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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 09.05.2007
Aktenzeichen: 6 UE 42/06
Rechtsgebiete: BImSchG, HVwVfG


Vorschriften:

BImSchG § 12 Abs. 1
BImSchG § 17 Abs. 4a
HVwVfG § 40
Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 und § 17 Abs. 4a BImSchG ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach eine Ermessensfrage. Die Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 BImSchG verfolgt das Ziel, die Annahme und Anhäufung von Abfällen ohne Verwertungsabsicht oder mit unzureichendem Verwertungskonzept durch unseriöse Betreiber auf Kosten der öffentlichen Hand zu verhindern.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 UE 42/06

Verkündet am: 9. Mai 2007

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Abfallrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 6. Senat - durch

Richter am Hess. VGH Igstadt als Vorsitzenden, Richterin am Hess. VGH Fischer, Richter am Hess. VGH Schneider, ehrenamtliche Richterin Kerber, ehrenamtliche Richterin Göbel

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Berufung zurückgenommen hat.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 30. September 2005 abgeändert. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt - Abteilung Staatliches Umweltamt Darmstadt - vom 5. August 2002 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 17. Juli 2003 werden aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Nichtigkeit bzw. Rechtswidrigkeit eines Bescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 5. August 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 17. Juli 2003, mit denen der Klägerin als Betreiberin einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Abfallentsorgungsanlage eine Sicherheitsleistung in Höhe von 14.600,00 € auferlegt wurde.

Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 20. Dezember 2001 war der XXXXXXXXXX GmbH & Co. KG die Genehmigung zum Betrieb einer Anlage zur Lagerung und Behandlung von besonders und nicht besonders überwachungsbedürftigen Abfällen zur Verwertung auf dem Grundstück XXXstraße ... in 64... Darmstadt nach §§ 4, 19 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - BImSchG - erteilt worden. Der Genehmigungsbescheid war mit einer Vielzahl von Nebenbestimmungen versehen, u.a. war der Betreiberin unter Nr. 1.8 im Abschnitt III des Genehmigungsbescheids aufgegeben worden, spätestens sechs Monate nach Bestandskraft dieses Bescheids eine unbefristete Sicherheit zu leisten. Die Höhe der Sicherheitsleistung blieb einem gesonderten Bescheid vorbehalten.

Im März 2002 wurde dem Regierungspräsidium Darmstadt angezeigt, dass die Klägerin neue Betreiberin der vorbezeichneten Anlage sei. Daraufhin hörte das Regierungspräsidium Darmstadt die Klägerin zur Höhe der noch ausstehenden Sicherheitsleistung an und erließ sodann unter dem Datum des 5. August 2002 eine Anordnung des Inhalts, dass die Betreiberin unbefristete Sicherheit in Höhe von 14.000,00 € zu leisten habe.

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid - ihr zugestellt am 9. August 2002 - mit Telefax vom 9. September 2002 Widerspruch ein. Zur Begründung stützte sie sich im Schreiben vom 20. Oktober 2002 darauf, dass die mit der Anordnung vom 5. August 2002 geänderte Nebenbestimmung Nr. 1.8 des Genehmigungsbescheids vom 20. Dezember 2001 nichtig sei, da sie tatsächlich Unmögliches verlange. Die Nebenbestimmung laute nämlich nunmehr dahingehend, dass sie innerhalb von sechs Monaten nach Bestandskraft des Genehmigungsbescheids vom 20. Dezember 2001 die Sicherheitsleistung in Höhe von 14.000,00 € zu erbringen habe. Da diese Frist im Zeitpunkt der Anordnung vom 5. August 2002 bereits abgelaufen gewesen sei, sei es ihr unmöglich, die auferlegte Verpflichtung zu erfüllen. Unabhängig davon sei die Anordnung der Sicherheitsleistung dem Grunde nach in der Genehmigung vom 20. Dezember 2001 rechtswidrig gewesen, weil eine Sicherheitsleistung ermessensfehlerfrei nur dann angeordnet werden könne, wenn die anordnende Behörde konkrete Vorstellungen zur Höhe der Sicherheitsleistung habe. Die Auferlegung der Sicherheitsleistung dem Grunde nach sei auch ermessensfehlerhaft. Die Sicherheitsleistung solle bei unseriösen Betreibern bzw. im Falle der Nichtvorhersehbarkeit einer Verwertungsabsicht oder eines hinreichenden Verwertungskonzepts für die gelagerten Abfälle dazu dienen, die Kosten der Ersatzvornahme im Insolvenzfall zu decken. Bei ihr - der Klägerin - handele es sich weder um eine unseriöse Betreiberin noch beständen Zweifel an der Verwertungsabsicht oder dem Verwertungskonzept. Sie sei seit den 70er Jahren in der Abfallentsorgung tätig und übernehme als Entsorgungsfachbetrieb die Abfallentsorgung als Beauftragte nach § 16 KrW-/AbfG für zahlreiche Kommunen im Rhein-Main-Gebiet und darüber hinausgehend. Die Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb sei erst vor wenigen Wochen erneuert worden; die Verwertungsabsicht und das Verwertungskonzept seien dabei überprüft worden und würden ständig überwacht. Voraussetzung für eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Auferlegung einer Sicherheitsleistung sei in jedem Fall, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit des Betreibers beurteilt werde und eine Insolvenzgefahr gegeben sei. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung auf Verdacht - wie im vorliegenden Fall erfolgt - sei unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Unabhängig davon verfüge sie - die Klägerin - über eine gesicherte Liquidität, sei gegen Betriebsrisiken ausreichend versichert und geriete auch bei Stilllegung des Abfalllagers in Darmstadt auf Grund der Verpflichtungen aus § 5 Abs. 3 BImSchG nicht in Zahlungsschwierigkeiten. Schließlich lasse sich die Höhe der Abfallentsorgungskosten, die durch die Sicherheitsleistung abgedeckt werden sollten, nicht nachvollziehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2003 wies das Regierungspräsidium Darmstadt den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 5. August 2002 zurück und setzte die zu erbringende Sicherheitsleistung auf 14.600,00 € fest. Dabei stützte es sich bzgl. der Höhe auf die mit Erlass vom 26. September 2002 landesweit neu eingeführten Vorgaben des Hessischen Umweltministeriums "Arbeitshilfe Nr. 3 - Sicherheitsleistung"; wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung des Widerspruchsbescheids verwiesen (Bl. 180 - 188 des Verwaltungsvorgangs). Der Widerspruchsbescheid wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 23. Juli 2003 zugestellt.

Am 25. August 2003 - einem Montag - hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung auf den im Verwaltungsverfahren gewechselten Schriftverkehr Bezug genommen. Vertiefend und ergänzend hat sie vorgetragen, die Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid - S. 4 - machten deutlich, dass er hinsichtlich der Frage, ob eine Sicherheitsleistung anzuordnen sei, von einer gebundenen Entscheidung ausgehe, so dass eine Ermessensausübung unterblieben sei. Maßgebliches Leistungskriterium für das "ob" der Anordnung einer Sicherheitsleistung sei die finanzielle Leistungsfähigkeit, also die Insolvenzgefahr des Betreibers; allein das Ziel eines verminderten Überwachungsaufwandes rechtfertige die Anordnung hingegen nicht. Der Beklagte könne sich zur Begründung einer unterbliebenen Ermessensausübung auch nicht auf irgendwelche Verwaltungsvorschriften beziehen; dies führe zur Widersprüchlichkeit zwischen Verwaltungshandeln und gesetzlicher Zweckbestimmung. Die Vorgaben der "Arbeitshilfe Nr. 3 - Sicherheitsleistung" machten deutlich, dass die Behörde bei Befolgung derselbigen ein eigenes Ermessen nicht mehr ausübe. Darüber hinaus verstießen die Vorgaben des Vollzugshandbuchs der Abfallwirtschaft gegen die Vorschriften des § 12 Abs. 1, des § 17 Abs. 4a und des § 5 Abs. 3 BImSchG. Soweit die Arbeitshilfe die für die Ermessensentscheidung relevanten Belange vorgebe, seien diese von der Behörde nicht berücksichtigt worden. Auch soweit die Arbeitshilfe vorgebe, dass weitere Gesichtspunkte in die Abwägung einbezogen werden könnten, sofern sie sich aus der konkreten Anlagensituation oder aus der Situation des Betreibers ergäben, habe die Behörde dies ebenfalls unterlassen. Die Anordnung der Sicherheitsleistung verletze auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da sie im Hinblick auf die Klägerin als zertifizierter Fachentsorgungsbetrieb weder geeignet noch erforderlich sei. Sie stehe auch nicht in Einklang mit der Intention des Gesetzgebers, die Annahme von Abfällen ohne betriebswirtschaftlich abgesichertes Verwertungskonzept zu unterbinden. Ermessenfehlerhaft sei auch die Wertung des Beklagten, der von einer immer vorliegenden Insolvenzgefahr ausgehe, soweit es sich nicht um eine Anlage einer Körperschaft des öffentlichen Rechts unmittelbar oder eines Eigenbetriebs handele. Rein vorsorglich hat die Klägerin ausgeführt, dass nach ihrer eigenen Berechnung für den Fall der Stilllegung der Anlage Entsorgungskosten lediglich in Höhe von 1.892,00 € anfielen; im Zweifel möge ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass der Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 9. August 2002 (richtig: 5. August 2002) nichtig ist, und den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 17. Juli 2003 aufzuheben,

hilfsweise

den Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 5. August 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 17. Juli 2003 aufzuheben.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält den streitgegenständlichen Bescheid vom 5. August 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. Juli 2003 weder für nichtig noch für rechtswidrig. Die Anordnung vom 5. August 2002 bestimme, dass die Sicherheitsleistung sechs Monate nach Bestandskraft dieser Änderungsanordnung erbracht worden sein müsse und verlange damit nichts tatsächlich Unmögliches. Die Anordnung sei auch nicht wegen Ermessensnichtgebrauchs nach § 114 Abs. 1 VwGO rechtswidrig; die Behörde habe das ihr nach § 12 Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG zustehende Ermessen sowohl in der Anordnung vom 5. August 2002 als auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens umfassend - und fehlerfrei - ausgeübt. Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung sei erforderlich, da gerade bei Abfallentsorgungsanlagen der von der Klägerin betriebenen Art nicht ausgeschlossen werden könne, dass es auch bei Einhaltung der Sicherheitsvorschriften zu schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren komme. Dabei sei es nicht erforderlich, dass zum Zeitpunkt des Erlasses einer entsprechenden Forderung Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit eines Betreibers beständen. Das vorsorgliche Verlangen einer Sicherheitsleistung sei ermessensfehlerfrei, denn auch bei einem wirtschaftlich gesunden Unternehmen könne kurzfristig eine Verschlechterung der finanziellen Situation eintreten. Umstände, die für ein Absehen von einer Sicherheitsleistung sprechen könnten, lägen nicht vor. Die Klägerin betreibe ihren Betrieb in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Diese Rechtsform werde regelmäßig gewählt, um die Haftung auf das Vermögen der als Komplementärin voll haftenden GmbH zu beschränken. Die Gefahr, im Falle einer Insolvenz wegen der Haftungsbeschränkung die Kosten für die Nachsorgeerfordernisse nicht realisieren zu können, sei besonders hoch. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass neben der GmbH auch Herr XXXXXX als weiterer Komplementär voll hafte, da auch dessen Liquidität nicht garantiert sei. Die streitgegenständliche Anordnung sei auch verhältnismäßig. Die Höhe der Sicherheitsleistung sei unter Zugrundelegung von Kostenansätzen ermittelt worden, die sich auf Grund jahrelanger Erfahrung ergeben hätten und deshalb auch vom Hessischen Umweltministerium in der "Arbeitshilfe Nr. 3 -Sicherheitsleistung" dokumentiert und den nachgeordneten Behörden zur Beachtung und Anwendung vorgegeben worden seien. Die Klägerin trage zwar andere Kostenansätze vor und behaupte, diese seien ortsüblich und angemessen, sie habe ihre Behauptungen aber nicht belegt.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit am 30. September 2005 verkündetem Urteil abgewiesen. Dabei ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sowohl die im Hauptantrag erhobene Nichtigkeitsfeststellungsklage als auch die im Hilfsantrag erhobene Anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet seien. Im Rahmen des gerichtlichen Überprüfungsmaßstabes des § 114 VwGO beständen an den sich aus dem Widerspruchsbescheid ergebenden Ermessenserwägungen in Bezug auf die Frage des "ob" sowie der Höhe der Sicherheitsleistung keine Bedenken. Das Urteil ist dem Bevollmächtigten der Klägerin am 19. Dezember 2005 zugestellt worden.

Am 2. Januar 2006 hat die Klägerin Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 20. März 2006 begründet. Dabei weist sie zunächst auf einen Betreiberwechsel zum 1. Januar 2006 hin. Neuer Betreiber sei die XXXXXXXXX YYYYYYYYYY GmbH mit Sitz in Darmstadt; das Stammkapital betrage 25.000,00 €; Gesellschafter seien die Klägerin und die Wissenschaftsstadt Darmstadt - Eigenbetrieb Abfallwirtschaft und Stadtreinigung der Stadt Darmstadt (EAD) - zu gleichen Teilen; Geschäftsführer seien Herr XXXXXX und Herr YYYYYYYY. Die Klägerin stützt sich zur Begründung der Berufung darauf, dass die Festsetzung der Sicherheitsleistung in Höhe von 14.600,00 € durch Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 5. August 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 17. Juli 2003 - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - gem. § 44 Abs. 2 Nr. 4 HVwVfG nichtig, zumindest aber rechtswidrig sei. Dabei bezieht sie sich auf ihren Vortrag im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren und vertieft insbesondere ihre Ausführungen zur fehlenden bzw. fehlerhaften Ermessensausübung durch die Behörde.

Die Klägerin hat die Berufung hinsichtlich des in erster Instanz gestellten Hauptantrags im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen.

Sie beantragt nunmehr,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 30. September 2005 abzuändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 5. August 2002 und den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 17. Juli 2003 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält daran fest, dass die angegriffenen Bescheide weder nichtig noch rechtswidrig seien und weist darauf hin, dass zwischenzeitlich auch das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main im Urteil vom 31. Mai 2006 (2 E 2225/04) die durch Verwaltungsvorschriften gelenkte rechtmäßige Ermessensausübung bei der Festsetzung der Sicherheitsleistung bestätigt habe. Wegen der ergänzenden Erklärungen des Vertreters des Beklagten zur Ermessensausübung wird auf die Verhandlungsniederschrift vom 9. Mai 2007 (Bl. 337ff. der Gerichtsakten) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 Bände) und des Verwaltungsvorgangs (1 Hefter), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Das Verfahren ist einzustellen, soweit die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihre Berufung in Bezug auf den in erster Instanz gestellten Hauptantrag - Nichtigkeitsfeststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 Alternative 3 VwGO - zurückgenommen hat (§ 126 Abs. 3, § 125 Abs. 1 und § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

Im Übrigen ist die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 30. September 2005 zulässig (§ 124a Abs. 1 bis 3 VwGO) und begründet.

Die Beteiligten gehen zu Recht übereinstimmend davon aus, dass sich der Betreiberwechsel zum 1. Januar 2006 auf die Befugnis der Klägerin, das Verfahren fortzuführen, nicht ausgewirkt hat (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Das Verwaltungsgericht hat die im erstinstanzlichen Verfahren hilfsweise erhobene Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt - Abteilung Staatliches Umweltamt Darmstadt - vom 5. August 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 17. Juli 2003 zu Unrecht als unbegründet abgewiesen. Die vorbezeichneten Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Als Rechtsgrundlage für die nachträgliche Auferlegung einer Sicherheitsleistung kommt zwar § 17 Abs. 4a i. V. m. § 5 Abs. 3 und § 12 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1990 (BGBl. I S. 880), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2785) in Betracht. Die Anordnung der Sicherheitsleistung im Bescheid vom 5. August 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. Juli 2003 ist jedoch ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Eine zur Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung führende Ergänzung der Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gem. § 114 Satz 2 VwGO ist ebenfalls nicht erfolgt.

Die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BImSchG in der durch das Gesetz zur Sicherstellung der Nachsorgepflichten bei Abfalllagern vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1550) geänderten Fassung ist mit der heutigen Fassung identisch. Danach kann die Genehmigung unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen (Satz 1); zur Sicherstellung der Anforderungen nach § 5 Abs. 3 BImSchG kann bei Abfallentsorgungsanlagen i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG auch eine Sicherheitsleistung auferlegt werden (Satz 2). Die Befugnis zur nachträglichen Anordnung einer Sicherheitsleistung ergibt sich aus § 17 Abs. 4a BImSchG.

Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung ist also - wofür bereits der Wortlaut der vorgenannten Vorschrift spricht - sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach eine Ermessensfrage (Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Kommentar, 6. Aufl., 2005, § 12 Rdnr. 15a; Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Kommentar, Band 1 - Teil I, B1 § 12 Bundes-ImmissionsschutzG, Rdnr. 55; im Ergebnis wohl ebenso: Gemeinschaftskommentar zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, Stand: Dezember 2006, § 12 Rdnr. 23b; so im Grundsatz auch: Grete/Küster, Die Sicherheitsleistung zur Sicherstellung der Nachsorgepflichten bei Abfallentsorgungsanlagen nach §§ 12 Abs. 1 und 17 Abs. 4a BImSchG, in: NuR 2002, 467 [469]). Dabei hat die Behörde gem. § 40 HVwVfG ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die Grenzen des Ermessens einzuhalten.

Die Entstehungsgeschichte der mit Gesetz vom 13. Juli 2001 eingefügten Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 BImSchG belegt eindeutig, dass die Regelung das Ziel verfolgt, die Annahme und Anhäufung von Abfällen ohne Verwertungsabsicht oder mit unzureichendem Verwertungskonzept durch unseriöse Betreiber auf Kosten der öffentlichen Hand zu verhindern. Die Behörden sollten - so der Wille des Gesetzgebers - von der Befugnis zur Auferlegung einer Sicherheitsleistung nur bei denjenigen genehmigungsbedürftigen Abfallentsorgungsanlagen Gebrauch machen, bei denen besonderer Anlass zu entsprechender Besorgnis besteht.

Die Gesetzesänderung geht auf eine Initiative des Bundesrates zurück, die ihrerseits vom Land Brandenburg angeregt worden war. In der Begründung des Bundesrates heißt es, dass mit dem Gesetz die umweltrechtlichen Rahmenbedingungen für das Vorgehen der Umweltbehörden gegen die Annahme und Anhäufung von Abfällen ohne Verwertungsabsicht oder mit unzureichendem Verwertungskonzept verbessert werden sollten. Durch zielgerichtete Ausnutzung von Gesetzeslücken von unseriösen Betreibern in der Abfallentsorgungsbranche komme es immer wieder dazu, dass große Mengen nichtentsorgter Abfälle den Boden und das Grundwasser gefährdeten und auf Kosten der öffentlichen Hand (d. h. der Länder und Kommunen) im Wege der Ersatzvornahme entsorgt werden müssten (BR-Drs. 408/00, S. 3 - A. Allgemeines -). Auch die Begründung zu den einzelnen Vorschriften lautet dahingehend, dass die Auferlegung einer Sicherheitsleistung im Ermessen der Behörde liege, die von dieser Möglichkeit insbesondere dann Gebrauch machen solle, wenn der Betreiber kein nachvollziehbares Verwertungskonzept vorlegen könne oder Zweifel an der Verwertungsabsicht der zu lagernden Abfälle beständen (BR-Drs. 408/00, S. 3 - B. I Zu Artikel 1 [Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes]).

Die Bundesregierung stimmte dem Gesetzentwurf des Bundesrates grundsätzlich zu, wies aber darauf hin, dass das berechtigte Anliegen des Bundesrates auf der Linie des Entwurfs der Bundesregierung für ein Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz weiterverfolgt werden sollte (BT-Drs. 14/4926, S. 8). Die Einbringung des Bundesratsentwurfes in das Gesetzgebungsverfahren lief also parallel zur Umsetzung neuer EG-Richtlinien. Der gerade erst eingefügte § 12 Abs. 1 Satz 2 BImSchG wurde wenige Tage später bereits wieder durch das Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27. Juli 2001 geändert.

Der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung für das Umsetzungsgesetz hatte die Anfügung eines neuen Absatzes 4 an § 12 BImSchG des Inhaltes vorgesehen, die zuständige Behörde könne verlangen, dass der Inhaber der Abfallentsorgungsanlage i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG für die Erfüllung der Pflichten nach § 5 Abs. 3 BImSchG Sicherheit leiste. Dieser Vorschlag war damit begründet worden, dass den Behörden die Befugnis gegeben werden solle, in den Fällen, in denen besonderer Anlass zu entsprechender Besorgnis bestehe, bei genehmigungsbedürftigen Abfallentsorgungsanlagen eine Sicherheitsleistung für die Erfüllung der Stilllegungspflichten nach § 5 Abs. 3 BImSchG zu verlangen (BT-Drs. 14/4599, S. 128 f.).

Da der Bundesrat inzwischen das genannte Gesetz zur Sicherstellung der Nachsorgepflicht bei Abfalllagern eingebracht hatte, empfahl der Ausschuss des Bundestages für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit das Ziel des Regierungsentwurfs durch Änderung des § 12 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu verwirklichen (BT-Drs. 14/5750, S. 41, 131). Dementsprechend wurde die Vorschrift geändert und erhielt ihre noch heute geltende Fassung.

Eine an diesem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung orientierte Ermessensentscheidung hat der Beklagte nicht getroffen.

Dabei kann die Frage, ob das Regierungspräsidium Darmstadt hinsichtlich des "ob" der Anordnung einer Sicherheitsleistung gegenüber der Klägerin überhaupt Ermessen ausgeübt hat, im Ergebnis offen bleiben.

Eine Ermessensausübung liegt nur dann vor, wenn die Behörde die erforderliche Abwägung öffentlicher Interessen und schutzwürdiger privater Belange vorgenommen und dabei die wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalles berücksichtigt hat. Eine diesbezügliche Überprüfung setzt voraus, dass die Behörde offenbart, von welchen Gesichtspunkten sie sich bei der Ausübung des Ermessens hat leiten lassen; diesem Zweck dient auch die Pflicht zur Begründung von Verwaltungsakten (vgl. dazu: BVerwG, 05.09.2006 - 1 C 20/05 -, AuAS 2007, 3).

Die streitgegenständliche Anordnung vom 5. August 2002 stellt zur Begründung für die Auferlegung einer Sicherheitsleistung - standardmäßig ebenso wie im ursprünglichen Genehmigungsbescheid - nur auf den Umgang mit besonders überwachungsbedürftigen Abfällen ab und hebt das öffentliche Interesse daran hervor, zu verhindern, dass die Allgemeinheit die Kostenlast zu tragen habe, falls die nach dem Verursacherprinzip vorrangig heranzuziehenden Betreiber der Abfallentsorgungsanlagen hinsichtlich ihrer Nachsorgepflichten - namentlich insolvenzbedingt - ausfielen. Dabei ist eine Abwägung mit privaten Belangen der Klägerin nicht erkennbar. Auch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2003 deuten darauf hin, dass die Behörde davon ausgegangen ist, es bedürfe einer derartigen Abwägung mit den privaten Belangen der Klägerin nicht. Dort heißt es nämlich - vgl. S. 4 vorletzter Absatz -, unter dem Gesichtspunkt der zu beachtenden öffentlichen Interessen sei die Ausübung des Ermessens in jedem Falle stark eingeschränkt und bestehe nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift (nur) hinsichtlich der Art der anzuordnenden Nebenbestimmung (Bedingung, [einfache] Auflage oder modifizierende Auflage). Dementsprechend hat die Behörde die "Arbeitshilfe Anlagenzulassung Nr. 3 Sicherheitsleistung" aus dem Vollzugshandbuch der Abfallwirtschaft im Widerspruchsbescheid auch nur zur Begründung der Höhe der Sicherheitsleistung herangezogen. Diese Ausführunngen lassen erkennen, dass die Behörde jedenfalls bei privatrechtlich organisierten Betreibern von Abfallentsorgungsanlagen, die mit besonders überwachungsbedürftigen Abfällen umgehen, eine Abwägung der öffentlichen Interessen mit privaten Belangen nicht für erforderlich hält.

Jedenfalls genügen die vom Regierungspräsidium Darmstadt angestellten Erwägungen in den angegriffenen Bescheiden sowie - ergänzend - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht, um von einer fehlerfreien Ermessensausübung hinsichtlich des "ob" der Auferlegung einer Sicherheitsleistung ausgehen zu können. Soweit bei diesen Erwägungen überhaupt auf konkrete, den Betrieb der Klägerin betreffende Gesichtspunkte abgestellt wird (der Vertreter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung auf die Lage und Größe der Anlage und auf die Art der verwerteten Abfälle verwiesen), genügt dies zu einer der gesetzlichen Ermächtigung entsprechenden Begründung der Ermessensentscheidung nicht.

Nach der dargestellten Zielrichtung des Gesetzes bedarf es zur Anordnung einer Sicherheitsleistung stichhaltiger Anhaltspunkte für das Fehlen eines Verwertungskonzepts oder begründeter Zweifel an der Seriosität des Betreibers, die in Bezug auf die Klägerin zu keinem Zeitpunkt dargelegt worden sind. Die Behörde darf sich nicht darauf zurückziehen, dass auch bei liquiden und seriösen Betreibern ein Insolvenzrisiko verbleibe, dem durch die Behörde ohne vorsorgliche Sicherheitsleistung nicht oder nicht rechtzeitig begegnet werden könne. Diese der Zweckrichtung des Gesetzes zuwiderlaufende Sichtweise findet auch in den von der Behörde angeführten Stellen in Rechtsprechung und Literatur keine Grundlage.

Die Behörde stützt sich in diesem Zusammenhang zunächst auf die "einschlägige" Literatur und Rechtsprechung (vgl. etwa Kunig/Paetow/Versteyl, Komm. zum KrW-/AbfG, 3. Auflage 1998, § 32 Rdnr. 80; Hösel von Lersner, Recht der Abfallbeseitigung, Komm. zum KrW-/AbfG und Nebengesetzen, Kz. 0132 Rdnr. 60; Jarass, Komm. zum BImSchG, 3. Auflage 2002, § 12 Rdnr. 9a; VGH Kassel, Urt. v. 31.10.1990 - 5 UE 2641/85). Den Kommentar von Kunig/Paetow/Versteyl zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz gibt es nur in der ersten Auflage - anstatt der zitierten 3. Auflage - von 1998, die zitierte Fundstelle (Rdnr. 80) befasst sich mit Deponien und besagt, dass bei Deponien in privater Trägerschaft im Hinblick auf die Höhe potentieller Sicherungs- und Sanierungskosten die Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit des Inhabers nach Stilllegung der Anlage wohl regelmäßig einzukalkulieren sei. Daraus zieht der Kommentator (Paetow) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des VGH München in NVwZ 1990, 992 die Schlussfolgerung, dass das vorsorgliche Verlangen nach Sicherheitsleistung im Allgemeinen auch dann nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden könne, wenn (noch) keine konkreten Anhaltspunkte für Liquiditätsschwächen nach Stilllegung der Anlage beständen. Ähnliche Kommentierungen finden sich bei von Lersner/Wendenburg (Recht der Abfallbeseitigung, Band 1, Kz. 0132 Rdnr. 60) und bei Jarass/Ruchay/Weidemann (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Band II, § 32 Rdnr. 132 ff). Diese Kommentierungen sind aber auf den Sonderfall der Deponien mit ihrer besonderen Gefährlichkeit zugeschnitten und deshalb auf Abfallentsorgungsanlagen anderer Art nicht ohne weiteres übertragbar. Der gravierende Unterschied wird gerade auch in der von der Behörde zitierten Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Oktober 1990 (5 UE 2641/85) deutlich, in der maßgeblich auf die voraussichtliche Dauer der Rekultivierungs- und Sanierungsmaßnahmen einer stillgelegten Deponie von 30 Jahren und der damit verbundenen Gefahr des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Betreibers abgestellt wurde. Die aus dem Jahr 1988 stammende Kommentierung von Sellner (NJW-Schriftenreihe, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, 2. Auflage, Rdnr. 236) ist auf die aus dem Jahre 2001 stammende Gesetzesänderung in § 12 Abs. 1 Satz 2 BImSchG ebenfalls nicht ohne weiteres anwendbar. Der Aufsatz von Grete/Küster (Die Sicherheitsleistung zur Sicherstellung der Nachsorgepflichten bei Abfallentsorgungsanlagen nach §§ 12 Abs. 1 und 17a BImSchG in: NuR 2002, 467) befasst sich zwar mit der Neufassung des § 12 Abs. 1 Satz 2 BImSchG, übersieht aber, dass sich die von ihm zitierten Fundstellen zur Insolvenzgefahr bei privatrechtlich organisierten Betreibern sämtlich auf den Sonderfall der Deponiebetreiber beziehen.

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf Verwaltungsvorschriften oder sonstige ermessenslenkende Vorgaben berufen, die die Anordnung einer Sicherheitsleistung auch bei seriösen Betreibern immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Anlagen mit erkennbarem Verwertungskonzept mit Rücksicht auf eine auch bei ihnen mögliche Liquiditätskrise quasi auf Vorrat ermöglichten. Abgesehen davon, dass derartige ermessenslenkende Vorschriften oder Vorgaben mit dem vom Gesetzgeber mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Zweck unvereinbar und folglich für das Gericht unbeachtlich wären, vermag der Senat Verwaltungsvorschriften oder Vorgaben mit dem vom Beklagten angenommenen Inhalt nicht zu erkennen.

Solche Vorgaben lassen sich insbesondere nicht aus dem Vollzugshandbuch der Abfallwirtschaft "Arbeitshilfe Anlagenzulassung Nr. 3 Sicherheitsleistung" entnehmen. Auch nach diesem bestehen, und zwar sowohl in der hier maßgeblichen Fassung vom 5. September 2002 als auch in der inhaltlich veränderten heutigen Fassung vom 21. März 2005, in Bezug auf die Anordnung einer Sicherheitsleistung bei immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen einerseits und bei Deponien andererseits gravierende Unterschiede.

So heißt es in der Arbeitshilfe (Stand: 5. September 2002) unter Punkt A I (Allgemeine Anforderungen) bei immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen, dass in die Ausübung des Ermessens alle einschlägigen Gesichtspunkte, Belange und Interessen einzubeziehen und ordnungsgemäß und sachgerecht untereinander und gegeneinander abzuwägen seien. Bei der Entscheidung seien insbesondere die folgenden Belange von Bedeutung: Art der Anlage, Größe der Anlage, Gefährdungspotenzial, Vorhandensein von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen, Lagerung von wassergefährdenden Stoffen, Lage der Abfallentsorgungsanlage (Nähe zur Wohnbebauung und zu geschützten Gebieten), Gesellschaftsform der Betreiberin und Zuverlässigkeit der Betreiberin. Daneben könnten weitere Gesichtspunkte in die Abwägung einbezogen werden, soweit sie sich aus der konkreten Anlagensituation oder aus der Situation der Betreiberfirma ergäben. Demgegenüber heißt es in derselben Arbeitshilfe unter Punkt B I (Allgemeine Anforderungen) bei Deponien und Langzeitlagern, dass die Einforderung einer Sicherheitsleistung auf Grund der hohen, mit dem Deponiebetrieb und der Nachsorge verbundenen Kosten sowie der Ungewissheit der künftigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Deponiebetreibers grundsätzlich gegenüber jedem Antragsteller in Betracht kommt. Auf Grund des Sinns und Zwecks der Sicherheitsleistung, das insolvenzbedingte Risiko der Kostenverlagerung auf die öffentliche Hand zu verhindern, sei ein solches Risiko insbesondere bei Anlagen anzunehmen, welche in einer Rechtsform mit beschränkter Haftung betrieben würden. Das vorsorgliche Verlangen einer Sicherheitsleistung sei im Allgemeinen auch dann nicht als ermessensfehlerhaft anzusehen, wenn noch keine konkreten Anhaltspunkte für eine Liquiditätsschwäche des Betreibers beständen.

Nach alledem lassen sich ermessenslenkende Vorgaben in dem von der Behörde angenommenen Sinn allenfalls für die Auferlegung einer Sicherheitsleistung bei Betreibern von Deponien, nicht jedoch bei Betreibern immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Anlagen - wie der Abfallentsorgungsanlage der Klägerin - annehmen. Daraus folgt, dass die Ermessensausübung der Behörde jedenfalls defizitär und damit rechtswidrig ist; die Klägerin ist dadurch in ihren Rechten verletzt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Im Hinblick darauf, dass sich die Nichtigkeitsfeststellungsklage nicht streitwerterhöhend ausgewirkt hat, erscheint es angemessen, die Kosten des Verfahrens - abweichend von der Regel des § 155 Abs. 2 VwGO - dem Beklagten ganz aufzuerlegen. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig i. S. d. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 und § 711 Satz 1 ZPO i. V. m. § 167 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision i. S. d. § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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