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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 23.07.2008
Aktenzeichen: 6 UE 154/07.A
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 1
Fall eines iranischen Staatsangehörigen, dem deshalb die Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen sind, weil für ihn wegen seiner langjährigen, schon zur Schah-Zeit begonnenen Dienstzeit als Offizier in der iranischen Luftwaffe, seiner schon im Iran bekannt gewordenen regimefeindlichen Betätigung, seiner illegalen Ausreise und seines politischen Engagements in der monarchistischen Exilopposition die beachtliche Gefahr einer unverhältnismäßigen Bestrafung wegen Spionage oder Landesverrats und einer hiermit einhergehenden unmenschlichen Behandlung besteht.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

6. Senat

Verkündet am: 23. Juli 2008

6 UE 154/07.A

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrecht

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 6. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Igstadt,

Richterin am Hess. VGH Fischer,

Richterin am Hess. VGH Schild,

ehrenamtliche Richterin Böttcher,

ehrenamtlichen Richter Fleckenstein

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Juli 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 13. Februar 2004 (Az: 4 E 2703/01.A [2]) wird zurückgewiesen.

Nr. 2 des Tenors des vorgenannten Urteils wird wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass hinsichtlich des Klägers die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich des Iran vorliegen und dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat die Kosten des Berufungsverfahrens, die Kosten des Verfahrens auf Zulassung der Berufung und die durch das Beschwerdeverfahren auf Zulassung der Revision entstandenen Kosten zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand :

Der am 17. Juni 1950 in Mashad geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger.

Er verließ nach eigenen Angaben sein Heimatland am 18. Mai 2001 und reiste - wiederum nach eigenem Bekunden - am gleichen Tag auf dem Luftweg mit einem Flugzeug der Iran Air vom Zentralflughafen Teheran-Mehrabad nach Frankfurt am Main. Am 21. Mai 2001 meldete sich der Kläger bei der Ausländerbehörde der Stadt Köln als Asylbewerber. Dort gab er an, lediglich im Besitz eines Militärausweises zu sein. Dieser bei der Ausländerbehörde der Stadt Köln vorgelegte Militärausweis ist mit einem gestempelten Lichtbild des Klägers versehen und enthält neben dem Geburtsdatum und anderen persönlichen Daten des Klägers die Eintragung, dass dieser bei den bewaffneten Streitkräften des Iran im Rang eines Leutnants in der Einheit Technik Dienst versehen habe.

Nach Weiterleitung an die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Gießen wurde der Kläger durch die Außenstelle Gießen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 1. Juni 2001 zu den Gründen seines Asylgesuchs angehört.

Hierbei gab der Kläger an, einen Reisepass, einen Passersatz oder einen Personalausweis nicht vorlegen zu können. Im Iran habe er lediglich einen Personalausweis gehabt, der sich noch in seinem Haus im Iran befinde. Einen Reiseausweis habe er nicht besessen, weil er Militärangehöriger gewesen sei. Seinen Militärausweis habe er in Köln abgegeben. In dem Pass, mit dem er nach Deutschland gereist sei, habe es ein Visum gegeben. Er selbst habe den Pass aber nicht besorgt. Welcher Name in diesem Pass gestanden habe, wisse er nicht. Nach der Ankunft in Frankfurt am Main habe er dem Schlepper alle Unterlagen zurückgeben müssen. Dieser habe ihm zwar gesagt, dass er, wenn er ihm noch mehr Geld gebe, den Pass und das Flugticket behalten könne. Das habe er aber nicht gemacht. Unter welchem Namen er gereist sei, wisse er nicht. Der Schlepper habe auch gesagt, dass er dies nicht wissen dürfe. Insgesamt habe er den Pass höchstens 15 Minuten bei sich gehabt. Der Name des Schleppers sei Nader gewesen. Diesem habe er 6 Millionen Tuma gegeben. In seiner Heimat lebten noch seine Ehefrau und seine beiden Söhne, seine Geschwister, vier Schwestern und ein Bruder, und eine Tante. Nach seiner Schulzeit habe er keine Berufsausbildung absolviert, sondern sei am 6. Januar 1971 in das iranische Militär eingetreten. Bei der Luftwaffe sei er im Nachschubwesen eingesetzt gewesen und habe zuletzt den Dienstgrad eines Leutnants bekleidet. Aus dem Militär sei er am 22. Juli 1994 infolge der damals stattfindenden politischen Säuberungen ausgeschieden. Danach sei er nach Teheran gezogen und sei dort bis zu seiner Ausreise als selbstständiger Reklameschildhersteller tätig gewesen. Die Gründe, die zu seiner Ausreise geführt hätten, gingen auf seine Militärzeit zurück. Er sei damals Sympathisant des Schah gewesen und habe auch mit dessen jetzt im Ausland lebenden Sohn sympathisiert. Etwa vier Jahren nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst habe er angefangen, mit anderen Militärangehörigen in einer Organisation namens Nezate-Azadi (Freiheitsbewegung) politisch zusammenzuarbeiten. Es handele sich hierbei nicht eigentlich um eine monarchistische Organisation, vielmehr habe sie einen religiös-nationalen Charakter. Die Organisation existiere bereits seit 1961. Sie sei zurzeit im Iran verboten, weil der Organisation vorgeworfen werde, das Regime im Iran zu stürzen. Er sei lediglich Sympathisant dieser Organisation, nicht deren Mitglied gewesen. Er habe Schriftstücke über diese Organisation bzw. von dieser Gruppe aus dem Ausland erhalten, diese dann vervielfältigt und verteilt. Daneben habe er auch andere Schriftstücke vervielfältigt und als Flugblätter weitergegeben. Er habe politische Flugblätter erstellt und sie einem früheren Kollegen mit Namen Mxxxxxxx Yxxxxxx gegeben, der sie dann unter Militärkollegen weiter verteilt habe. Diese Zusammenarbeit habe bis zum 20. März 2001 gedauert. Am 27. März 2001 habe der Sohn des Mxxxxxxx bei ihm zu Hause angerufen und mitgeteilt, dass sein Vater verhaftet worden sei. Er selbst habe dann alle Dokumente, die er zu Hause in seiner Wohnung gehabt habe, in einem Abstellraum des Parkdecks seines Hauses, in dem sich mehrere Wohnungen befunden hätten, versteckt. Danach sei er sofort nach Shariar gegangen. Durch seinen Schwager, der bei der Polizei beschäftigt sei, habe er erfahren, dass drei Tage später sein Haus gestürmt und die Familienwohnung durchsucht worden sei. Von seiner Ehefrau habe man wissen wollen, wo er sich aufhalte. Hierbei sei sie auch geschlagen worden. Es habe eine große Hausdurchsuchung stattgefunden. Sein Versteck in dem Parkdeck sei gefunden und viele Unterlagen beschlagnahmt worden. Diese Unterlagen habe er nicht vernichtet oder verbrannt, weil er hierzu keine Zeit mehr gehabt habe. Drei weitere Tage später habe erneut eine Hausdurchsuchung stattgefunden, bei der seine Ehefrau mit Verhaftung und dem Tod bedroht worden sei. Zwischenzeitlich seien auch zwei Vorladungen von dem Militärstaatsanwalt gekommen. Diese seien seiner Ehefrau lediglich zur Unterschrift vorgelegt und danach wieder mitgenommen worden. Nachforschungen seines Schwagers hätten ergeben, dass man ihm vorwarf, mit politischen Organisationen, die Reza Pahlawi nahestünden, zusammenzuarbeiten, um im Iran einen Putsch vorzubereiten. In der betreffenden Zeit seien etwa 40 Personen der Freiheitsbewegung verhaftet worden. Wegen dieser Vorwürfe sei er bei Rückkehr in sein Heimatland von der sofortigen Hinrichtung bedroht. Im Iran sei es so, dass frühere Militärangehörige, die unter derartigen Vorwürfen verhaftet würden, erschossen würden. Im Moment seien seine Kinder und seine Frau praktisch Geiseln des Regimes und er könne derzeit keinen Kontakt mit ihnen aufnehmen.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter mit Bescheid vom 1. November 2001 ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, und forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung in den Iran auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Fall der Klageerhebung innerhalb eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger könne seine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG schon deshalb nicht beanspruchen, weil er nicht habe nachweisen können, ohne Durchreise durch einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland gekommen zu sein. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 51 Abs. 1 AuslG liege nicht vor. Aus dem Vortrag des Klägers ergäben sich keine Hinweise darauf, dass er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes aufhalte oder bei Rückkehr dorthin mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müsse. Bei der Organisation, innerhalb deren sich der Kläger betätigt haben wolle, könne es sich nur um eine kleine unbekannte Organisation handeln. Seine weiterhin vorgetragene untergeordnete Betätigung in Form einer monarchistischen Anhängerschaft führe nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer politischen Verfolgung. Allein aufgrund der Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland sei bei einer Rückkehr in den Iran nicht mit politischer Verfolgung zu rechnen. Auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG seien nicht ersichtlich.

Am 27. Dezember 2001 erhob der Kläger gegen den ihm am 13. Dezember 2001 zugestellten Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden Klage. Zur Begründung wiederholte er sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren, legte Bescheinigungen über seine Mitgliedschaft bei der monarchistischen Exilorganisation N.I.D. und seine Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen dieser Gruppierung vor und verwies darauf, dass es sich bei der oppositionellen Organisation Montazeri um die Partei des im Iran in Ungnade gefallenen bekannten und hochrangigen Ajatollah Montazeri handele, die im Land über eine große Anhängerschaft verfüge. Bei dem Geistlichen handele es sich um die geistliche Leitfigur des internen Widerstandes gegen die Fundamentalisten. Das Auswärtige Amt habe von der Verhaftung zweier ehemaliger Abgeordneter des Parlaments berichtet, denen die Unterstützung der Positionen Montazeris vorgeworfen worden sei. Unzutreffend sei weiterhin die Annahme, dass die Tätigkeit für die monarchistische Opposition nicht zur Verfolgung im Iran führen könne.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden am 13. Februar 2004 nahm der Kläger seine auf Anerkennung als Asylberechtigter gerichtete Klage zurück und beantragte im Übrigen,

das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise die des § 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden verpflichtete mit Urteil vom 13. Februar 2004 das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge unter Einstellung des Verfahrens im Übrigen dazu, festzustellen, dass hinsichtlich des Klägers die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG bezüglich des Iran vorliegen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Gericht lasse offen, ob den Einlassungen des Klägers hinsichtlich der angeblichen Geschehnisse im Iran Glauben geschenkt werden könne. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse habe der Kläger jedenfalls wegen seiner exilpolitischen Betätigung bei der Organisation N.I.D. nach Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu erwarten.

Auf den Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wurde durch Beschluss des damals zuständigen 11. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. März 2005 die Berufung gegen das Urteil vom 13. Februar 2004 zugelassen.

Durch Urteil vom 3. April 2006 - 11 UE 667/05 - wurde auf die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 13. Februar 2004 aufgehoben, soweit darin die Beklagte verpflichtet worden ist festzustellen, dass hinsichtlich des Klägers die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG bezüglich des Iran vorliegen und der Beklagten Verfahrenskosten auferlegt worden sind. Die Klage wurde abgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aus den Bekundungen des Klägers zu den maßgeblichen Umständen für seine Ausreise sei nicht zu entnehmen, dass er vor seiner Ausreise aus dem Iran politischer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei oder dass ihm eine solche im Zeitpunkt seiner Ausreise unmittelbar bevorgestanden habe. Dem Kläger drohe auch nicht wegen seines Verhaltens vor der Ausreise aus dem Iran bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG. Auch aus dem vom Kläger vorgelegten Brief seines Sohnes vom 8. März 2006 aus dem Iran ergäben sich keine Hinweise darauf, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr in den Iran dort politische Repressalien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bevorstünden. Für den Kläger bestehe auch nicht wegen seiner Nachfluchtaktivitäten in Deutschland das beachtliche Risiko einer politischen Verfolgung für den angenommenen Fall einer Rückkehr in sein Heimatland. Die von dem Kläger entwickelten exilpolitischen Tätigkeiten für die monarchistischen Exilorganisationen N.I.D. und O.I.K. seien nicht geeignet, ihn der Gefahr politischer Verfolgung durch die iranischen Machthaber auszusetzen. Auf der Grundlage der verfügbaren Erkenntnisse sei nach wie vor festzustellen, dass eine allgemeine, nicht besonders exponierte exilpolitische Tätigkeit für die vorgenannten Gruppierungen und für andere monarchistische Exilorganisationen im Bundesgebiet noch nicht zur beachtlichen Gefahr staatlicher politischer Verfolgung bei Rückkehr in den Iran führe. Für eine Verfolgung sprechende gewichtige Gründe seien grundsätzlich allenfalls dann gegeben, wenn sich der oder die Betreffende im Rahmen ihres bzw. seines politischen Engagements für eine monarchistische Exilgruppierung in Deutschland in besonders hervorgehobener Weise hervortue, d.h. insbesondere auf überregionaler Ebene Führungs- oder Funktionsaufgaben in der betreffenden Organisation wahrnehme, sich an nur Führungspersönlichkeiten vorbehaltenen Veranstaltungen beteilige, an führender Stelle Verantwortung für Presseerzeugnisse, öffentliche Veranstaltungen und wirtschaftliche Belange der Organisation übernehme oder an verantwortlicher Stelle Kontakte zu den Zentralen der monarchistischen Exilopposition in den USA unterhalte. Diese Voraussetzungen seien im Falle des Klägers sämtlich nicht erfüllt. Dem von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit als Offizier in der Armee und seines langen Auslandsaufenthalts nach Rückkehr in den Iran mit Festnahme und Inhaftierung zu rechnen habe, wobei seine Tätigkeiten in der monarchistischen Exilopposition als gegen das jetzige Regime gerichtet angesehen würden, die nicht lediglich dazu dienten, den Aufenthalt im Ausland zu ermöglichen, sondern zu strafrechtlicher Verfolgung führen würden, habe das Gericht nicht entsprechen müssen. Der Beweisantrag ziele im Wesentlichen darauf ab, dass der Kläger wegen seines langen Auslandsaufenthalts und seiner Tätigkeiten in der monarchistischen Opposition gegen das jetzige Regime mit strafrechtlicher Verfolgung zu rechnen habe, die politischen Charakter habe. Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen sei aber nicht davon auszugehen, dass bei langjährigem Auslandsaufenthalt und Tätigkeiten in der monarchistischen Opposition, die als gegen das jetzige Regime gerichtet angesehen würden, bei einer Rückkehr nach Iran politische Verfolgungsmaßnahmen drohten. Es sei nicht substantiiert dargelegt, dass insoweit ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden müsse. Dem Gericht lägen mehrere aktuelle Gutachten des Deutschen Orient-Instituts zur Beurteilung der Gefahr politischer Verfolgung im Falle einer Rückkehr von iranischen Staatsbürgern vor, die in Deutschland exilpolitisch tätig gewesen seien. Nachvollziehbare tatsächliche und substantiierte Anhaltspunkte, weshalb dem Kläger aufgrund seiner Tätigkeit als Offizier in der Armee bei der Rückkehr in den Iran politische Verfolgung drohen sollte, habe er weder bei seinen Anhörungen vor dem Bundesamt und dem Verwaltungsgericht noch bei seiner Vernehmung vor dem Berichterstatter des Senats dargelegt. Schließlich sei auch die Asylbeantragung in Deutschland als solche nicht dazu geeignet, den Kläger im Falle der Rückkehr einer beachtlichen Verfolgungsgefahr auszusetzen. Wegen des weiteren Inhalts des Urteils vom 4. April 2006 wird auf Blatt 335 bis 350 der Gerichtsakten verwiesen.

Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wurde das Urteil vom 4. April 2006 durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Dezember 2006 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten der Hauptsache und die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurde der Schlussentscheidung vorbehalten. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe in seiner Beschwerde zu Recht gerügt, dass das Berufungsgericht seine Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO und den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe. Zutreffend habe die Beschwerde sinngemäß beanstandet, dass das Berufungsgericht den in der Berufungsverhandlung gestellten Beweisantrag, wonach der Kläger wegen seiner früheren Tätigkeit als Offizier in der iranischen Armee und wegen seines langen ungenehmigten Auslandsaufenthalt bei einer Rückkehr in den Iran besonders gefährdet sei, ohne hinreichende Stütze im Prozessrecht abgelehnt habe. Soweit das Berufungsgericht bei der Ablehnung des Beweisantrages bemängelt habe, der Kläger habe keine hinreichenden tatsächlichen und substantiierten Gesichtspunkte für sein Vorbringen dargelegt, überspanne es unter den gegebenen Umständen die Anforderungen an die Substantiierung des gestellten Antrags auf Einholung einer sachverständigen Stellungnahme. Das Gericht habe auch nicht deutlich gemacht, dass es über eigene Sachkunde verfüge, um die den Kläger als früherem Offizier möglicherweise drohenden Gefahren einer politischen motivierten übermäßigen Bestrafung im Hinblick auf seine Betätigung für die monarchistische Opposition selbst beurteilen zu können. Wegen des weiteren Inhalts des Beschlusses vom 4. Dezember 2006 wird auf Blatt 371 und 372 der Gerichtsakten Bezug genommen.

Nach Übernahme der Sache in den 6. Senat wurden das Deutsche Orient-Institut, das Kompetenzzentrum Orient-Okzident der und das Auswärtige Amt um Auskunft bezüglich der von dem Kläger behaupteten Gefährdung gebeten, im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland wegen der mit der illegalen Ausreise verbundenen unerlaubten Entfernung vom Militärdienst, dem langen Auslandsaufenthalt und der vor der Ausreise und in Deutschland entwickelten Aktivitäten im Rahmen der monarchistischen Opposition bestraft oder in anderer Weise belangt zu werden. Wegen des näheren Inhalts der Verfügung vom 23. April 2007 wird auf Blatt 382 bis 393 der Gerichtsakten Bezug genommen.

Wegen des Inhalts der aufgrund dieser Verfügung erstatteten gutachterlichen Stellungnahmen des Deutschen Orient-Instituts vom 4. Mai 2007 und des Kompetenzzentrums Orient-Okzident der vom 9. Juli 2007 sowie wegen des Inhalts der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 18. September 2007 wird auf Blatt 399 bis 401, 410 bis 412 und 413 bis 415 der Gerichtsakten verwiesen.

Zur Begründung der Berufung hat der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten vorgetragen, das Verwaltungsgericht weiche mit seiner stattgebenden Entscheidung von der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 24. September 2002 - 11 UE 254/98 - ab, wonach dem Mitglied einer monarchistischen Exilorganisation in Deutschland auch bei regional hervorgehobener exilpolitischer Betätigung im Falle der Rückkehr in den Iran grundsätzlich nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohe.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 13. Februar 2004 aufzuheben, soweit darin die Beklagte verpflichtet worden ist festzustellen, dass hinsichtlich des Klägers die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG bezüglich des Iran vorliegen, und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen im Verwaltungsverfahren und im vorangegangenen Berufungsverfahren.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seinen Klageantrag neu gefasst. Er beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dass ihm - dem Kläger - die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.

Die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung dem Berufungsantrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten angeschlossen.

In der mündlichen Verhandlung am 23. Juli 2008 sind die Gutachterin des Deutschen Orient-Instituts und der Gutachter des Kompetenzzentrums Orient-Okzident der zu ihren jeweiligen gutachterlichen Stellungnahmen vernommen worden. Überdies ist der Kläger in der mündlichen Verhandlung ergänzend zu den Umständen seiner Ausreise aus dem Iran informatorisch angehört worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der informatorischen Anhörung des Klägers wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23. Juli 2008 (Bl. 496 bis 502 der Gerichtsakten) verwiesen.

Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Gerichtsakten, die Akten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und die den Kläger betreffenden Akten der Ausländerbehörde des Main-Taunus-Kreises. Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren ferner die Erkenntnisquellen, die den Beteiligten im Berufungsverfahren 11 UE 667/05.A in Form von Erkenntnislisten zugänglich gemacht worden sind (Bl. 225 bis 230 der Gerichtsakten) und die Erkenntnisquellen, die den Beteiligten mit der gerichtlichen Verfügung vom 28. April 2008 (Bl. 451 der Gerichtsakten) zugänglich gemacht bzw. bekanntgegeben worden sind.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 23. Juli 2008 und auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, über die der Senat nach Aufhebung des Urteils des damals zuständigen 11. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. April 2006 - 11 UE 667/05.A - und Zurückverweisung durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Dezember 2006 unter Zugrundelegung der sich aus diesem Beschluss ergebenden rechtlichen Beurteilung des Revisionsgerichts erneut zu entscheiden hat (vgl. § 144 Abs. 6 VwGO - diese Bindungswirkung greift auch bei der Aufhebung und Zurückverweisung nach § 133 Abs. 6 VwGO ein, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.August 1997 - BVerwG 8 B 151/97 -, NJW 1997, 3456), ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht entsprochen.

Nach nochmaliger tatsächlicher und rechtlicher Würdigung des für die Entscheidung im vorliegenden Berufungsverfahren maßgeblichen Sachverhalts auf der Grundlage der eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen vom 4. Mai und 9. Juli 2007 und der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 18. September 2007 und auf der Basis der von den Gutachtern des Deutschen Orient-Instituts und des Kompetenzzentrums Orient-Okzident der zu ihren Gutachten gegebenen Erläuterungen sowie der Angaben des Klägers in seiner informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des von dem Kläger beanspruchten Abschiebungsschutzes wegen der Gefahr politischer Repressalien nach Rückkehr in sein Heimatland vorliegen.

Da für den Senat gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG das zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende Recht maßgeblich ist, ist - entsprechend dem von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung neu gefassten Klageantrag - zusätzlich zu dem ursprünglichen, (allein) auf die Feststellung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bzw. nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Januar 2005 auf die Feststellung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004, BGBl. I S. 1950, zuletzt geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 21. Juni 2005, BGBl. I S. 1818, gerichteten Begehren des Klägers auch darüber zu befinden, ob ihm die Eigenschaft als Flüchtling nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - BGBl. 1953 II S. 559 - Genfer Flüchtlingskonvention - zuzuerkennen ist. Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 6 AufenthG in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BGBl. I S. 1970 (vgl. Art. 10 Abs. 1 des vorgenannten Umsetzungsgesetzes) hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, wenn sich der Ausländer auf das Verbot der Abschiebung gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG beruft und er nicht bereits als Asylberechtigter oder Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wurde, in einem Asylverfahren nicht nur darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegen, sondern hat, falls es das Vorliegen dieser Voraussetzungen bejaht, darüber hinaus auch festzustellen, dass dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Nach § 13 Abs. 2 AsylVfG in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung des Umsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 ist wesentlicher Inhalt des Asylantrages nämlich gerade das Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Die auf diesen gerichtlichen Ausspruch gerichtete Klage ist begründet.

Der Kläger hat unter Berücksichtigung der maßgeblichen, im Zeitpunkt der Entscheidung im vorliegenden Berufungsverfahren vorliegenden Sach- und Rechtslage Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Zu seinen Gunsten ist folglich auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festzustellen.

Gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, sind Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29. April 2004 (ABl. EU L 304 S.12, ber. ABL. 2005 L 204 S. 24 - Qualifikationsrichtlinie -, im Folgenden: QRL) gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ergänzend anzuwenden. Die nach nationalem Recht vorzunehmende ergänzende Anwendung der Vorschriften der QRL hat dem Umstand Rechnung zu tragen, dass gem. Art. 1 QRL die Richtlinie verbindliche Mindestnormen für die Mitgliedstaaten festschreibt, die durch den nationalen Gesetzgeber nicht unterschritten werden dürfen. Weiterhin ist zu beachten, dass die QRL nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 10. Oktober 2006 grundsätzlich unmittelbare Geltung beansprucht. Hieraus folgt, dass sich die auf der Basis des früheren Rechts vorwiegend richterrechtlich entwickelten Prüfungsmaßstäbe hinsichtlich der Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nunmehr unmittelbar an dem Aufenthaltsgesetz und an der QRL zu orientieren haben (Hess.VGH, Urteil vom 21. Februar 2008 - 3 UE 191/07.A -, Seite 11 des Urteilsabdrucks, mit weiteren Nachweisen).

Hinsichtlich der für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit bedarf es nach Art. 4 Abs. 3 QRL stets einer individuellen, sämtliche in Art. 4 Abs. 3. Buchst. a) bis e) QRL aufgeführten Aspekte einbeziehenden Prüfung der im Einzelfall vorliegenden Verfolgungsgründe. Eine rein generalisierende Sichtweise auf der Grundlage schematischer Verfolgungsmaßstäbe ist mit der Richtlinie nicht vereinbar. Nach den Grundsätzen, die in der Rechtsprechung bezüglich der für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft maßgeblichen Verfolgungswahrscheinlichkeit aufgestellt wurden, wurde bislang für vorverfolgte Flüchtlinge der sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab angewendet, wonach dem Betreffenden eine Rückkehr nur bei hinreichender Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung zugemutet werden kann, bei unverfolgt Ausgereisten dagegen der "normale" Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der das Vorliegen eines beachtlichen, überwiegenden Verfolgungsrisikos verlangt. Mit Rücksicht auf die aus Art. 4 Abs. 4 QRL bezüglich der Verfolgungsprognose zu entnehmenden allgemeinen Kriterien kommt es nunmehr in jedem Fall maßgeblich darauf an, ob der Betreffende unter Berücksichtigung sämtlicher nach Art. 4 Abs. 3 QRL einzustellender Gesichtspunkte eine Verfolgung im Sinne von Art. 9 QRL begründet befürchten muss. Zwar trifft Art. 4 Abs. 4 QRL lediglich eine Prognoseregelung für den Fall, dass eine Person verfolgt wurde oder eine Verfolgung unmittelbar bevorstand, nicht jedoch eine Vermutungsregel für unverfolgt ausgereiste Flüchtlinge. Aus der Systematik des Art. 4 Abs. 4 QRL ergibt sich aber, dass nach der Richtlinie für den Personenkreis der schon einmal Verfolgten die stattgefundene bzw. unmittelbar drohende Vorverfolgung den ernsthaften Hinweis auf eine auch im Fall der Rückkehr zu erwartende Verfolgung darstellt, während bei nicht vorverfolgten Flüchtlingen der in Art. 4 Abs. 4 QRL so bezeichnete "ernsthafte Hinweis" auf zu erwartende Gefährdungen entfällt, es im Übrigen aber bei der Prüfung bleibt, ob der Flüchtling heute bei Rückkehr in sein Heimatland erwartbar Verfolgungsmaßnahmen erleiden wird oder hiervon unmittelbar bedroht ist. Insoweit kann auch auf die Begriffsbestimmung des Art. 2 Buchst. c) QRL zurückgegriffen werden, wonach "Flüchtling" im Sinne der QRL einen Drittstaatsangehörigen bezeichnet, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will und auf den Art. 12 keine Anwendung findet. Der letztgenannte Maßstab entspricht dabei dem in der Rechtsprechung entwickelten Maßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" in Anlehnung an die britische Rechtsprechung des "real risk", wobei ggf. auch ein Verfolgungsrisiko von unter 50% als beachtlich wahrscheinliches Risiko angesehen werden kann (vgl. zum Vorstehenden Hess.VGH, Urteil vom 21. Februar 2008 - 3 UE 191/07.A -, Seite 12 und 13 des Urteilsabdrucks, mit weiteren Nachweisen).

Auf ernsthafte Hinweise für eine (erneut) drohende Verfolgung im Sinne von Art. 4 Abs. 4 QRL auf Grund einer schon im Heimatland erlittenen oder unmittelbar bevorstehenden politischen Verfolgung kann im Fall des Klägers nicht zurückgegriffen werden. Dass der Kläger vor seiner Ausreise aus dem Iran dort keiner Verfolgung wegen seiner politischen Überzeugung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. e) QRL (als einzigem hier in Betracht kommenden Verfolgungsgrund) ausgesetzt war und eine solche Verfolgung auch nicht als unmittelbar bevorstehend begründet befürchten musste, hat der 11. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 4. April 2006 unter umfassender Würdigung des Verfolgungsvorbringens des Klägers dargelegt. Es hat hierbei zwar nicht in Zweifel gezogen, dass der Kläger nach der Festnahme des Freundes, mit dem zusammen er nach seinem Bekunden Flugblätter regierungskritischen Inhalts verfasst und verbreitet hatte, nach Durchsuchung der Wohnung des Klägers und Auffinden von politischen Unterlagen und nach dem Ergehen einer seiner Familie zugestellten Vorladung der Militärstaatsanwaltschaft selbst in die Gefahr geraten war, wegen regierungsfeindlicher Betätigung zur Rechenschaft gezogen zu werden. Der 11. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat aber keine konkreten Anhaltspunkte für eine dem Kläger damals unmittelbar bevorstehende Verhaftung erkennen können. Der Kläger hat diesen Teil des durch das Bundesverwaltungsgericht aufgehobenen Berufungsurteils vom 4. April 2006 in seiner Nichtzulassungsbeschwerde und auch im nachfolgenden Verfahren vor dem Senat nicht beanstandet. Es sind auch keine sonstigen Gesichtspunkte zu Tage getreten, die eine von den Feststellungen in dem genannten Urteil abweichende Einschätzung der Vorverfolgungssituation des Klägers nahelegen würden. Es kann deshalb insoweit auf die Ausführungen des 11. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs auf Seite 5, 2. Absatz bis Seite 7, 1. Absatz des Urteils vom 4. April 2006 Bezug genommen werden.

Der Kläger hat aber für den Fall einer Rückkehr in den Iran deshalb eine Verfolgung wegen einer von der herrschenden Staatsdoktrin im Iran abweichenden tatsächlichen oder ihm von Seiten des Staates zugeschriebenen (vgl. Art. 10 Abs. 2 QRL) politischen Überzeugung mit der für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlichen Wahrscheinlichkeit begründet zu befürchten, weil er im Iran dem ernsthaften Risiko einer Bestrafung wegen Spionage und/oder Landesverrats ausgesetzt wäre. Hierbei würde es sich nicht um eine auch nach rechtsstaatlichen Maximen ggf. legitime Strafverfolgung mit dem ausschließlichen Ziel einer Ahndung des mit der Preisgabe von staatlichen Geheimnissen verbundenen Unrechts handeln (vgl. etwa BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 2. Senats vom 15. Februar 2000 - 2 BvR 752/ 97 - InfAuslR 2000, 254 [257]). Vielmehr ist zu erwarten, dass der Kläger durch die iranischen Staatsorgane als außerhalb der staatlichen Friedensordnung stehender "Staatsfeind" in Anknüpfung an seine abweichende politische Überzeugung (vgl. Art. 10 Abs. 1 Buchst. e), Art. 9 Abs. 2 QRL) behandelt und als solcher physischer Gewalt im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. a) QRL unterworfen und einer unverhältnismäßigen und diskriminierenden Bestrafung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. c) QRL ausgesetzt würde. Als beachtlich wahrscheinlich stellt sich die Gefahr einer sich in der Ausübung physischer Gewalt und strafrechtlicher Verfolgung manifestierenden politischen Verfolgung des Klägers deshalb dar, weil er nahezu 24 Jahre lang - davon 8 Jahre während der Regierungszeit des Schah - als Offizier an zwei der wichtigsten Luftwaffenstützpunkten des Iran (Buschehr und Khark) stationiert war, im Rahmen einer Säuberungsaktion im Jahre 1994 aus dem Militärdienst entlassen wurde, sich einige Jahre später im Rahmen der iranischen Freiheitsbewegung (Nezate-Azadi) oppositionell betätigt hatte, wegen dieser Betätigung in das Visier der Sicherheitsbehörden geraten war, aus Furcht vor Verhaftung illegal ausgereist ist und sich in Deutschland als Mitglied der monarchistischen Exilorganisation "Wächter des ewigen Iran, Organisation Iranischer Konstitutionalisten (N.I.D., O.I.K.) öffentlich exilpolitisch betätigt hat.

Der Senat ist davon überzeugt, dass sämtliche vorgenannten Gefährdungsmomente in der Person des Klägers verwirklicht sind.

Was seine oppositionelle Betätigung im Heimatland, die Aufdeckung dieser Tätigkeit durch Ermittlungen der Militärbehörden und die hieraus resultierende Gefahr der Verhaftung anbelangt, sind - wie schon erwähnt - Zweifel an der Richtigkeit dieses Asylvorbringens des Klägers schon durch den 11. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs im vorangegangenen Berufungsverfahren nicht geäußert worden. Es haben sich auch im Nachhinein keine Umstände ergeben, die derartige Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers zu den Vorgängen vor seiner Ausreise rechtfertigen würden.

Es ist nach dem Ergebnis der informatorischen Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 23. Juli 2008 auch davon auszugehen, dass er - entsprechend seiner Behauptung - mit einem auf einen fremden Namen ausgestellten falschen Pass mit ebenfalls gefälschter Ausreisegenehmigung ausgereist ist. Zweifel an der illegalen Ausreise, die an den Umstand geknüpft werden könnten, dass dem Kläger nach seiner Aussage bei dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge der Name, auf den der von ihm bei der Ausreise am 18. Mai 2001 verwendete Pass ausgestellt war, nicht bekannt war und dass er bei der Ausreise seinen - echten - Militärdienstausweis mit sich führte, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeräumt. Zwar kann die Behauptung eines iranischen Staatsangehörigen, den Namen der Alias-Person im falschen Pass nicht zu kennen, durchaus ein gewichtiges Indiz dafür sein, dass der Betreffende die illegale Ausreise zum Beleg einer tatsächlich nicht bestehenden Verfolgungsgefahr lediglich vorgibt, in Wahrheit aber mit Genehmigung der Behörden das Land verlassen hat (vgl. etwa Auswärtiges Amt, Auskunft vom 5. Juli 1999 an das Verwaltungsgericht Bayreuth; , Auskunft an eine Rechtsanwaltskanzlei vom 6. November 2006; Kompetenzzentrum Orient-Okzident der Johannes Gutenberg-Universität B-Stadt, Gutachten für das Verwaltungsgericht Schleswig vom 3. November 2006). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung die Tatsache, dass er sich den Namen und die weiteren persönlichen Daten der Person, auf die der Pass ausgestellt war, nicht eingeprägt hat, aber nachvollziehbar damit begründet, dass das "Einstudieren" dieser Daten kurz vor der Passkontrolle die Aufmerksamkeit von Umstehenden hätte wecken können und damit die durch Bestechung der Kontrollperson vorbereitete Ausreiseprozedur hätte gefährden können. Es erscheint auch nicht unverständlich, dass der Kläger - wie er dem Senat gegenüber nochmals geschildert hat - den Pass erst unmittelbar vor der Ausreisekontrolle von dem ihn begleitenden Schlepper ausgehändigt bekommen hat. Es ist durchaus vorstellbar, dass die Schlepper die Erledigung der Ausreiseformalitäten so weit als möglich selbst in der Hand behalten und Zwischenfälle, die sich aus einem unbedachten Verhalten des "Kunden" ergeben könnten, ausschließen wollen. Ebenso ist es nachvollziehbar, dass der Kläger den Pass - sei es aus Gründen der Eigensicherung der Begleitperson und der Schlepperorganisation, sei es aus Gründen der Weitervermarktung des Passes - wieder abgeben musste.

Schließlich sind durch die Befragung des Klägers auch die Gründe deutlich geworden, die ihn dazu bewogen haben, trotz der Verwendung eines auf einen anderen Namen ausgestellten Passes seinen eigenen Militärausweis versteckt mit sich zu führen. Der Kläger hat nachvollziehbar erklärt, dass er diesen Ausweis in der damaligen Verfolgungssituation nicht in fremde Hände habe geben wollen und den Ausweis habe behalten wollen, um sich in Deutschland irgendwie ausweisen zu können. Für ihn habe das Mitführen des Ausweises kein gesteigertes Risiko mit sich gebracht, da er bei einer Aufdeckung der illegalen Ausreise "so und so geliefert" gewesen wäre. Für den Senat sind auch im Übrigen keine Anhaltspunkte erkennbar geworden, die darauf schließen ließen, dass der Kläger die Umstände seiner Ausreise aus dem Iran wahrheitswidrig geschildert hat. Er hat sämtliche hierauf gerichteten Fragen des Gerichts spontan, ausführlich und ohne Anflug von Unsicherheit beantwortet und insgesamt einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Für die Richtigkeit der von dem Kläger gegebenen Darstellung seiner Ausreise spricht im Übrigen auch der Umstand, dass es der Gutachter des Kompetenzzentrums Orient-Okzident der in der mündlichen Verhandlung auf entsprechendes Befragen als "eher ausgeschlossen" bezeichnet hat, dass der Kläger auf legalem Weg die erforderliche Zustimmung der Militärbehörden für die Erteilung einer Ausreisegenehmigung hätte erhalten können.

Bei der Gesamtschau der vorgenannten Verfolgungsaspekte ist, auch wenn diese jeweils für sich betrachtet schwerlich geeignet sind, die ernsthafte Rückkehrgefährdung des Klägers zu belegen, von dem beachtlichen Risiko einer an seine abweichende politische Gesinnung anknüpfenden Verfolgung auszugehen.

Zwar gibt es keinen Hinweis auf eine sich zwangsläufig ergebende Gefahr einer auf die abweichende politische Gesinnung des Klägers abzielenden und damit unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Strafverfolgung oder Bestrafung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. c) QRL oder einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. a) QRL. Der Senat folgt insoweit der Einschätzung des Auswärtigen Amtes in seiner Auskunft vom 18. September 2007 an den Senat, wonach es keinen Automatismus gebe, dass dem Kläger der Vorwurf gemacht werden könnte, militärische Geheimnisse, die ihm aus seiner Dienstzeit als Offizier bekannt geworden sein könnten, deutschen Stellen preisgegeben und damit Geheimnis- oder Landesverrat begangen zu haben. Ungeachtet dessen sind die für eine solche unter dem Deckmantel der Ahndung strafbaren Unrechts betriebene politische Verfolgung sprechenden Gesichtspunkte derart gewichtig, dass im Falle des Klägers von dem Vorliegen eines beachtlichen Risikos im oben dargestellten Sinne ausgegangen werden muss. Insoweit werden den Kläger nicht nur seine bereits vor der Ausreise offenbar gewordenen und im Ausland fortgesetzten oppositionellen Aktivitäten belasten. Zu seinen Ungunsten wird sich vor allem auch auswirken, dass das Engagement für die monarchistische Opposition aus der Sicht der iranischen Stellen deshalb besonders schwerwiegend erscheinen muss, weil der Kläger schon zu Zeiten des Schah als Offizier gedient hatte und deshalb eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die iranischen Behörden in ihm eine in besonderer Weise uneinsichtige, von Anfang an gegen die jetzige islamisch geprägte Staatsform eingestellte Persönlichkeit sehen und von daher ohne weiteres davon ausgehen, dass dieser mit deutschen Behörden kooperiert und an diese militärische Geheimnisse zum Schaden des Iran weitergegeben haben könnte.

In dieser Einschätzung sieht sich der Senat vor allem durch das Gutachten des Kompetenzzentrums Orient-Okzident der vom 9. Juli 2007 und durch die zu dem Inhalt dieses Gutachtens in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen des Gutachters Dr. B. bestätigt. Der Gutachter ist davon ausgegangen, dass dem Kläger im Falle der Rückkehr angesichts der oben dargestellten, in seiner Person kumulativ zusammenwirkenden Umstände eine Spionagetätigkeit und Geheimnisverrat "sicher" unterstellt würden (Seite 2 des Gutachtens vom 9. Juli 2007). Hierbei hat er die besondere Bedeutung hervorgehoben, die der langjährigen Militärzugehörigkeit des Klägers, seiner Stellung als Offizier in einer wichtigen Waffengattung und seiner Stationierung an wichtigen Luftwaffenstützpunkten beizumessen sind. Hieraus erwächst nach der Ansicht des Gutachters eine auch nach Ende der Dienstzeit unvermindert bestehende Forderung nach besonderer Loyalität und politischer Zuverlässigkeit, deren Missachtung durch den Kläger auf dem Hintergrund seiner illegalen Ausreise, des nachfolgenden längeren Auslandsaufenthalts und seines Engagements für die monarchistische Exilopposition das Risiko der Bestrafung nach Militärstrafrecht oder nach den einschlägigen Bestimmungen der Art. 501, 504 und 505 des (allgemeinen) iranischen Strafgesetzbuches sowie die Gefahr körperlicher Misshandlungen, Einschüchterungen und erniedrigender Maßnahmen heraufbeschwört.

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass diese von dem Gutachter in der mündlichen Verhandlung vertiefend erläuterte und bekräftigte Einschätzung auf einer zutreffenden und hinreichend abgesicherten Bewertung der Sachlage beruht. Das Gericht konnte sich in der mündlichen Verhandlung davon überzeugen, dass der Gutachter, auch wenn er selbst den Iran nicht bereist hat und deshalb über keine vor Ort gesammelten eigenen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, durch umfassende Recherchen in sämtlichen einschlägigen, zum Teil nicht allgemein zugänglichen Medien, durch Berichte von Personen, die den Iran besucht haben und durch die Mitarbeit von landeskundigen Bediensteten des Instituts eine ausreichende Sachkunde besitzt. Seine schriftlichen Ausführungen und seine mündlichen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung sind fundiert, nachvollziehbar und durchweg überzeugend.

Für die Richtigkeit der Aussagen des Gutachters spricht auch und insbesondere sein deutlich erkennbares Bemühen um eine objektive, die für die Gefährdungsprognose maßgeblichen Umstände realistisch einschätzende Sichtweise. So hat er bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung etwa die Bedeutung der monarchistischen Exilopposition im Iran relativiert und hat darauf hingewiesen, dass die Monarchisten derzeit nicht mehr so im Vordergrund der Beobachtung durch den iranischen Staat stünden und als Gefährdungsgruppe nicht so ernst genommen würden, wie etwa andere als gefährlich betrachtete Gruppierungen. Im gleichen Zusammenhang hat er allerdings den Umstand hervorgehoben, dass viele ehemalige Angehörige des Geheimdienstes SAVAK Mitglied in den im westlichen Ausland aktiven monarchistischen Gruppen seien und dass dieser Umstand bei Personen wie dem Kläger, die als (potentielle) Geheimnisträger aus der Schah-Ära unter besonderer Beobachtung der iranischen Stellen stünden, Konsequenzen nach sich ziehen könne.

In Anbetracht dieser überzeugenden, im Ergebnis auch von dem Deutschen-Orient Institut geteilten Bewertung vermag der Senat der gegenteiligen Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach im vorliegenden Fall eine strafrechtliche Verfolgung höchst unwahrscheinlich sei, kein ausschlaggebendes Gewicht beizumessen. Es handelt sich hierbei um eine letztlich allgemein gehaltene Beurteilung, die maßgeblich mit Blick auf die längere Zeit zurückliegende Beendigung des Militärdienstes und den Ablauf der Frist für die Einholung einer Ausreisegenehmigung der Militärsbehörden vorgenommen wurde. Die notwendige - dem Auswärtigen Amt allerdings nicht mögliche und nach eigenem Bekunden auch nicht obliegende - Gesamtbetrachtung sämtlicher individueller Gefährdungsaspekte ergibt im vorliegenden Einzelfall aus den oben dargelegten Gründen eine andere Gefährdungsprognose.

Der Senat folgt auch der Einschätzung des Gutachters, dass die zu erwartende Strafverfolgung des Klägers in den Händen der Militärjustiz liegen würde. Die gegenteilige Annahme des Auswärtigen Amtes, das eine Zuständigkeit der allgemeinen Strafgerichte für gegeben erachtet, beruht darauf, dass das Auswärtige Amt von einer Strafverfolgung "außerhalb des geltenden Militärstrafrechts" ausgeht. Diese nicht näher begründete Annahme trifft aber erkennbar nicht zu, da nach den von dem Kompetenzzentrum Orient-Okzident der im Gutachten vom 9. Juli 2007 erwähnten "Statuten der strafrechtlichen Untersuchung", bei denen es sich nach den Erläuterungen des Gutachters in der mündlichen Verhandlung um ein die Zuständigkeit der Strafgerichte umfassend und abschließend abgrenzendes Regelwerk handelt, die Militärstrafgerichte für alle - auch ehemaligen - Militärangehörigen zuständig sind. Eine derartige Zuständigkeit für die Ahndung von Straftaten ehemaliger Militärangehöriger hält der Senat jedenfalls insoweit für plausibel, als es um den hier einschlägigen besonders schwerwiegenden Vorwurf der Spionage bzw. des Landesverrats geht. Überdies ist nach dem Vorbringen des Klägers davon auszugehen, dass die Militärjustiz in seinem Fall bereits tätig geworden ist.

Die Befassung der Militärstrafgerichte mit der Angelegenheit beinhaltet ein die Verfolgungsgefährdung des Klägers weiter erhöhendes Moment. Bei den Militärgerichten handelt es sich, wie der Gutachter Dr. B. in der mündlichen Verhandlung betont hat, um weisungsgebundene Sondergerichte, von denen die Einhaltung grundlegender rechtsstaatlicher Anforderungen noch weit weniger zu erwarten ist als bei den nach Auskunft des Auswärtigen Amtes unter mangelnder "Effektivität und Effizienz" leidenden ordentlichen Strafgerichten (vgl. Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 18. März 2008 - Stand: Februar 2008 -, Seite 9). Eine andere Beurteilung wäre im Übrigen auch dann nicht angezeigt, wenn die dem Kläger nach den vorliegenden Umständen als wahrscheinlich zur Last gelegten Straftaten vor einem Revolutionsgericht verhandelt würden (nach Auskunft des Kompetenzzentrum Orient-Okzident der im Gutachten vom 9. Juli 2007 ist die Zuständigkeit dieser Gerichte nach den oben erwähnten Statuten für das Verbrechen der "Spionage für das Ausland" begründet). Bei den Revolutionsgerichten handelt es sich in gleicher Weise wie bei den Militärgerichten um eine Sondergerichtsbarkeit. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes ist die Qualifikation der Richter an Revolutionsgerichten, die entsprechend den Gesetzen über die Einrichtung und Rechtsprechung mit religiösen und daher besonders linientreuen Richtern besetzt sind, unzureichend. Die dort tätigen Richter verfügen selten über eine allgemeine juristische Ausbildung und müssen lediglich Seminare über islamisches Recht besucht haben. Die Verfahren vor Revolutionsgerichten sind häufig kurz und summarisch. In vielen Fällen findet trotz gegenteiliger Anweisungen auch heute noch keine Verteidigung durch einen Anwalt statt (vgl. Lagebericht vom 18. März 2008, am angegebenen Ort).

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat, da sein Rechtsmittel erfolglos bleibt, nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Verfahren auf Zulassung der Berufung und der Revision angefallenen Kosten zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 708 Nr. 10 und § 711 Satz 1 ZPO i. V. m. § 167 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung angefochten werden.



Ende der Entscheidung

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