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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 08.11.2006
Aktenzeichen: 6 UE 2498/05
Rechtsgebiete: BBodSchG, HessVwKostG, HessVwVG, VwKostO


Vorschriften:

BBodSchG § 24 Abs. 1
HessVwKostG § 19
HessVwVG § 74
HessVwVG § 80
VwKostO § 11 Abs. 1 Nr. 10 (a.F.)
VwKostO § 11 Abs. 1 Nr. 11 (n.F.)
VwKostO § 14
Kosten (Gebühren und Auslagen) im Sinne des § 80 Abs. 1 HessVwVG sind auch solche Beträge, die aufgrund von Vollstreckungsmaßnahmen an Dritte zu zahlen sind (bspw. Ersatzvornahmekosten).

Die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Erstattung von Ersatzvornahmekosten zur Sanierung von Altlasten beträgt drei Jahre; sie beginnt mit der Entstehung des Anspruchs.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 UE 2498/05

Verkündet am: 8. November 2006

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Abfallrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 6. Senat - durch

Vors. Richter am Hess. VGH Dr. Schulz, Richterin am Hess. VGH Fischer, Richter am VG Dr. Schütz, ehrenamtlichen Richter Ofer, ehrenamtliche Richterin Rossi

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2006

für Recht erkannt: Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 20. Januar 2005 (7 E 1152/01) wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens - einschließlich der Kosten des Berufungszulassungsantragsverfahrens - zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids des Regierungspräsidiums Kassel - Abteilung Staatliches Umweltamt Bad Hersfeld -, mit dem Ersatzvornahmekosten nebst Gebühren in Höhe von 307.950,60 DM angefordert wurden.

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin eines Speditionsunternehmens, das auf einem Grundstück in B-Stadt - Gemarkung xxxxxx, Flur 3, Flurstück 3/11 - eine Betankungsanlage betrieben hatte, die im September 1984 stillgelegt worden war. Nachdem im Rahmen einer Baugrundbeurteilung zu einem Neubauprojekt auf dem Grundstück Boden- und Grundwasserkontaminationen durch Kohlenwasserstoffe festgestellt worden waren, wurde das Grundstück mit Bescheid vom 18. März 1994 als Altlast festgestellt; eine Anordnung der sofortigen Vollziehung unterblieb zunächst. Der Eigentümer des Grundstücks verzichtete ausdrücklich auf die Einlegung eines Widerspruchs gegen den Altlastenfeststellungsbescheid; der Klägerin wurde der Bescheid lediglich mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Mit Bescheid vom 25. April 1994 wurden der Klägerin - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung - Maßnahmen zur Beseitigung der Kontaminationsquelle und zur Sanierung bereits kontaminierten Grundwassers aufgegeben. Gleichzeitig wurde der Klägerin - unter Fristsetzung - die Vollstreckung im Wege der Ersatzvornahme angedroht und die Kosten der Ersatzvornahme wurden vorläufig auf 150.000,- DM veranschlagt.

Die Klägerin legte sowohl gegen den Altlastenfeststellungsbescheid vom 18. März 1994 als auch gegen die Sanierungsanordnung vom 25. April 1994 mit Schreiben vom 2. Mai 1994 Widerspruch ein und suchte gleichzeitig bei dem Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich der Sanierungsanordnung vom 25. April 1994 nach. Daraufhin stellte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. Juli 1994 (7 G 2405/94) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin gegen die Sanierungsanordnung vom 25. April 1994 mit der Begründung wieder her, dass die Sanierungsanordnung erst vollzogen werden dürfe, wenn der Altlastenfeststellungsbescheid als "Grundlagenbescheid" vollziehbar sei.

Mit der Ersatzvornahme war zwischenzeitlich begonnen worden.

Unter dem Datum des 1. September 1994 wurde ein weiterer Bescheid gegenüber der Klägerin erlassen. Darin wurde nachträglich die sofortige Vollziehung der Altlastenfeststellung vom 18. März 1994 angeordnet. Ferner wurde der Klägerin - unter teilweiser Anordnung der sofortigen Vollziehung - aufgegeben, den auf dem Grundstück gelagerten kontaminierten Boden zu verwerten bzw. zu entsorgen, vertiefende hydrogeologische Erkundungsmaßnahmen durchzuführen und ein Grundwasserüberwachungsprogramm aufzustellen. Wiederum wurde der Klägerin die Vollstreckung im Wege der Ersatzvornahme angedroht und die Kosten der Ersatzvornahme wurden vorläufig auf 170.000,- DM veranschlagt.

Die Klägerin legte auch gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und beantragte am 16. September 1994 die Gewährung einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes.

Die Sanierung des Grundstücks im Wege der Ersatzvornahme war - spätestens - im Jahre 1995 abgeschlossen.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in Bezug auf die Sanierungsanordnung vom 1. September 1994 mit Beschluss vom 24. April 1996 (7 G 4136/94) ab. Im Beschwerdeverfahren vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (6 TG 1902/96) erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 8. März 2001 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin gegen den Altlastenfeststellungsbescheid vom 18. März 1994 sowie gegen die Sanierungsanordnungen vom 25. April 1994 und vom 1. September 1994 zurück; die Klägerin hat dagegen Anfechtungsklagen erhoben.

Einige Tage später - am 12. März 2001 (fälschlich als "12. März 2000" bezeichnet) - erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Kostenbescheid, worin er die Klägerin zur Erstattung der Kosten (Gebühren und Auslagen) für die Durchführung der Vollstreckung der Sanierungsanordnungen vom 25. April und 1. September 1994 im Wege der Ersatzvornahme in Höhe von insgesamt 307.950,60 DM aufforderte. In der Begründung hat der Beklagte die Kostenanforderung im Wesentlichen auf § 74 Abs. 1, § 69 Abs. 1 des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes - HessVwVG - und § 5, § 11 Abs. 1 Nr. 10, § 13 Abs. 1 Satz 1 der Vollstreckungskostenordnung - VKostO - zum Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz (in der damals geltenden Fassung) gestützt.

Die Klägerin legte gegen diesen Kostenbescheid am 19. März 2001 Widerspruch ein, den das Regierungspräsidium Kassel mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2001 zurückwies.

Am 17. Mai 2001 hat die Klägerin Anfechtungsklage gegen den - im vorliegenden Verfahren allein noch streitgegenständlichen - Kostenbescheid erhoben. Sie hat die Klage mit Schriftsatz vom 10. Februar 2003 begründet und dabei die Höhe der Kosten bestritten und den Einwand der Verjährung erhoben.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 12. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2001 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich auf den angefochtenen Kostenbescheid nebst Widerspruchsbescheid bezogen.

Die gegen den Altlastenfeststellungsbescheid erhobene Anfechtungsklage nahm die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 13. Februar 2003 zurück.

In dem Verwaltungsstreitverfahren betreffend die Sanierungsanordnung vom 25. April 1994 (7 E 644/01) hat das Verwaltungsgericht Beweis erhoben über die Ursache der festgestellten Bodenkontamination, die Erforderlichkeit der Auskofferung und Entsorgung von 600 cbm Boden und darüber, ob kostengünstigere Maßnahmen den gleichen Sanierungserfolg gezeigt hätten, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Die Anfechtungsklagen gegen die Sanierungsanordnungen vom 25. April 1994 (7 E 644/01) und vom 1. September 1994 (7 E 641/01) hat das Verwaltungsgericht mit Urteilen vom 20. Januar 2005 abgewiesen; die Urteile sind zwischenzeitlich rechtskräftig (Beschlüsse des Senats v. 28.09.2005 - 6 UZ 607/05 und 6 UZ 608/05 -).

Mit Urteil vom selben Tag - also dem 20. Januar 2005 - hat das Verwaltungsgericht den Kostenbescheid vom 12. März 2001 und den Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2001 aufgehoben. Dabei ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Anspruch auf Kostenerstattung gem. § 80 Abs. 3 des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes - HessVwVG -, § 19 des Hessischen Verwaltungskostengesetzes - HVwKostG - und § 14 der Vollstreckungskostenordnung zum Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz - VKostO - verjährt ist.

Auf Antrag des Beklagten hat der Senat die Berufung gegen das vorbezeichnete Urteil mit Beschluss vom 28. September 2005 wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Am 20. Oktober 2005 hat der Beklagte die Berufung u.a. damit begründet, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, es handele sich hier um Kosten der Vollstreckung im Sinne des § 80 HessVwVG und insbesondere um Auslagen gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 11 VKostO. Demgegenüber handele es sich hier nicht um Kosten der Vollstreckung, sondern für die Kostenerhebung sei eine eigene Rechtsgrundlage außerhalb der Vollstreckung - § 24 Abs. 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) - vorhanden und erst die Beitreibung führe zur Anwendung des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes. Gleiches gelte in den Fällen, in denen ein Störer nach § 8 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - HSOG - oder § 49 HSOG in Anspruch genommen werde.

Herleitbar sei dieses Ergebnis auch unmittelbar aus § 80 Abs. 1 HessVwVG, wonach für Amtshandlungen nach diesem Gesetz Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben würden. Bei den Kosten der Ersatzvornahme handele es sich nicht um "Kosten für eine Amtshandlung", sondern um solche Kosten, die bei der faktischen Umsetzung der angeordneten Ersatzvornahme anfielen, wobei der Staat in Vorlage getreten sei, wenn er die Kosten nicht gemäß § 74 Abs. 3 HessVwVG vorab angefordert habe. Bereits daraus werde ersichtlich, dass die Kosten der Ersatzvornahme nach § 74 HessVwVG bzw. nach § 49 HSOG oder die Erstattungsansprüche aus § 24 Abs. 1 BBodSchG oder auch aus anderen spezialgesetzlichen Regelungen nicht in die klassische Kostensystematik und Aufteilung in Gebühren und Auslagen für eine Amtshandlung passten. Diese Auffassung decke sich mit der Feststellung des OVG Schleswig (NVwZ-RR 2001, 586), dass die Kosten der Ersatzvornahme keine in einem Verwaltungsverfahren für die öffentlich-rechtliche Tätigkeit einer Behörde entstehenden Gebühren oder Auslagen darstellten, sondern im Rahmen des Vollzuges eines Verwaltungsakts anfielen. Gestützt werde dieser Befund durch die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Lehre, wonach es sich bei diesen Kosten nicht um öffentliche Abgaben oder Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, sondern um eine öffentlich-rechtliche Entgeltleistung besonderer Art handele. Diese Unterscheidung beanspruche generelle Geltung, die nicht auf die Anwendbarkeit des § 80 Abs. 2 VwGO beschränkt sei. Es handele sich somit bei den hier in Rede stehenden Erstattungsansprüchen weder um Auslagen nach § 19 HVwKostG noch um solche nach § 11 Abs. 1 Nr. 11 VKostO.

Für die Verjährung dieser Kosten sei vielmehr § 195 BGB analog heranzuziehen, nach dessen hier zugrunde zu legender (alter) Fassung die Verjährung 30 Jahre betrage. Sofern man dem nicht folge und § 19 HVwKostG zu Grunde lege, sei zu beachten, dass dann aber auch die Fälligkeitsregelung in § 13 HVwKostG Anwendung finden müsse und nicht etwa diejenige der Vollstreckungskostenordnung, denn - wie oben dargestellt - richte sich nur die Beitreibung der Kosten nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens. Dann wäre die Forderung erst mit Kostenbescheid vom 12. März 2001 fällig gestellt worden und die Verjährung durch Rechtsmitteleinlegung, die der Aussetzung der Vollziehung gleichzusetzen sei, unterbrochen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 20. Januar 2005 - 7 E 1152/01 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist darauf hin, dass die Behörde selbst den Bescheid als "Kostenbescheid Gebühren und Auslagen für die Durchführung der Vollstreckung des Sanierungsbescheids" definiert, die Vorschrift des § 74 Abs. 1 HessVwVG angewandt und die entsprechenden Kosten als Auslagen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 10 der Vollstreckungskostenordnung - VKostO - zum Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz bezeichnet habe. Der Beklagte versuche nunmehr in Abkehr von dem eigenen Bescheid einen neuen Bescheid über § 24 Abs. 1 BBodSchG zu begründen; er verlasse damit den Rahmen des ergangenen Bescheids. Für einen neuen Bescheid sei jedoch im vorliegenden Verfahren kein Raum. Ein etwaiger Neubescheid hätte aufgrund der Änderung des Verjährungsrechts nach § 195 BGB keinerlei Chance, die Verjährung zu unterbrechen. Selbst unter Anwendung des § 195 BGB wäre aufgrund der Neufassung der Bestimmung und des Verjährungseintritts zum 31. Dezember 2004 für alle Altforderungen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtshängig gemacht worden oder gehemmt worden seien, Verjährung eingetreten.

Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2006 hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, dass eine direkte oder analoge Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf die Kostenerstattungsansprüche bei der Ersatzvornahme nicht geboten sei; es sei kein Grund ersichtlich, weshalb solche Ansprüche überhaupt verjähren sollten. Hilfsweise sei bei einer analogen Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht auf die nunmehr verkürzte Verjährungsfrist des § 195 BGB (3 Jahre), sondern auf § 197 Abs. 1 Nr. 6 oder § 197 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 BGB (30 Jahre) abzustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens (6 UE 2498/05, vormals 7 E 1152/01), die Gerichtsakten 6 UZ 607/05 (vormals 7 E 644/01) - 2 Bände -, 6 UZ 608/05 (vormals 7 E 641/01) - 1 Band -, 7 E 645/01 - 1 Band -, 7 G 2405/94 - 1 Band -, 7 G 2963/94 - 1 Band - und 7 G 4136/94 - 1 Band - sowie 5 Hefter Verwaltungsvorgänge.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; in der Sache hat sie allerdings keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den mit der Klage angefochtenen Kostenbescheid des Regierungspräsidiums Kassel - Abteilung Staatliches Umweltamt Bad Hersfeld - vom 12. März 2001 und den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 10. Mai 2001 zu Recht aufgehoben. Die vorbezeichneten Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Anspruch des Beklagten auf Erstattung von Ersatzvornahmekosten ist durch Ablauf der Verjährungsfrist erloschen.

Das Verwaltungsgericht ist mit zutreffenden Erwägungen davon ausgegangen, dass sich die Verjährung des mit Kostenbescheid vom 12. März 2001 geltend gemachten Erstattungsanspruchs nach den Vorschriften des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes - HessVwVG -, des Hessischen Verwaltungskostengesetzes - HVwKostG - und der Vollstreckungskostenordnung zum Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz - VKostO - richtet.

Dabei ist von der Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 10. Mai 2001 auszugehen, so dass das Hessische Verwaltungsvollstreckungsgesetz vom 4. Juli 1966 (GVBl. I S. 151) in der Fassung des Vierten Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1995 (GVBl. I S. 555), das Hessische Verwaltungskostengesetz vom 3. Januar 1995 (GVBl. I S. 2) und die Vollstreckungskostenordnung zum Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz vom 9. Dezember 1966 (GVBl. I S. 327) in der Fassung der Vierten Änderungsverordnung vom 16. März 1994 (GVBl. I S. 170) zur Anwendung kommen.

Die maßgebliche dreijährige Verjährungsfrist hat spätestens mit Ablauf des Jahres 1995 begonnen und ist Ende 1998 - also noch vor Erlass des Kostenbescheids - abgelaufen (§ 80 Abs. 1 bis 3 HessVwVG a.F., § 19 Abs. 1 HVwKostG a.F. und § 14 VKostO a.F.).

Die Vorschrift des § 80 Abs. 1 HessVwVG a.F. bestimmt, dass für Amtshandlungen nach diesem Gesetz Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben werden. Absatz 2 ermächtigt den für das Vollstreckungsrecht zuständigen Minister, im Benehmen mit dem Ministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung (Vollstreckungskostenordnung) u.a. die kostenpflichtigen Amtshandlungen und die Höhe der Kosten zu bestimmen. Absatz 3 sieht vor, dass für die Kostenerhebung die §§ 10 bis 15 und §§ 17 bis 20 des Hessischen Verwaltungskostengesetzes gelten, soweit in der Vollstreckungskostenordnung nichts Abweichendes geregelt ist. Die Regelungen entsprechen im Wesentlichen der heute geltenden Vorschrift des § 80 Abs. 1 bis 3 HessVwVG in der Fassung vom 27. Juli 2005 (GVBl. I S. 574).

Bei der Durchführung der Vollstreckung der Sanierungsanordnungen in den Bescheiden vom 25. April 1994 und 1. September 1994 im Wege der Ersatzvornahme handelt es sich um "Amtshandlungen nach diesem Gesetz" im Sinne des § 80 Abs. 1 HessVwVG a.F.

Der Geltungsbereich des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes wird in § 1 Abs. 1 derart umschrieben, dass Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung, eine sonstige Handlung oder eine Duldung oder Unterlassung gefordert wird, nach den Vorschriften dieses Gesetzes vollstreckt werden. Die in den Absätzen 2 und 3 geregelten Ausnahmen für den Anwendungsbereich des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung bzw. für anderweitige Regelungen im Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz selbst oder in anderen Vorschriften des Landesrechts greifen nicht ein.

Die Unanwendbarkeit des § 80 Abs. 1 HessVwVG a.F. ergibt sich auch nicht aus der bundesrechtlichen Regelung in § 24 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz - BBodSchG -) vom 17. März 1998 (BGBl. I S. 502). Unabhängig davon, ob die Vorschriften des Bundes-Bodenschutzgesetzes - dessen wesentliche Regelungen erst am 1. März 1999 in Kraft getreten sind - auf die streitbefangene Altlast, deren Sanierung spätestens im Jahre 1995 abgeschlossen war, überhaupt Anwendung finden, schließt § 24 Abs. 1 BBodSchG die Anwendbarkeit des § 80 Abs. 1 HessVwVG a.F. jedenfalls nicht aus. Die Vorschrift des § 24 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG besagt lediglich, dass die Kosten der nach § 9 Abs. 2, § 10 Abs. 1, §§ 12, 13, 14 Satz 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2 und § 16 Abs. 1 BBodSchG angeordneten Maßnahmen grundsätzlich von den zur Durchführung Verpflichteten zu tragen sind. Die - eigentlich selbstverständliche - Aussage in Absatz 1 Satz 1 gewinnt erst dadurch an Bedeutung, dass Satz 2 den Verpflichteten einen Kostenerstattungsanspruch beispielsweise für den Fall zubilligt, dass die Untersuchungen den ursprünglichen Verdacht nicht bestätigen. Eine Regelung darüber, auf welchem Weg die nach Absatz 1 Satz 1 bestehende Kostenverantwortlichkeit des durch die Sanierungsanordnung Verpflichteten diesem gegenüber durchgesetzt werden soll, enthält § 24 Abs. 1 BBodSchG jedenfalls nicht (Sanden/Schoeneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, Kurzkommentar, 1998, § 24 BBodSchG Rdnr. 2). Für den Fall, dass die Behörde Maßnahmen zur Abwehr einer drohenden Gefahr als unmittelbare Ausführung, als Sofortvollzug oder als vollstreckungsrechtliche Ersatzvornahme durchführt, ist ein Kostenerstattungsanspruch entsprechend den jeweiligen landesrechtlichen Regelungen durchzusetzen (so auch: Hipp/Rech/Turian, Das Bundes-Bodenschutzgesetz mit Bodenschutz- und Altlastenverordnung, Leitfaden, 1. Aufl., 2000, A 5 Rdnr. 548; im Ergebnis ebenso: Steenbuck, Die Sanierungs- und Kostenverantwortlichkeit nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz, Dissertation, 2004, S. 211 m.w.N.).

Bei den Ersatzvornahmekosten handelt es sich auch um "Kosten (Gebühren und Auslagen)" im Sinne des § 80 Abs. 1 i.V.m. §§ 74 ff. HessVwVG a.F.

Für die Auslegung des Begriffes der "Kosten (Gebühren und Auslagen)" in diesem Sinne ist auf die Regelungen der Vollstreckungskostenordnung zurückzugreifen, da § 80 Abs. 2 HessVwVG a.F. eine Ermächtigung zu Gunsten des für das Verwaltungsvollstreckungsrecht zuständigen Ministers enthält, im Benehmen mit dem Ministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung die kostenpflichtigen Amtshandlungen und die Höhe der Kosten zu bestimmen und Regelungen über die Kostenhaftung und -erstattung zu treffen. Von dieser Ermächtigung hat der Hessische Minister des Innern im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen durch Erlass der Vollstreckungskostenordnung zum Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz vom 9. Dezember 1966 (GVBl. I S. 327) Gebrauch gemacht.

Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 10 VKostO a.F. bestimmt, dass als Auslagen sonstige Beträge erhoben werden, die aufgrund von Vollstreckungsmaßnahmen an Dritte zu zahlen sind. Die Regelung ist mit der heute geltenden Vorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 11 VKostO in der Fassung der Fünften Änderungsverordnung vom 2. November 2001 (GVBl. I S. 467) identisch. Inhaltlich entspricht diese Regelung derjenigen auf Bundesebene, wo § 19 des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes (VwVG) vom 27. April 1953 (BGBl. I S. 157), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 1 Zweite Zwangsvollstreckungsnovelle vom 17. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3039), bestimmt, dass für Amtshandlungen nach diesem Gesetz "Kosten (Gebühren und Auslagen) gem. § 337 Abs. 1, §§ 338 bis 346 der Abgabenordnung" erhoben werden. § 344 Abs. 1 Nr. 8 der Abgabenordnung (AO 1977) sieht vor, dass als Auslagen solche Beträge erhoben werden, "die aufgrund von Vollstreckungsmaßnahmen an Dritte zu zahlen sind, insbesondere Beträge, die bei der Ersatzvornahme oder beim unmittelbaren Zwang an Beauftragte und an Hilfspersonen gezahlt werden...".

Eine davon abweichende Auslegung des Begriffs der "Kosten (Gebühren und Auslagen)" im Sinne des § 80 Abs. 1 HVwVfG a.F. gebieten - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch nicht die Argumentation des OVG Schleswig im Beschluss vom 27. Dezember 2000 - 2 M 13/00 - (NVwZ-RR 2001, 586) sowie die dort zitierte herrschende Meinung in Rechtsprechung und Lehre zur Auslegung des Begriffs der "öffentlichen Kosten" im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Argumentation des OVG Schleswig in dem vorbezeichneten Beschluss sowie der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Lehre zur Auslegung des Begriffs "öffentliche Kosten" im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO lässt sich nicht auf den Begriff der "Kosten (Gebühren und Auslagen)" im Sinne des § 80 Abs. 1 HessVwVG a.F. übertragen. Dass Kosten der Ersatzvornahme nicht als "öffentliche Kosten" im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO anzusehen seien, beruhe darauf - so die ausdrückliche Begründung des OVG Schleswig -, dass die Ersatzvornahmekosten im Rahmen des Vollzugs von Verwaltungsakten anfielen und damit nicht der Deckung eines allgemeinen Finanzbedarfs der öffentlichen Hand dienten. Daraus lässt sich zwar die Schlussfolgerung ziehen, dass die Ersatzvornahmekosten wegen des Ausnahmecharakters des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und dessen gebotener einschränkender Auslegung nicht zu den dort genannten "öffentlichen Kosten" zählen. Eine Schlussfolgerung des Inhalts, dass es sich bei Ersatzvornahmekosten generell nicht um "öffentliche Kosten" bzw. nicht um "Kosten für eine Amtshandlung" handele, verbietet sich jedoch.

Die Verjährung des Anspruchs auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten richtet sich - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - nach § 80 Abs. 3 HessVwVG a.F. i.V.m. § 19 HVwKostG a.F. und § 14 VKostO a.F.

Nach § 80 Abs. 3 HessVwVG gelten für die Kostenerhebung die §§ 10 bis 15 und §§ 17 bis 20 HVwKostG, soweit in der Vollstreckungskostenordnung nichts Abweichendes geregelt ist. § 19 HVwKostG regelt die Verjährung des Anspruchs auf Zahlung von Kosten; die Vorschrift ist auch anwendbar, da die Verwaltungskostenordnung die Verjährung nicht regelt. Die Vorschrift des § 19 HVwKostG regelt die Verjährung dergestalt, dass der Anspruch auf Zahlung von Kosten nach drei Jahren verjährt und dass die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem der Anspruch fällig geworden ist. Die Fälligkeit ist gesondert in § 13 HVwKostG geregelt; die Vorschrift ist aber - nach der nur schwer verständlichen Systematik des § 80 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 HessVwVG - nicht anwendbar, da die Verwaltungskostenordnung eine (abweichende) Fälligkeitsregelung enthält. Während Kosten gem. § 13 HVwKostG mit der Bekanntgabe der Kostenentscheidung an den Kostenschuldner fällig werden, regelt § 14 VwKostO, dass die Kosten mit der Entstehung fällig werden.

Die Verjährung des Anspruchs auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten ist demzufolge drei Jahre nach Ablauf desjenigen Kalenderjahres eingetreten, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Vergleich auf Bundesebene zeigt, dass dort die entsprechende Verjährung sogar bereits ein Jahr nach Ablauf des Kalenderjahres eintritt , in dem der Anspruch entstanden ist (vgl. § 19 VwVG i. V. m. § 346 Abs. 2 AO). Die im Zusammenhang mit § 19 VwVG diskutierte Frage, ob der Anspruch mit Erteilung oder erst mit Begleichung der Schlussrechnung entsteht (vgl. dazu: Sadler, Verwaltungsvollstreckungsgesetz/Verwaltungszustellungsgesetz, Kommentar, 5. Aufl., 2002, § 19 Rdnr. 18), kann offen bleiben, da die Verjährungsfrist jedenfalls mit Ablauf des Jahres 1995 begonnen hat.

Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass eine Unterbrechung der Verjährung nach § 19 Abs. 3 HessVwVG a.F. nicht ersichtlich ist und die Voraussetzungen des § 19 Abs. 6 HessVwVG a.F. ebenfalls nicht vorliegen. Der Erstattungsanspruch ist damit erloschen (§ 19 Abs. 1 Satz 3 HessVwKostG a.F.).

Die Kosten des Berufungsverfahrens - einschließlich der Kosten des Zulassungsantragsverfahrens - hat der Beklagte zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 und § 711 Satz 1 ZPO i.V.m. § 167 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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