriftsatz vom 13. September 2007 - bei Gericht eingegangen am darauffolgenden Tag - begründet, nachdem ihr der Beschluss des Senats vom 6. September 2007 am 10. September 2007 zugestellt worden war. Die Monatsfrist zur Begründung der Berufung gem. § 124a Abs. 6 Sätze 1 und 2 VwGO ist damit gewahrt. Die Berufungsbegründung genügt auch den Anforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 3 i. V. m. Abs. 3 Satz 4 VwGO. Sie enthält einen bestimmten Antrag und nimmt vollinhaltlich Bezug auf den Schriftsatz vom 6. August 2007, mit dem die Bevollmächtigte des Klägers die Zulassung der Berufung beantragt und begründet hat; gleichzeitig hat sie erneut darauf hingewiesen, dass das Auswärtige Amt in einem Schreiben vom 27. April 2007 ausgeführt habe, dass Mitglieder religiöser Gruppierungen, die selbst offene und aktive Missionsarbeit im Iran betrieben, staatliche Repressionen riskierten. Dem Begründungserfordernis ist damit Genüge getan (zu den Anforderungen an die Berufungsbegründung vgl.: BVerwG, Beschluss vom 02.07.2008 - 10 B 3/08 -, Jurisdokument).

Die Berufung des Klägers ist allerdings unbegründet, soweit er - als Hauptantrag - die Feststellung der Voraussetzungen des neu eingefügten § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG begehrt.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung, ob dem Kläger der begehrte Abschiebungsschutz zusteht, ist die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I, S. 1970) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 (Bekanntmachung der Neufassung am 25. Februar 2008 [BGBl. I, S. 162], zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2008 [BGBl. I, S. 2965]) geltende Rechtslage. Denn es handelt sich um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit, bei der der Senat nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat.

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 AufenthG stehen seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes grundsätzlich in einem Stufenverhältnis derart, dass die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG als Hauptantrag und die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG als Hilfsantrag begehrt wird.

Der Antrag auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf das Herkunftsland ist seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes im Asylprozess sachdienlich dahin auszulegen, dass in erster Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird. Der nationale Gesetzgeber hat mit diesem Gesetz die seit dem Zuwanderungsgesetz in § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG normierten ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote geändert und in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG zum subsidiären Schutz aufgenommen. Dabei hat er die positiven Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 der Richtlinie als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet, über deren Vorliegen bei Asylbewerbern allein das Bundesamt zu entscheiden hat. Nur für diese Abschiebungsverbote hat der nationale Gesetzgeber in § 60 Abs. 11 AufenthG die unmittelbare Geltung einzelner Bestimmungen der Qualifikationsrichtlinie angeordnet. Die Ausschlussgründe für den subsidiären Schutzstatus nach Art. 17 der Richtlinie hat er dagegen als Versagungsgründe für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG geregelt, über die die Ausländerbehörde unter Beteiligung des Bundesamtes zu entscheiden hat. Daraus folgt, dass in Bezug auf das Herkunftsland die dem subsidiären Schutzkonzept der Qualifikationsrichtlinie zuzuordnenden Abschiebungsverbote gegenüber den sonstigen (nationalen) ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten einen selbständigen Streitgegenstand bilden und ihre Feststellung nach der typischen Interessenlage des Schutzsuchenden vorrangig vor der Feststellung eines sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots begehrt wird. Denn die Feststellung eines Abschiebungsverbots durch das Bundesamt, mit der zugleich verbindlich die positiven Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus nach der Richtlinie festgestellt werden, vermittelt dem Schutzsuchenden regelmäßig weitergehende Rechte als die Feststellung eines sonstigen (nationalen) ausländerrechtlichen Abschiebungsverbots (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 -, NVwZ 2008, 1241; Hess. VGH, Urteil vom 11.12.2008 - 8 A 611/08.A -).

Ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG steht dem Kläger aber unabhängig davon, ob ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG in Betracht kommt und die Sache spruchreif ist, bereits deshalb nicht zu, weil es an den Voraussetzungen der Norm - einem internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Iran - fehlt.

Im Übrigen ist die Berufung des Klägers begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 15 Buchst. b und Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG zu. Die Sache ist auch spruchreif, da dem Bundesamt hinsichtlich der Änderung der bestandskräftigen negativen Feststellung zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kein Ermessensspielraum eröffnet ist.

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Antrag des Klägers, der dem Bescheid des Bundesamts vom 27. Juni 2006 zu Grunde liegt, um einen Folgeantrag i. S. d. § 71 AsylVfG handelt. Der Kläger stellte nämlich nach rechtskräftig abgeschlossenem Asylerstverfahren mit Schreiben vom 21. Mai 2005 einen "Asylfolgeantrag und Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens" unter Hinweis auf seine Konversion zum christlichen Glauben. Für die Geltendmachung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG sind die in § 71 AsylVfG enthaltenen Regelungen zwar nicht anwendbar, da die Feststellung dieser Abschiebungsverbote nicht Teil des Asylantrags ist (vgl. § 13 AsylVfG). Ein Wiederaufgreifen der Feststellungen zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bzw. zu der Vorgängernorm in § 53 AuslG im Folgeantragsverfahren ist allerdings ebenfalls nur unter Beachtung der Vorschrift des § 51 VwVfG möglich, und zwar nicht in analoger Anwendung von § 71 Abs. 1 und 3 AsylVfG nur die Absätze 1 bis 3 des § 51 VwVfG, sondern in unmittelbarer Anwendung des § 51 VwVfG - einschließlich der in Absatz 5 enthaltenen Korrekturmöglichkeit - als allgemeine Regelung des Verwaltungsverfahrensgesetzes (so bereits zur alten Rechtslage: Hess. VGH, Beschluss vom 22.12.1999 - 6 UE 3557/98.A -, ESVGH 50, 164, m.w.N.; ebenso zur neuen Rechtslage: Müller in: Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, Handkommentar, 1. Aufl., 2008, § 71 AsylVfG Rdnr. 47 ff., m.w.N.).

Die Frage des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hat das Bundesamt im Erstverfahren zwar noch nicht geprüft, da die Vorschrift im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamts über den Asylerstantrag des Klägers noch nicht galt. Der Katalog der Abschiebungsverbote in § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gibt aber weitgehend die in § 53 AuslG geregelten Abschiebungsverbote und -hindernisse wieder, insbesondere entspricht § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG weitgehend der zum damaligen Zeitpunkt in § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG enthaltenen Regelung. Da das Bundesamt Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG im Erstverfahren - Bescheid vom 7. November 2001 (S. 8) - ausdrücklich geprüft und verneint hat, kommt ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Geltendmachung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG in Betracht.

Ein Wiederaufgreifen des Verfahrens setzt gem. § 51 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VwVfG voraus, dass sich die dem Verwaltungsakt zu Grunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zu Gunsten des Betroffenen geändert hat oder neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind. Der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG), und er muss binnen drei Monaten beginnend mit dem Tag gestellt werden, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG).

Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger die Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG versäumt hat. Auch der Senat hat in seinem Beschluss vom 6. September 2007 darauf abgestellt, dass als Zeitpunkt für eine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts die Taufe anzusehen ist, mit der sich die Hinwendung des Klägers zum christlichen Glauben manifestiert habe. Demgegenüber durfte der Kläger auch nicht etwa deshalb mit der Geltendmachung dieser Sachverhaltsänderung abwarten, weil er noch nicht im Besitz einer Taufbescheinigung als Nachweis für die eingetretene Sachverhaltsänderung war. Aus der Systematik des § 51 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 VwVfG ergibt sich nämlich, dass Sachverhalts- und Rechtsänderungen unabhängig von etwaigen Beweismitteln für diese Änderungen innerhalb der Drei-Monats-Frist nach § 51 Abs. 3 Satz 1 VwVfG geltend zu machen sind; gegebenenfalls läuft mit Besitz des Beweismittels dann eine eigenständige Frist. Der Kläger hätte also den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens innerhalb von drei Monaten nach seiner Taufe am 30. Januar 2005 - also spätestens am 30. April 2005 - stellen müssen; der Antrag vom 21. Mai 2005, der erst am 1. Juni 2005 bei dem Bundesamt eingegangen ist, war mithin zu spät.

Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vor, so hat das Bundesamt gem. § 51 Abs. 5 VwVfG i. V. m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zurückgenommen oder widerrufen wird; insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung. Dabei ist das Gericht gehalten, die Sache nach Möglichkeit spruchreif zu machen und abschließend zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und § 86 Abs. 1 VwGO, § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Eine solche abschließende gerichtliche Entscheidung kommt in Betracht, wenn dem Bundesamt im Einzelfall hinsichtlich der Änderung der bestandskräftigen negativen Feststellung kein Ermessensspielraum eröffnet ist (BVerwG, Urteil vom 20.10.2004 - 1 C 15.03 -, BVerwGE 122, 103, zur alten Rechtslage nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG).

Dabei geht der Senat davon aus, dass eine abschließende gerichtliche Entscheidung auch im Verfahren nach § 51 Abs. 5 VwVfG i. V. m. §§ 48, 49 VwVfG in Betracht kommt und zwar jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 15 Buchst. b und Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG vorliegen. Im Gegensatz zur alten Rechtslage, bei der § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG als "Kann"-Vorschrift ausgestaltet war, ist bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der "Soll"-Bestimmung regelmäßig ein Absehen von der Abschiebung in den betreffenden Staat geboten. Nur wenn ausnahmsweise Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Falles bestehen, haben die Gerichte zu prüfen, ob dieser tatsächlich vorliegt, und können gegebenenfalls das Bundesamt - sofern dessen Ermessen nicht auf null reduziert ist - nur zur Neubescheidung verpflichten (BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 - 10 C 8.07 -, BVerwGE 129, 251 [Rdnr. 20]). Ist ein Absehen von der Abschiebung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten, so eröffnet auch § 51 Abs. 5 VwVfG i. V. m. §§ 48, 49 VwVfG keine andersartige Entscheidungsmöglichkeit für das Bundesamt. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. b und des Art. 18 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen. Droht ein ernsthafter Schaden i. S. d. Art. 15 der Qualifikationsrichtlinie, ohne dass Erlöschens- oder Ausschlussgründe i. S. d. Art. 16 und 17 vorliegen, so bestimmt Art. 18 der Qualifikationsrichtlinie, dass die Mitgliedstaaten dem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen den subsidiären Schutzstatus zwingend zuerkennen (vgl. dazu: Hruschka/ Lindner, Der internationale Schutz nach Art. 15b und c Qualifikationsrichtlinie im Lichte der Maßstäbe von Art. 3 EMRK und § 60 VII AufenthG, in: NVwZ 2007, 645 [650]). Für eine andere Entscheidung im Wege des Ermessens bei Folgeanträgen bzw. Anträgen auf Wiederaufgreifen des Verfahrens ist danach auf nationaler Ebene kein Raum.

In der Person des Klägers liegen sowohl die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG als auch die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. b i. V. m. Art. 18 der Qualifikationsrichtlinie vor.

Die Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestimmt, dass von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden soll, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eingeschränkt wird die Vorschrift in Satz 3 allerdings insofern, als Gefahren nach Satz 1 oder Satz 2, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen sind. Demgegenüber gelten Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und die Art. 6 bis 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12) gem. § 60 Abs. 11 AufenthG ausdrücklich nur für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach den Absätzen 2, 3 und 7 Satz 2 des § 60 AufenthG.

Muslimische Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, sind spätestens dann einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt, wenn sie sich im Iran zu ihrem christlichen Glauben bekennen und Kontakt zu einer solchen Gruppierung aufnehmen. Sie müssen dann mit Inhaftierung, körperlichen Übergriffen, Einschüchterungen und/oder sonstigen erniedrigenden Maßnahmen durch die iranischen Sicherheitskräfte rechnen (so auch: Kompetenzzentrum Orient Okzident vom 22.09.2008, S. 5 ff.; Brocks vom 15.10.2008, S. 7 f.).

Dabei kommt es nicht darauf an, welche Stellung ein Konvertit in der christlichen Gemeinde einnimmt. Die Aussage des Auswärtigen Amtes, wonach sich staatliche Maßnahmen bisher ganz überwiegend gezielt gegen die Kirchenführer und in der Öffentlichkeit besonders aktive Personen richteten (Auskunft vom 08.08.2008, S. 3), rechtfertigt nach der aktuellen Erkenntnislage nicht (mehr) den Schluss darauf, dass eine konkrete Gefahr nur für diesen eingeschränkten Personenkreis besteht. Das Gefährdungspotential mag sich für diesen Personenkreis noch erhöhen - ebenso für den Kläger, der im besonderen Maße in die weltweite Missionierungsarbeit der Organisation wycliff eingebunden ist -. Ungeachtet dessen haben sich die Gefahrenmomente auch für "einfache" Mitglieder evangelikaler und freikirchlicher Gemeinden derart verdichtet, dass von einer konkreten Gefahr für jedes Mitglied ausgegangen werden muss (so im Ergebnis auch: Sächsisches OVG, Urteil vom 03.04.2008 - A 2 B 36/06 -, Jurisdokument; Bayerischer VGH, Urteil vom 23.10.2007 - 14 B 06.30315 -, DÖV 2008, 164).

Einer derartigen Gefahr kann ein Konvertit nur dadurch entgehen, dass er seinen christlichen Glauben verleugnet und nach außen den Anschein erweckt, Moslem zu sein; das bedeutet, dass er an islamischen Gottesdiensten und Riten teilnehmen und in Gesprächen gegebenenfalls anti-christliche Äußerungen hinnehmen oder sogar selbst machen muss. Eine religiöse Betätigung selbst im häuslich-privaten oder nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich ist nicht mehr gefahrlos möglich (Kompetenzzentrum Orient Okzident vom 22.09.2008, S. 6 f.).

Religiöse Minderheiten gehören zu den besonders verletzlichen Gruppen im Iran (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 20.01.2004, S. 11). Nur ca. ein bis zwei Prozent der Bevölkerung im Iran gehört nicht-muslimischen Religionen - etwa Christen, Juden, Bahai, Zoroastrier - an (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 20.01.2004, S. 11; Auswärtiges Amt vom 04.07.2007, S. 18). Wie viele Christen im Iran leben, ist unbekannt; Schätzungen schwanken zwischen 120.000 - nach Regierungsangaben - und 360.000 - nach Angaben christlicher Kreise der USA - (Bundesamt vom 01.07.2008, S. 5; vgl. dazu auch: Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 18.10.2005, S. 4; Auswärtiges Amt vom 27.04.2007, S. 1; Asylmagazin vom 01.04.2007, S. 1). Dabei handelt es sich einerseits um Anhänger der seit mehreren Jahrhunderten im Iran ansässigen traditionellen Kirchen - wie der armenischen, der assyrischen und der chaldäischen Kirche - und andererseits um Mitglieder neuerer christlicher Bewegungen - wie Protestanten, evangelikale und freikirchliche Gemeinden (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 18.10.2005, S. 4). Muslime und Angehörige derjenigen alteingesessenen Religionsgemeinschaften, die von der iranischen Verfassung anerkannt werden - Christentum, Zoroastrismus und Judentum - leben zwar im Wesentlichen friedlich nebeneinander (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 18.10.2005, S. 7; Auswärtiges Amt vom 04.07.2007, S. 17, und vom 18.03.2008, S. 18). Angehörigen der religiösen Minderheiten ist es jedoch ohne Ausnahme verboten, unter Muslimen zu missionieren, da für Muslime keine anerkannte Möglichkeit existiert, den Islam zu verlassen und zum Christentum überzutreten (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 18.10.2005, S. 7 und 17). Die traditionellen religiösen Minderheiten halten sich an das umfassende Missionierungsverbot. Sie werden von der iranischen Regierung zudem dazu angehalten, muslimischen Interessenten den Zugang zu ihren religiösen Veranstaltungen zu verweigern und Versuche von muslimischen Personen, mit ihren Gemeinden in Kontakt zu treten, zurückzuweisen. Die Anhänger der traditionellen Kirchen - wie armenische, assyrische und chaldäische Christen - unterscheiden sich neben ihrer Religion auch sprachlich und kulturell von muslimischen Iranern. Die vom iranischen Staat verordnete und von den traditionellen christlichen Gemeinden mehr oder weniger akzeptierte religiöse Isolation wird durch den Umstand gefördert, dass die jeweiligen Glaubensgruppen ihre Gottesdienste in ihrer eigenen Sprache durchführen, die für Außenstehende kaum verständlich ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 18.10.2005, S. 8; Kompetenzzentrum Orient Okzident vom 29.02.2008, S. 2, um vom 22.09.2008, S. 2).

Im Gegensatz dazu vereinigen neuere christliche Strömungen - wie die verschiedenartigen protestantischen und evangelikalen (Frei-)Kirchen - sowohl traditionelle christliche Minderheiten als auch vermehrt muslimische Konvertiten in ihren Reihen (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 18.10.2005, S. 7). Die Zunahme der Konversionen zum Christentum ist ein (relativ) neues Phänomen, das erklärt wird einerseits durch die zunehmende Ablehnung der islamisch-restriktiv argumentierenden iranischen Regierung durch die zumeist jungen muslimischen Iraner, die ihre Hinwendung zum Christentum als Protest verstehen, und andererseits durch intensivierte Missionierungsbestrebungen christlicher Gruppierungen im Iran (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 18.10.2005, S. 16 f.).

Evangelikale und freikirchliche Gruppierungen im Iran sind schwer zu fassen; um ihre Anhänger und Missionare nicht in Gefahr zu bringen, verzichten sie auf Publizität und versuchen, ihrer Missionierungstätigkeit verdeckt nachzugehen (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 18.10.2005, S. 13 f.). Die Gottesdienste und sonstigen Gemeindeaktivitäten finden in Farsi (persisch) statt und sind damit für jedermann verständlich (Kompetenzzentrum Orient Okzident vom 29.02.2008, S. 2). Nach Angaben der christlichen Kirchen im Iran bestehen etwa 100 christliche Hausgemeinschaften, an denen Konvertiten teilnehmen (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 18.10.2005, S. 18), die erheblichen Einschränkungen unterliegen. So verlangt die iranische Regierung von den ihr bekannten evangelikalen und freikirchlichen Gruppierungen, dass ihre Anhänger stets Mitgliederausweise bei sich tragen und den Behörden davon Fotokopien zur Verfügung gestellt werden. Zusammenkünfte derartiger Gruppierungen erlauben die Behörden nur noch sonntags und setzen Sicherheitskräfte ein, um die anwesenden Personen zu überprüfen. Kirchenführer werden aufgefordert, vor jeder neuen Aufnahme von Gläubigen das Ministerium für Information und islamische Führung zu informieren (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 18.10.2005, S. 17; ähnlich: Kompetenzzentrum Orient Okzident vom 29.02.2008, S. 3). Absicht der Behörden ist es, den muslimischen Iranern jeden Zugang zu evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierungen zu versperren; so werden Kirchenoffizielle aufgefordert, Erklärungen zu unterschreiben, wonach ihre Kirche weder Muslime bekehre noch Muslimen Zugang zu ihren Gottesdiensten gewähre (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 18.10.2005, S. 14). Berichten zufolge wurden Konvertiten in der Vergangenheit - sobald ihr Übertritt den iranischen Behörden bekannt geworden war - zum Informationsministerium zitiert, wo sie wegen ihres Verhaltens scharf verwarnt wurden (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 18.10.2005, S. 17). Anklagen gegen Christen wegen Mitgliedschaft in illegalen oder politischen Gruppierungen kommen immer wieder vor, da die engeren Beziehungen der evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierungen zum westlichen Ausland besonders argwöhnisch betrachtet werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 18.10.2005, S. 15 f; ähnlich: Kompetenzzentrum Orient Okzident vom 29.02.2008, S. 2 und 3). Christlich-evangelikale Treffen werden von den iranischen Sicherheitskräften unter dem Hinweis aufgelöst, es handele sich um politisch illegale Gruppierungen (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 18.10.2005, S. 15 f.).

Derartige Kampagnen gegen die freikirchlich-christliche Szene Irans werden seit Anfang 2008 begleitet durch Bestrebungen, die nicht anerkannten christlichen Kirchen und deren Missionsarbeit in den Bereich ausdrücklich angeordneter Strafbarkeit einzubeziehen (Brocks vom 05.06.2008, S. 11). Nach islamischem Recht kommt der Abfall vom Glauben dem Verrat an der islamischen Gemeinde gleich und wird mit dem Tod bestraft. Dieses religiöse Prinzip hat zwar bislang keinen Eingang in die iranische Gesetzgebung gefunden, gleichwohl wurden noch im Jahr 1994 Todesurteile auf Grund des Übertritts zum Christentum vollstreckt (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 18.10.2005, S. 17). Ein offizieller Straftatbestand der Apostasie existiert bislang noch nicht. Seit Februar 2008 machen allerdings Nachrichten die Runde, wonach das iranische Parlament einen neuen Gesetzentwurf zur Reform des iranischen Strafgesetzbuchs berät, in welchem die Aufnahme eines neuen Abschnitts über Apostasie, Häresie und Zauberkunst vorgesehen ist, der diese Handlungen mit der Todesstrafe bzw. lebenslänglicher Haft ahndet (Brocks vom 05.06.2008, S. 11. ff.; Bundesamt vom 01.07.2008, S. 5; Auswärtiges Amt vom 21.08.2008, S. 2; Kompetenzzentrum Orient Okzident vom 22.09.2008, S. 4). Der Gesetzentwurf ist am 9. September 2008 in erster Lesung im iranischen Parlament mit überwältigender Mehrheit - mit 196 zu 7 Stimmen - angenommen worden (Kompetenzzentrum Orient Okzident vom 22.09.2008, S. 4; Brocks vom 15.10.2008, S. 1). Er ist noch nicht Gesetz geworden, sondern muss ein weiteres Mal im Parlament beraten und sodann vom Wächterrat bestätigt werden; zuletzt muss das Gesetz von dem "Revolutionsführer" unterzeichnet werden, bevor es verkündet wird (Brocks vom 15.10.2008, S. 1 f.). Der Stand des Gesetzgebungsverfahrens erlaubt zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar noch keinen zwingenden Schluss darauf, dass muslimischen Konvertiten bei einer Rückkehr in den Iran die Todesstrafe droht. Die Entwicklung zeigt jedoch, dass der Druck auf konvertierte Muslime im Iran stark zugenommen hat.

Der Kläger gehört auch zu dem gefährdeten Personenkreis.

Der Senat ist davon überzeugt, dass sich der Kläger ernsthaft dem christlichen Glauben zugewandt hat und dass er sich bei einer erzwungenen Rückkehr in den Iran zu seinem christlichen Glauben bekennen und versuchen würde, Kontakt zu einer evangelikalen oder freikirchlichen Gemeinde aufzunehmen. Die Einschätzung des Senats beruht auf den schriftlichen Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren sowie im gerichtlichen Verfahren, den zur Bestätigung eingereichten Unterlagen (Taufurkunde, Bescheinigungen des Pastors bzw. Gemeindeleiters des Persischen Christlichen Zentrums in Mainz, Schreiben nebst Informationsmaterial der Organisation wycliff) und den persönlichen Erklärungen des Klägers anlässlich seiner Befragung vor dem Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2007 sowie seiner informatorischen Anhörung durch den Senat in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2009.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2009 geschildert, dass er in den Jahren 2002 bis 2004 - nach anfänglicher Ablehnung - der Einladung eines iranischen Arbeitskollegen in das Persisch Christliche Zentrum in Mainz gefolgt sei und sich zum christlichen Glauben habe bekehren lassen. Bestätigt werden die Angaben des Klägers, sein Engagement in der Gemeinde und die Taufe am 30. Januar 2005 durch Bescheinigungen der Pastoren bzw. Gemeindeleiter des Persischen Christlichen Zentrums vom 30. Januar 2005 (Taufschein), 29. April 2005, 13. September 2005 und 27. November 2006. Die Konversion zum christlichen Glauben und das Engagement des Klägers in der Gemeinde ist weder im Verwaltungsverfahren vor dem Bundesamt noch im erstinstanzlichen Verfahren in Zweifel gezogen worden. Das Verwaltungsgericht ist vielmehr im Urteil vom 22. Mai 2007 davon ausgegangen, dass der Kläger glaubhaft gemacht habe, in Deutschland seinen Glauben insbesondere durch Teilnahme an Gottesdiensten zu praktizieren, und die von ihm eingereichten Bescheinigungen ein besonderes Eintreten für die Glaubensgemeinschaft erkennen ließen. Auf eine besondere Verbundenheit mit dem christlichen Glauben deutet auch das Engagement des Klägers für die Organisation wycliff hin. Ziel der Organisation wycliff ist es - ausweislich der mit Schreiben vom 15. Januar 2009 eingereichten Unterlagen -, dafür zu sorgen, dass alle Menschen Zugang zu einer Bibelübersetzung bekommen, die sie wirklich verstehen können. Die Organisation geht davon aus, dass noch Übersetzungen in über 2000 Sprachen notwendig sein werden, um dieses Ziel zu erreichen. Wycliff ist mit über 6400 Mitarbeitern aus 60 Ländern - eigenen Angaben zufolge - das größte Missionswerk weltweit und arbeitet derzeit an 1379 Sprachen. Die Arbeit vor Ort erfolgt mit einheimischen Kirchen und Organisationen, derzeit in 97 Ländern; im Schnitt wird jährlich in 70 Sprachen ein neues Projekt begonnen. Bedingung zur Erlangung der Mitgliedschaft ist die Übereinstimmung mit einem internen Glaubensbekenntnis, das weitgehend dem der Evangelischen Allianz entspricht. Dementsprechend hat der Leiter der Geschäftsstelle von wycliff e. V. in Burbach mit Schreiben vom 15. Januar 2009 bestätigt, dass der Beschäftigung des Klägers ein Überprüfungsverfahren vorausgegangen sei, ob er die Qualifikationen und die notwendige innere Überzeugung mitbringe, um an einem Bibelübersetzungsprojekt mitzuarbeiten.

Vor diesem Hintergrund ist der Senat davon überzeugt, dass der christliche Glaube und dessen Verbreitung zwischenzeitlich zu einem inneren Bedürfnis im Leben des Klägers geworden sind, das er bei einer erzwungenen Rückkehr in den Iran nicht mehr verleugnen würde und das zu einer konkreten Gefahr für Leib, Leben und Freiheit auch im Hinblick auf seine Tätigkeit für die Organisation wycliff führen würde.

Bei der vom Kläger geltend gemachten Rückkehrgefährdung wegen Konversion zum christlichen Glauben handelt es sich allerdings nicht (nur) um eine individuelle konkrete Gefahr, sondern um eine solche, die allen muslimischen Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, bei einer Rückkehr in den Iran droht. Selbst wenn es sich bei diesem Personenkreis um eine Bevölkerungsgruppe im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG handeln sollte und die Gruppe so groß und die Gefahr von solcher Art wäre, dass das Erfordernis einer politischen Leitentscheidung nach § 60a Satz 1 AufenthG bestände, könnte dem Kläger Abschiebungsschutz nicht versagt werden.

Eine unmittelbare Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG scheidet bei gruppenspezifischen Gefahren aus. Auf allgemeine Gefahren, die nicht nur dem Kläger persönlich, sondern zugleich der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe, der er angehört, drohen, kann sich der Kläger zur Begründung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht berufen, denn in einem solchen Fall kann gem. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt werden. Die Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst allgemeine Gefahren im Sinne des Satzes 3 auch dann nicht, wenn sie den einzelnen Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits zu den Vorgängerregelungen im Ausländergesetz klargestellt, dass nicht die geringere Betroffenheit des Einzelnen die Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG gesperrt hat, sondern die Tatsache, dass er sein Verfolgungsschicksal mit vielen anderen teilt, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme im Bundesgebiet eine politische Leitentscheidung befinden soll (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324).

An dieser Regelung hat der deutsche Gesetzgeber zunächst in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F. (vgl. dazu: Hess. VGH, Beschluss vom 28.07.2005 - 6 UE 912/04.A -, Jurisdokument) und nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes auch in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG n. F. festgehalten (so auch: Hess. VGH, Urteil vom 07.02.2008 - 8 UE 1913/06.A -, Jurisdokument).

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 23. April 2007 (BT-Drs. 16/5065 S. 187) enthält nämlich folgende Begründung für die später Gesetz gewordene Neufassung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG:

"Der neue Satz 3 übernimmt die Regelung des bisherigen Satzes 2 für allgemeine Gefahren (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2001, 1 C 2/01, BVerwGE 114, 379 ff.). Gefahren, von denen die Bevölkerung eines Landes oder Teile der Bevölkerung allgemein betroffen sind, können typischerweise auch Auslöser von Massenfluchten sein, z. B. im Zusammenhang mit Bürgerkriegen. Subsidiärer Schutz, der auf der Basis einer Einzelfallprüfung gewährt wird, ist nicht das geeignete Instrument zur Bewältigung eines Massenzustroms. Vielmehr sind hier nur gruppenspezifische Regelungen sinnvoll. Nach Satz 3 soll daher in diesen Fällen vorrangig Schutz in Form von Abschiebungsstoppregelungen durch die obersten Landesbehörden gewährt werden. Eine entsprechende Regelung ist bereits in § 60 Abs. 7 Satz 2 des bestehenden Rechts enthalten. Auch die Qualifikationsrichtlinie sieht für allgemeine Gefahren im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten Ausnahmeregelungen vor (vgl. Erwägungsgrund 26 der Richtlinie: "Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, stellen für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung dar, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre.")."

Da der nationale Gesetzgeber die Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG zum subsidiären Schutz ausweislich der Vorschrift des § 60 Abs. 11 AufenthG lediglich in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG aufgenommen hat, kommt eine richtlinienkonforme Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht in Betracht (vgl. dazu auch: BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43/07 -, a.a.O., Rdnr. 32).

Ein Anspruch des Klägers auf Feststellung von Abschiebungshindernissen lässt sich auch nicht aus einer ausnahmsweise gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG herleiten, da es an der erforderlichen eindeutigen und extremen Gefahrenlage für den Kläger fehlt.

Eine verfassungskonforme Auslegung der bereits im Ausländergesetz enthaltenen Vorgängerregelungen kam nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann in Betracht, wenn dem einzelnen Ausländer kein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1, 2, 3, 4 und 6 Satz 1 AuslG zustand, er aber gleichwohl nicht abgeschoben werden durfte, weil die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wegen einer extremen Gefahrenlage die Gewährung von Abschiebungsschutz unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 2 und § 54 AuslG geboten. Nur für diesen Fall war § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG verfassungskonform dahin auszulegen, dass die betreffenden Gefahren ausnahmsweise im Rahmen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu berücksichtigen waren (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, a.a.O.; zur entsprechenden Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG a. F. vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.11.2007 - 10 B 47/07 u.a. -, Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 55).

Auch eine verfassungskonforme Auslegung der inhaltsgleichen Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG n. F. setzt demnach eine extreme Gefahrenlage für den betreffenden Ausländer etwa derart voraus, dass er im Fall seiner Abschiebung "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde" (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 -, BVerwGE 102, 249; zur heutigen Rechtslage: Hess. VGH, Urteil vom 07.02.2008 - 8 UE 1913/06.A -, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43/07 -, a.a.O., Rdnr. 32). Anhaltspunkte für eine derart extreme Gefahrenlage für den Kläger bei einer Rückkehr in den Iran lassen sich den Erkenntnisquellen (noch) nicht entnehmen.

Einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots kann der Kläger aber - auch dann, wenn er als Mitglied einer Bevölkerungsgruppe anzusehen wäre, deren Verfolgungsschicksal er teilt - aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 15 Buchst. b und Art. 18 der Qualifikationsrichtlinie herleiten, da das nationale Recht die Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie nicht richtig umsetzt.

Bei der Zuerkennung von subsidiärem Schutz handelt es sich gem. Art. 18 der Qualifikationsrichtlinie um eine gebundene Entscheidung, die bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 der Qualifikationsrichtlinie weder von einer sog. politischen Leitentscheidung i. S. v. § 60a AufenthG noch vom Vorliegen einer Extremgefahr im Sinne der verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG abhängig gemacht werden darf (Hess. VGH, Urteil vom 21.02.1008 - 3 UE 191/07.A -, Jurisdokument Rdz. 95; Funke-Kaiser, Der Prognosemaßstab des Art. 15 Lit.c Qualifikationsrichtlinie und die allgemeine Gefahr, in: InfAuslR 2008, 90 [93 f.]; diese Auffassung deutet sich auch an im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O., Rdnr. 35, mit zustimmender Anmerkung von Markard, Subsidiärer Schutz gegen allgemeine Kriegsgefahren, in: NVwZ 2008, 1206 [1208 f.]). Wegen des Anwendungsvorrangs der Qualifikationsrichtlinie muss die Regelung in Satz 3 von § 60 Abs. 7 AufenthG zurücktreten, sofern die Voraussetzungen von Art. 15 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen (so ausdrücklich für Art. 15 Buchst. c QRL: Möller-Stiegeler in Hofmann/Hoffmann, a.a.O., § 60 AufenthG Rdnr. 58). Das hat zur Konsequenz, dass die im deutschen Recht vorgesehene Sperrwirkung entfällt, und zwar nicht nur dann, wenn die Voraussetzungen von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie vorliegen, sondern auch dann, wenn die Voraussetzungen von Art. 15 Buchst. a oder b der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind (zu Art. 15 Buchst. b QRL ausdrücklich: Hruschka/Lindner, a.a.O., 649 [Fußnote 68]).

Die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. b i. V. m. Art. 18 der Qualifikationsrichtlinie liegen in der Person des Klägers vor, da er bei Rückkehr in den Iran spätestens dann tatsächlich Gefahr liefe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung zu erleiden, wenn er sich zu seinem christlichen Glauben bekennt und Kontakt zu einer evangelikalen oder freikirchlichen Gemeinde aufnimmt. Aus welchen Gründen ihm eine derartige Behandlung droht, spielt dabei nach der in Art. 18 und Art. 2e der Qualifikationsrichtlinie zum Ausdruck kommenden Konzeption der Richtlinie - anders als bei der an einen Verfolgungsgrund anknüpfenden Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft - keine Rolle (vgl. dazu: OVG des Saarlandes, Urteil vom 26.06.2007 - 1 A 222/07 -, InfAuslR 2008, 183).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Dabei hat der Senat die Kostenverteilung für den ersten Rechtszug neu vorgenommen und berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Hilfsantrag auf Gewährung von Abschiebungsschutz gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Erfolg hatte. Dementsprechend hat der Senat die Kosten des zweiten Rechtszugs - soweit sie nicht bereits von der Kostenentscheidung im Beschluss vom 6. September 2007 (6 UZ 1631/07.A) erfasst sind, der Beklagten auferlegt; dabei hat sich die teilweise Zurückweisung der Berufung in Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG kostenmäßig nicht ausgewirkt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 und § 711 Satz 1 ZPO i. V. m. § 167 VwGO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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