Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 24.10.2005
Aktenzeichen: 7 UE 1365/05.A
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 61 Abs. 1
1. Wird eine generelle, an die Ethnie anknüpfende Schutzverweigerung des Staates im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG behauptet, bedarf es zur Beurteilung der Schutzbereitschaft, bei Anlegung eines generell-abstrakten Maßstabes konkreter und gesicherter Anhaltspunkte dafür, dass der Staat keine zureichenden Vorkehrungen zur Eindämmung privater Gewalt gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen getroffen hat, der Staat sich vielmehr in die Komplizenschaft mit dem oder den verfolgenden Akteuren begeben hat und diese gewähren lässt (in Anknüpfung an die Rechtsprechung des BVerwG zur Frage der Zurechenbarkeit von Übergriffen Dritter, B. v. 24.03.1995 - BVerwG 9 B 747.94 -, NVwZ 1996, 85; U. v. 05.07.1994 - BVerwG 9 C 1.94 -, NVwZ 1995, 391).

2. Erwiesen ist die Schutzunwilligkeit der in § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a) und b) AufenthG genannten Akteure gegenüber einem zurückkehrenden, sich auf eine an die Ethnie anknüpfende Verfolgung berufenden Gruppenangehörigen dann, wenn die anzustellende Verfolgungsprognose zu der sicheren Erkenntnis gelangt, dass die fehlende Schutzbereitschaft in quantitativer und qualitativer Hinsicht einem generellen Muster entspricht, um Angehörigen der Gruppe den Zugang zum nationalen Schutzsystem zu verweigern.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 UE 1365/05.A

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts - Widerruf -

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof -7. Senat - durch Richter am VG Frankfurt Wiegand (abgeordneten Richter) als Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung am 24. Oktober 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 12. April 2005 abgewiesen.

Die gesamten Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen hat der Kläger zu tragen; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro und moslemischer Volks- und Glaubenszugehöriger (Bosniake) aus dem Sandzak. Nachdem der Kläger bereits im Jahre 1989 wegen unerlaubter Einreise und illegaler Beschäftigung unter dem 30.11.1989 durch die Ausländerbehörde des Landreises F. mit bestandskräftigem Bescheid aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen worden war, reiste er am 22.03.1990 erneut in das Bundesgebiet ein. Die von ihm im Anschluss daran beantragte Aufenthaltserlaubnis hatte das Landratsamt G. abgelehnt. Vermutlich im Juli 1990 verließ der Kläger das Bundesgebiet. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 08.03.1999 beantragte der Kläger die Sperrwirkung der Ausweisung zu befristen, da die Deutsche Botschaft in Belgrad seinen Antrag auf ein Visum unter Hinweis auf die Ausweisung abgelehnt hatte.

Am 05.07.1999 sprach der Kläger zusammen mit einer deutschen Staatsangehörigen bei der Ausländerbehörde in C. vor und erklärte, dass er drei Tage zuvor auf dem Landwege ohne Reiseausweis nach Deutschland eingereist sei. Einen Asylantrag beabsichtige er nicht zu stellen, da er den Wunsch habe, seine Begleiterin zu heiraten. In der Folge erteilte ihm die Ausländerbehörde Duldungen. Nachdem er im Zusammenhang mit der beabsichtigten Eheschließung einen gültigen nationalen Reiseausweis vorgelegt hatte, forderte ihn die zuständige Ausländerbehörde zur Ausreise auf und händigte ihm eine Grenzübertrittsbescheinigung aus. Eine freiwillige Ausreise lehnte der Kläger unter Hinweis auf seine moslemische Volkszugehörigkeit ab. Er erklärte auch, weiterhin keinen Asylantrag stellen zu wollen. In der Folge verlängerte die Ausländerbehörde die erteilte Duldung. Nachdem die beabsichtigte Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen gescheitert und die Verlängerung der Duldung abgelehnt worden war, beantragte der Kläger am 16.02.2000 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 05.05.2000 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab, stellte jedoch fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Bundesrepublik Jugoslawien vorliegen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe glaubhaft dargelegt, dass er nach der Verhängung des Kriegszustandes durch die Regierung in Belgrad am 24.03.1999 aus der jugoslawischen Armee desertiert sei. Es sei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass ihm im Falle seiner Rückkehr dort als "Verräter an der jugoslawischen Sache" zum gegenwärtigen Zeitpunkt Verfolgungsmaßnahmen i.S.v. § 51 Abs. 1 AuslG drohten.

Mit Verfügung vom 13.10.2003 leitete die Beklagte gegenüber dem Kläger ein Widerrufsverfahren nach § 73 AsylVfG ein und hörte ihn mit Schreiben vom 18.11.2003 hierzu an (Bl. 10 f. d. BA). Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten führte er zum beabsichtigten Widerruf aus, dass er seine frühere Ehefrau wieder geheiratet habe und mit ihr und dem jüngsten Sohn zusammenlebe. Er habe sich eine bescheidene Existenz aufgebaut. Eine Rückkehr sei ihm auch nach den objektiven Veränderungen im Heimatstaat nicht möglich, da er wegen seiner Desertion aus der serbischen Armee unabhängig vom Vorliegen eines Amnestiegesetzes weiterhin Bedrohungen durch die serbische Bevölkerung ausgesetzt sei. Vor seiner zwangsweisen Rekrutierung sei er für die SDA politisch aktiv gewesen. Mit der Beschlagnahme des seinem Sohn gehörenden LKW sei ihm seine wirtschaftliche Existenzgrundlage zerstört worden. Er werde im Falle seiner Rückkehr einer existentiellen Notlage ausgesetzt sein, die kausal auf den gegen die im Sandzak lebenden Muslime gerichteten Verfolgungsmaßnahmen beruhe.

Mit Bescheid vom 10.02.2004 - zugestellt am 12.02.2004 - widerrief die Beklagte die mit Bescheid vom 05.05.2000 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Sie stellte auch fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht gegeben seien. Zur Begründung wurde im Wesentlichen dargelegt, dass der Kläger aufgrund der nachhaltigen Veränderungen in seinem Heimatland derzeit keine politische Verfolgung zu befürchten habe. Auf die weiteren Ausführungen wird verwiesen (Bl. 20 ff d. BA.).

Mit am 17.02.2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten ließ der Kläger Klage erheben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich nach dem Regierungswechsel in Belgrad im Jahre 2000 die Menschenrechtlage nicht wesentlich geändert habe. Insbesondere gegenüber der muslimischen Minderheit im Sandzak könne eine Diskriminierung durch staatliche Stellen nicht ausgeschlossen werden. So berichte amnesty international (ai) aus dem gesamten Staatsgebiet von Serbien und Montenegro über Folter und Misshandlungen durch die Polizei. Die Strafverfolgungsbehörden gingen entsprechenden Vorwürfen kaum nach. Staatliche Stellen seien trotz gesetzlicher Regelungen nicht Willens, ethnische Minderheiten vor Übergriffen durch Dritte zu schützen. Es seien 34 Fälle kontinuierlicher Misshandlungen und Folterungen dokumentiert. Trotz entsprechender Anzeigen seien strafrechtliche Konsequenzen nicht gezogen worden. Die Übergriffe fänden nicht notwendigerweise aufgrund der Rasse, Religion oder politischen Überzeugung statt, sie richteten sich jedoch vorwiegend gegen Angehörige der Minderheiten wie Roma, insbesondere Kosovo-Roma. Zwar lägen keine konkreten Berichte von Übergriffen gegen Muslime oder Mitglieder der SDA vor, doch bestehe nach Ansicht von amnesty international die Möglichkeit solcher Übergriffe. Auch im Anschluss an die Ermordung des serbischen Ministerpräsidenten Djindjic sei es zu mehr als 10.000 Festnahmen mit anschließenden Misshandlungen und Folterungen gekommen. Nach dem am 05.03.2001 in Kraft getretene Amnestiegesetz für Deserteure für die Zeit von April 1992 bis Oktober 2000 verstärkten sich aufgrund begründeter Anhaltspunkte die Zweifel, ob es in dem neu geordneten Staat Serbien und Montenegro auch tatsächlich umgesetzt und angewandt werde. Auch nach dem Regierungswechsel sei entgegen dem angefochtenen Bescheid nicht davon auszugehen, dass die bisherigen Veränderungen nach Beendigung des Kosovo-Krieges von der zu verlangenden Dauerhaftigkeit getragen seien. So werde die Zusammenarbeit mit dem Kriegverbrechertribunal in Den Haag in Frage gestellt. Im Zuge der letzten Wahlen seien die Ultranationalisten erstarkt und mit einer Rückkehr zu einer gegen die Minderheiten gerichteten Politik sei zu rechnen. So seien bereits die ersten drohenden Flugblätter gegen die muslimische Minderheit im Sandzak aufgetaucht. Der Kläger sei zudem als langjähriger Aktivist der SDA auch im Falle seiner Rückkehr gefährdet. Bei einer möglichen Bestrafung wegen seiner Desertion müsse von einem sogenannten Polit-Malus ausgegangen werden, so dass seine Bestrafung als politische Verfolgung anzusehen sei. Darüber hinaus sei es dem Kläger nach § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG unzumutbar, in sein Heimatland zurückzukehren. Ihn erwarte dort eine existentielle Notlage, die verfolgungsbedingt sei.

Mit einem weiteren Schriftsatz vom 21.03.2005 begründete der Kläger seine Klage auch im Hinblick auf den am 01.01.2005 in Kraft getretenen erweiterten Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG. Er müsse aufgrund seiner langjährigen politischen Aktivitäten für die SDA und wegen seiner Desertion aus der Armee während des Kosovo-Krieges befürchten, durch die in seiner Heimatregion agierenden serbischen Nationalisten als Landesverräter angesehen und verfolgt zu werden. Bereits im August 2003 und nochmals im September 2004 hätten sich fremde Personen in Tutin bei seinem Schwager eindringlich nach dem Aufenthaltsort des Klägers erkundigt. Trotz Aufforderung hätten sie ihre Identität nicht preisgegeben, sich auch nicht als Polizeibeamte ausgewiesen aber deutlich gemacht, den Kläger zu finden, wo immer er sich verberge. Auch im Oktober 2004 sei ein anderer Mann, der sich im Hause des Klägers aufgehalten habe, von drei Personen nach dem Aufenthaltsort des Klägers befragt worden. Dabei hätten sie gegenüber dem Vorgenannten eine drohende Haltung eingenommen. Diese Vorfälle bestärkten den Kläger in seiner Überzeugung, nach seiner Rückkehr Opfer von Übergriffen Dritter, möglicherweise von serbischen Nationalisten zu werden. Den Schutz durch die örtliche Polizei könne er nicht erlangen; Strafanzeigen gegen die Täter würden durch die Polizei nicht weiterverfolgt bzw. niedergeschlagen. Die Situation in den Städten des Sandzak sei weiterhin angespannt und instabil. Auch die nach Oktober 2000 erfolgten gesetzlichen Maßnahmen zum Schutz ethnischer Minderheiten hätten vor Ort, insbesondere bei den serbisch dominierten Sicherheitskräften, keine grundsätzliche Verhaltensänderung gegenüber den Bosniaken bewirkt. Es komme weiterhin zu Misshandlungen und Folterungen im Polizeigewahrsam. Auch nach Art. 1 C (5) 1 Abkommen über die Rechtstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK -) könne dem Kläger eine Rückkehr nur zugemutet werden, wenn die Wiederherstellung des Rechtsschutzes sowie Garantien gegen ein erneutes Auftreten der Diskriminierung dauerhaft gesichert seien. Bei der Beurteilung der Stabilität der Veränderungen der Umstände im Heimatstaat sei auch die Gefahr der nichtstaatlichen Verfolgung mit einzubeziehen. Auch aufgrund der bei der Verfolgung erlittenen Traumata sei dem Kläger eine Rückkehr nicht zumutbar. Er leide aufgrund der erzwungenen Teilnahme an Kampfhandlungen an einer beidseitigen erheblichen Reduzierung der Hörfähigkeit und an Angstzuständen, die in der Folge seit 2002 zu einer chronischen Erkrankung an Colitis ulcerosa totalis geführt hätten. Es drohe die Berufsunfähigkeit. Ausbruch und Intensivierung der Erkrankung stünden in ursächlichem Zusammenhang mit der erlittenen Verfolgung.

Der Kläger beantragte,

den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 10.02.2004 aufzuheben,

hilfsweise,

unter Aufhebung der Ziffer 3 des Bescheides die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragte unter Bezugnahme auf den angegriffenen Bescheid,

die Klage abzuweisen.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten äußerte sich nicht.

Mit Urteil vom 12.04.2005 hob das Verwaltungsgericht Darmstadt den Bescheid vom 10.02.2004 auf. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es stehe außer Frage, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Widerrufs nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vorlägen, da nach gefestigter Rechtsprechung mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass Muslime aus dem Sandzak gegenwärtig bzw. in absehbarer Zeit in ihrer Heimatregion asylrechtlich relevanter Verfolgung ausgesetzt seien. Allerdings gebiete § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, wonach in Streitigkeiten nach diesem Gesetz das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen habe, auch in Verfahren der vorliegenden Art die Anwendung des mit Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern - Zuwanderungsgesetz - vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950) am 01. Januar 2005 in Kraft getretenen § 73 Abs. 2a AsylVfG. Danach habe die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf vorlägen, spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen. Sei im Anschluss an die Prüfung ein Widerruf nicht erfolgt, so stehe eine spätere Entscheidung im Ermessen der Beklagten. Mangels Übergangsvorschrift sei die mit § 73 Abs. 2a AsylVfG verfolgte gesetzgeberische Intention für Fälle der vorliegenden Art, in denen die Widerrufsentscheidung vor In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes, aber auch später als drei Jahre nach Unanfechtbarkeit der Schutzgewährung ergangen sei, dahingehend auszulegen, dass dem betreffenden Ausländer hinsichtlich des Widerrufs ein Anspruch auf eine Ermessensentscheidung zustehe. Denn unter dem Aspekt der Aufenthaltsverfestigung entspreche seine Situation derjenigen, die nach der gesetzgeberischen Intention eine Abwägung der widerstreitenden Interessen bereits im Widerrufsverfahren erfordere. An einer solchen Ermessensausübung fehle es jedoch, da die Beklagte - aus ihrer damaligen Sicht zutreffend - von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen sei und nach In-Kraft-Treten der Vorschrift Ermessenserwägungen nicht nachgeholt habe. Es liege damit ein Fall des Ermessensnichtgebrauchs vor, so dass der Widerrufsbescheid rechtswidrig sei.

Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat die Berufung gegen dieses Urteil mit Beschluss vom 18.05.2005 - 7 UZ 1253/05.A - zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte unter Hinweis auf ihre Darlegungen im Berufungszulassungsantrag aus, die Regelung des § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG erfasse ausschließlich Verfahren, bei denen die Anerkennung als Asylberechtigter bzw. die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, seit dem 01.01.2005 unanfechtbar würden oder geworden seien. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Norm, die auf Absatz 1 Bezug nehme, in dem ausdrücklich auf die Feststelllungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG abgestellt werde. Mit der Bezugnahme auf die am 01.01.2005 in Kraft getretenen Regelung des § 60 Abs. 1 AufenthG werde diese gesetzgeberische Intention deutlich. Ferner ergebe sich aus dem Gesetzeskontext und der Gesetzessystematik, dass die in § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG getroffene Fristsetzung völlig anderen Zwecken diene, als vom Verwaltungsgericht angenommen. Die dort genannte Dreijahresfrist stehe erkennbar im Zusammenhang mit den neugeschaffenen §§ 25 Abs. 1 und 2, 26 Abs. 1 und 3 AufenthG, wonach zunächst eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen sei und eine Niederlassungserlaubnis erst nach Ablauf der in § 73 Abs. 2a AsylVfG geregelten Frist und nach Mitteilung der Beklagten, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf bzw. eine Rücknahme der Statusentscheidung nicht vorlägen, erteilt werden dürfe. Die Vorschrift diene auch nicht der Verbesserung der Rechtsposition eines Asylberechtigten, sondern sei im öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Beseitigung einer nicht mehr zustehenden Rechtsposition erlassen worden. So habe der Gesetzgeber unter anderem für Einbürgerungsverfahren rasch Klarheit über den asylrechtlichen Status des Ausländers erreichen wollen. Eine Schutzwirkung in Form einer Ausschlussfrist zugunsten des Asylberechtigten sei nicht beabsichtigt gewesen. Die Dreijahresfrist könne auch nicht nachträglich als Zulässigkeitsvoraussetzung für bereits laufende Widerrufsverfahren angesehen werden, da dies eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Rückwirkung bedeuten würde. Sollte dies vom Gesetzgeber intendiert gewesen sein, so wäre angesichts der weitreichenden Konsequenzen eine auf diese Fallkonstellation bezogene Übergangsvorschrift geschaffen worden. Gerade das Fehlen einer solchen Übergangsvorschrift zeige, dass die Norm auf die vor ihrem In-Kraft-Treten liegenden Sachverhalte nicht anwendbar sei. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei auch in ihrer Konsequenz, eine Ermessensvorschrift auf abgeschlossene "Altfälle" zu übertragen, in denen bei Erlass der Behördenentscheidung ein solches Ermessen nicht bestanden habe, systemwidrig.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 12.04.2005 - Az.: 1 E 297/04.A(1) - in vollem Umfange abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist - unter Wiederholung der Ausführungen der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils - der Ansicht, dass eine spätere Entscheidung als drei Jahre nach Unanfechtbarkeit der Anerkennungsentscheidung zu einer Rechtswidrigkeit des Widerrufs führe, da er in einem solchen Fall nach § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG nur im Wege einer Ermessensentscheidung erfolgen könne. Dem stehe auch weder entgegen, dass eine Prüfung nach drei Jahren durch das Bundesamt tatsächlich nicht erfolgt sei, noch dass sie nach alter Rechtslage zwingend geboten gewesen sei. Denn die fehlende Prüfung dürfe dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, da eine Übergangsregelung nicht ergangen sei. Im Übrigen wiederholt er seine Ausführungen zur Gefahr nichtstaatlicher Verfolgung nach § 60 Abs. 1 AufenthG und zur Erkrankung im Schriftsatz vom 21.03.2005.

Der Bundesbeauftragte hat zur Berufung nicht Stellung genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Behördenakten des Bundesamtes (2 Hefter) und der Ausländerbehörde Bezug genommen. Diese Unterlagen sind ebenso Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen wie die nachfolgend aufgeführten Erkenntnisquellen:

1.|Januar 1994|Jens Reuter (Südost-Institut München - Abt. Gegenwartsforschung, Referat <ehem.> Jugoslawien): Die politische Verfolgung in Kosovo 1992/93 2.|05.05.1994|amnesty international (ai): Menschenrechtssituation in der Bundesrepublik Jugoslawien - Kosovo 3.|13.12.1994|Gesellschaft für bedrohte Völker an VG München 4.|14.09.1995|AA an VG Oldenburg 5.|27.08.1996|AA an VG Oldenburg 6.|19.03.1997|AA an VG Sigmaringen 7.|14.04.1997|AA: Lagebericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien 8.|02.07.1997|AA an VG Berlin 9.|03.04.1998|Gesellschaft für bedrohte Völker an Hess. VGH 10.|25.08.1998|AA an VG Saarland 11.|August 1998|Gesellschaft für bedrohte Völker: Kosovo: Krieg, Vertreibung, Massaker 12.|24.09.1998|AA an VG Schleswig 13.|18.11.1998|AA: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien 14.|23.12.1998|AA an Hess. VGH 15.|28.12.1998|AA an Niedersächsisches OVG 16.|12.01.1999|AA an VG Trier 17.|04.02.1999|UNHCR an VG Sigmaringen 18.|12.05.1999|AA an VG Ansbach 19.|06.09.1999|Gesellschaft für bedrohte Völker an VGH Baden-Württemberg 20.|06.09.1999|UNHCR/OSZE "Zweite Einschätzung der Situation ethnischer Minderheiten im Kosovo" (beglaubigte Übersetzung aus dem Englischen) 21.|17.09.1999|Umfassende Berichterstattung der UN über den Kosovo (beglaubigte Übersetzung aus dem Englischen) 22.|24.09.1999|ai an VG Magdeburg 23.|06.10.1999|Bericht der UNMIK "Die UN im Kosovo" (13. Juli bis 6. Oktober 1999, Arbeitsübersetzung aus dem Englischen) 24.|15.10.1999|Lagebericht der UNO-Mission Übergangsverwaltung im Kosovo "Frieden für Kosovo" (beglaubigte Übersetzung aus dem Englischen) 25.|03.11.1999|UNHCR/OSZE "Überblick über die Situation ethnischer Minderheiten im Kosovo" 26.|20.11.1999|Schweizerische Flüchtlingshilfe: Kosovo Lageübersicht - Oktober 1999 - 27.|November 1999|Gesellschaft für bedrohte Völker: "Die Lage der Roma und Aschkali im Kosovo" 28.|08.12.1999|AA: Ad hoc-Bericht zur aktuellen Lageentwicklung im Kosovo 29.|08.12.1999|Schweizerische Flüchtlingshilfe an VGH Baden-Württemberg 30.|12.01.2000|UNHCR an VG Wiesbaden "Situation von Muslimen im Sandzak" 31.|17.01.2000|Schweizerische Flüchtlingshilfe an VG München: "Situation der AlbanerInnen in Südserbien" 32.|15.02.2000|AA an VG Sigmaringen 33.|22.02.2000|Nicolaus v. Holtey: Zwei Reisen zur Erkundung der Lage der Ashkali und Roma im Kosovo; Reisebericht September/Oktober 1999 34.|01.03.2000|UNHCR an VG Karlsruhe - A 11 K 12107/99 - 35.|01.03.2000|UNHCR an VG Karlsruhe - A 11 K 12672/99 - 36.|06.03.2000|Gesellschaft für bedrohte Völker an VG Kassel 37.|16.03.2000|Der Beauftragte der Hessischen Landesregierung für die Rückkehr bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge und Rückkehr in das Kosovo - Geschäftsstelle - an Hess. VGH: Situationsberichte Kosovo 38.|22.03.2000|Schweizerische Flüchtlingshilfe an VG Karlsruhe 39.|30.03.2000|Schweizerische Flüchtlingshilfe an VG Schleswig: Medizinische Situation in Kosova: Versorgungsmöglichkeit und mögliche Unterbringung in anderen Landesteilen - 15 A 34/97 - 40.|30.03.2000|Schweizerische Flüchtlingshilfe an VG Schleswig: Situation der türkischen Minderheit - 15 A 73/98 - 41.|März 2000|Schweizerische Flüchtlingshilfe: Kosova-Lageanalyse - März 2000 42.|10.04.2000|Gesellschaft für bedrohte Völker an VG Köln 43.|18.04.2000|UNHCR an VG Aachen 44.|18.05.2000|AA: Ad hoc-Bericht zur aktuellen Lageentwicklung im Kosovo 45.|31.05.2000|Gesellschaft für bedrohte Völker an VG Aachen 46.|31.05.2000|UNHCR an Niedersächsisches OVG 47.|31.08.2000|Schweizerische Flüchtlingshilfe an VG Schleswig 48.|05.09.2000|Schweizerische Flüchtlingshilfe - Zur sozialen und humanitären Situation im Kosovo im Sommer 2000 49.|12.09.2000|AA an VG Sigmaringen 50.|September 2000|Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - Die medizinische Versorgung im Kosovo 51.|04.10.2000|UNHCR an VG Kassel 52.|21.11.2000|AA: Ad hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo) 53.|21.12.2000|Gesellschaft für bedrohte Völker an VG München 54.|28.12.2000|AA an VG Frankfurt am Main 55.|26.01.2001|AA an VG Stuttgart 56.|20.04.2001|UNHCR an VG Berlin mit "UNHCR-Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo" vom März 2001 57.|08.05.2001|AA: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien 58.|08.05.2001|AA an VG Sigmaringen 59.|08.05.2001|AA an VG Aachen 60.|17.05.2001|AA an VG Regensburg 61.|28.05.2001|AA an VG Lüneburg 62.|30.05.2001|ai an VG Aachen 63.|17.07.2001|AA an VG Karlsruhe 64.|04.09.2001|AA an VG Frankfurt am Main 65.|17.09.2001|Schweizerische Flüchtlingshilfe: Minderheiten aus Kosova und Südserbien 66.|18.10.2001|AA an VG Freiburg 67.|26.10.2001|UNHCR an VG Kassel 68.|13.11.2001|AA an VG Frankfurt am Main 69.|15.11.2001|Informationsstelle der Deutschen Caritas und Diakonie in Pristina: Der Kosovo zwei Jahre nach Kriegsende 70.|20.12.2001|ai an VG Karlsruhe 71.|25.01.2002|Informationsstelle der Deutschen Caritas und Diakonie in Pristina: Monatsbericht Januar 2002 72.|06.02.2002|AA: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) 73.|06.02.2002|Deutsches Verbindungsbüro Kosovo Pristina an VG Frankfurt am Main 74.|11.02.2002|Deutsches Verbindungsbüro Kosovo Pristina an VG Freiburg 75.|21.02.2002|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Osnabrück 76.|21.02.2002|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Oldenburg 77.|11.03.2002|Deutsches Verbindungsbüro Kosovo Pristina an VG Schwerin 78.|16.04.2002|Schweizerische Flüchtlingshilfe: Kosova - Situation der Minderheiten 79.|08.05.2002|UNHCR an VG Kassel mit "UNHCR-Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo" vom April 2002 80.|04.06.2002|AA: Ad hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo) 81.|02.07.2002|UNHCR an VG Hamburg mit "Überblick über den Aufbau eines Sozial(hilfe)systems im Kosovo" 82.|02.07.2002|AA an VG Oldenburg 83.|30.07.2002|AA an VG Leipzig 84.|28.08.2002|AA an VG Frankfurt am Main 85.|02.10.2002|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Frankfurt/Oder 86.|16.10.2002|AA: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) 87.|16.10.2002|AA an VG Frankfurt am Main 88.|15.11.2002|Informationsbüro der Deutschen Caritas und Diakonie in Pristina: Monatsbericht Oktober und November 2002 89.|27.11.2002|AA: Ad hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo) 90.|Januar 2003|UNHCR: Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo 91.|20.02.2003|AA an VG Schleswig 92.|10.03.2003|UNHCR an VG Würzburg 93.|21.03.2003|AA an VG Leipzig 94.|11.04.2003|AA an VG Köln 95.|08.05.2003|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Düsseldorf 96.|21.05.2003|AA an VG Sigmaringen 97.|13.06.2003|AA an VG Regensburg 98|03.07.2003|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Leipzig 99.|28.07.2003|AA: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (ohne Kosovo) 100.|12.08.2003|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Aachen 101.|04.09.2003|UNHCR an VG Koblenz 102.|01.10.2003|AA an VG Frankfurt am Main 103. |01.10.2003|ai: Länderkurzbericht: Serbien und Montenegro 104.|20.11.2003|AA an VG Kassel 105.|24.11.2003|AA an VG Sigmaringen 106.|17.12.2003|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Stuttgart 107.|17.12.2003| Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Stuttgart 108.|13.01.2004|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Düsseldorf 109.|14.01.2004|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Aachen 110.|10.02.2004|AA: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (Kosovo) 111.|10.02.2004|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Sigmaringen 112.|13.02.2004|AA an VG Braunschweig 113.|19.02.2004|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Kassel 114.|20.02.2004|AA an Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages 115.|23.02.2004|Deutsches Verbindungsbüro Kosovo Pristina an VG Sigmaringen 116.|24.02.2004|AA: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (ohne Kosovo) 117.|01.03.2004|Schweizerische Flüchtlingshilfe: Serbien-Montenegro, Update zur sozialen und medizinischen Lage der intern Vertriebenen 118.|16.03.2004|Medizinzentrum Novi Pazar an Frauenvereinigung "Anna" Novi Pazar 119.|30.03.2004|UNHCR Position zur Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo im Lichte der jüngsten ethnisch-motivierten Auseinandersetzungen 120.|06.04.2004|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Kassel 121.|16.04.2004|Deutsches Verbindungsbüro Kosovo Pristina an VG Osnabrück 122.|01.05.2004|ai: Ein schlechtes Los - Roma im ehemaligen Jugoslawien werden von allen Seiten bedrängt. 123.|03.05.2004|AA an VG Schwerin 124.|24.05.2004|AA an VG Bremen 125.|24.05.2004|Schweizerische Flüchtlingshilfe: Kosovo, Update zur Situation der ethnischen Minderheiten nach den Ereignissen vom März 2004 126.|24.05.2004|Schweizerische Flüchtlingshilfe: Die medizinische Versorgungslage in Kosovo 127.|04.06.2004|Deutsches Verbindungsbüro Kosovo Pristina an VG Stuttgart 128|14.06.2004|Dr. Susanne Schlüter - Müller: Stellungnahme zum Themenpapier des Bundesamtes zur Behandelbarkeit psychischer Erkrankungen in Kosovo 129.|30.06.2004|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Aachen 130.|06.07.2004|Gesellschaft für bedrohte Völker (Tscherkessen) 131.|09.08.2004|Schweizerische Flüchtlingshilfe an VG Sigmaringen 132. |13.08.2004|UNHCR - Position zur fortdauernden internationalen Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo 133.|23.08.2004|Schweizerische Flüchtlingshilfe an VG Regensburg 134.|30.08.2004|AA an VG Oldenburg 135.|01.09.2004|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Kassel 136.|01.09.2004|UNHCR: Situation binnenvertriebener Minderheiten im Kosovo 137.|22.09.2004|AA an VG Münster 138.|21.10.2004|AA an VG Sigmaringen 139.|21.10.2004|GfbV an RA Görg 140.|01.11.2004|AA an VG Aachen 141.|04.11.2004|AA: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (Kosovo) 142.|24.11.2004|Schweizerische Flüchtlingshilfe: Bedeutung der Traditionen im heutigen Kosovo 143.|29.11.2004|Stephan Müller: "Gutachten zur Situation der Gorani im Kosovo" 144.|15.12.2004|AA: Serbien und Montenegro - Sicherheitshinweise 145.|16.12.2004|UNHCR an VG Sigmaringen (Südserbien, Roma) 146.|22.12.2004|ai an VG Sigmaringen (Ausschreitungen März 2004) 147.|Dezember 2004|Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin e.V.: Vorläufiger Bericht einer Evaluationsreise nach Kosovo und Sandzak 148.|Januar 2005|ai, Jahresbericht 2005 zu "Serbien und Montenegro" unter www.amnesty.de/Jahresbericht 149.|12.01.2005|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Sigmaringen (medizinische Versorgung, Medikamente) 150.|20.01.2005|Stephan Müller: "Gutachten zur Situation im Kosovo" 151.|31.01.2005|UNHCR: Verfügbarkeit angemessener medizinischer Behandlung von PTBS in Kosovo 152.|08.02.2005|AA an VG Bremen 153.|09.02.2005|Stephan Müller: "Zusatzgutachten zum allgemeinen Gutachten zur Situation der Gorani im Kosovo" 154.|11.02.2005|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Aachen 155.|21.02.2005|Stephan Müller: "Gutachten zur Situation in Serbien und Montenegro unter besonderer Berücksichtigung der Situation ethnischer Bosniaken" 156.|16.03.2005|Deutsches Verbindungsbüro Kosovo Pristina an Landkreis Wernigerode 157.|22.03.2005|AA an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Az.: 508-516.80/ 42649 158.|22.03.2005|AA an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Az.: 508-516.80/ 43615 159.|22.03.2005|AA an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Az.: 507 9687-138 160.|29.03.2005|AA: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (ohne Kosovo) 161.|März 2005 |UNHCR: Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo 162.|13.04.2005|Deutsches Verbindungsbüro Kosovo Pristina an VG Kassel 163.|19.04.2005|Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Düsseldorf 164.|04.05.2005|Bericht des Ländervertreters über die Tagung der Arbeitsgruppe EURASIL der Europäischen Union, Sitzung v. 27. und 28. April 2005 165.|20.05.2005|Dr. S. Schlüter-Müller, Stellungnahme zum Beschluss des OVG NRW v. 16. und 30.12.2004 166.|06.06.2005|AA an VG Düsseldorf, unverheiratete Frauen, Schwangerschaft 167.|25.07.2005|Schweizerische Flüchtlingshilfe: Kosovo - Zur Situation der Roma - Gemeinschaften

Entscheidungsgründe:

Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle des Senats und ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO).

Die zugelassene und auch sonst zulässige Berufung ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Bescheid des Bundesamtes vom 10.02.2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger auch nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG liegen vor (A.). Dem Widerruf steht auch der mit dem Zuwanderungsgesetz in § 73 AsylVfG am 01.01.2005 neu eingefügte Abs. 2a nicht entgegen (B.). Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG lassen sich nicht feststellen (C.)

A.

Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Feststellung eines Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 1 AufenthG unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für ihn nicht mehr vorliegen.

Das Gesetz geht seinem Wortlaut nach davon aus, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (bis 31.12.2004: § 51 Abs. 1 AuslG) früher einmal vorgelegen haben, jetzt aber nicht mehr vorliegen dürfen. Da allein auf den Vergleich zweier Zeitpunkte abgestellt werden muss, kann es nicht darauf ankommen, ob die früher ausgesprochene Statusanerkennung zutreffend war oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob sich die asylrechtlich relevante Lage - seien es Umstände im Heimatland oder in der Person des Ausländers - derart geändert hat, dass die fragliche Statusentscheidung heute nicht mehr erfolgen könnte. Als relevanter Zeitpunkt für die Beurteilung und den anzustellenden Vergleich kommt es gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch die Beklagte oder - wenn die Statusentscheidung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung ergangen ist - auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. - falls ohne mündliche Verhandlung entschieden wird - des Fällens der letzten Tatsachenentscheidung an (vgl. BVerwG, U. v. 08.05.2003 - 1 C 15.02 -, BVerwGE 118, 174; U. v. 19.09.2000 - BVerwG 9 C 12.00 -, BVerwGE 112,80; OVG Rheinland-Pfalz, a. a. O.; VGH Baden-Württemberg Urt. v. 23.11.1999 - 6 A 1974/98 -, ESVGH 50, 125 ff.; OVG-Sachsen-Anhalt, a. a. O.; a. A.: Bayerischer VGH, B. v. 01.12.1998, - 24 B 98.31324 -, BayVBl. 1999, 566).

Beim Vergleich der Sach- und Rechtslage vor und nach diesem Zeitpunkt bezieht sich der Prüfungsrahmen einschränkend nur auf die Umstände, die bei der Schutzgewährung als maßgeblich für die stattgebende Entscheidung angesehen wurden. Gesichtspunkte, die für die Entscheidung keine Bedeutung hatten, sind dabei nicht in den Blick zu nehmen, da Widerrufsgrund allein der nachträgliche Wegfall der verfolgungsbegründenden Umstände ist, also der Umstände, die der Statusgewährung zu Grunde gelegen haben. Bei der Prüfung der objektiven Verfolgungslage im Zeitpunkt des Widerrufsbescheids ist auf sämtliche Gesichtspunkte einer politischen Verfolgung abzustellen. Dies bedeutet, dass Ausnahmesituationen, die mit den seinerzeit angenommenen Verfolgungsgründen einhergehen, wie etwa das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative, auch dann in die Prüfung einzubeziehen sind, wenn sie in der Begründung des Ausgangsbescheides weder angesprochen noch überhaupt in den Blick genommen worden waren (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, a. a. O.).

Die für den Wegfall der Verfolgungsgefahr maßgeblichen Voraussetzungen können entweder in den allgemeinen politischen und rechtlichen Verhältnissen des Herkunftsstaates oder aber in der Person des Begünstigten ihren Grund haben. Gründe die in der Person des Klägers liegen könnten, sind vorliegend für den Widerruf nicht erkennbar. Es kommt allein auf die Beurteilung der allgemeinen politischen und rechtlichen Verhältnisse im Herkunftsstaat des Klägers an. Bei der Beurteilung einer solchen grundlegenden Veränderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat ist nach allgemeiner Ansicht in Literatur und Rechtsprechung grundsätzlich ein strenger Maßstab anzuwenden (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, a. a. O.; Marx, a. a. O., Rdnr. 28). Dabei ist vor allen Dingen auf solche Umstände abzustellen wie z.B. die Änderung des Regierungssystems, einen Regierungs- bzw. Machtwechsel oder die Einführung demokratischer Strukturen und die Wahrung der Menschenrechte, aber auch auf die Auswirkungen verlässlicher Amnestien (Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., 1999, § 73 AsylVfG, Rdnr. 7).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt sich, dass sich die Verfolgungssituation des Klägers nach dem maßgeblichen Zeitpunkt - hier im Zeitpunkt der Anerkennung mit Bescheid der Beklagten vom 05.05.2000 (vgl. insoweit BVerwG, U. v. 19.09.2000 - 9 C 12.00 -, BVerwGE 112, 80) - nach objektiven Gesichtspunkten geändert hat und daher eine nachträgliche Änderung der Sachlage festzustellen ist.

Die Beklagte ging in ihrem Anerkennungsbescheid vom 05.05.2000 davon aus, dass dem Kläger deshalb Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zu gewähren war, da er nach Verhängung des Kriegszustandes durch die Regierung in Belgrad am 24.03.1999 aus der jugoslawischen Armee desertiert sei. Es sei deshalb mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er als "Verräter an der jugoslawischen Sache" angesehen werde und ihm im Falle seiner Rückkehr Verfolgungsmaßnahmen i.S.v. § 51 Abs. 1 AuslG drohten.

Diese seinerzeit im Bescheid der Beklagten vom 05.05.2000 beurteilte Situation hat sich zwischenzeitlich grundlegend geändert. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 18.02.2005 - 7 UE 1430/05.A - festgestellt, dass eine Verfolgungsgefahr aufgrund der Zugehörigkeit zu der Bevölkerungsgruppe der Muslime im Sandzak und auch wegen einer Mitgliedschaft in der SDA derzeit nicht mehr besteht. Er hat hierzu ausgeführt:

"Slawische Muslime leben traditionell vor allem im Sandzak, einer Region, die zum Teil zu Serbien, zum Teil zu Montenegro gehört. Die "muslimische Nation" (serbisch-sprachige Muslime, die sich selbst als Bosniaken bezeichnen) war eines der konstitutiven Staatsvölker des alten Jugoslawien, hat heute aber nur noch den Rang einer Minderheit. Im serbischen Teil des Sandzak lebten 1991 ca. 170.000 Muslime, im montenegrinischen Teil ca. 90.000, hinzu kamen 70.000 Muslime im Kosovo und weitere 10.000 in Belgrad (vgl. dazu ai an VG Aachen vom 30.05.2001; AA, Lagebericht vom 18.11.1998, S. 4).

Die wichtigste politische Interessenvertretung der Muslime im Sandzak ist die 1989 gegründete SDA (Stranka Demokratske Akcije - Demokratische Aktionspartei) (AA, Lagebericht vom 18.11.1998, S.4).

Nach der Auskunft von amnesty international kam es vor allem in den Jahren 1991 bis 1996 zu Repressionen durch staatliche Stellen gegenüber SDA-Mitgliedern. Seit 1997 habe sich die Lage allerdings insoweit gebessert, als amnesty international keine Vorfälle bekannt geworden seien, die mit den Ereignissen in den Vorjahren gemessen an Häufigkeit und Intensität vergleichbar wären (ai an VG Oldenburg vom 19.11.2002).

UNHCR berichtet, zwar sei es in den Jahren 1992-1993 in einigen Dörfern im Sandzak zu Übergriffen und Vertreibungen der muslimischen Bevölkerung durch paramilitärische Gruppierungen gekommen. Während dieser Zeit sei die serbische Polizei gegen Mitglieder und Sympathisanten der SDA vorgegangen. Häuser seien nach Waffen durchsucht worden; Parteimitglieder der SDA in Führungspositionen seien verhört worden. Gegen verschiedene Personen, wie z.B. gegen den Vorsitzenden der SDA, seien Strafverfahren eingeleitet worden (UNHCR an VG Wiesbaden vom 12.01.2000). Aber bereits 1994, so der weitere Bericht, sei es zu einer relativen Verbesserung der Situation gekommen und seit Abschluss des Friedensvertrags von Dayton seien dem UNHCR keine Berichte mehr über systematische Maßnahmen gegen Parteimitglieder der SDA zur Kenntnis gelangt (UNHCR an VG Wiesbaden vom 12.01.2000).

Die SDA hat 1996 die lokalen Wahlen in Novi Pazar und Tutin, beides Städte, die im serbischen Teil des Sandzak liegen, gewonnen. Dr. Sulejman Ugljanin, der Vorsitzende der Sandzak-Sektion der SDA, ist nach Jugoslawien zurückgekehrt und wurde Mitglied des föderalen Parlamentes (UNHCR an VG Wiesbaden vom 12.01.2000). Die SDA ist seither die führende muslimische Partei im Sandzak.

Während der Kosovo-Krise 1999 haben allerdings viele Sandzak-Muslime ihre Heimat verlassen aus Angst davor, dass sich der Kosovo-Konflikt auf den Sandzak ausweiten könnte, für viele lag der Grund aber auch darin, sich dem Wehrdienst zu entziehen. Ein großer Teil ging nach Bosnien und Herzegowina. Seit Beendigung der NATO-Luftangriffe auf die Bundesrepublik Jugoslawien ist der Großteil der aus dem Sandzak geflüchteten Muslime wieder in den Sandzak zurückgekehrt. Die Lage der Muslime im Sandzak entwickelt sich seither tendenziell zum Besseren. Dies bezieht sich vor allem auf ihre politische Repräsentanz (AA an VG Wiesbaden vom 13.11.2001; UNHCR an VG Wiesbaden vom 12.01.2000). Nach den Beobachtungen und Informationen von UNHCR sind nach Beendigung des Kosovo-Konflikts keine größeren Reserveeinheiten der jugoslawischen Armee im Sandzak verblieben (UNHCR an VG Wiesbaden vom 12.01.2000), so dass nach alledem von einer Beruhigung und Entspannung der politischen Situation im Sandzak ausgegangen werden kann (so auch Niedersächsisches OVG, B. v. 23.05.2001 - 8 L 5439/96 -).

Seit dem Regierungswechsel in Belgrad im Jahr 2000 hat sich auch nach Einschätzung von amnesty international die Menschenrechtslage im früheren Jugoslawien im Allgemeinen und die Lage für die muslimische Minderheit im Sandzak im Speziellen weiter verbessert, auch wenn vereinzelte Diskriminierungen durch staatliche Stellen nicht ausgeschlossen werden können (ai an VG Oldenburg vom 19.11.2002).

Die politische Führung Jugoslawiens und Serbiens, die nach dem Sturz Slobodan Milosevics am 05.10.2000 zunächst auf Bundesebene und nach den serbischen Parlamentswahlen am 23.12.2000 auch auf Republiksebene die Macht übernommen hat, hat sich den Prinzipien von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft, Pluralismus und dem Respekt der Menschenrechte verschrieben. Die Lage der bisher besonders benachteiligten Minderheiten (Sandzak-Muslime, Kosovo-Albaner, Roma) hat sich deutlich verbessert. Organisierte Repressionen gegen die politische Opposition finden nicht mehr statt (AA, Lagebericht vom 16.10.2002, S. 7). Zwar vermutet amnesty international aufgrund einzelner Berichte, dass die Sandzak-Muslime vereinzelt dem Risiko, Opfer von Übergriffen zu werden, ausgesetzt sind. Bei den Übergriffen auf die Muslime im Sandzak handelt es sich jedoch in der Regel um Angriffe sogenannter Skinheads (ai an VG Aachen vom 30.05.2001). Über eine erneute Verschärfung der Lage im Sandzak gibt es aber keine Informationen (AA an VG Stuttgart vom 26.01.2001). Soweit bekannt sind Mitglieder der SDA und Muslime staatlichen Verfolgungsmaßnahmen nicht ausgesetzt (AA, Lagebericht vom 16.10.2002, S. 10; vom 28.07.2003, S. 10; vom 24.02.2004, S. 10). Zwar entspricht die tatsächliche Lage der Muslime im Sandzak wie die aller Minderheiten im früheren Jugoslawien noch nicht dem Standard der europäischen Menschenrechtskonvention. Das jugoslawische "Gesetz über den Schutz von Rechten und Pflichten der nationalen Minderheiten", das am 07.03.2002 in Kraft getreten ist, sieht jedoch zahlreiche Maßnahmen vor, um diese Missstände abzuschaffen (u.a. im Bereich politische Repräsentanz, Erziehung, Sprachunterricht, Kulturpflege). Hinweise auf massive, gezielte staatliche Repressionen gegen Muslime gibt es nicht mehr (ebenso OVG NRW, B. v. 30.07.2001 - 5 A 4126/97.A). Dies trifft schon für die Zeit vor dem 05.10.2000 zu. Für Unzufriedenheit der Muslime und den weiterhin bestehenden Migrationsdruck ist vor allem die schlechte wirtschaftliche Lage verantwortlich, die sich auch seit dem 05.10.2000 noch nicht im erforderlichen Maße gebessert hat (AA, Lageberichte vom 16.10.2002, S. 10; vom 28.07.2003, S. 10; vom 24.02.2004, S. 10; vom 29.03.2005, S. 10).

Die neue Bundesregierung hat einen Sandzak-Moslem zum Minderheitenminister berufen, ein Ungar ist stellvertretender Premierminister der neuen serbischen Regierung. Die geplante Aufnahme eines Vertreters der Sandzak-Muslime als Minister ohne Geschäftsbereich in die serbische Regierung ist allerdings bislang nicht erfolgt. Der Unterrepräsentierung von Minderheiten in Verwaltung, Polizei etc. wird aktiv entgegengearbeitet. Im moslimischen Sandzak werden bei Neubesetzungen in der Verwaltung verstärkt Muslime berücksichtigt (AA, Lagebericht vom 16.10.2002, S. 15; u. vom 29.03.2005, S. 10).

Dass Mitglieder der SDA keine Verfolgung mehr befürchten müssen, lässt sich auch daraus ersehen, dass die SDA auf kommunaler Ebene Regierungsverantwortung trägt. Einzelne Minderheiten experimentieren derzeit mit Modellen regionaler Kooperation auf Gemeindeebene. So haben sich u.a. die ungarisch dominierten Gemeinden der nördlichen Wojwodina und die von der SDA regierten Gemeinden des Sandzak zu Verbänden zusammengeschlossen (AA, Lageberichte vom 28.07.2003, S. 16 und vom 24.02.2004, S.17)."

An dieser Auskunftslage hat sich bis heute nichts geändert. Vielmehr ist eine weitere Stabilisierung der Situation der Bosniaken festzustellen. Im Frühjahr 2002 wurde das neue "Gesetz zum Schutz der Rechte und Freiheiten Nationaler Minderheiten" (Minderheitengesetz) verabschiedet. Das Gesetz stellt einen Eckpunkt im Gesamtpaket der gesetzlichen Reformen dar und eröffnet zahlreiche Möglichkeiten der Beteiligung der Minderheiten am politischen Leben in Serbien. Der ausgewiesene Rechtekatalog des neuen Gesetzes entspricht europäischen Standards. Es wurde ein Ministerium für Nationale und Ethnische Minderheiten, das inzwischen in das Ministerium für Minderheiten und Menschenrechte umgewandelt worden ist, errichtet. Es wird von Rasim Ljajic, einem ethnischen Bosniaken, geleitet. Insbesondere die seit dem Jahre 2002 begonnenen Reformen zur Schaffung und Stärkung der lokalen und regionalen Selbstverwaltungsstrukturen stehen in direktem Zusammenhang mit der Situation der Minderheiten. Dem neuen serbischen Gesetz über Lokale Selbstverwaltung zufolge müssen Gemeinden mit größerem Minderheitenanteil u.a. einen "Rat für interethnische Beziehungen" einsetzen. Aufgrund der politischen Partizipation der Minderheiten und der ihnen eingeräumten größeren Selbstverwaltung ist es den Minderheiten auf föderaler Unions-Ebene möglich, einen "Nationalrat" zur eigenen Selbstvertretung zu wählen. Zudem wird ein "Minderheiten-Rat" auf der Bundesebene eingerichtet, der sich aus Vertretern der jeweiligen Minderheiten-Räte zusammensetzt. Das Minderheitengesetz sieht in Art. 21 vor, dass bei Beschäftigung im öffentlichen Dienst einschließlich der Polizei die nationale Zusammensetzung der Bevölkerung entsprechend repräsentiert sein muss und die Kenntnis der Sprache, die im Zuständigkeitsbereich einer Behörde gesprochen wird, zu berücksichtigen ist. Das Minderheitengesetz räumt darüber hinaus Rechte im Sprachgebrauch, im Schulwesen und in den Medien ein. Minderheitengruppen, die mehr als 2 % der Gesamtbevölkerung stellen, steht das Recht zu, mit Behörden in ihrer Muttersprache zu kommunizieren. Sie haben das Recht auf Unterricht und Information in ihrer eigenen Sprache. Die Regierung in Belgrad bereitet darüber hinaus ein "Anti-Diskriminierungsgesetz" vor, in dem eine Beweislastumkehr im Falle behaupteter Diskriminierung vorgesehen ist. Insbesondere im serbischen Teil des Sandzak lebt die überwältigende Mehrheit der 160.000 Bosniaken Serbiens, und zwar vor allem in den Gemeinden Novi Pazar, Tutin, Sjenica und Prijepolje, in denen sie auch die Mehrheit in der Gemeindevertretung und damit einen wesentlichen Einfluss auf die lokale und regionale Verwaltung besitzen (vgl. zum Ganzen Stephan Müller, Gutachten zur Situation der Bosniaken in Serbien und Montenegro v. 21.02.2005). Seit 03.04.2003 ist Serbien und Montenegro Mitglied des Europarates und ist damit über dessen Tätigkeitsfelder dem Schutz der Menschenrechte - als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention -, der Demokratieförderung und der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet. Bereits im März 2001 trat bundesweit ein Amnestiegesetz in Kraft, das sich auf alle Personen, die zwischen April 1992 und Oktober 2000 dem Wehrdienst entzogen hatten oder die aus der Jugoslawischen Volksarmee desertierten, erstreckt. Nach Serbien und Montenegro zurückkehrende Deserteure und Kriegsdienstverweigerer, die sich in der fraglichen Zeit dem Dienst in der Armee entzogen hatten, werden keiner strafrechtlichen Verfolgung weder durch Militärgerichte noch durch Zivilgerichte unterworfen. Das Amnestiegesetz wird seit In-Kraft-Treten angewandt, ohne dass es zu einer unterschiedlichen Behandlung innerhalb der Ethnien kommt (vgl. AA an VG Regensburg v. 17.05.2001, an VG Frankfurt am Main v. 04.09.2001 und v. 01.10.2003, amnesty international an VG Karlsruhe v. 20.12 2001 und im Länderkurzbericht Serbien und Montenegro vom Oktober 2003, AA durchgängig in seinen Lageberichten seit 08.05.2001, Stephan Müller, Gutachten v. 21.02.2005, a.a.O.).

Angesichts dieser Auskunftslage geht der Senat weiterhin davon aus, dass der Kläger im Falle der Rückkehr in sein Heimatland vor politischer Verfolgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sicher ist. Die von ihm in seiner Klagebegründung und Berufungserwiderung dargestellte Situation stützt sich auf zum Teil veraltete bzw. überholte Auskünfte oder ihnen ist die vom Kläger gezogenen Schlussfolgerungen nicht zu entnehmen. So gelangt die von ihm angeführte Auskunft von amnesty international an das VG Oldenburg vom 19.11.2002 gerade nicht zu der Feststellung, dass die geschilderten Übergriffe staatlicher Stellen sich gegen Sandzak-Muslime oder SDA-Mitglieder richten. Es liegen amnesty international nämlich keine konkreten Berichte dazu vor. Die dann vom Kläger getroffene Vermutung, dass die Möglichkeit von Übergriffen gegen Muslime aus dem Sandzak nicht grundsätzlich auszuschließen sei, erlaubt vor dem Hintergrund der zuvor dargestellten Entwicklung nicht die begründete Annahme einer Verfolgungsbetroffenheit allein in Anknüpfung an ethnische Merkmale.

Eine politische Verfolgung des Klägers aufgrund seiner Desertion im März 1999 aus der jugoslawischen Armee ist ebenfalls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, da ein wirksames und auch umfänglich angewandtes Amnestiegesetz für Wehrdienstentziehungen und Desertionen aus der jugoslawischen Armee bis zum 07.10.2000 am 26.02.2001 vom jugoslawischen Bundesparlament verabschiedet wurde, das am 05.03.2001 in Kraft getreten ist. Das Amnestiegesetz wird in Serbien und Montenegro weiterhin beachtet (vgl. AA an VG Schleswig v. 20.02.2003). Auch amnesty international liegen keine Berichte darüber vor, dass ehemalige Wehrdienstverweigerer und Deserteure bei ihrer Rückkehr nach Serbien und Montenegro festgenommen, belästigt oder diskriminiert worden sind. Dies ergibt sich unter anderem auch aus dem vom Kläger in der Klagebegründung selbst zitierten Länderbericht vom 15.10.2003 und setzt sich in den darauf folgenden Berichten inhaltlich fort (vgl. www.amnesty.de).

In Würdigung der vorerwähnten Feststellungen insbesondere zur Situation der muslimischen Bevölkerungsgruppe im Sandzak ist der Widerruf mit Bescheid vom 10.02.2004 auch nicht rechtswidrig, soweit der Kläger behauptet, ihm sei eine Rückkehr nach Serbien und Montenegro nicht möglich, weil ihm dort eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c) AufenthG drohe. Nach dieser Vorschrift kann eine politische Verfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die unter Buchstaben a) und b) genannten Akteure - der Staat oder Parteien bzw. Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen - einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Abgesehen davon, dass nach den obigen Feststellungen systematische Übergriffe gegenüber Bosniaken im Sandzak mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können, wären selbst dann, wenn es zu solchen ethnisch motivierten Übergriffen Dritter kommen würde, für einen erwiesenermaßen fehlenden Willen des Staates Serbien und Montenegro, Verfolgungsschutz zu bieten, für den Senat keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich. Die vom Kläger aufgezeigten Tendenzen von Polizeibehörden, Anzeigen von Angehörigen der muslimischen Minderheit nicht ernsthaft nachzugehen, lassen sich nach den in das Verfahren eingeführten Auskünften sachinformierter Stellen seit dem politischen Umschwung im Oktober 2000 nicht mehr feststellen (vgl. AA: Lagebericht v. 29.03.2005; AA an VG Frankfurt am Main v. 13.11.2001). Sie wären auch nicht geeignet, dem Staat Serbien und Montenegro die generelle Schutzbereitschaft gegenüber den Minderheiten "erwiesenermaßen", wie dies in § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG verlangt wird, abzusprechen. Hierzu bedarf es zumindest dann, wenn eine generelle, an die Ethnie anknüpfende Schutzverweigerung des Staates behauptet wird, bei Anlegung eines generell-abstrakten Maßstabes konkreter und gesicherter Anhaltspunkte dafür, dass der Staat keine zureichenden Vorkehrungen zur Eindämmung privater Gewalt gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen getroffen hat, der Staat sich vielmehr in die Komplizenschaft mit dem oder den verfolgenden Dritten begeben hat und diese gewähren lässt (vgl. zur Frage der Zurechenbarkeit von Übergriffen Dritter, BVerwG, B. v. 24.03.1995 - BVerwG 9 B 747.94 -, NVwZ 1996, 85; U. v. 05.07.94 - BVerwG 9 C 1.94 -, NVwZ 1995, 391 ff). Denn anders als in Fällen, in denen der Antragsteller eine individuelle Schutzverweigerung vor der Ausreise geltend macht, kann es in den Fällen einer behaupteten gruppenspezifischen Schutzverweigerung nach Rückkehr in das Heimatland nicht lediglich um die Frage gehen, ob ernsthafte sowie gewichtige und auf die Person des Schutzsuchenden bezogene Tatsachen den Schluss rechtfertigen, staatlicher Schutz sei nicht verfügbar und auch in zumutbarer Weise nicht erlangbar. Der Maßstab für die Beurteilung, ob erwiesenermaßen kein Schutz gewährt wird, ist für die anzustellende Verfolgungsprognose im Falle der Beurteilung einer gefahrlosen Rückkehrmöglichkeit bei zuvor unverfolgter Ausreise ein anderer (vgl. Marx, AsylVfG, Komm., 6 Aufl., 2005, § 1 Rdnr. 155 ff.). Erwiesen ist die Schutzunwilligkeit der in § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a) und b) genannten Akteure gegenüber einem zurückkehrenden Gruppenangehörigen nämlich erst dann, wenn die anzustellende Verfolgungsprognose zu der sicheren Erkenntnis gelangt, dass die fehlende Schutzbereitschaft in quantitativer und qualitativer Hinsicht einem generellen Muster entspricht, um Angehörigen der Gruppe den Zugang zum nationalen Schutzsystem zu verweigern. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes kann der Senat vor dem Hintergrund der gesamten Auskunftslage mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass dem Kläger staatlicher Schutz gegen Übergriffe Dritter nur deshalb verwehrt werden wird, weil er Angehöriger der Gruppe der Bosniaken aus dem Sandzak ist. Es ist nicht erkennbar, dass der Staat es gegenüber Bosniaken unterlässt, geeignete Schritte einzuleiten, um die Verfolgung Dritter oder den Eintritt eines ernsthaften Schadens zu verhindern, oder grundsätzlich Bosniaken den Zugang zu diesem Schutz verweigert (vgl. AA an VG Frankfurt am Main v. 13.11.2001; AA: Lagebericht v. 29.03.2005). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang seine Befürchtungen vor einer Verfolgung damit begründet, dass er wegen seiner Desertion aus der Armee im Jahre 1999 Opfer von "in seiner Heimatregion agierenden serbischen Nationalisten" werden könne, ist für den Senat aufgrund der eingeführten Erkenntnisse schon nicht ersichtlich, dass solche "agierenden serbischen Nationalisten" als konkrete und ernstzunehmende Gruppe existieren. Wie bereits zuvor ausgeführt, hat sich mit dem Ende des Milo(evic-Regimes die Situation im Sandzak entscheidend verbessert, und eine Verfolgung und Unterdrückung von Bosniaken im Sandzak aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit ist nicht mehr festzustellen. Die letzten Zwischenfälle sind im September 2002 dokumentiert, als es während der Basketball-Weltmeisterschaft zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Volksgruppen Serben und Bosniaken kam, wobei es bereits die Jahre zuvor zu keinen nennenswerten Zwischenfällen mehr gekommen war. Soweit vereinzelte Angriffe von Skinheads auf Minderheiten bekannt geworden sind, die unter dem Regime von Milo(evic nur zögerlich verfolgt worden sind, werden seit dem politischen Umschwung im Oktober 2000 derartige Angriffe polizeilich und gerichtlich verfolgt und liegen erste Verurteilungen vor (vgl. AA an VG Frankfurt am Main v. 13.11.2001). Der Umstand, dass es im Heimatland des Klägers zu solchen Vorfällen überhaupt kommt, rechtfertigt es nicht, bereits daraus den Schluss zu ziehen, dass die schutzbereiten staatlichen Stellen in Serbien und Montenegro "erwiesenermaßen" nicht in der Lage sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Auch in Serbien und Montenegro kann - wie beispielsweise auch in Deutschland - ein allumfassender staatlicher Schutz gegen gewalttätige Übergriffe von Privatpersonen aus rassistischen, kriminellen oder sonstigen Motiven heraus realistischer Weise nicht erwartet und dementsprechend auch im Rahmen des Asyl- und Flüchtlingsrechts nicht verlangt werden (vgl. hierzu OVG des Saarlandes, B. v. 11.05.2005 - 1 Q 16/05 - zit. n. juris, zur Frage, wann die Grenze der asylrechtlich bedeutsamen Pflicht zur staatlichen Schutzgewährleistung erreicht ist). An dieser grundsätzlichen Einschätzung vermag auch die Behauptung des Klägers nichts zu ändern, er werde in seiner Heimat von ihm unbekannten Personen gesucht, die sich gelegentlich und in drohender Haltung nach seinem Aufenthaltsort erkundigt hätten. Es ist für den Senat aufgrund der Darlegungen des Klägers bereits nicht erkennbar, dass die Nachfragen im Zusammenhang mit seiner Desertion oder der Tatsache seiner ethnischen Zugehörigkeit stehen könnten. Der Beweisanregung des Klägers brauchte der Senat aus diesem Grunde nicht zu folgen. Im Übrigen wäre die Beweisanregung für die Frage einer ausreichenden Schutzgewährung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG auch nicht entscheidungserheblich. Denn allein die Tatsache, dass sich fremde Personen nach dem Kläger erkundigen, sagt nichts darüber aus, ob ihm im Falle einer tatsächlichen Bedrohung durch Dritte kein ausreichender Schutz durch die Behörden seines Heimatlandes gewährt werden würde. Darüber hinaus geht der Senat unter Hinweis auf die grundlegenden Feststellungen im Urteil vom 18.02.2005 - 7 UE 1430/03.A - und darüber hinaus auch aufgrund der für die Zeit danach getroffenen Feststellungen auch weiterhin davon aus, dass der Kläger ausreichenden Schutz vor Übergriffen Dritter durch die Sicherheitsbehörden des Heimatlandes erreichen kann, er damit nicht schutzlos Übergriffen Dritter ausgeliefert ist. Der Senat brauchte auch nicht der Beweisanregung des Klägers zu folgen und eine weitere sachverständige Stellungnahme durch amnesty international zur drohenden Schutzlosigkeit für den Fall seiner Rückkehr einzuholen. Abgesehen davon, dass es sich bei der Frage der Schutzlosigkeit um eine Frage handelt, die der Senat anhand von Tatsachen zu beurteilen hat, liegen dem Senat bereits eine Vielzahl aktueller einschlägiger Auskünfte vor. Diese sind dem Kläger nochmals in aktualisierter Fassung mit Schriftsatz vom 16.08.2005 übersandt worden. Der Kläger hat nicht substantiiert dargetan, dass Anlass besteht, an der inhaltlichen Richtigkeit dieser Auskünfte zu zweifeln, und er hat auch im Anschluss daran keine anderslautenden Auskünfte benannt.

Gründe, aus denen nach § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG von einem Widerruf abzusehen wäre, weil es dem Kläger unzumutbar ist, in sein Heimatland zurückzukehren, sind vorliegend weder ausreichend dargelegt worden noch für den Senat erkennbar. Mit dem durch das Zuwanderungsgesetz unveränderten, im Wortlaut an den Art. 1 C Nr. 5 Satz 2 GK angelehnten § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG, wonach vom Widerruf der Statusanerkennung trotz Fortfalls der Anerkennungsvoraussetzungen abzusehen ist, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf der früheren Verfolgung beruhende Gründe berufen kann, um eine Rückkehr in den Heimatstaat abzulehnen, soll unter Berücksichtigung humanitärer Gesichtspunkte besonderen Belastungen im Heimatland schwer Verfolgter Rechnung getragen werden, die unter den Nachwirkungen derartiger qualifizierter Verfolgungsumstände dauerhaft leiden. In Betracht kommen ausschließlich Gründe, die ihre Ursache in einer früheren Verfolgung haben, womit der psychischen Sondersituation Rechnung getragen werden soll, in der sich ein Asylberechtigter befindet, der ein besonders schweres, nachhaltend wirkendes Verfolgungsschicksal erlitten hat und dem es deshalb selbst lange Jahre danach ungeachtet der veränderten Verhältnisse nicht zumutbar ist, in den früheren Verfolgerstaat zurückzukehren (Hess. VGH, B. v. 28.05.2003 - 12 UZ 2805/02.A -, InfAuslR 2003, 400; OVG des Saarlandes, B. v. 30.03.2005 - 1 Q 11/05 -, zit. n. juris; OVG Hamburg, U. v. 20.12.1993 - Bf VII 10/92 -, zit. n. juris).

Solche Gründe ergeben sich weder aus der Klagebegründung vom 12.03.2004 noch aus den Schriftsätzen vom 21.03.2005 und 26.07.2005. Die dort gemachten Ausführungen, wonach der Kläger und seine Familie im Falle ihrer Rückkehr einer existentiellen Notlage ausgesetzt seien, stellen ebenso wie die Behauptung, die in Folge der erlittenen Traumata aufgetretenen Erkrankungen stellten einen Ausnahmetatbestand dar und ließen eine Rückkehr unzumutbar werden, keine "zwingenden, auf früheren Verfolgungen beruhenden Gründe" dar. Zwar ist in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass ein Widerruf zu unterbleiben hat, wenn schwere physische oder psychische Schäden vorliegen, die infolge der bereits erlittenen politischen Verfolgung entstanden sind und die sich bei einer Rückkehr in das Heimatland wesentlich verschlechtern. Doch muss zwischen der früheren Verfolgung und der Unzumutbarkeit der Rückkehr ein kausaler Zusammenhang bestehen (Hess. VGH B. v. 28.05.2003, a. a. O.; Marx, AsylVfG, Komm, 6. Aufl. 2005, § 73 Rdnr. 130, 134). Davon kann aber bei den vom Kläger geltend gemachten Erkrankungen nicht ausgegangen werden. Der Kläger hat nämlich sein Heimatland nicht vorverfolgt verlassen. Nach seinen eigenen Ausführungen in der Anhörung vor dem Bundesamt am 22.02.2000, die allerdings in einem erkennbaren Widerspruch zu der Tatsache stehen, dass er mit anwaltlichem Schriftsatz bereits am 08.03.1999 beantragt hatte, die Sperrwirkung der Ausweisung zu befristen, da die Deutsche Botschaft in Belgrad seinen Antrag auf ein Visum abgelehnt hatte, will er im März 1999 zu Beginn der Luftschläge der NATO zum Kriegsdienst eingezogen worden sein. Bei einem heftigen Luftangriff habe er die Panik ausgenutzt und sei mit zwei weiteren Serben desertiert. Mit Hilfe der beiden Serben, die in einem Ort ein Fahrzeug organisiert hätten, sei er nach Bulgarien geflohen. In Bulgarien sei er von seinen dort lebenden Verwandten abgeholt und nach Sofia verbracht worden. Bei ihnen habe er sich aufgehalten, bis seine Ausreise nach Deutschland möglich gewesen sei. Im Anerkennungsbescheid vom 05.05.2000 ist die Beklagte auch nicht davon ausgegangen, dass der Kläger vorverfolgt aus seinem Heimatland geflüchtet sei. Vielmehr ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG im Hinblick darauf festgestellt worden, dass er aufgrund seine Desertion und der seinerzeit bestehenden Gefahr, deswegen "als Verräter an der jugoslawischen Sache" angesehen und verfolgt zu werden. Der Kläger ist also bereits nach seinem eigenen Vortrag nicht Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen im Zuge einer gegen ihn gerichteten politischen Verfolgung geworden. Auch die von ihm in diesem Zusammenhang angeführten aber nicht näher konkretisierten Traumata sind nicht ursächliche Folge einer politischen Verfolgung. Die chronische Darmerkrankung ist erstmals im April 2002, mithin fast drei Jahre nach seiner Einreise nach Deutschland aufgetreten. Der Senat war bereits deshalb nicht gehalten, der Beweisanregung des Klägers nachzugehen, dass der Ausbruch und die Intensivierung seiner Erkrankung in ursächlichem Zusammenhang mit der erlittenen Verfolgung und der hieraus erlittenen und fortdauernden psychischen Belastung stehen. Von der angeregten Beweiserhebung war zudem auch abzusehen, weil sie auf eine Ausforschung hinauslaufen würde. Soweit der Kläger die Unzumutbarkeit seiner Rückkehr mit einer "existentiellen Notlage" begründet, ist darauf hinzuweisen, dass die mit der Wiedereingliederung in die wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten verbundenen Härten von dem Asylberechtigten regelmäßig hinzunehmen sind. Im Übrigen hat der Kläger auch nicht dargelegt, worin die existentielle Notlage konkret bestehen könnte. Selbst wenn er aufgrund seines Alters und der wirtschaftlichen Gesamtbedingungen in seinem Heimatland zunächst Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Arbeitsplatz haben dürfte, hat er doch einen Anspruch auf Sozialhilfe, die zur Sicherung der Existenzgrundlage ausreicht, zumal er offensichtlich in seiner Heimat auch noch über ein Haus verfügt, in das er zurückkehren kann. Dafür, dass der Kläger keine realistische Chance hätte, zumindest als Arbeitsloser oder Sozialhilfeempfänger anerkannt zu werden, ergeben sich aufgrund der vorliegenden Erkenntnisquellen keine Anhaltspunkte. Nach dem in Serbien und Montenegro bestehenden Instrument der Sozialhilfe wird diese den Bürgern gewährt, die arbeitsunfähig sind und keine Mittel zum Unterhalt nachweisen können. Außerdem sind sozialhilfeberechtigt die Bürger, die ihren Unterhalt durch ihre Arbeit, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Voraussetzung ist die Registrierung einer Person in Serbien und Montenegro (AA, Lagebericht v. 29.03.2005). Gemeldete anerkannte Arbeitslose und anerkannte Sozialhilfeempfänger sind beitragsfrei krankenversichert und werden demzufolge praktisch kostenlos behandelt, und zwar einschließlich der Versorgung mit den erforderlichen Medikamenten, soweit keine seltenen oder besonders kostspieligen Präparate benötigt werden (AA, Lagebericht v. 29.03.2005; Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Belgrad an VG Kassel v. 19.02.2004 und an VG Bremen v. 11.02.2005, AA an VG Köln v. 11.04.2003, AA an VG Sigmaringen v. 21.10.2004 und an VG Bremen v. 08.02.2005, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien-Montenegro - Update zur sozialen und medizinischen Lage der intern Vertriebenen v. 01.03.2004).

Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 18.02.2005 - 7 UE 1430/05.A - festgestellt, dass konkrete, die Existenz bedrohende Gefährdungen im Heimatland nicht mehr existieren und auch aus der allgemeinen wirtschaftlichen Lage existentielle Gefahren für Leib, Leben und Freiheit nicht erwachsen. Gefährdungen dieser Art lässt sich gegebenenfalls im Rahmen des § 60 Abs. 7 AufenthG Rechnung tragen.

B.

Der Widerrufsbescheid der Beklagten ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Widerruf nicht innerhalb der Dreijahresfrist des § 73 Abs. 2a AsylVfG ergangen ist bzw. nach Ermessen zu treffen gewesen wäre (im Ergebnis ebenso: Hess. VGH, B. v. 10.05.2005 - 7 UZ 810/05.A -; Bayerischer VGH, B. v. 17.02.2005 - 21 ZB 05.30260 -; Niedersächsisches. OVG, B. v. 11.04.2005 - 8 LA 33/05 -; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 14.04.2005 - 13 A 654/05.A -).

1.

Unabhängig von der Frage, ob § 77 Abs. 1 AsylVfG die Anwendung des § 73 Abs. 2a AsylVfG auf Verfahren der vorliegenden Art gebietet, wäre der Widerrufsbescheid nicht bereits deshalb aufzuheben, weil ihm durch die Nichtanwendung der Vorschrift ein Rechtsfehler anhaftet, sondern nur dann, wenn der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt werden würde (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nicht ersichtlich.

Mit der Einführung der in § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG normierten obligatorischen Prüfungspflicht drei Jahre nach der Unanfechtbarkeit der Entscheidung hat der Gesetzgeber die Struktur der Widerrufsverpflichtung bei Vorliegen der Widerrufsgründe nach Abs. 1 nicht verändert, sondern lediglich effektiver gestaltet. Nach der Intention des Gesetzgebers, der mit den Maßnahmen ausdrücklich eine Beschleunigung der Asylverfahren erreichen wollte (amtl. Begründung, BT-Drs. 15/420, S. 107), soll nämlich mit der Einführung einer obligatorischen Prüfungspflicht spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach einer anerkennenden Entscheidung des Bundesamts erreicht werden, dass die Vorschriften über den Widerruf und die Rücknahme, die in der Praxis bislang weitgehend leergelaufen sind, an Bedeutung gewinnen. Das Ergebnis der Prüfung ist der Ausländerbehörde mitzuteilen, damit diese über den Aufenthaltstitel befinden kann (amtl. Begründung, BT-Drs. 15/420, S. 112). Somit dient diese Neuregelung nach der ausdrücklichen gesetzgeberischen Intention dem öffentlichen Interesse an einer Überprüfung der Schutzbedürftigkeit des Asylberechtigten oder des Ausländers, bei dem das Bundesamt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festgestellt hat. Damit steht die Prüfungspflicht nicht im Interesse des einzelnen Ausländers als Adressaten der Widerrufsentscheidung. Sie steht vielmehr, wie das Unverzüglichkeitsmerkmal in § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, ausschließlich im öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Beseitigung einer dem Asylberechtigten nicht mehr zustehenden Rechtsposition. Bereits in seiner Entscheidung vom 27.06.1997 (BVerwG 9 B 280.97 -, NVwZ-RR, 1997, 741 f.) hat das BVerwG hierzu dargelegt, dass ein Verstoß gegen das gesetzliche Gebot, über den Widerruf der Asylanerkennung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG unverzüglich zu entscheiden, den Widerrufsbescheid nicht rechtswidrig macht. Ein als asylberechtigt Anerkannter werde nicht dadurch in seinen Rechten verletzt, dass das Bundesamt einen ansonsten berechtigten Widerruf nicht unverzüglich ausspricht. Denn die Pflicht zum unverzüglichen Widerruf sei dem Bundesamt nicht im Interesse des einzelnen Ausländers als Adressaten des Widerrufsbescheides, sondern ausschließlich im öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Beseitigung der ihm nicht (mehr) zustehenden Rechtsposition des anerkannten Asylberechtigten auferlegt. Angesichts der gesetzlichen Verpflichtung der Behörde zum Widerruf soll die bei Fehlen der Verfolgungsgefahr nicht länger gerechtfertigte Asylberechtigung im Interesse der alsbaldigen Entlastung der Bundesrepublik Deutschland als Aufnahmestaat unverzüglich beseitigt werden. Nichts anderes kann für die am 01.01.2005 in Kraft getretene Dreijahresfrist gelten (so auch VG Münster, U. v. 18.01.2005 - 4 K 1794/02.A -; VG Braunschweig, U. v. 17.02.2005 - 6 A 524/04 -; a.A. VG Köln, U. v. 10.06.2005 - 18 K 4074/04.A - AuAS 2005, 14 f.), denn mit ihr wollte der Gesetzgeber erkennbar diesen Zweck des Widerrufsverfahrens nicht suspendieren, sondern effektivieren.

Dass die Regelung der Dreijahresfrist nicht dem subjektiven Interesse des Asylberechtigten dienen soll, sondern als reine Ordnungsvorschrift anzusehen ist, ergibt sich auch daraus, dass sie keine Definition des Begriffs der Unverzüglichkeit in § 73 Abs. 1 AsylVfG im Sinne einer Höchstfrist für die Zulässigkeit eines Widerrufs darstellt. Mit ihr sollte lediglich formal eine zeitliche Komponente in das Verfahren des Widerrufs eingeführt werden, um das Bundesamt, unabhängig davon, ob bis dahin konkrete Anhaltspunkte für veränderte Umstände und damit für eine Widerrufspflicht ersichtlich geworden sind, zu einer generellen Prüfung anzuhalten, zu der es auch zuvor bereits verpflichtet war, aber eben ohne eine zeitlich genau bemessene Vorgabe. § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG schreibt insoweit auch nur die Vornahme einer solchen Prüfung vor. Dass mit ihrem Abschluss der Widerruf gegebenenfalls sofort zu erfolgen hat, ist gerade nicht zwingend. Wann unter Umständen der Widerruf tatsächlich erfolgt, wird weiterhin durch das unverändert gebliebene Unverzüglichkeitsgebot des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG geregelt (so insbesondere Bayerischer VGH, B. v. 17.02.2005 - 21 ZB 05.30260 -).

Auch § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG, wonach im Anschluss an die fristgebundene Prüfungspflicht eine spätere Widerrufsentscheidung im Ermessen des Bundesamtes steht, ändert am Charakter der Regelung der Dreijahresfrist als reine Ordnungsvorschrift nichts, da sie die Prüfungspflicht inhaltlich nicht modifiziert. Das Bundesamt ist auch nach Ablauf der Frist weiterhin nach § 73 Abs. 1 AsylVfG verpflichtet zu prüfen, ob der einst gewährte Status nach Art. 16 a Abs. 1 GG oder § 60 Abs. 1 AufenthG noch zu Recht besteht. Die später nur noch nach Ermessen zu treffende Entscheidung ist auch nicht Folge der Einführung einer fristgebundenen Erstprüfung. Sie war zur Harmonisierung der geänderten ausländerrechtlichen Folgerungen geboten, was sich auch aus der weiteren Regelung in § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG erschließt.

2.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gebietet auch § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, wonach das Gericht für die Entscheidung grundsätzlich auf die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, nicht die Anwendung des § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG. Dies ergibt sich sowohl aus der Gesetzessystematik als auch aus dem Zweck der Regelung.

Die Regelung in § 73 Abs. 2a Satz 2 und 3 AsylVfG war nämlich geboten, um der mit dem Aufenthaltsgesetz veranlassten grundlegenden Änderung der Aufenthaltstitel - nämlich der stets befristet zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis und der unbefristeten Niederlassungserlaubnis - Rechnung zu tragen. Die Einfügung des Abs. 2a Satz 3 in den im Übrigen inhaltlich unverändert gebliebenen § 73 AsylVfG diente damit neben dem öffentlichen Interesse auch ausländerrechtlichen Zwecken, um an der Nahtstelle zwischen asylrechtlicher Statusgewährung und ihrer aufenthaltsrechtlichen Behandlung die notwendigen verfahrensrechtlichen Anpassungen zu erreichen, da mit Art. 3 Nr. 43 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 die §§ 68 bis 70 AsylVfG, die den Aufenthalt nach Abschluss des Asylverfahrens regelten, aufgehoben wurden und nun ein entsprechender Anspruch ausschließlich in §§ 25 Abs. 1 und Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG geregelt ist. Da einem ab dem 01.01.2005 anerkannten Asylberechtigten nunmehr keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis mehr erteilt werden kann, bedurfte es zur Erlangung einer vergleichbaren Rechtsstellung nach der Konzeption des Aufenthaltsgesetzes einer verfahrensrechtlichen Zwischenprüfung durch das Bundesamt. Erst nach erfolgter negativer Prüfungsentscheidung und Mitteilung an die Ausländerbehörde, wie sie in § 73 Abs. 2a Satz 2 AsylVfG vorgesehen ist, ist ihm eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Die Überleitung ausländerrechtlicher Ansprüche in das AufenthG und der erkennbare Zusammenhang mit § 26 Abs. 3 AufenthG verdeutlichen, dass es sich bei der Prüfungs- und Mitteilungspflicht des § 73 Abs. 2a Satz 1 und 2 AsylVfG, an die die nach § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG zu treffende Ermessensentscheidung anknüpft, um einen zukunftsgerichteten Auftrag an das Bundesamt handelt (OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 14.04.2005 - 13 A 654/05.A - zit. n. juris). Denn die ausländerrechtliche Zweckrichtung der Prüfungspflicht kann erst mit In-Kraft-Treten der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen der §§ 25 Abs. 1 und 2, 26 Abs. 3 AufenthG verfolgt werden, da zuvor der von ihr umfasste Personenkreis einen Anspruch auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis ausschließlich aus dem AsylVfG selbst ableiten konnte. Einem anerkannten Asylbewerber steht mit der Neuregelung durch das AufenthG erst nach einer Übergangszeit von drei Jahren ein verfestigter Aufenthaltstitel in Form einer Niederlassungserlaubnis zu, während er nach dem bis zum 31.12.2004 geltenden AuslG bereits mit der unanfechtbaren Asylanerkennung eine - vergleichbare - unbefristete Aufenthaltserlaubnis erwarb.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ist zwar für eine gerichtliche Entscheidung das zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende neue Recht maßgeblich. Dies besagt aber nicht, dass diesem bezüglich neu eingeführter Fristbestimmungen samt daran anknüpfenden Pflichten eine Rückwirkung über den Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens hinaus zuzumessen wäre (so auch Bayerischer VGH, B. v. 25.04.2005 - 21 ZB 05.30260 -).

3.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts können an die fehlende Prüfungspflicht für sog. Altfälle keine materiell-rechtlichen Folgen für den Asylbewerber zu Lasten des Bundesamts geknüpft werden. Die Prüfungspflicht des Bundesamtes nach § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG beginnt erst ab dem 01.01.2005. Diese Verpflichtung trifft in diesem Zeitpunkt auf die bis zum 31.12.2004 bekannt gegebenen und noch nicht unanfechtbaren Widerrufsentscheidungen; die neu geschaffene Prüfungspflicht und das Ergebnis der zuvor erfolgten Prüfung - hier des Widerrufs - fallen mithin zeitlich zusammen. Eine (spätere) Ermessensentscheidung wird vom Bundesamt aber erst dann gefordert, wenn das Ergebnis der Prüfung nicht zu einem Widerruf geführt hat. Ein solches Ergebnis liegt im Fall des Klägers gerade nicht vor. Würde § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG auf diese Fälle Anwendung finden, geschähe dies contra legem (ähnlich Niedersächsisches. OVG, B. 11.04.2005 - 8 LA 33/05 -).

Auch eine Abwägung der beteiligten Interessen für "Übergangsfälle" gebietet keine Auslegung des § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG über seinen klaren Wortlaut hinaus, nur weil eine die Rückwirkung rechtfertigende Übergangsvorschrift nicht vorhanden ist - §§ 87 Abs. 1, 87a, 87b AsylVfG enthalten keine entsprechenden Regelungen -. Dieser hätte es aber nach verfahrensrechtlichen Prinzipien bedurft. Neues Verfahrensrecht erstreckt sich grundsätzlich nicht mehr auf abgeschlossene Verfahren oder Verfahrensabschnitte, es sei denn, es besteht eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung (BVerwG, U. v. 26.03.1985 - BVerwG 9 C 47.84 -, Buchholz 402.25 § 10 AsylVfG Nr. 1; VG Karlsruhe, U. v. 04.02.2005 - 3 K 11689/04 - zit. n. juris). Berücksichtigt man, dass für die bis zum 31.12.2004 bekannt gegebenen Widerrufsentscheidungen eine fristgebundene Prüfungspflicht des Bundesamts nicht existiert hat und dass das Bundesamt nach Erlass seiner Widerrufsentscheidung dieser neuen Verfahrensvorschrift im gerichtlichen Verfahren auch nicht mehr Rechnung tragen kann, so hätte es zwingend einer gesetzlichen Geltungsanordnung bedurft, wenn in diesen Fällen dennoch die mit der Prüfungspflicht verbundene materiell-rechtliche Folge einer Ermessensentscheidung rückwirkend zur Anwendung hätte gelangen sollen. Es hätte dem Gesetzgeber frei gestanden, für Übergangsfälle - etwa durch die Fiktion einer negativen Mitteilung - bei mehr als drei Jahre zurückliegenden Asylanerkennungen oder Feststellungen nach § 51 Abs. 1 AuslG dem Ausländer eine im Verhältnis zur alten Rechtslage günstigere Rechtsposition einzuräumen. Dies ist jedoch nicht erfolgt.

Für die - hier nicht entscheidungserhebliche - aufenthaltsrechtliche Funktion der Prüfungspflicht und der daran anknüpfenden Mitteilung nach § 73 Abs. 2a Satz 2 AsylVfG hat der Gesetzgeber das Fehlen einer rückwirkenden Regelung erkannt. Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes vom 14.12.2004 (BT-Drs. 15/4491) sah aus integrationspolitischer Sicht in Art. 1 Nr. 12 eine Ergänzung von § 104 durch einen Absatz 6 vor. Danach sollte bei Ausländern, die vor dem 01.01.2005 seit mehr als drei Jahren eine Aufenthaltsbefugnis gemäß § 70 Abs. 1 AsylVfG a. F. besitzen, bei der Anwendung des § 26 Abs. 3 AufenthG die Mitteilung gemäß § 73 Abs. 2a AsylVfG als ergangen gelten. Die vorgeschlagene Ergänzung der Übergangsvorschrift des § 104 AufenthG ist jedoch nicht Gesetz geworden (vgl. Art. 1 Nr. 17 AufenthÄndG vom 14.03.2005 - BGBl. I S. 721 -). Mithin hat für das Aufenthaltsrecht eine explizite Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine Rückwirkung stattgefunden. Diese gesetzgeberische Wertung ist auch dem asylrechtlichen Widerrufsverfahren zugrunde zu legen (Hess. VGH, B. v. 10.05.2005 - 7 UZ 810/05 -).

Ein im Wege einer erweiternden Auslegung des § 73 Abs. 2a AsylVfG begründeter Anspruch des Klägers auf eine Ermessensentscheidung ist auch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten herzuleiten, wie dies das Verwaltungsgericht angenommen hat. § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG knüpft an die negative Mitteilung an, dass ein Widerruf nicht erfolgen wird. Diese liegt bei den sog. Altfällen jedoch nicht vor und kann auch nach erfolgtem Widerruf zwangsläufig nicht mehr ergehen. Mithin ist auch seitens des Bundesamts kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, dem im Rahmen einer Ermessensentscheidung Rechnung getragen werden müsste. Die sich aus dem längeren Aufenthalt in Deutschland ergebenden individuellen Belange eines Ausländers sind im ausländerrechtlichen Verfahren, in dem regelmäßig nach pflichtgemäßem Ermessen nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG darüber zu entscheiden ist, ob der aufgrund der nun widerrufenen asylrechtlichen Entscheidung gewährte Aufenthaltstitel zu widerrufen ist, zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U. v. 20.02.2003 - BVerwG 1 C 13.02 -, BVerwGE 117, 380 [386]). Das Asylrecht zielt dagegen auf die objektive Schutzbedürftigkeit des Ausländers ab. Ist diese entfallen, bedarf es des Asyl- oder Flüchtlingsstatus nicht mehr.

C.

Dem Kläger stehen auch keine Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG (bisher § 53 Abs. 6 AuslG) zur Seite.

Die Anwendung dieser Vorschrift setzt grundsätzlich voraus, dass der Ausländer bei einer Abschiebung im Zielstaat landesweit einer erheblichen konkreten und individuellen - also nicht nur einer der Bevölkerung oder seiner Bevölkerungsgruppe dort allgemein drohenden (§ 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG) - Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre (vgl. zur Regelung des bisherigen § 53 Abs. 6 AuslG BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - BVerwG 9 C 9.95 - BVerwGE 99,324; BVerwG, Urt. v. 29.03.1996 - BVerwG 9 C 116.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 3; BVerwG, Urt. v. 25.11.1997 - BVerwG 9 C 58.96 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 10).

Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass gerade dem Kläger eine solche individuelle konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 S.1 AufenthG im Falle seiner Rückkehr nach Serbien und Montenegro drohen würde, liegen selbst dann nicht vor, wenn man zu seinen Gunsten die Aussagen in den vorgelegten fachärztlichen Attesten der HNO Klinik des Klinikums D. vom 11.04.2001, des Dr. P. Berg vom 19.04.2002 und vom 02.08.2002 sowie des Dr. W. Rupp vom 24.04.2002, des Dr. B. Schliffner vom 21.05.2004 und des Dr. P. Heller vom 07.12.2004 zugrundelegt. Aus diesen ergibt sich, dass der Kläger an Angstzuständen, an einer beidseitigen Schwerhörigkeit und an einer "colitis ulcerosa floride" leidet. Die nach den vorgelegten Attesten weiterhin erforderliche Behandlung des Klägers kann nach den dem Senat zur Verfügung stehenden aktuellen Auskünften in seinem Heimatland erfolgen. Der Senat hat zur Frage der Behandelbarkeit der letztgenannten Erkrankung, einer chronischen Dickdarmschleimhautentzündung, eine Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Belgrad eingeholt. Mit ihrer Stellungnahme vom 12.09.2005 legt die Botschaft dar, dass auch schwere Formen der Erkrankung "colitis ulcerosa" in medizinischen Anstalten in Serbien und Montenegro, z.B. in klinischen Zentren der medizinischen Fakultäten in Belgrad, Novi Sad, Nis, Kragujevac und Podgorica behandelt werden können. Leichtere Krankheitsformen seien auch ambulant bei Ärzten für Allgemeinmedizin behandelbar. Die vom Kläger benötigten Medikamente seien ebenfalls erhältlich.

Bereits in seinem Urteil vom 17.02.2004 hat der Senat dahin erkannt, dass psychische Erkrankungen, insbesondere Angstzustände in Serbien und Montenegro angemessen neuropsychiatrisch behandelt werden können (Hess. VGH, U. v. 17.02.2004 -7 UE 1915/02.A -) An dieser Rechtsprechung hat der Senat seither festgehalten (vgl. Hess. VGH Be. v. 20.01.2005 - 7 TG 3664/04 -; v. 19.01.2005 - 7 TG 3874/04 -; v. 05.10.2004 - 7 TG 2830/04 - u. v. 24.09.2004 - 7 TG 2563/04 -). Soweit die Behandlung aufgrund des in Serbien und Montenegro vorherrschenden medizinischen Ansatzes meist medikamentös erfolgt, genügt diese Behandlungsart grundsätzlich den nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei Anlegung des vorgeschriebenen Gefahrenmaßstabs von Rechts wegen zu stellenden Anforderungen, sofern nicht ausnahmsweise im konkreten Fall eine wesentliche oder sogar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes eintritt (Hess. VGH, Be. v. 06.05.2004 - 7 UZ 2232/03.A -, v. 13.07.2004 - 7 TG 1505/04 -, v. 04.08.2004 - 7 UZ 1646/04.A - und v. 08.11.2004 - 7 TG 2805/04 -). Für einen solchen Fall liegen keine Anhaltspunkte vor, zumal der Kläger nicht einmal wegen seiner Angstzustände hier in Deutschland in einer fachärztlichen Behandlung gestanden hat. Vor allem können die Voraussetzungen für ein gesundheitsbedingtes Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht an deutschen Standards gemessen werden (Hess. VGH, B. v. 14.01.2005 - 7 TG 3523/04 -). Zu berücksichtigen ist vor allem, dass der Kläger nach dem vorliegenden Attest auch in Deutschland überwiegend medikamentös behandelt wird. Dass sich die festgestellte beidseitige erhebliche Reduzierung der Hörfähigkeit durch seine Rückkehr wesentlich verschlechtern könnte, ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden.

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und auf § 83b AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück