Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.02.2009
Aktenzeichen: 6 B 31/09
Rechtsgebiete: GastG


Vorschriften:

GastG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
GastG § 5 Abs. 1 Nr. 1
Alkoholmissbrauch im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG liegt bei übermäßigem Verzehr von Alkohol vor. Anhaltspunkte für einen bereits eingetretenen Alkoholmissbrauch liegen etwa dann vor, wenn das Verhalten von Gästen der Diskothek zu alkoholbedingten Schlägereien, Gewalttaten oder zu sonstigen zu polizei- oder ordnungsbehördlichen Maßnahmen führenden Ereignissen geführt hat. Für die Prognose eines künftigen Alkoholmissbrauchs bedarf es einer auf Tatsachen begründeten nachvollziehbaren Annahme, es werde bei ungehindertem Fortgang des festgestellten Verhaltens des Gastwirts demnächst zu einem Alkoholmissbrauch durch Gäste bzw. Besucher der Gaststätte kommen.

Die Voraussetzungen des Vorschubleistens zum Alkoholmissbrauch im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG liegen dann vor, wenn der Gastwirt ausdrücklich ankündigt, Alkoholmissbrauch zuzulassen. Dass durch ein bestimmtes Preiskonzept die Abgabe besonders günstiger alkoholischer Getränke gefördert wird, stellt allein kein zureichendes Indiz für das Vorschubleisten zum Alkoholmissbrauch dar. Vielmehr bedarf es der Prüfung anhand der Besonderheiten des Einzelfalls, ob es der Gastwirt mit seiner Preisgestaltung auf die Zulassung oder Förderung des Alkoholmissbrauchs anlegt. Die Abgabe alkoholischer Getränke zu nicht kostendeckenden Preisen als solche kann nur bei einem krassen Missverhältnis zwischen Abgabepreis und Gestehungskosten als Hinweis auf die Absicht des Gastwirts zum Vorschubleisten im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GastG gewertet werden


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF

BESCHLUSS

6 B 31/09

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Gaststättenrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 6. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Igstadt, Richterin am Hess. VGH Fischer, Richter am Hess. VGH Bodenbender

am 25. Februar 2009 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 8. Dezember 2008 - 8 L 4454/08.GI - abgeändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 26. November 2008 wird hinsichtlich der Nummern 1 bis 4 des Auflagenbescheides vom 10. November wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird - insoweit unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Gießen - für beide Rechtszüge auf jeweils 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den im Tenor der vorliegenden Entscheidung näher bezeichneten erstinstanzlichen Beschluss ist nach § 146 Abs. 1 VwGO statthaft, insbesondere fristgerecht erhoben, und begründet.

Das Vorbringen der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung vom 12. Januar 2009, das den Umfang der Überprüfung des angefochtenen Beschlusses durch den Senat bestimmt und begrenzt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zu Gunsten der Antragstellerin.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen den Auflagenbescheid der Antragsgegnerin vom 10. November 2008 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die angegriffene Verfügung, mit der nachträgliche Auflagen zu einer bestehenden Gaststättenerlaubnis angeordnet wurden, erweise sich als offensichtlich rechtmäßig und der Vollzug sei eilbedürftig. Unter Bezugnahme auf die Begründung der Verfügung führt das Verwaltungsgericht aus, bei einer Bewertung der Umstände des Einzelfalls sei davon auszugehen, dass ein Alkoholmissbrauch bei dem von der Antragstellerin vorgenommenen Preiskonzept tatsächlich zu erwarten sei. Die Werbung für das Unternehmen wie die Art des Ausschanks lade zum Alkoholmissbrauch ein. Die Preisgestaltung - offene Getränke zu einem Preis von 99 Cent anzubieten - bedeute für Gäste, namentlich für junge Erwachsene, eine erhebliche Ermunterung zum Alkoholmissbrauch, wobei selbst Exzesse nicht auszuschließen seien. Diesbezüglich verweist das Verwaltungsgericht auf das Ereignis einer drohenden Schlägerei auf dem Parkplatz vor der Diskothek am 12. April 2008. Die Verfügung erweise sich insgesamt als verhältnismäßig, Ermessensfehler seien nicht gegeben. Im Übrigen habe die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausreichend gemäß § 80 Abs. 3 VwGO begründet.

In der Beschwerdebegründung wendet sich die Antragstellerin vorwiegend gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Antragsgegnerin habe dem angegriffenen Bescheid den zutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt. Es sei auch nicht ausreichend auf den Unterschied zwischen sogenannten Flatrate-Partys, die sie, die Antragstellerin nicht anbiete, und den von ihr gemachten Angeboten eingegangen worden. Die beworbenen günstigen Preise bezögen sich nie auf alle Getränke, sondern auf konkrete besonders beworbene Angebote. Eine Ermunterung zum Alkoholmissbrauch liege darin nicht, so dass keine konkrete Gefahr bejaht werden könne. Zudem sei die Preisgestaltung so gewählt, dass trotz des günstigen Preises ein Gewinn zu erzielen sei. Auf die Frage der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme gehe das Verwaltungsgericht nicht näher ein, obwohl diese erkennbar nicht gegeben sei.

Die Antragsgegnerin trägt ergänzend im Schriftsatz vom 2. Februar 2009 vor, ein Gastwirt leiste dem Alkoholmissbrauch Vorschub, wenn er durch sein Preiskonzept konkludent ankündige, Alkoholmissbrauch zuzulassen. Bei der Betriebsart Diskothek begründe der Preis von 99 Cent für ein alkoholisches Getränk die konkrete Gefahr, dass ein Anreiz zum Alkoholmissbrauch gegeben werde. Die von der Antragstellerin gewählte Preisgestaltung in Verbindung mit den aggressiven Werbemaßnahmen verstärke diese Gefahr.

Die Darlegungen der Antragstellerin begründen die Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Das Aufschubinteresse der Antragstellerin überwiegt das öffentliche Interesse an dem Sofortvollzug der Auflagenverfügung, da sich der Bescheid bei summarischer Prüfung der Sachlage als rechtswidrig erweist.

Wie das Verwaltungsgericht misst auch der Verwaltungsgerichtshof der Verhütung von alkoholbedingten Gesundheitsgefährdungen besondere Bedeutung bei. Jedoch sind die Rechtsvoraussetzungen für Maßnahmen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG, die das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss umfassend darstellt, im vorliegenden Fall nicht gegeben, so dass die unter Nummern 1, 2 und 4 des Bescheides vom 10. November 2008 verfügten Auflagen zum Ausschank und zur Gestaltung der Abgabepreise nicht Bestand haben können.

§ 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG setzt, soweit hier von Relevanz, eine Gefährdung der Gesundheit der Gäste voraus; eine solche ist gegeben, wenn der Gastwirt i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG dem Alkoholmissbrauch Vorschub leistet.

Alkoholmissbrauch liegt vor, wenn alkoholische Getränke im Übermaß verzehrt werden. Dies kann auch bei grundsätzlich erlaubtem Alkoholgenuss der Fall sein, nämlich wenn dieser im Übermaß vorgenommen wird, so dass gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht ganz unerheblicher Art auftreten können (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 21.08.2007 - 22 CS 07.1796 -, GewArch 2007, 428; Metzner, GastG, 6. Aufl. 2002, Rdnr. 55 zu § 4; Michel/Kienzle/Pauly, GastG, 14. Aufl. 2003, Rdnr. 14 zu § 4; Scheidler, Rechtliche Handhabe gegen "Flatrate-Partys" und "Koma-Saufen", GewArch 2007, 276/277). Zu beachten ist hierbei, dass aufgrund der unterschiedlichen physischen Konstitution der Menschen und der differenzierten Alkoholgewöhnung sich nur sehr schwer verallgemeinernde Aussagen darüber treffen lassen, ob der Verzehr von alkoholischen Getränken für die Gesundheit des Konsumenten noch verträglich ist bzw. ab wann ein Missbrauch vorliegt. Ein übermäßiger Alkoholkonsum wird aber jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn Gäste des Gastwirts, seien es Erwachsene oder Jugendliche, so stark alkoholisiert sind, dass sie Verhaltensauffälligkeiten zeigen oder sich zu Exzessen, wie z.B. Körperverletzungsdelikten, hinreißen lassen. Dadurch wird indes nicht ausgeschlossen, dass auch bei sogenannten "stillen Trinkern" im Einzelfall ein Missbrauch vorliegen kann.

Ein Vorschubleisten kommt in diesen Fällen nicht nur dann in Betracht, wenn der Gastwirt die Gäste in besonderer Weise animiert, viel Alkohol zu konsumieren (etwa durch Wettspiele oder Appelle zum weiteren Konsum), sondern auch dann, wenn er bei ersichtlicher Trunkenheit des Gastes diesem weiter alkoholische Getränke ausschenkt. Zudem kann Vorschubleisten dann bejaht werden, wenn der Gastwirt ausdrücklich oder durch sein Preiskonzept konkludent ankündigt, Alkoholmissbrauch zuzulassen (Metzner, a.a.O., Rdnr. 55 zu § 4, Rdnr. 33 zu § 5). Dies kann auch durch die Abgabe von Alkohol zu sehr niedrigen Preisen geschehen (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 11.07.2007 - Az. 11 B 3430/07 -, GewArch 2007, 388). Hier kommt es indes auf die Umstände des Einzelfalls an, denn die Verhinderung von nicht kostendeckenden Preisen, die der Gastwirt wie jeder Unternehmer aber nur dann vornehmen wird, wenn er daraus einen anderweitigen Vorteil ziehen kann, seien es Gründe der Kundenwerbung oder der Verkauf anderer Produkte, ist gerade nicht Gegenstand des Schutzzwecks der Norm. Der Moment der Gefahrenabwehr, der in § 5 Abs. 1 GastG zutage tritt, rechtfertigt nur bei bestehender konkreter Gefahr der Gesundheitsbeeinträchtigung, nicht bei einem pauschalen Gefahrenverdacht das Einschreiten der Aufsichtsbehörde.

Das Gericht schließt sich deshalb dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 21.08.2007, a.a.O.) insoweit an, dass eine sorgfältige Bewertung der Umstände des Einzelfalls ergeben muss, dass Alkoholmissbrauch bei dem in Rede stehenden konkreten Preiskonzept auch tatsächlich zu erwarten ist. Dies sei, so der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, etwa dann anzunehmen, wenn erfahrungsgemäß nach der konkreten Betriebsart der Gaststätte und nach der sozialen Zusammensetzung der Besucher der Schluss gerechtfertigt sei, dass von einem Anreiz zum Alkoholmissbrauch auch Gebrauch gemacht werden werde.

Im vorliegenden Eilverfahren kann indes weder eine konkrete Gesundheitsgefährdung durch einen Alkoholexzess festgestellt noch das Merkmal des Vorschubleistens als erfüllt angesehen werden. Für eine nachträgliche Auflage gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG muss zwar keine gegenwärtige Gefahrenlage vorliegen, also die Gesundheitsgefährdung schon eingetreten sein oder unmittelbar bevorstehen. Andererseits reicht auch nicht jeder Verdacht der Möglichkeit eines Schadenseintritts aus. Zu verlangen ist vielmehr die auf Tatsachen beruhende Annahme der zuständigen Aufsichtsbehörde, es werde bei dem ungehinderten Fortgang des festgestellten Verhaltens des Gastwirts demnächst zu einem Alkoholmissbrauch durch Gäste bzw. Besucher der Gaststätte kommen.

Die Antragsgegnerin trägt zunächst nicht vor, die Antragstellerin habe sogenannte Flatrate-Partys veranstaltet, bei denen den Gästen zu einem einmal zu entrichtenden Preis weitgehend unbeschränkt der Ausschank von alkoholischen Getränken ohne Mengenbegrenzung ermöglich wird. Sie hat aber auch nicht dargetan, dass die Abgabe von beliebig vielen alkoholischen Getränken in der Diskothek zu sehr niedrigen, deutlich unter dem Üblichen liegenden Preisen erfolgt, sondern verweist lediglich auf ein - nach der vorgelegten Behördenakte - singuläres Ereignis, nämlich eine drohende Schlägerei zwischen zwei Gruppen auf dem Parkplatz der Diskothek im April 2008. Hierzu fehlen bereits jede näheren Informationen. Aus dem Polizeibericht geht lediglich hervor, dass eine Mitarbeiterin des von der Antragstellerin eingesetzten Sicherheitsdienstes am 12. April 2008 gegen 00:45 Uhr der Polizei eine Ansammlung von etwa 100 Personen gemeldet hatte, woraufhin drei Streifenwagen vor Ort erschienen, die verbale Streitigkeiten zwischen zwei größeren Personengruppen feststellten. Weitere Aktionen oder Straftaten erfolgten nach der Einsatzmeldung nicht. Es erfolgten durch die Polizeibeamten zudem keine Feststellungen darüber, ob die beteiligten Personen alkoholisiert waren und ob sie überhaupt als Gäste der Diskothek angesehen werden konnten. Dies wäre deshalb von Bedeutung, weil die Zurechenbarkeit der Handlungen des Gastwirts, die den Alkoholmissbrauch nach Ansicht der Behörde begründen könnten, zu dem konkreten Ereignis - hier der drohenden Schlägerei - jedenfalls dann bereits fraglich ist, wenn sich Personen vor der Gaststätte lediglich treffen und diese noch nicht aufgesucht haben oder dies nicht beabsichtigen.

Weitere Vorkommnisse oder auch nur Kontrollen des Betriebs durch die zuständige Behörde der Antragsgegnerin sind nicht vorgetragen oder dokumentiert. In der Behördenakte existiert lediglich eine Mail-Nachricht der Polizei an die Antragsgegnerin, dass eine Kontrolle des Lokals am 17. August 2008 anlässlich einer Beach-Party erfolgt sei. Die Veranstaltung habe gegen 22:00 Uhr mit zehn Gästen begonnen und um 23:45 Uhr seien fünf Personen anwesend gewesen. Besondere Vorkommnisse seien nicht zu verzeichnen gewesen.

Aggressives Verhalten von Gästen der Diskothek oder sonstige zu polizei- oder ordnungsbehördlichen Maßnahmen führende Ereignisse sind folglich nicht ersichtlich und werden von der Antragsgegnerin auch - ebenso wie eine eventuell besondere "schwierige soziale Zusammensetzung" der Besucher - nicht vorgetragen.

Die von der Antragsgegnerin dokumentierte Werbung der Antragstellerin und das in Rede stehende Preiskonzept sind ebenfalls nicht geeignet, einen eingetretenen oder doch unmittelbar drohenden Alkoholmissbrauch und damit eine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Besucher zu konstatieren.

Unstreitig wirbt die Antragstellerin mit diversen Veranstaltungen, bei denen einzelne Teilnehmer bzw. Kunden Preise in Form von Alkohol gewinnen können. Dieses Vorgehen erscheint zunächst weder ungewöhnlich noch ist es zu beanstanden, wenn hierbei die einschlägigen Vorschriften des Jugendschutzes beachtet werden. Dass es in der Diskothek der Antragstellerin insoweit zu negativen Vorkommnissen gekommen sein soll, trägt auch die Antragsgegnerin nicht vor. Dies gilt in gleicher Weise für die Werbung mit und bezüglich der Durchführung von besonderen Veranstaltungen ("Ü-30 Party", "Black'n'House'Night" etc.). Ob die Werbung der Antragstellerin - wie die Antragsgegnerin meint - aggressiv ist, kann allein anhand der in der Behördenakte dokumentierten Beispiele nicht nachvollzogen werden, ist im Übrigen aber nicht von entscheidender Bedeutung.

Schließlich kann auch bezüglich der Werbung und der Durchführung von Veranstaltungen, auf denen offene (alkoholische) Getränke für 99 Cent oder in Form sonstiger Vergünstigungen abgegeben werden, für sich genommen noch keine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Besucher festgestellt werden. Ein Getränkepreis von knapp unter oder auch genau von einem Euro ist nach Ansicht des Gerichts nicht geeignet, bei den Besuchern jede Einsicht und Hemmung fallen zu lassen und Alkohol in nicht mehr verträglichem Umfang zu konsumieren. Hierbei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es gerade im Kreis der Besucher von Diskotheken nicht unüblich ist, mitgebrachte alkoholische Getränke außerhalb des Lokals oder vor dessen Besuch zu konsumieren (sogenanntes "Vorglühen"). Dies erfolgt nicht zuletzt deshalb, um die Kosten für Getränke niedrig zu halten. Daher kann der Versuch des Gastwirts, durch eine diese Klientel ansprechende Preisgestaltung für Getränke das Zielpublikum für einen Besuch seines Lokals und den Konsum von Getränken zu gewinnen, nicht von vornherein negativ bewertet werden. Dies ist erst dann anders zu bewerten, wenn, wie oben dargestellt, bestimmte Geschäftspraktiken erkennbar werden, die den Missbrauch ermöglichen oder begünstigen.

Für die Feststellung, ob ein Gastwirt dem Alkoholmissbrauch Vorschub leistet, darf jedoch nur in engen Grenzen darauf abgestellt werden, ob der verlangte Preis für ein alkoholisches Getränk kostendeckend oder gar gewinnbringend ist. Der Verkauf von Waren und Dienstleistungen unter dem Gestehungspreis ist grundsätzlich nicht verboten und kann nur in den engen Grenzen des Wettbewerbsrechts ordnungsrechtliche Maßnahmen rechtfertigen. Regelmäßig wird es dem Unternehmer indes darauf ankommen, durch den Verkauf der Produkte oder die Erzielung eines Eintrittspreises Gewinn zu machen, so dass seine Bereitschaft, etwa Getränke besonders günstig abzugeben, von vornherein begrenzt sein dürfte. Dies wird - ebenso wie besonders niedrige Preise im Einzelhandel - als Werbemaßnahme zur Gewinnung von Kunden zu qualifizieren sein. Gaststätten stehen in Hinsicht auf den Konsum von Getränken zudem in einem Wettbewerb mit Einzelhandelsgeschäften oder Tankstellen, bei denen die Abgabe von alkoholischen Getränken mit besonders niedrigen Preisen nicht sanktioniert werden kann (vgl. die von der Antragstellerin vorgelegte Rechnung eines Einzelhandelgeschäfts für eine Flasche Wodka für 3,19 Euro). Deshalb ist eine Beschränkung des Rechts des Unternehmers, die Abgabepreise für die von ihm vertriebenen Produkte selbst festzulegen, das aus Art. 12 Abs. 1 GG zu folgern sein wird, nur in besonderen Fällen als zulässig zu erkennen.

Wegen der Besonderheiten des Gaststättenrechts und die in diesem Rahmen ausdrücklich geforderte Sorgfaltspflicht des Gastwirts auch für die Gesundheit seiner Gäste kann in besonders krassen Fällen die Preisgestaltung jedoch ein Hinweis auf eine Absicht des Gastwirts sein, nicht nur den Umsatz seines Lokals zu fördern, sondern einen Alkoholmissbrauch zuzulassen, so dass in diesen Fällen ein Vorschubleisten bejaht werden könnte. In diesen Fällen können Beschränkungen der Tätigkeit als Gastwirt durch Berufsausübungsregelungen, die vor Art. 12 Abs. 1 GG Bestand haben, wenn vernünftige Gründe des Allgemeinwohls sie rechtfertigen, zulässig sein. Gründe des Allgemeinwohls liegen dann vor, wenn Gefahren für Leben oder Gesundheit von Besuchern der Gaststätte bestehen, so dass Einschränkungen der beruflichen Tätigkeit möglich erscheinen.

Eine solche besonders krasse Preisgestaltung sieht das Gericht nach den vorliegenden Informationen im Fall der streitbefangenen Diskothek indes nicht. Die von der Antragstellerin geforderten Preise für Getränke, etwa 99 Cent für ein offenes Getränk und 1,99 Euro für einen "Wodka Energy" sind nicht derart weit von den von der Antragsgegnerin ermittelten Preisen in anderen Gaststätten im Stadtgebiet entfernt, dass sie unverständlich wären oder offensichtlich außer jedem Verhältnis stünden. Die Antragsgegnerin ist zudem dem Vorbringen der Antragstellerin, sie offeriere nicht alle Getränke günstig, sondern nehme - außer dem beworbenen Angebot - für andere Produkte höhere Preise, nicht entgegengetreten.

Des Weiteren ist zu beachten, dass es in keinem Fall Aufgabe des Gaststättenrechts ist, Ziele des Wettbewerbschutzes zu verfolgen. Deshalb kann es für die Frage, ob ein krasses Missverhältnis zwischen dem Wert eines Getränks und dem Abgabepreis besteht, nicht darauf ankommen, ob der Verkauf kostendeckend erfolgt (so aber VG Hannover, Beschluss vom 11.07.2007, a.a.O.). Die Ermittlung der tatsächlichen Kosten für die Abgabe eines Getränks in einer Gaststätte kann sich auch nicht auf die Feststellung des Einkaufspreises im Verhältnis zum Abgabepreis beschränken. Deshalb ist es im vorliegenden Fall unerheblich, ob die Antragstellerin durch die Aufstellung ihrer Gestehungskosten nachgewiesen hat, dass etwa ein Preis von 99 Cent für ein Glas Bier noch kostendeckend sein kann oder gar einen - bescheidenen - Gewinn ermöglicht. Die diesbezügliche Gleichstellung von Erlös und Gewinn ist jedoch im Übrigen nicht sachgerecht, weil weder die weiteren festen und produktbezogenen Kosten des Gaststättenbetriebs noch die notwendige Rendite des Unternehmens ausreichend berücksichtigt werden.

Schließlich ist es unerheblich für die Feststellung einer Gefahr im dargestellten Sinne, ob die Werbung der Antragstellerin besonders auffällig ist und in ästhetischer Hinsicht bedenklich auf Billigangebote bei (alkoholischen) Getränken hinweist.

Liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG nicht vor, so ist die Maßnahme der nachträglichen Auflage nicht zulässig, so dass es nicht darauf ankommt, ob die von der Antragsgegnerin ausgesprochenen Auflagen zu 1, 2 und 4 nach derzeitiger Erkenntnislage bei summarischer Prüfung auch geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind. Im Übrigen ist nicht nachgewiesen oder anderweitig sicher festzustellen, dass ein Mindestpreis von 1,20 Euro für ein Getränk in üblicher Menge im Gegensatz zu dem von der Antragstellerin verlangten Preis von 99 Cent tatsächlich geeignet ist, einen erheblichen Mehrkonsum alkoholischer Getränke zu verhindern. Entscheidend dürfte insoweit auch der regional übliche und dem Publikum bekannte Durchschnittspreis der populärsten Getränke sein. Angesichts der von der Antragsgegnerin ermittelten Preistabelle für alkoholische Getränke im Bereich der Kommune kann ein signifikanter Abstand zu den Preisen der Antragstellerin jedenfalls nicht bejaht werden.

Wegen der nicht gegebenen Voraussetzungen für die Regelungen der Preisgestaltung und des Ausschanks ist auch die nachträgliche Auflage zur Untersagung von Werbung für Getränke unter dem Abgabepreis von 1,20 Euro (Nummer 3 des Bescheides) rechtswidrig, so dass es eines Eingehens auf die Frage, ob ein Werbeverbot dieses Inhalts bereits deshalb rechtswidrig ist, weil durch die Werbung allein keine Gefahr für die Gesundheit der Gäste droht (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 16.11.2007 - 4 A 364/07 -, juris), nicht bedarf.

Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin bezüglich der kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 16 HAGVwGO) sofort vollziehbaren Zwangsmittelandrohungen (Nummer 6 des Bescheides) erfolgt mangels eines entsprechenden Antrags nicht.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts für das Verfahren folgt aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Nach Nr. 54 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7. / 8. Juli 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1327 ff.) ist in Streitigkeiten um eine Gaststättenkonzession von einem Streitwert i.H.v. 15.000 Euro auszugehen. Im vorliegenden Fall geht es um bestimmte Auflagen, weshalb der Senat einen Hauptsachestreitwert von 7.500 Euro für angemessen erachtet. Wegen der Vorläufigkeit des Verfahrens ist der Streitwert - wie üblich - zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs). Hierbei macht der Senat von seinem nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG zustehenden Recht Gebrauch, auch den erstinstanzlichen Streitwertbeschluss von Amts wegen abzuändern.

Dieser Beschuss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück