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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: 6 N 3224/04
Rechtsgebiete: BörsG, BörsO, GG


Vorschriften:

BörsG § 42
BörsO § 63
GG Art 12 Abs. 1
GG Art 14 Abs. 1
Die in der Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse für den Prime Standard begründete Pflicht zur Veröffentlichung von Quartalsberichten ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 6 N 3224/04

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Wirtschafts- u. Wirtschaftsverwaltungsrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 6. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Dr. Schulz, Richter am Hess. VGH Jeuthe, Richter am Hess. VGH Heuser, Richterin am Hess. VGH Fischer, Richter am VG Dr. Schütz

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten der Antragsgegnerin abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die antragstellende Aktiengesellschaft produziert und vertreibt Kraftfahrzeuge. Ihr Grundkapital von 45,5 Mio. Euro verteilt sich auf je 8.750.000 Stammaktien und börsennotierte Vorzugsaktien. Die Vorzugsaktien der Antragstellerin sind zum amtlichen Markt der Antragsgegnerin zugelassen. Auf Grund einer Änderung der börsenrechtlichen Gesetzeslage schuf die Antragsgegnerin in ihrer Börsenordnung innerhalb des amtlichen Markts - ebenso wie auch innerhalb des geregelten Markts - ein neues Handelssegment, den sog. Prime Standard. Die Antragstellerin wendet sich in dem vorliegenden Verfahren gegen Folgepflichten, die die Antragsgegnerin in der Börsenordnung mit der Zulassung zum Prime Standard verbunden hat.

Der innerhalb des amtlichen Markts eingerichtete Prime Standard steht allen börsennotierten Emittenten dieses Marktsegments offen. Nach den Regelungen in der Börsenordnung der Antragsgegnerin haben sie einen Anspruch auf Zulassung, wenn sie die in den §§ 60 ff. BörsO begründeten Zulassungsfolgepflichten erfüllen. Neben der Pflicht zur Vorlage eines besonders qualifizierten Abschlusses (§ 62 BörsO), zur Führung eines Unternehmenskalenders (§ 64 BörsO), der Durchführung von Analystenveranstaltungen (§ 65 BörsO) und der Veröffentlichung und Mitteilung kursbeeinflussender Tatsachen in englischer Sprache (§ 66 BörsO) zählt hierzu auch die im vorliegenden Verfahren im Streit stehende Pflicht, nämlich die zur Veröffentlichung von Quartalsberichten nach Maßgabe des § 63 BörsO.

Die gesetzliche Grundlage für die Einführung des Prime Standard findet sich in § 42 des Börsengesetzes - BörsG - in der Fassung, die die Bestimmung durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz erhalten hat. Danach kann die Börsenordnung für Teilbereiche des amtlichen Marktes ergänzend zu den vom Unternehmen einzureichenden Unterlagen weitere Unterrichtungspflichten des Emittenten auf Grund der Zulassung von Aktien oder aktienvertretender Zertifikate zum Schutz des Publikums oder für einen ordnungsgemäßen Börsenhandel vorsehen. § 54 Satz 2 BörsG enthält eine entsprechende Ermächtigung für den geregelten Markt.

Die auf Grund § 42 BörsG in die Börsenordnung der Antragsgegnerin aufgenommene Verpflichtung der zum Prime Standard zugelassenen Emittenten zur Veröffentlichung von Quartalsberichten, gegen die sich die Antragstellerin mit ihrem Normenkontrollantrag wendet, findet sich in § 63 BörsO und lautet wie folgt:

§ 63 Quartalsberichte

(1) Der Emittent ist zur Veröffentlichung von Quartalsberichten verpflichtet, die nach denselben internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen wie der gemäß § 62 Absatz 1 erstellte Abschluss zu erstellen sind.

(2) Quartalsberichte sind nur jeweils zum Stichtag der ersten drei Quartale eines Geschäftsjahres aufzustellen.

(3) Der Quartalsbericht muss eine Beurteilung ermöglichen, wie sich die Geschäftstätigkeit des Emittenten im jeweiligen Berichtszeitraum und vom Beginn des Geschäftsjahres bis zum Quartalsstichtag entwickelt hat. Er muss die folgenden Zahlenangaben über die Tätigkeit und die Ergebnisse des Emittenten im Berichtszeitraum sowie Erläuterungen hierzu enthalten:

1. eine Bilanz zum Ende des aktuellen Quartals und zum Vergleich eine Bilanz zum Ende des vorangegangenen Geschäftsjahres;

2. Gewinn- und Verlustrechnungen für das aktuelle Quartal sowie vom Beginn des aktuellen Geschäftsjahres bis zum Ende des aktuellen Quartals fortgeführt und zum Vergleich Gewinn- und Verlustrechnungen für die entsprechenden Zeiträume des vorangegangenen Geschäftsjahres;

3. eine vom Beginn des aktuellen Geschäftsjahres bis zum Ende des aktuellen Quartals fortgeführte Darstellung der Veränderungen des Eigenkapitals entsprechend der Darstellung im Abschluss und zum Vergleich eine solche Darstellung für den entsprechenden Zeitraum des vorangegangenen Geschäftsjahres;

4. eine vom Beginn des aktuellen Geschäftsjahres bis zum Ende des aktuellen Quartals fortgeführte Kapitalflussrechnung und zum Vergleich eine Kapitalflussrechnung für den entsprechenden Zeitraum des vorangegangenen Geschäftsjahres;

5. erläuternde Anhangsangaben mit Vergleichsinformationen;

6. eine Segmentberichterstattung entsprechend dem gewählten Rechnungslegungsstandard IFRS oder US-GAAP.

(4) Sofern nicht bereits nach IFRS oder US-GAAP erforderlich, ist der Quartalsbericht um folgende Angaben, soweit zutreffend, zu erweitern:

1. im aktuellen Quartal gezahlte oder vorgeschlagene Dividenden als Gesamtbetrag oder je Aktie, gesondert für Stammaktien und sonstige Aktien;

2. Erläuterungen zum Bestand eigener Aktien des Emittenten und zu Bezugsrechten von Organmitgliedern und Arbeitnehmern entsprechend den Angaben nach § 160 Absatz 1 Nr. 2 und 5 des Aktiengesetzes;

3. personelle Veränderungen von Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorganen;

4. die Zahl der Arbeitnehmer am Ende des aktuellen Quartals oder als Durchschnittswert für den Zeitraum vom Beginn des aktuellen Geschäftsjahres bis zum Ende des aktuellen Quartals unter Angabe der Ermittlungsmethode;

5. Erläuterungen zur Auftragslage zu Investitionen, zu Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen sowie zu Vorgängen von besonderer Bedeutung im Berichtszeitraum und nach dem Ende des Quartals, die sich auf das Ergebnis der Geschäftstätigkeit auswirken können;

6. Angaben über die Aussichten für das laufende Geschäftsjahr, wobei auch auf wesentliche Änderungen hinsichtlich der Risiken der künftigen Entwicklung seit Beginn des Geschäftsjahres einzugehen ist.

(5) Der Quartalsbericht muss in deutscher und in englischer Sprache abgefasst sein. Die Zulassungsstelle kann gestatten, dass der Quartalsbericht von Emittenten mit Sitz im Ausland ganz oder zum Teil ausschließlich in englischer Sprache abgefasst ist.

(6) Die Angaben nach Absatz 3 Nr. 1, 2 und 4 sollen unter Berücksichtigung der in der Anlage zu § 63 Abs. 6 der Börsenordnung aufgeführten Posten gemacht werden.

(7) Die Angaben im Quartalsbericht können einer prüferischen Durchsicht unterzogen werden. Im Rahmen der Berichterstattung über die Prüfung oder die prüferische Durchsicht durch den Abschlussprüfer kann der Bestätigungsvermerk oder der Vermerk über dessen Versagung oder eine erteilte Bescheinigung vollständig wiedergegeben werden.

(8) Der Emittent hat den Quartalsbericht unverzüglich nach der Fertigstellung, spätestens jedoch innerhalb von zwei Monaten nach Ende des Berichtszeitraums zu veröffentlichen und der Zulassungsstelle in elektronischer Form zu übermitteln. Die Art und Weise der elektronischen Übermittlung wird von der Zulassungsstelle bestimmt. Die Zulassungsstelle stellt den Quartalsbericht dem Publikum elektronisch oder in anderer geeigneter Weise zur Verfügung.

(9) Bei Emittenten, die überwiegend den Betrieb von Rückversicherungsgeschäften zum Gegenstand des Unternehmens haben, ist der Quartalsbericht innerhalb von vier Monaten gemäß Absatz 8 Satz 1 zu veröffentlichen.

(10) Die Zulassungsstelle kann hinsichtlich des einzureichenden Quartalsberichts die Frist nach Absatz 8 und 9 auf Antrag des Emittenten einmalig um höchstens vier Wochen verlängern, sofern dieser glaubhaft macht, die Frist weder vorsätzlich noch leichtfertig nicht einhalten zu können.

(11) Gesetzliche Vorschriften über den Zwischenbericht bleiben unberührt.

In seiner heute geltenden Fassung geht § 63 BörsO auf die am 15. September 2006 in Kraft getretene Neufassung der Börsenordnung vom 14. September 2006 zurück, die der Börsenrat am 12. September 2006 beschlossen hatte. Eine redaktionelle Änderung des Absatzes 6 erfolgte mit Wirkung vom 1. Januar 2007.

Unabhängig von dem neu geschaffenen Handelssegment des Prime Standard besteht die herkömmliche Art des Handels im amtlichen Markt als sog. General Standard fort.

Bereits am 28. Januar 2003 hatte die Zulassungsstelle der Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin auf Zulassung zum Prime Standard des amtlichen Marktes abgelehnt (Bl. 115 der beigezogenen Akte des VG Frankfurt am Main 9 E 1644/03 - künftig: BA -). Nach erfolglosem Vorverfahren (vgl. Widerspruchsbescheid der Zulassungsstelle vom 03.03.2003, Bl. 123 BA) erhob die Antragstellerin Verpflichtungsklage beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, die sie jedoch in der Hauptsache für erledigt erklärte, nachdem sie den Antrag auf Zulassung zum Prime Standard zurückgenommen und sich dabei vorbehalten hatte, nach Beendigung des vorliegenden Normenkontrollverfahrens einen erneuten Zulassungsantrag zu stellen (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung der 9. Kammer des VG Frankfurt am Main vom 08.11.2004, Bl. 746 BA).

Die Antragstellerin sieht sich durch die für den Prime Standard begründeten zusätzlichen Zulassungsfolgepflichten, insbesondere die Pflicht zur Erstattung von Quartalsberichten, in ihrer grundrechtlich geschützten Berufsausübung beeinträchtigt. Sie meint, dass die Begründung einer solchen Pflicht in der Börsenordnung der Antragsgegnerin von der in § 42 BörsG enthaltenen Satzungsermächtigung nicht gedeckt sei, weil es sich um eine unzulässige weitreichende Erweiterung der gesetzlichen Publizitätspflichten handele. Die Quartalsberichtspflicht verstoße überdies gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie sei zum Schutze der Anleger nicht erforderlich und für die Antragstellerin unzumutbar. Außerdem dürfe der Satzungsgeber anders als der Gesetzgeber bei Eingriffen in die Berufsausübung nicht bis an die Grenze der Verhältnismäßigkeit gehen.

Die Antragstellerin beantragt,

§ 63 BörsO der Antragsgegnerin vom 14. September 2006 in der heute geltenden Fassung für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie meint, die Antragstellerin könne nicht geltend machen, durch § 63 BörsO oder dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt zu werden, weil sie weder rechtlich noch tatsächlich gezwungen sei, für ihre Aktien die Zulassung zum Prime Standard zu beantragen. Im Übrigen seien die durch § 42 BörsG gezogenen Grenzen der Satzungsermächtigung eingehalten. Seit dem Inkrafttreten des Transparenzrichtlinienumsetzungsgesetzes hätten sich überdies die die Kapitalgesellschaften schon von Gesetzes wegen treffenden Unterrichtungspflichten gegenüber der Öffentlichkeit erheblich verstärkt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen - hierunter auch das im Auftrag der Antragstellerin erstattete Rechtsgutachten des Prof. Dr. Gerald Spindler vom 18. August 2003 (Bl. 27 ff. der Gerichtsakten - künftig: GA) - sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Senat vom 28. März 2007 verwiesen. Ferner wird auf die Akten des zuvor beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main anhängigen Klageverfahrens 9 E 1644/03 (4 Hefter) sowie auf die die Beschlussfassung über die einschlägigen Bestimmungen der Börsenordnung betreffenden Vorgänge der Beklagten (5 Ordner) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann die Antragstellerin gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geltend machen, durch § 63 BörsO in ihren Rechten verletzt zu werden. Die rechtlich gegebene Möglichkeit eines Unternehmens, seine wirtschaftliche Betätigung durch die Emission von Aktien an der Börse zu finanzieren, ist einem an den Gewährleistungskern des Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - angelehnten Annexbereich (vgl. hierzu: Maunz/Dürig/Scholz, Grundgesetz, Art. 12 Rdnr. 138) zuzuordnen, der zugleich an das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb angrenzt. Mit der Eröffnung eines neuen Segments innerhalb des amtlichen Markts durch die Schaffung des Prime Standard greift die Antragsgegnerin in das Konkurrenzverhältnis zwischen den Emittenten zum amtlichen Markt zugelassener Aktien ein. § 63 BörsO erweist sich damit als eine Rechtsnorm mit berufsregelndem Inhalt (vgl. hierzu OVG Münster, Beschluss vom 03.05.1994 - 10a D 170/93.NE - NWVBl. 1995, 99, 101), die grundsätzlich geeignet ist, in die durch Art. 12 und 14 GG geschützte Rechtssphäre der Antragstellerin einzugreifen. Ob dies der Fall ist, hängt davon ab, ob die Antragsgegnerin die Eröffnung des Prime Standard im amtlichen Markt mit rechtswidrigen Zulassungsfolgepflichten verbunden hat, wie es die Antragstellerin geltend macht. Die Antwort auf diese Frage entscheidet jedoch nicht über die Zulässigkeit, sondern über den sachlichen Erfolg des anhängigen Normenkontrollantrags. Im vorliegenden Zusammenhang reicht es aus, dass eine Verletzung der Grundrechte der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG nicht offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen erscheint (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 02.03.2005 - 6 BN 7.04). Eine Verletzung der Rechte der Antragstellerin ist im vorliegenden Fall denkbar, weil es der Antragsgegnerin darum geht, mit dem Prime Standard ein besonders attraktives Marktsegment zu schaffen. Es erscheint daher möglich, dass die Antragstellerin Wettbewerbsnachteile erleidet, wenn ihr der Zugang zu dem neu geschaffenen Segment durch damit verbundene rechtswidrige Pflichten erschwert wird.

Es fehlt der Antragstellerin auch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil sie mit einem Erfolg des Antrags höchstwahrscheinlich die gesamte Regelung des XIV. Abschnitts der Börsenordnung und damit auch das von ihr letztlich verfolgte Ziel einer Zulassung zum Prime Standard ohne nachfolgende Quartalsberichtspflichten zu Fall bringen würde. Ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag besteht nämlich dann nicht, wenn sich die Inanspruchnahme des Gerichts als nutzlos erweisen würde, weil der Antragsteller seine Rechtsstellung mit der begehrten Entscheidung nicht verbessern kann (BVerwG, Urteil vom 10.03.1998 - 4 CN 6.97 -, NVwZ 1998, 732, 733). Hiervon wird man allerdings im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres ausgehen können. Selbst wenn die Unwirksamkeit des § 63 BörsO den gesamten XIV. Abschnitt erfasste, so wäre es doch möglich, dass die Antragsgegnerin eine Neuregelung zur Schaffung eines besonderen Handelssegments mit erhöhten Publizitätspflichten erließe und dass eine künftige Regelung Erleichterungen für die Antragstellerin mit sich brächte.

Der danach zulässige Antrag ist aber nicht begründet.

Zunächst bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass § 63 BörsO unter Verstoß gegen im Börsengesetz getroffene Regelungen über die Beschlussfassung und Ausfertigung solcher Satzungsbestimmungen zustande gekommen wäre. Bei dem Börsenrat handelt es sich um das für den Erlass der Börsenordnung zuständige Organ der Börse (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 13 BörsG). Zu den weiteren formellen Voraussetzungen der Gültigkeit des § 63 BörsO hat sich der Senat in einem Urteil vom 27. September 2006 - 6 N 1388/05 - auf den Seiten 24 bis 27 wie folgt geäußert:

"Die Satzung ist nach Einholung der erforderlichen Genehmigung des Hessischen Wirtschaftsministeriums am 14. September 2006 durch zwei Geschäftsführer der Antragsgegnerin ordnungsgemäß ausgefertigt worden. Weder das Börsengesetz noch andere bundes- oder landesrechtliche Bestimmungen enthalten Regelungen, die die Ausfertigung der Börsenordnung betreffen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt sich lediglich das Erfordernis einer Ausfertigung als solches. Durch die Ausfertigung soll sichergestellt werden, dass der Inhalt der als Satzung beschlossenen Börsenordnung mit dem Willen des Börsenrates als Beschlussorgan übereinstimmt (vgl. für Bebauungspläne BVerwG, Beschluss vom 09.05.1996 - BVerwG 4 B 60.96 -, NVwZ-RR 1996, 630). Darüber hinausgehend wird der Ausfertigung landesrechtlich die Funktion einer Bestätigung der Beachtung der für die Rechtswirksamkeit der Satzung maßgebenden Umstände beigemessen (Legalitätsfunktion: Vgl. Hess. VGH, Urteil vom 29. Juni 1993 - 11 N 2442/90 -, ESVGH 43, 296, 305ff.; Bennemann/Hagemeier, HGO, Loseblatt, Stand: März 2006, § 5, Rdnr. 111; jeweils mit weiteren Nachweisen). Eine Aussage im Hinblick auf das zuständige Ausfertigungsorgan lässt sich dem Rechtsstaatsprinzip demgegenüber nicht entnehmen. Ohne dass insoweit ein allgemeiner Grundsatz aufgestellt werden könnte, erfolgt die Ausfertigung einer durch ein Kollegialorgan erlassenen Norm regelmäßig nicht durch das Beschlussorgan oder dessen Vorsitzenden. So werden Bundesgesetze nach Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG durch den Bundespräsidenten ausgefertigt, formelle Landesgesetze in Hessen nach Art. 120 HV durch den Ministerpräsidenten und Satzungen hessischer Gemeinden durch den Gemeindevorstand, für den wiederum der Bürgermeister handelt. Lediglich die Ausfertigung bundesrechtlicher Rechtsverordnungen ist in Art. 82 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich der Stelle zugewiesen, die sie erlassen hat. Nach § 9 Abs. 2 BörsenO ist die Geschäftsführung für alle Aufgaben zuständig, die nicht ausdrücklich anderen Börsenorganen zugewiesen sind. Zum Erlass der Börsenordnung, der nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 BörsG dem Börsenrat obliegt, gehört deren Ausfertigung nicht, da diese zwar zum Rechtssetzungsverfahren gehört, aber nicht selber Rechtssetzung ist. Die Zuständigkeit für die Ausfertigung der vom Börsenrat erlassenen Rechtsnormen ist daher wie im Kommunalrecht (vgl. Bennemann/Hagemeier, HGO, a.a.O.; Schneider/Dreßler/Lill, Hessische Gemeindeordnung, Loseblatt, Stand: Januar 2006, § 5, Anm. 3) dem zur Außenvertretung der Börse berufenen Organ zugewiesen. Durch diese Regelung ist die Authentizitäts- und Legalitätsprüfung einer vom Beschlussorgan unabhängigen Stelle übertragen, was auch der Mehrzahl der oben aufgeführten Bestimmungen entspricht."

Das Rechtssetzungsverfahren der Antragsgegnerin hinsichtlich der Neufassung der Börsenordnung vom 14. September 2006 war u.a. auf Grund der gerichtlichen Verfügung vom 22. März 2007 (Bl. 388 GA) Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Bedenken gegen die Art und Weise der Beschlussfassung durch den Börsenrat und gegen die Ausfertigung der beschlossenen Regelung sind auch von Seiten der Antragstellerin bei dieser Gelegenheit nicht erhoben worden.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin steht auch die Form der Bekanntmachung der Neufassung der Börsenordnung mit den einschlägigen Rechtsvorschriften in Einklang. Nach § 94 Abs. 2 BörsO erfolgen die Bekanntmachungen der Börsenorgane, soweit nichts anderes bestimmt ist, durch Aushang im Börsensaal und durch elektronische Veröffentlichung im Internet. Diese Regelung ist mit § 6 Abs. 3 Satz 1 des Verkündungsgesetzes vereinbar. Danach sind Anstaltsordnungen und Vorschriften über die Benutzung anderer öffentlicher Einrichtungen, die nicht von einer obersten Landesbehörde erlassen werden, durch Aushang in der Anstalt oder Einrichtung für die Dauer von zwei Wochen zu veröffentlichen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen lassen sich nicht erheben. Die Zulässigkeit der Verkündung außerhalb eines gedruckten Publikationsorgans ist abhängig vom Verkündungsgegenstand und dem Geltungsbereich der Norm einerseits sowie von dem Aufwand, den der Bürger zum Zwecke der Einsichtnahme betreiben muss, andererseits (Hess. StGH, Urteil vom 10.05.1989 - P.St. 1073 -, ESVGH 40, 1, 6ff.). Die Verkündung des Inhalts einer Rechtsnorm durch Auslegung auf einer Dienststelle ist dem Rechtsunterworfenen grundsätzlich zumutbar, wenn der Aufbewahrungsort nicht ungewöhnlich weitab liegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.1967 - BVerwG IV C 105.65 -, BVerwGE 26, 129, 130). Allerdings gehören börsennotierte Emittenten wie die Antragstellerin nicht zu einem Personenkreis, der sich ohne Beschwernisse Kenntnis von einer im Börsensaal aushängenden Vorschrift verschaffen kann. Insoweit mögliche verfassungsrechtliche Bedenken werden jedoch durch die in § 94 Abs. 2 Satz 1 BörsO zusätzlich vorgesehene elektronische Veröffentlichung im Internet entkräftet. Verkündungsgegenstand ist hier eine Satzungsnorm, deren sachlicher Geltungsbereich sich auf den Börsenhandel beschränkt und die sich in persönlicher Hinsicht allein an diejenigen richtet, die die hierfür geltenden Vorschriften zu beachten oder anzuwenden haben. Zu dem zuletzt genannten Personenkreis gehören die mit der Tätigkeit in den Börsenorganen, den Aufsichtsbehörden und der Gerichtsbarkeit befassten Personen; der zuerst genannte Personenkreis umfasst die am Börsenhandel Beteiligten. Sie haben ausnahmslos ohne weiteres Zugang zu dem inzwischen weit verbreiteten Medium des Internets. Das Gleiche gilt für die in der Verwaltung und der Justiz mit dem Börsenrecht befassten Personen einschließlich der in derartigen Fällen tätigen Anwaltschaft. Es ist daher nicht geboten, sondern lebensfremd, die Antragsgegnerin zur Veröffentlichung der Börsenordnung in einem gedruckten Publikationsorgan zu zwingen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 8b HGB. Aus dem Umstand, dass der Bundesgesetzgeber die elektronische Führung des Unternehmensregisters in § 8b Abs. 1 HGB ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben hat, lässt sich nicht schließen, dass im Bereich des Landesrechts eine Veröffentlichung von Rechtsnormen im Internet ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung ausgeschlossen wäre.

§ 63 BörsO steht auch inhaltlich mit höherrangigem Recht in Einklang.

Einschlägig ist hier die bereits erwähnte Vorschrift des § 42 BörsG. Danach kann die Börsenordnung für Teilbereiche des amtlichen Marktes ergänzend zu den vom Unternehmen einzureichenden Unterlagen weitere Unterrichtungspflichten des Emittenten auf Grund der Zulassung von Aktien oder aktienvertretender Zertifikate zum Schutz des Publikums oder für einen ordnungsgemäßen Börsenhandel vorsehen. Der Sinngehalt der Vorschrift und insbesondere die Grenzen der dadurch dem Satzungsgeber eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten erschließt sich nur auf Grund der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, die durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010) in das Börsengesetz gelangt ist.

Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz eine börsengesetzliche Ermächtigung zur Regelung von Quartalsberichten, wie sie der streitbefangene § 63 BörsO für den Prime Standard vorschreibt, vorzusehen. Die Bundesregierung lehnte es jedoch ab, eine entsprechende Verordnungsermächtigung in § 39 Abs. 2 BörsG aufzunehmen, und bezog sich hierzu auf die gemeinschaftsrechtliche Rechtslage. Sie verwies dazu auf die Richtlinie 82/121/EWG über regelmäßige Informationen, die von Gesellschaften zu veröffentlichen sind, deren Aktien zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zugelassen sind. Eine Vorgabe für Quartalsberichte besteht dort nicht. Zugleicch verwies die Bundesregierung auf den Regierungsentwurf des § 41 BörsG, der dem späteren § 42 des Gesetzes entsprach. Zu der hier eröffneten Möglichkeit zur Begründung von zusätzlichen Zulassungsfolgepflichten durch die Börsenordnung heißt es, den Börsen werde damit die Möglichkeit eröffnet, für Teilbereiche des amtlichen Marktes weitere Unterrichtungspflichten des Emittenten zum Schutz des Publikums oder für einen ordnungsgemäßen Börsenhandel vorzusehen, sofern durch die Satzung keine Umgestaltung oder weitreichende Erweiterung der im geltenden Recht ohnehin geregelten Publizität erfolgt. In weiteren Erwägungen heißt es, der Handel in einem solchen Segment gelte als besonderes Qualitätsmerkmal und die Börse könne hierdurch den unterschiedlichen Erfordernissen des Marktes Rechnung tragen. Die weiteren Transparenzanforderungen könnten aber nur für Teilbereiche aufgestellt werden. Daneben müsse es immer einen Handel mit Aktien oder aktienvertretenden Zertifikaten im amtlichen Markt geben, der sich auf die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen beschränke (BT-Drs. 14/8017 S. 80 f.).

In der gesetzlichen Systematik eröffnete § 42 BörsG dem Satzungsgeber eine Möglichkeit, die in §§ 39 bis 41 enthaltenen Pflichten der Emittenten zugelassener Wertpapiere zu erweitern, ohne dabei entgegen dem gesetzgeberischen Willen eine Umgestaltung oder weitreichende Erweiterung der im geltenden Recht ohnehin geregelten Publizität vorzunehmen. Ob eine Umgestaltung oder weitreichende Erweiterung vorliegt, ist im vorliegenden Verfahren durch einen Vergleich der in § 63 BörsO getroffenen Regelung mit den §§ 39 bis 41 BörsG und mit dem Zweiten Kapitel der Börsenzulassungs-Verordnung jeweils in der zum Zeitpunkt der Neufassung der Börsenordnung am 14. September 2006 geltenden Fassung zu ermitteln. Die Verschärfungen, die die Unterrichtungspflichten der Emittenten durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz - TUG - vom 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 10) erfahren hat, haben außer Betracht zu bleiben. Bei der Beschlussfassung über die Neufassung der Börsenordnung vom 14. September 2006 hatte der Börsenrat die damals geltende Rechtslage zu berücksichtigen. Aber auch wenn man darauf abstellt, dass der Satzungsgeber die streitbefangene Regelung des § 63 BörsO aus Anlass der mit Wirkung vom 1. Januar 2007 erfolgten redaktionellen Änderung des Absatzes 6 erneut vollständig in seinen Willen aufgenommen hat, so hatte er sich doch auch für diesen Zeitpunkt noch an den bis dahin unverändert fortgeltenden Regelungen in §§ 39 bis 41 BörsG und im Zweiten Kapitel der Börsenzulassungs-Verordnung auszurichten.

Die in § 63 BörsO getroffene Regelung über Quartalsberichte hält einer rechtlichen Überprüfung auch dann stand, wenn man sie entsprechend den vorstehenden Erwägungen nicht mit den ihr inhaltlich näher stehenden Vorschriften über die Unterrichtungspflichten vergleicht, die durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Eingang in das Wertpapierhandelsgesetz gefunden haben, sondern mit den mittlerweile aufgehobenen entsprechenden und für die Emittenten großzügigeren Bestimmungen des Börsengesetzes und der BörsenzulassungsVerordnung.

Bei der vom Satzungsgeber in § 63 BörsO getroffenen Regelung handelt es sich um eine nach § 42 BörsG zulässige weitere Unterrichtungspflicht des Emittenten, die weder mit einer Umgestaltung noch mit einer weitreichenden Erweiterung der bis zum Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz bereits von Gesetzes wegen vorgesehenen Unterrichtungspflichten der Emittenten verbunden war. Allerdings enthielt und enthält § 63 BörsO eine erhebliche Ausweitung der Berichtspflichten für das neugeschaffene Segment des Prime Standard. Die für diesen Teilbereich geltende Satzungsbestimmung geht über den Umfang der gesetzlich vorgesehenen Zwischenberichterstattung erheblich hinaus. Nach § 40 Abs. 1 BörsG war der Emittent zugelassener Aktien lediglich verpflichtet, innerhalb des Geschäftsjahrs regelmäßig mindestens einen Zwischenbericht zu veröffentlichen, der anhand von Zahlenangaben und Erläuterungen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Finanzlage und des allgemeinen Geschäftsgangs des Emittenten im Berichtszeitraum vermittelt. Die Vorschrift entsprach dem früheren § 44b BörsG und ergänzte damit im Dienste des Anlegerschutzes die handelsrechtlichen Bestimmungen zum Jahresabschluss (Hamann in: Wertpapierhandelsgesetz, Börsengesetz, Verkaufsprospektgesetz, Kommentar herausgegeben von Frank A. Schäfer, A-Stadt 1999, BörsG § 44b Rdnr. 1 und 2). Demgegenüber sieht § 63 Abs. 1 BörsO die hier im Streit stehenden Quartalsberichte vor, die nach § 63 Abs. 2 BörsO zum Stichtag der ersten drei Quartale eines Geschäftsjahres aufzustellen sind. Die Quantität der Zwischenberichterstattungspflicht verdreifachte sich auf diese Weise.

Zugleich gehen die inhaltlichen Anforderungen an einen Quartalsbericht deutlich über die Anforderungen an den früher gesetzlich vorgesehenen Zwischenbericht hinaus. Nach § 63 Abs. 1 BörsO sind für die Quartalsberichte die internationalen Rechnungslegungsgrundsätze maßgeblich, die auch für den nach § 62 Abs. 1 BörsO zu erstellenden Abschluss gelten. Dabei handelt es sich um die International Financing Reporting Standards (IFRS) und alternativ um die US-amerikanischen Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP). Der Quartalsbericht hat eine Bilanz zum Ende des aktuellen Quartals und zum Vergleich eine Bilanz zum Ende des vorangegangenen Geschäftsjahres (§ 63 Abs. 3 Nr. 1 BörsO) sowie zusätzliche Gewinn- und Verlustrechnungen (Nr. 2) zu enthalten. Außerdem sind die Veränderungen des Eigenkapitals (Nr. 3) darzustellen. Hervorzuheben ist ferner eine vom Beginn des aktuellen Geschäftsjahres bis zum Ende des aktuellen Quartals fortgeführte Kapitalflussrechnung im Vergleich zu einer Kapitalflussrechnung für den entsprechenden Zeitraum des vorangegangenen Geschäftsjahres (Nr. 4). Demgegenüber verlangte § 54 Abs. 1 BörsZulV weder eine Bilanz noch eine vollständige Erfolgsrechnung, sondern bloß die Angabe von Eckdaten der Erfolgsrechnung (Hamann, a.a.O., § 44b Rdnr. 36). Auch für sechs zusätzliche im § 63 Abs. 4 aufgeführte Arten von Angaben gab es in der Börsenzulassungsverordnung keine Entsprechung. Schließlich ist nach § 63 Abs. 5 Satz 1 BörsO der Quartalsbericht nicht nur in deutscher, sondern auch in englischer Sprache abzufassen.

Soweit die Antragstellerin als international tätiges Unternehmen bereits vor dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz bei ihren Berichten zur Beachtung eines internationalen Standards verpflichtet gewesen sein sollte, hat dies für die hier zu treffende Entscheidung außer Betracht zu bleiben. Im vorliegenden Zusammenhang geht es nicht um eine die Antragstellerin treffende Rechtsverletzung, sondern um die objektive Vereinbarkeit des § 63 BörsO mit höherrangigem Recht. Da sich die Satzungsregelung eine umfassende, nicht auf international tätige Unternehmen beschränkte Geltung beimisst, haben bei der Beurteilung der Frage, ob weitere Unterrichtungspflichten nur in gesetzlich zulässigem Maße getroffen worden sind, Besonderheiten dieser Unternehmen außer Betracht zu bleiben. Im Übrigen wäre die rechtliche Ausgangslage für die Antragstellerin noch ungünstiger, wenn man sie etwa bereits vor dem Inkrafttreten des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes treffende allgemeinverbindliche erhöhte Unterrichtungspflichten berücksichtigen wollte.

Die in § 63 BörsO für den Prime Standard eingeführten zusätzlichen Anforderungen sind mit der in § 42 BörsG getroffenen gesetzlichen Regelung, wie sie sich nicht zuletzt im Lichte einer historischen Auslegung darstellt, vereinbar. Soweit es dem Gesetzgeber darum geht, solche zusätzlichen Transparenzanforderungen auf Teilbereiche zu beschränken, wie aus der Begründung zu § 41 des Regierungsentwurfs deutlich wird, ist dies unproblematisch, wie sich aus § 60 Abs. 1 BörsO ergibt. Ebenso wie in der Überschrift zum XIV. Abschnitt wird in Satz 1 der genannten Bestimmung der Prime Standard ausdrücklich als bloßer Teilbereich des amtlichen Marktes bezeichnet. Die Zulassung zu dem nicht von zusätzlichen Zulassungsfolgepflichten betroffenen Teil des amtlichen Markts, dem sog. General Standard, ist im Übrigen Voraussetzung für die Zulassung von Aktien oder aktienvertretenden Zertifikaten zum Prime Standard. Die im XIII. Abschnitt der Börsenordnung enthaltenen Bestimmungen über den General Standard enthalten keine über das Gesetz und die Börsenzulassungsverordnung hinausgehenden Zulassungsfolgepflichten.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass § 63 BörsO nicht entgegen dem in der Begründung zum Regierungsentwurf des § 39 Abs. 2 Satz 1 BörsG zum Ausdruck gelangten Willen des Gesetzgebers zu einer Umgestaltung oder weitreichenden Erweiterung der gesetzlich geregelten Publizität führt. Dabei ist davon auszugehen, dass nach § 42 BörsG auch die satzungsrechtliche Schaffung von Pflichten zulässig ist, die unterschiedlichen Erfordernissen des Marktes Rechnung tragen und damit in einem für die Marktteilnehmer erheblichen Maße über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen, wenn nicht die Vorschrift des § 42 BörsG ihren Zweck verfehlen soll. Bei der Abgrenzung unzulässiger von zulässigen weiteren Zulassungsfolgepflichten gem. § 42 BörsG erweist sich die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, auf das in der Begründung zum Regierungsentwurf ausdrücklich verwiesen wird (BT-Drs. 14/8017 S. 81), als entscheidend. An der gleichen Stelle der Begründung des Regierungsentwurfs kommt zum Ausdruck, dass die wesentlichen Transparenzpflichten eines Unternehmens durch Gesetz festzulegen sind. Hierin ist ein Hinweis auf die im Geltungsbereich der Art. 12 und 14 GG vom Satzungsgeber zu beachtenden Beschränkungen zu sehen. Diese Beschränkungen und die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Schranken, die bei jeder normativen Regelung der Berufsausübung - auch durch den Gesetzgeber - zu beachten sind, stellen den Maßstab für die Vereinbarkeit des § 63 BörsO mit höherrangigem nationalem Recht dar. Die streitbefangene Regelung hält sich innerhalb dieser Schranken.

Nach der vom Bundesverfassungsgericht im Apothekenurteil vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 596/56 - (BVerfGE, 7, 377 ff.) entwickelten Stufentheorie kann die Freiheit der Berufsausübung, um die es hier geht, beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen. Der Grundrechtsschutz beschränkt sich danach auf die Abwehr in sich verfassungswidriger, weil etwa übermäßig belastender und nicht zumutbarer Auflagen. Eine Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass § 63 BörsO eine rechtlich zwingende Beschränkung der Tätigkeit der Antragstellerin durch die Begründung einer Pflicht zur Quartalsberichterstattung nicht enthält, weil die Norm sich nur an die zum Prime Standard Zugelassenen richtet, wobei kein rechtlicher Zwang besteht, sich am Handel in diesem Segment zu beteiligen. Jedem Emittenten bleibt es unbenommen, den Aktienhandel ausschließlich im General Standard durchzuführen. Der Antragstellerin geht es aber darum, eine faktische Beschränkung abzuschütteln, die sie in einem möglichen Wettbewerbsvorsprung der zum Prime Standard zugelassenen Emittenten und dem dadurch möglicherweise ausgelösten faktischen Zwang erblickt, ihre Aktien ebenfalls in diesem Segment zu handeln. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 2. März 2005 - 6 BN 7.04 - ausführt, können auf faktischem Zwang beruhende Einflüsse auf den Wettbewerb und die Ausübung der beruflichen Tätigkeit eine Einschränkung der Berufsfreiheit darstellen. Allerdings betrifft die Entscheidung die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren und sagt nichts über die Voraussetzungen, unter denen derartige mittelbare Beschränkungen zu einer Verletzung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG führen. Bei der Bewertung des normativen Eingriffs in die Berufsfreiheit der Antragstellerin durch die Einführung einer Quartalsberichtspflicht für den Prime Standard ist es von erheblichem Gewicht, dass der Antragstellerin der Handel mit ihren Aktien im General Standard ohne eine derartige erweiterte Berichtspflicht offen steht.

Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bestehen keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen berufsrechtliche Regelungen in Gestalt von Satzungen öffentlich-rechtlicher Berufsverbände oder Anstalten (BVerfG, Beschluss vom 13.07.2004 - 1 BvR 1298/94 -, BVerfGE 111, 191). Diese Erwägung lässt sich ohne weiteres auf die Börse übertragen. Auch für sie muss jedoch die vom Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 13. Juli 2004 aufgestellte Anforderung gelten, dass der Gesetzgeber bei einer Übertragung von Aufgaben zur Regelung in Satzungsautonomie institutionelle Vorkehrungen zur Wahrung der Interessen der von ihr erfassten Personen zu treffen hat. Vorkehrungen dieser Art hat der Gesetzgeber in § 9 BörsG bei der Regelung der Zusammensetzung und der Befugnisse des Börsenrats getroffen. Im Börsenrat sind u.a. die Emittenten von Wertpapieren vertreten (Abs. 1 Satz 2). Der Erlass der Börsenordnung durch den Börsenrat (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) obliegt damit einem demokratisch gebildeten Organ, in dem die in den beteiligten gesellschaftlichen Gruppen lebendigen Kräfte in eigener Verantwortung zur Ordnung der sie besonders berührenden Angelegenheiten herangezogen werden, wie es das Bundesverfassungsgericht in der Facharztentscheidung vom 9. Mai 1972 - 1 BvR 518/62 - (BVerfGE 33, 125, 157 ff) ausdrückt. Der Sinn der Verleihung von Satzungsautonomie, gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren, den entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen die Regelung solcher Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen können, eigenverantwortlich zu überlassen (BVerfGE 33, 125, 156), wird damit erreicht.

Das Ausmaß der Delegation und der dadurch begründete Umfang der Normsetzungsbefugnisse des Börsenrats geben keinen Anlass zu Bedenken.

Vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls im Sinne der Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichts, die den Satzungsgeber zu der in § 63 BörsO getroffenen Regelung bewogen haben, sind erkennbar. Die Antragsgegnerin hat sich wirkliche oder vermeintliche Interessen der Anteilseigner (Shareholder) an Kapitalgesellschaften zu eigen gemacht und will damit offensichtlich ökonomischen Interessen dieses Personenkreises, der nach einer optimalen Information über die wirtschaftliche Lage der Unternehmen, an denen die Shareholder beteiligt sind, verlangt, Rechnung tragen. Die Frage, inwieweit man diesen Interessen rechtlich entgegen kommen sollte, hat in der rechtspolitischen Diskussion einen umfassenden Raum eingenommen (vgl. etwa Mülbert, Shareholder Value aus rechtlicher Sicht, ZGR 1997, 192; von Werder, Shareholder Value-Ansatz als (einzige) Richtschnur des Vorstandshandelns?, ZGR 1998, 69; Ulmer, Aktienrecht im Wandel, AcP 202, 143).

Bei der Rechtssetzung hat der Normgeber die Entscheidung zu treffen, inwieweit er sich der Interessen der Anteilseigner annehmen und sie auf diese Weise im Dienste des von ihm definierten Gemeinwohls berücksichtigen will. Im Einzelnen gehört hierzu auch die Entscheidung über das Ausmaß der die Kapitalgesellschaften treffenden Berichtspflichten. Dabei ist es auch zulässig, dem Börsenrat als Satzungsgeber durch eine Experimentierklausel nach Art des § 42 BörsG eigene Gestaltungsmöglichkeiten in Teilbereichen zu eröffnen. Den Einfluss auf den Inhalt der zu erlassenden Normen hat der Gesetzgeber damit nicht gänzlich preisgegeben (vgl. hierzu BVerfGE 33, 157, 158). Anders als in der Facharztentscheidung führt bei der hier vorliegenden Gestaltung der Sachlage die Berührung des Grundrechtsbereichs der Antragstellerin nicht zu einer empfindlichen Beeinträchtigung ihrer beruflichen Betätigung oder gar einer bei natürlichen Personen denkbaren Beeinträchtigung einer auf Dauer angelegten Lebensentscheidung. Zwar wird das in der Facharztentscheidung in diesem Zusammenhang angeführte Interesse der Allgemeinheit an der Art und Weise der von der Regelung betroffenen Tätigkeit auch bei der Veröffentlichung von Jahres-, Halbjahres- oder Quartalsberichten berührt (vgl. zu den vorgenannten Gesichtspunkten BVerfGE 33, 157, 160); jedoch geschieht dies nur in dem Maße, wie die streitbefangene Satzungsvorschrift es zulässt, ferner in grundrechtserheblicher Weise nur für die Personen, die die Zulassung zum Prime Standard erstreben, und schließlich auch für diese nur durch eine Grundrechtsberührung in dem oben beschriebenen grundrechtlichen Annexbereich.

Die Befugnis des Börsenrats der Antragsgegnerin, auf Satzungsebene eine Regelung über Quartalsberichtspflichten zu treffen, wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass bereits am 20. Januar 2005 die sog. Transparenzrichtlinie (Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2002/34/EG, ABl. L 390 vom 31.12.2004) in Kraft getreten war. Im Kapitel II über die regelmäßige Information sieht die Richtlinie allerdings selbst drei Informationsarten, nämlich Jahresfinanzberichte (Art. 4), Halbjahresfinanzberichte (Art. 5) und Zwischenmitteilungen der Geschäftsführung (Art. 6) vor. Jedoch ist sie in Deutschland erst durch das mehrfach genannte Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, das am 20. Januar 2007 und damit nach dem für die hier zu treffende Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt in Kraft getreten ist, in nationales Recht umgesetzt worden. Im Übrigen blieb die in § 42 BörsG enthaltene Ermächtigung an den Satzungsgeber auch bei dieser Gelegenheit erhalten.

Schließlich können auch die in dem von der Antragstellerin vorgelegten Gutachten von Spindler über die rechtliche Zulässigkeit zwingender Quartalsberichte im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse (Bl. 27 ff. GA) gegen § 63 BörsO vorgebrachten Bedenken nicht überzeugen. So lässt sich aus dem Umstand, dass der Bundesrat sich mit seinen Bestrebungen zur Einführung einer Quartalsberichtspflicht nicht durchsetzen konnte, nicht schließen, dass die Einführung derartiger Berichtspflichten für Teilbereiche des amtlichen Markts durch die Börsenordnung von Gesetzes wegen ausgeschlossen wäre. Auch systematische Bedenken gegen die Einführung weitgehend identischer Kriterien für die Zulassung zum Prime Standard im amtlichen und im geregelten Markt greifen nicht durch. Es mag zwar dazu kommen, dass die beiden im Dritten und Vierten Abschnitt des Börsengesetzes vorgesehenen Marktsegmente auf diese Weise durch zwei gleichartige Teilsegmente des Prime Standard überlagert und insoweit einander angeglichen werden. Dies setzt jedoch einen Erfolg des Modells des Prime Standard voraus, der zu einer weitgehenden Verdrängung des General Standard führen müsste. Auch kann der Sinn gesetzlicher Experimentierklauseln gerade nicht in dem Ziel liegen, bestehende Strukturen ungeschmälert zu erhalten.

Die Vorschrift des § 63 BörsO ist schließlich mit dem einschlägigen Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit der Transparenzrichtlinie vereinbar. Allerdings geht § 63 BörsO in seinen Anforderungen an die Normunterworfenen über die Anforderungen der Richtlinie hinaus. Jedoch ist ein Mitgliedstaat nicht grundsätzlich gehindert, durch eine nationale Vorschrift von den Bestimmungen einer Richtlinie nicht geregelte Sachverhalte zu erfassen, wobei es jedoch aus einer solchen weitergehenden nationalen Regelung klar hervorgehen muss, dass sie keine Umsetzung der Richtlinie darstellt, sondern auf dem autonomen Willen des nationalen Gesetzgebers beruht (EuGH, Urteil vom 21.11.2002 - C-356/00 -, EuGHE 2002, 10799). Hiervon ist bei dem bereits vor der Umsetzung der Transparenzrichtlinie in nationales Recht geschaffenen § 42 BörsG ohne weiteres auszugehen. Im Übrigen ergibt sich aus den Erwägungsgründen der Transparenzrichtlinie, dass der Richtliniengeber einer weitergehenden Normierung auf nationaler Ebene, die sich auf Quartalsberichte erstreckt, nicht im Wege stehen wollte. In dem 16. Erwägungsgrund wird deutlich, dass der europäische Gesetzgeber eine häufigere Zwischenberichtserstattung zur pünktlicheren und verlässlicheren Information über das vom Aktien-Emittenten im Laufe des Geschäftsjahres erzielte Ergebnis für erforderlich hält und dass die Zwischenmitteilungen diesem Ziel dienen sollen. Sodann heißt es ausdrücklich, dass Aktien-Emittenten, die bereits Quartalsfinanzberichte veröffentlichen, von der Verpflichtung zur Veröffentlichung von Zwischenmitteilungen der Geschäftsführung ausgenommen werden sollten. Von dieser Erwägung wird auch die an der Frankfurter Wertpapierbörse herrschende Lage betroffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision wird gem. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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