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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 25.01.2008
Aktenzeichen: 7 UE 533/06
Rechtsgebiete: HSchG


Vorschriften:

HSchG § 80
1. § 80 HSchG erfasst über die in anderen Bundesländern erworbenen Abschlüsse hinaus auch die Abschlüsse und Berechtigungen, die außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes erworben wurden.

2. § 80 Satz 3 HSchG, nach dem die Anerkennung eines außerhalb des Landes Hessen erworbenen Abschlusses nur versagt werden darf, wenn die Anforderungen an dessen Erwerb den Anforderungen an den Erwerb des entsprechenden hessischen Abschlusses offensichtlich ungleichwertig sind, ist eine Befugnisnorm mit strikt verpflichtendem Inhalt, keine Ermessensnorm.

3. Eine offensichtliche Ungleichwertigkeit der Anforderungen und damit einhergehend der zu vergleichenden Abschlüsse im Sinne des § 80 Satz 3 HSchG liegt vor, wenn zwischen den Bildungsgängen Unterschiede von einem solchen Gewicht bestehen, dass sich eine fehlende Gleichwertigkeit einem unvoreingenommenen und verständigen Betrachter aufdrängt.

4. Die vorgeschriebene Anzahl zu absolvierender Schuljahre ist ein gewichtiges Kriterium bei der Beurteilung der Wertigkeit von Bildungsabschlüssen, wobei in bestimmten Grenzen eine nach Schuljahren kürzere Schulzeit allerdings durch eine höhere Beschulungsintensität und/oder eine besondere Qualität des Lehrpersonals bzw. der Lehre kompensiert werden kann.

5. Individuelle Kenntnisse, Fertigkeiten und Befähigungen, die der Inhaber des außerhessischen Abschlusses nach dem Zeitpunkt seines Schulabschlusses erworben hat, sind beim nach § 80 Satz 3 HSchG vorzunehmenden Vergleich der schulischen Abschlüsse ohne Bedeutung.

6. Aufgrund der besonderen Sachkunde der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen haben von ihr getroffene Bewertungen und tatsächliche Feststellungen sowie von ihr erteilte amtliche Auskünfte bei der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung grundsätzlich erhebliches Gewicht und stehen funktional einer sachverständigen Äußerung gleich.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 UE 533/06

Verkündet am: 25. Januar 2008

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Schulrechts

- Anerkennung eines außerhalb des Landes Hessen erworbenen Abschlusses -

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 7. Senat - durch

Vizepräsidenten des Hess. VGH Dr. Rothaug, Richter am Hess. VGH Schönstädt, Richterin am Hess. VGH Schäfer, ehrenamtlichen Richter Ketter, ehrenamtliche Richterin Neipp

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 19. Januar 2006 - 7 E 1548/03 (1) - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Anerkennung ihres in der Ukraine erworbenen Schulabschlusses als allgemeine Hochschulreife.

Die Klägerin wurde am 17. August 19.. in der Ukraine geboren. Sie besuchte von September 1986 bis Juli 1995 die Mittelschule Nr. 50 in Sewastopol. Dort erlangte sie den Abschluss der "unvollständigen allgemeinen mittleren Bildung". Über diesen Ausbildungsabschnitt liegt eine von der Klägerin eingereichte Kopie des Zeugnisses Nr. ............ vom 15. Juni 1995 vor.

Von September 1995 bis zum Juli 1996 besuchte die Klägerin die "Höhere Schule Nr. 1 - Abendschule II. - III. Stufe" in Sewastopol. Nach einem von der Klägerin vorgelegten Zeugnis des Ministeriums für Volksbildung der Ukraine vom 22. Juni 1996 - OR AC Nr. ......... - erwarb sie dort extern die "vollständige allgemeine mittlere Bildung".

Von September 1996 bis September 1999 studierte die Klägerin an der Hochschule für Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftsrecht der Krim in Sewastopol, ohne einen Abschluss zu erlangen. Über diesen Ausbildungsabschnitt liegt eine von der Klägerin eingereichte "akademische Bescheinigung Nr. ......" des Bildungsministeriums der Ukraine - Hochschule für Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftsrecht der Krim - vom 30. September 1999 vor.

Am 18. September 19.. heiratete die Klägerin einen deutschen Staatsangehörigen und reiste am 10. Dezember 1999 nach Deutschland ein. Am 14. April 20.. und am 17. Dezember 20.. wurden die Kinder der Klägerin geboren. Seit dem 6. Mai 2004 ist sie deutsche Staatsangehörige.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2003 erteilte die Johann Wolfgang Goethe-Universität C-Stadt der Klägerin aufgrund ihrer im Ausland erworbenen Vorbildungsnachweise die fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung zur Aufnahme eines Studiums an Hochschulen des Landes Hessen. Derzeit studiert die Klägerin im 8. Semester Rechtswissenschaften an der Universität C-Stadt.

Bereits mit Schreiben vom 26. Juni 2002 hatte die Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Anerkennung ihres in der Ukraine erworbenen Abschlusses gestellt. Der Beklagte holte eine Stellungnahme der A. in A-Stadt ein. Der dortige Sachbearbeiter - Dr. E. - teilte dem Beklagten mit E-Mail vom 5. Februar 2003 mit, dass die Zuerkennung einer Hochschulreife nicht empfohlen werden könne. Das von der Klägerin extern erworbene Attestat über die vollständige allgemeine mittlere Bildung belege keine zehnjährige Schulbildung. Für die begehrte Zuerkennung müsse zudem die Akkreditierung der Fachrichtung Betriebswirtschaft an der von der Klägerin besuchten privaten Hochschule nachgewiesen sein und ein vertrauenswürdiger Studiennachweis vorliegen.

Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 21. März 2003 ab. Der hiergegen gerichtete Widerspruch wurde mit der Klägerin am 18. Juni 2003 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2003 zurückgewiesen.

Am 8. Juli 2003 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihr in der Ukraine erworbener Abschluss sei dem Abitur gleichwertig. Zumindest liege keine offensichtliche Ungleichwertigkeit vor, die allein den Beklagten nach § 80 des Hessischen Schulgesetzes - HSchG - zur Versagung der Anerkennung ihres Abschlusses als allgemeine Hochschulreife berechtigen würde. Die vom Beklagten zur Prüfung der Gleichwertigkeit herangezogenen Bewertungsvorschläge der A. seien bloße Empfehlungen, keine verbindlichen Rechtssätze.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Staatlichen Schulamtes für den Landkreis Darmstadt-Dieburg und die Stadt Darmstadt vom 21. März 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2003 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, die ausländische Vorbildung der Klägerin als allgemeine Hochschulreife/Abitur anzuerkennen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, eine Anerkennung des Abschlusses der Klägerin als Hochschulreife (für andere Zwecke als zur Aufnahme eines Hochschulstudiums) scheide mangels Gleichwertigkeit der Bildungsabschlüsse aus. Nach den im Internet in der anabin-Datenbank einsehbaren Bewertungsvorschlägen setze die Zuerkennung (selbst) einer fachgebundenen Hochschulzugangsberechtigung u.a. voraus, dass mindestens vier Semester an einer staatlichen Hochschule oder ersatzweise an einer privaten akkreditierten Hochschule belegt worden seien, wobei der belegte Studiengang ebenfalls akkreditiert gewesen sein müsse,

Die von der Klägerin besuchte private Hochschule für Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftsrecht der Krim sei zum Zeitpunkt der Aufnahme des Studiums am 1. September 1996 nicht akkreditiert gewesen. Demzufolge könne der belegte Studiengang im Fachbereich Nr. ........."Betriebswirtschaft" an der Fakultät für "Wirtschaftswissenschaften" der vorgenannten Bildungseinrichtung ebenfalls nicht akkreditiert gewesen sein.

Für die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung (für andere Zwecke als zur Aufnahme eines Hochschulstudiums) ergebe sich aus den Bewertungsvorschlägen, dass die Vorbildungsnachweise der Klägerin als der allgemeinen Hochschulreife gleichwertig nur dann anerkannt werden könnten, wenn das Studium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten (akkreditierten) privaten Hochschule abgeschlossen worden sei. Auch diese Voraussetzung liege im Fall der Klägerin nicht vor.

Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat den Beklagten mit am 26. Januar 2006 zur Geschäftsstelle gelangtem Urteil vom 19. Januar 2006 - 7 E 1548/03 (1) - verpflichtet, die ausländische Vorbildung der Klägerin als allgemeine Hochschulreife/Abitur anzuerkennen. Zugleich ließ es die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, da bisher eine obergerichtliche Entscheidung zu § 80 HSchG nicht vorliege.

Das Zeugnis des Ministeriums für Volksbildung der Ukraine vom 22. Juni 1996 - OR AC Nr. ...... - habe der Klägerin - so das Verwaltungsgericht - in der Ukraine den Zugang zum Studium eröffnet, worauf es gemäß § 80 Satz 1 HSchG für die Anerkennung zunächst ankomme. Versagt werden dürfe die Anerkennung gemäß § 80 Satz 3 HSchG nur, wenn die Anforderungen an den Erwerb des ukrainischen Abschlusses den Anforderungen an den Erwerb des hessischen Abschlusses offensichtlich ungleichwertig seien. Eine solche offensichtliche Ungleichwertigkeit liege nicht vor. Die vom Beklagten herangezogenen Bewertungsvorschläge der A. zu den schulischen Abschlüssen in der Ukraine seien zwar als sog. "antizipiertes Sachverständigengutachten" zu berücksichtigen. Im Fall der Klägerin bestehe aber die Besonderheit, dass sie das ukrainische Schulsystem nicht regulär durchlaufen, sondern den zur Hochschulzugangsqualifikation in der Ukraine erforderlichen Abschluss extern erworben und mit diesem Abschluss ein Studium der Betriebswirtschaft an der Hochschule für Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftsrecht der Krim aufgenommen und von September 1996 bis September 1999 durchgeführt habe. Bei dieser Sachlage könne eine offensichtliche Ungleichwertigkeit der Abschlüsse nicht konstatiert werden, da eine Prüfung der Gleichwertigkeit bzw. Ungleichwertigkeit in die Tiefe gehende Ermittlungen zu den Fragen verlange, in welchem Umfang der Klägerin in der Ukraine Bildungsinhalte zur Erlangung ihres Schulabschlusses vermittelt und ob auch bereits begonnene Studiengänge von der nachfolgenden Akkreditierung erfasst worden seien.

Am 16. Februar 2006 hat der Beklagte Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 19. Januar 2006 - 7 E 1548/03 (1) - eingelegt und mit am 23. März 2006 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom 22. März 2006 begründet, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 19. Januar 2006 - 7 E 1548/03 (1) - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt. Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Klägerin wird auf deren Schriftsätze vom 8. Juni 2007 und vom 3. Januar 2007 (richtig: 2008) Bezug genommen.

Der Berichterstatter hat im vorbereitenden Verfahren durch Einholung amtlicher Auskünfte Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweiserhebung wird auf die Auskünfte der A. vom 7. Mai 2007, vom 22. Oktober 2007, vom 18. Januar 2008 und vom 24. Januar 2008 Bezug genommen.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der Gerichtsakte (2 Bände) sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten (1 Hefter) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO infolge der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 19. Januar 2006 - 7 E 1548/03 (1) - ist abzuändern und die Klage abzuweisen, da nach dem Schulrecht des Landes Hessen ein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung des ukrainischen Attestats über die vollständige allgemeine mittlere Bildung als allgemeine Hochschulreife nicht besteht.

Maßgebliche Rechtsgrundlage für das von der Klägerin verfolgte Begehren ist § 80 des Hessischen Schulgesetzes in der Fassung vom 14. Juni 2005 (GVBl. I S. 441), zuletzt geändert durch Art. 1 des Schulrechtsbereinigungsgesetzes vom 5. Juli 2007 (GVBl. I S. 378) - HSchG - als die schulrechtliche Vorschrift, deren Regelungsgegenstand die Anerkennung von Abschlüssen und Berechtigungen ist, die außerhalb des Landes Hessen erworben wurden.

1. Der Anwendungsbereich dieser schulrechtlichen Norm ist eröffnet. Der Vorbehalt des § 80 Satz 4 HSchG, wonach die Vorschriften des Hochschulgesetzes in der jeweils geltenden Fassung über die Berechtigung zum Studium an einer Hochschule - derzeit § 63 Abs. 2 und 3 des Hessischen Hochschulgesetzes (HHG) in der Fassung vom 31. Juli 2000 (GVBl. I S. 374), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 18. Dezember 2006 (GVBl. I S. 413) - und Staatsverträge unberührt bleiben, greift nicht ein. Insbesondere ist das Begehren der Klägerin, die Inhaberin einer fachgebundenen Hochschulzugangsberechtigung nach dem Hessischen Hochschulgesetz ist, auf eine nach Schulrecht zu beurteilende Anerkennung gerichtet, nämlich auf eine Anerkennung ihres in der Ukraine erworbenen Schulabschlusses als allgemeine Hochschulreife zu anderen Zwecken als zur Aufnahme eines Hochschulstudiums. § 80 HSchG ist auch in sachlicher Hinsicht anwendbar. Denn § 80 HSchG erfasst über die in anderen Bundesländern erworbenen Abschlüsse hinaus auch die Abschlüsse und Berechtigungen, die - wie der Abschluss der Klägerin - außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes erworben wurden (vgl. Schule im Rechtsstaat, Entwurf für ein Landesschulgesetz, Bericht der Kommission Schulrecht des Deutschen Juristentages, 1981, S. 283).

2. In formeller Hinsicht bedürfen die Abschlüsse und Berechtigungen gemäß § 80 Satz 2 HSchG der Anerkennung durch das Kultusministerium, wobei die Anerkennungsbefugnis auf die Schulaufsichtsbehörden übertragen werden kann. In § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Wahrnehmung überregionaler und zentraler Aufgaben durch einzelne Staatliche Schulämter vom 1. Oktober 1997 (ABl. S. 601), geändert durch Verordnung vom 31. Oktober 2002 (ABl. S. 442) wurde die Anerkennungsbefugnis dem im Fall der Klägerin tätig gewordenen Staatlichen Schulamt für den Landkreis Darmstadt-Dieburg und die Stadt Darmstadt übertragen.

3. Inhaltlich ist gemäß § 80 Satz 1 HSchG bei der Bewertung der Abschlüsse und Berechtigungen, die außerhalb des Landes Hessen erworben wurden, von der Bewertung des Landes auszugehen, in dem sie erworben wurden. Die Anerkennung darf - wie § 80 Satz 3 HSchG formuliert - "nur versagt werden, wenn die Anforderungen an den Erwerb der Abschlüsse und Berechtigungen offensichtlich ungleichwertig sind gegenüber den Abschlüssen und Berechtigungen, die durch und aufgrund dieses Gesetzes geregelt sind".

a. Das Attestat über die vollständige allgemeine mittlere Bildung ist der höchste Schulabschluss in der Ukraine. Er gewährt dem Inhaber keinen unmittelbaren Anspruch auf den Hochschulzugang, berechtigt ihn jedoch zur Bewerbung um einen Studienplatz. Die Zulassung zum Studium hängt vom Ergebnis der zu absolvierenden Hochschulaufnahmeprüfung sowie der Zahl der vorhandenen Studienplätze ab. Nach dem Schulwesen der Ukraine ermöglicht das Attestat über die vollständige allgemeine mittlere Bildung mithin in der bezeichneten Weise den Hochschulzugang und entspricht insoweit der Hochschulreife nach hessischem Recht (vgl. § 63 Abs. 2 HHG).

Bei der Tatsachenfeststellung, die der Senat dieser rechtlichen Würdigung und seinen weiteren rechtlichen Bewertungen zu Grunde legt, zieht er die im vorbereitenden Verfahren eingeholten amtlichen Auskünfte der A. als Erkenntnisquellen heran. Die A., die im Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland angesiedelt ist, hat als wesentliche Aufgabe die Bewertung und Einstufung ausländischer Bildungsnachweise. Zu diesem Zweck arbeitet die A. mit einer Vielzahl in- und ausländischer Behörden und Institutionen zusammen, insbesondere auch mit den nationalen Äquivalenzzentren der Mitglieder des Europarats und der Europäischen Union. Aufgrund der besonderen Sachkunde der A. haben von ihr getroffene Bewertungen und tatsächliche Feststellungen sowie von ihr erteilte amtliche Auskünfte bei der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung grundsätzlich erhebliches Gewicht und stehen funktional einer sachverständigen Äußerung gleich (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Oktober 2000 - 9 S 2236/00 - ESVGH 51, 46; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2: Prüfungsrecht, 4. Aufl. 2004, S. 10f.). Von diesem Grundsatz im konkreten Fall abzuweichen, sieht der Senat keinen Anlass. Das Vorbringen der Klägerin begründet weder durchgreifende Zweifel des Senats an der Unvoreingenommenheit des Herrn Dr. E. als des Erstellers der Auskünfte noch an der Richtigkeit der in den Auskünften getroffenen Aussagen. Der Umstand, dass die A. und dort Dr. E. als der zuständige Sachbearbeiter bereits vom Beklagten im behördlichen Verfahren zur Sachverhaltsaufklärung herangezogen wurde, ist nicht geeignet, ernsthafte Bedenken gegen die Neutralität des Auskunftserstellers auszulösen. Denn wesentliche Aufgabe der A. ist es gerade auch, beratende und informatorische Dienstleistungen für die mit der Anerkennung ausländischer Bildungsnachweise befassten deutschen Behörden zu erbringen. Eine der Aufgabenstellung der Behörde entsprechende Unterstützungsleistung für eine andere Stelle aber rechtfertigt für sich genommen nicht die Besorgnis der Befangenheit des tätig gewordenen Bediensteten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. März 1995 - BVerwG 5 B 26.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 267). Ebenso wenig lässt bei objektiver Betrachtung die Art und Weise der Auskunftserteilung durch Herrn Dr. E. im behördlichen und gerichtlichen Verfahren den Schluss auf eine gegenüber der Klägerin voreingenommene und parteiische Haltung zu, die einer Verwertung der Auskünfte entgegenstehen würde oder zumindest bei deren Bewertung zu berücksichtigen wäre. Allein der Gesichtspunkt, dass die Klägerin Bewertungen in den von Dr. E. erstellten Auskünften der A. nicht teilt, ist nicht geeignet, Misstrauen gegen die Neutralität des Bediensteten zu wecken.

b. Eine Versagung der von der Klägerin begehrten Anerkennung nach § 80 Satz 3 HSchG - bei dem es sich um eine Befugnisnorm mit strikt verpflichtendem Inhalt, nicht um eine Ermessensnorm handelt - setzt voraus, dass die Anforderungen an den Erwerb des Attestats über die vollständige allgemeine mittlere Bildung in der Ukraine gegenüber den Anforderungen an den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife nach hessischem Recht ungleichwertig sind und diese Ungleichwertigkeit zudem offensichtlich ist.

Eine solche Feststellung erfordert zunächst die Prüfung, welche Anforderungen der hessische Abschluss voraussetzt, dem der außerhalb des Landes Hessen erworbene durch die Anerkennung gleichgestellt werden soll. Für die - im Fall der Klägerin relevante - allgemeine Hochschulreife sind diese Anforderungen insbesondere den §§ 29 ff. HSchG sowie der Verordnung über die Bildungsgänge und die Abiturprüfung in der gymnasialen Oberstufe und dem beruflichen Gymnasium (VOGO/BG) vom 19. September 1998 (ABl. S. 734), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. September 2007 (ABl. S. 643) zu entnehmen. Den dort aufgestellten Anforderungen sind sodann die Voraussetzungen für den Erwerb des ausländischen Abschlusses - hier des ukrainischen Attestats über die vollständige allgemeine mittlere Bildung - gegenüberzustellen. Bei dem durchzuführenden Vergleich sind vornehmlich in den Blick zu nehmen die Ziele der jeweiligen Bildungsgänge, deren Bildungsinhalte sowie die Wirksamkeit der Vermittlung der Bildungsgegenstände. Für die Wirksamkeit der Vermittlung der Bildungsgegenstände sind insbesondere die Dauer der Beschulung, die Ausbildung der Lehrkräfte, die Didaktik und die Leistungskontrollen von Bedeutung (vgl. zu den Kriterien bei der Prüfung der Gleichwertigkeit ausländischer Bildungsabschlüsse: BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1993 - BVerwG 3 C 64.90 - BVerwGE 92, 88; Urteil vom 27. April 1995 - BVerwG 3 C 23.93 - BVerwGE 98, 180 und Urteil vom 29. August 1996 - BVerwG 3 C 19.94 - BVerwGE 102, 44).

Eine offensichtliche Ungleichwertigkeit der Anforderungen und damit einhergehend der zu vergleichenden Abschlüsse liegt vor, wenn zwischen den Bildungsgängen Unterschiede von einem solchen Gewicht bestehen, dass sich eine fehlende Gleichwertigkeit einem unvoreingenommenen und verständigen Betrachter aufdrängt.

Nach diesem bei der Anwendung des § 80 Satz 3 HSchG anzulegenden Maßstab ist der ukrainische Bildungsabschluss des Attestats über die vollständige allgemeine mittlere Bildung dem hessischen Bildungsabschluss der allgemeinen Hochschulreife offensichtlich nicht gleichwertig.

aa. Der Erwerb der allgemeinen Hochschulreife in Hessen erfolgt grundsätzlich in folgendem Rahmen:

Die allgemeine Hochschulreife wird nach § 31 Abs. 6 HSchG mit der erfolgreich abgelegten Abiturprüfung als Abschluss der gymnasialen Oberstufe (Bildungsgang der Sekundarstufe II) erworben. Deren Ziel ist nach § 30 Satz 1 HSchG, den Schülern den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife zu ermöglichen, sie aber auch in die Lage zu versetzen, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten unmittelbar in berufliche Ausbildung und Tätigkeit einzubringen. Die allgemeine Hochschulreife berechtigt nach § 63 Abs. 2 Sätze 1 und 2 HHG zum Studium an allen Hochschulen, also Universitäten, Kunst- und Fachhochschulen (vgl. § 2 HHG). Ein Erwerb der allgemeinen Hochschulreife ohne erfolgreiche Ablegung der Abiturprüfung ist im hessischen Recht nicht vorgesehen.

Die gymnasiale Oberstufe gliedert sich in die einjährige Einführungsphase und die zweijährige Qualifikationsphase (§ 31 Abs. 1 HSchG). Ihr Besuch dauert demzufolge grundsätzlich drei Jahre. Nach § 31 Abs. 4 HSchG beträgt die Mindestdauer zwei Jahre und in der Regel die maximale Besuchsdauer vier Jahre. Die zur allgemeinen Hochschulreife führende gymnasiale Oberstufe schließt an die Bildungsgänge der Mittelstufe (Sekundarstufe I) an, die dazu befähigen, den Bildungsweg im studienqualifizierenden Bildungsgang der gymnasialen Oberstufe fortzusetzen. Die entsprechenden Bildungsgänge der Mittelstufe umfassen regelmäßig die Jahrgangsstufen 5 bis 9 bzw. 5 bis 10 (vgl. §§ 24 Abs. 2, 25 Abs. 2 HSchG). Der Mittelstufe ist die aus den Jahrgangsstufen 1 bis 4 bestehende Grundstufe (Primarstufe) vorgeschaltet.

Gegenstandsbereiche des Unterrichts in Grundstufe, Mittelstufe und Oberstufe sind im Überblick in § 5 HSchG dargestellt.

In der gymnasialen Oberstufe sind die Unterrichtsfächer mit Ausnahme des Faches Sport in drei Aufgabenfelder zusammengefasst, und zwar das sprachlich-literarisch-künstlerische, das gesellschaftswissenschaftliche sowie das mathematisch-naturwissenschaftlich-technische Aufgabenfeld (§ 32 HSchG). In der - grundsätzlich zweijährigen - Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe haben die Schüler durchgehend Unterricht mindestens in Deutsch, einer fortgeführten Fremdsprache, Geschichte, Mathematik, einer Naturwissenschaft, Religion und in der Regel in Sport zu belegen (§ 34 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz HSchG). Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 HSchG ist der Unterricht in Kunst oder Musik, in Politik und Wirtschaft, einer weiteren Fremdsprache, einer weiteren Naturwissenschaft oder Informatik mindestens in zwei Schulhalbjahren zu besuchen.

Die Unterrichtsfächer, die bis zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife insgesamt zu durchlaufen sind, ergeben sich im Detail aus der Verordnung über die Stundentafeln für die Primarstufe und die Sekundarstufe I vom 20. Dezember 2006 (ABl. 2007, S. 2) - StundentafelnVO -, im Bereich der Sekundarstufe II aus §§ 32 ff. HSchG sowie den Anlagen 6 und 7 zur VOGO/BG.

Die Vermittlung des Lernstoffs in Grund-, Mittel- und gymnasialer Oberstufe erfolgt in der Regel an fünf Wochentagen in der Woche (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 HSchG; § 1 Abs. 1 StundentafelnVO). Im Einzelnen lässt sich die zeitliche Intensität der Beschulung, namentlich die Zahl der vorgesehenen wöchentlichen Unterrichtsstunden, in Grundstufe, Mittelstufe sowie der gymnasialen Oberstufe den bereits genannten Stundentafeln und Belegverpflichtungen entnehmen. Das Schuljahr beginnt gemäß § 57 HSchG am 1. August und endet am 31. Juli des folgenden Kalenderjahres. Unter Berücksichtigung der Ferien im Umfang von 75 Werktagen (Tage von Montag bis Samstag) im Schuljahr findet Unterricht ca. neun Monate oder etwa 39 Unterrichtswochen pro Schuljahr statt. Die Dauer der Unterrichtsstunden beträgt in Grund-, Mittel- und gymnasialer Oberstufe grundsätzlich 45 Minuten (vgl. § 1 Abs. 2 StundentafelnVO)

Die Ausbildung der Lehrkräfte in Hessen ist im Hessischen Lehrerbildungsgesetz vom 29. November 2004 (GVBl. I S. 330), geändert durch Art. 3 Schulrechtsbereinigungsgesetz vom 5. Juli 2007 (GVBl. I S. 378) - LeBildG - geregelt. Die Lehrerausbildung ist danach in zwei Phasen gegliedert: das Lehramtsstudium an einer Universität oder Kunst- oder Musikhochschule und den pädagogischen Vorbereitungsdienst an Studienseminaren für die verschiedenen Lehrämter (vgl. § 3 Abs. 1 LeBildG). Das Lehrerbildungsgesetz setzt für die Wahrnehmung des Lehramtes in Schulformen, die bis zur allgemeinen Hochschulreife zu durchlaufen sind, das Studium von mindestens zwei Unterrichtsfächern voraus (vgl. §§ 10 ff. LeBildG). Sowohl das Lehramtsstudium als auch der pädagogische Vorbereitungsdienst werden mit Staatsprüfungen abgeschlossen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 LeBildG).

bb. Der Erwerb des ukrainischen Attestats über die vollständige allgemeine mittlere Bildung vollzieht sich regelmäßig in folgendem Rahmen:

Das Attestat über die vollständige allgemeine mittlere Bildung schließt die Oberstufe als die dritte Stufe allgemeinbildender Schulen ab. Die Erteilung des Attestats setzt grundsätzlich erfolgreiche Abschlussprüfungen in fünf Unterrichtsfächern voraus. Es besteht allerdings die Möglichkeit sich vom Erfordernis, Abschlussprüfungen abzulegen, aus gesundheitlichen Gründen befreien zu lassen.

Der Bildungsweg zum Attestat über die vollständige allgemeine mittlere Bildung setzt grundsätzlich das Absolvieren der drei Stufen allgemeinbildender Schulen voraus. Die erste Stufe - die Grundschule - konnte jedenfalls bis zum Jahr 2001 in zwei Varianten durchlaufen werden: Die traditionelle Variante umfasste drei Schuljahre, die Einschulung erfolgte regelmäßig im Alter von sieben Jahren. Die moderne - seit dem Jahr 2001 einheitlich vorgesehene - Variante umfasst vier Schuljahre, wobei die Einschulung regelmäßig mit sechs Jahren erfolgt. Die zweite Stufe allgemeinbildender Schulen - die Basisschule - umfasst die Jahrgangsstufen 5 bis 9, die dritte Stufe - die Oberschule - die Jahrgangsstufen 10 bis 11.

Wegen der Unterrichtsfächer in den Stufen der allgemeinbildenden Schulen wird auf die Aufstellungen auf den Seiten 2 und 4 der amtlichen Auskunft der A. vom 22. Oktober 2007 Bezug genommen.

Die Vermittlung des Lernstoffs in allen Stufen der allgemeinbildenden Schulen erfolgt überwiegend an Halbtagsschulen im Rahmen einer 5- oder 6-Tage-Woche. Die Zahl der maximal zulässigen wöchentlichen Unterrichtsstunden ist auf der Seite 7 der amtlichen Auskunft der A. vom 22. Oktober 2007 und auf Seite 1 von deren amtlicher Auskunft vom 24. Januar 2008 mitgeteilt, auf die verwiesen wird.

Das in zwei Semester (Schulhalbjahre) gegliederte Schuljahr beginnt am 1. September eines Jahres und endet spätestens am 1. Juli des Folgejahres. Unter Berücksichtigung der Ferien findet Unterricht ca. neun Monate oder etwa 38 Unterrichtswochen pro Schuljahr statt, wobei Prüfungszeiten nicht eingerechnet sind. Die Dauer einer Unterrichtsstunde beträgt 35 Minuten in der ersten Jahrgangsstufe, 40 Minuten in den Jahrgangsstufen 2 bis 4 und 45 Minuten in den Jahrgangsstufen 5 bis 11.

Die Ausbildung der Lehrkräfte in der Ukraine erfolgt an Hochschulen sowie an (pädagogischen) Fachschulen, wobei die Lehrerausbildung an Fachschulen auch auf der Grundlage der sog. unvollständigen allgemeinen mittleren Bildung möglich ist. In der Oberstufe dürfen nur Lehrer mit Hochschulausbildung unterrichten. Vielfach haben die Lehrkräfte nur ein Unterrichtsfach studiert. Beim Studium zweier Unterrichtsfächer sind diese nicht gleichwertig, sondern stehen im Verhältnis Haupt- und Nebenfach (Ergänzungsfach). Einen pädagogischen Vorbereitungsdienst kennt die Ausbildung der Lehrkräfte in der Ukraine nicht.

cc. Der Vergleich des ukrainischen Attestats über die vollständige allgemeine mittlere Bildung mit der hessischen allgemeinen Hochschulreife bzw. der Vergleich der jeweiligen Anforderungen an den Erwerb dieser Bildungsabschlüsse ergibt folgende Unterschiede, die eine Gleichwertigkeit der Abschlüsse ausschließen:

Während der hessische Bildungsabschluss der allgemeinen Hochschulreife - entsprechend der Zielsetzung der gymnasialen Oberstufe (§ 30 HSchG, § 2 VOGO/BG) - zum Studium an allen Hochschulen berechtigt, setzt der Hochschulzugang in der Ukraine zusätzlich zum Attestat über die vollständige allgemeine mittlere Bildung das (erfolgreiche) Absolvieren einer Hochschulaufnahmeprüfung voraus. Die sich hierin zeigende Divergenz der Wertigkeit beider Bildungsabschlüsse (vgl. zum Erfordernis einer zusätzlichen Hochschulaufnahmeprüfung als Merkmal der Ungleichwertigkeit: OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11. September 1997 - 3 L 267/95 - juris) findet zudem Ausdruck in dem Umstand, dass der ukrainische Abschluss in bestimmten Fällen - anders als der hessische Abschluss - ohne die Durchführung von Abschlussprüfungen erteilt werden kann.

Die fehlende Gleichwertigkeit der zu vergleichenden Abschlüsse wird ferner durch die unterschiedliche Dauer der Beschulung begründet. Bis zur allgemeinen Hochschulreife hat der hessische Schüler 13 bzw. - mit intensiverem Unterricht in der Mittelstufe - 12 Schuljahre zu durchlaufen. Die Anzahl der bis zum Erwerb des Attestats über die vollständige allgemeine mittlere Bildung zu absolvierenden Schuljahre beläuft sich demgegenüber auf 11. Zu der Zeit, in der die Klägerin die Schule besuchte, war der reguläre Erwerb des Attestats über die vollständige allgemeine mittlere Bildung faktisch auch nach 10 Schuljahren möglich. Die vorgeschriebene Anzahl zu absolvierender Schuljahre ist ein gewichtiges Kriterium bei der Beurteilung der Wertigkeit von Bildungsabschlüssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1993, a. a. O.; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11. September 1997, a. a. O.). In bestimmten Grenzen kann eine nach Schuljahren kürzere Schulzeit allerdings durch eine höhere Beschulungsintensität und/oder eine besondere Qualität des Lehrpersonals bzw. der Lehre kompensiert werden. Eine solche Kompensation ist indes für die schulische Ausbildung in der Ukraine, die zum Erwerb des Attestats über die vollständige allgemeine mittlere Bildung führt, nicht feststellbar. Im Hinblick auf die Anzahl der Monate bzw. Wochen, in denen Unterricht stattfindet, bestehen keine relevanten Unterschiede zur Situation in Hessen. Gleiches gilt für die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden in den Jahrgangsstufen (Klassen) 1 bis 11. Die Dauer einer Unterrichtsstunde ist in der Ukraine in der Grundstufe sogar geringer: Während sie in Hessen in allen Jahrgangsstufen 45 Minuten beträgt, umfasst sie in der Ukraine 35 Minuten in der 1. Klasse und 40 Minuten in den Klassen 2 bis 4. Die Qualität der Lehrkräfte und der Lehre in der Ukraine gleichen die im Verhältnis zu Hessen kürzere Schulzeit gleichfalls nicht aus. Vielmehr ist die Ausbildung der Lehrkräfte in Hessen - sowohl was die fachliche als auch die pädagogisch-didaktische Seite anbelangt - umfangreicher und damit der ukrainischen Lehrerausbildung mindestens gleichwertig.

Mittelbar bestätigt auch die in der Ukraine beabsichtigte Verlängerung der Schuldauer auf den europäischen Durchschnitt von zwölf Jahren eine aufgrund der kürzeren Schuldauer bestehende Ungleichwertigkeit des Attestats über die vollständige allgemeine mittlere Bildung gegenüber der hessischen allgemeinen Hochschulreife. Zumindest Indizwirkung für eine Ungleichwertigkeit kommt schließlich dem von der A. in der amtlichen Auskunft vom 7. Mai 2007 dargelegten Umstand zu, dass die Hochschulaufnahmeprüfungen in der Ukraine sich am Lehrprogramm der allgemeinbildenden Mittelschule orientieren und dass die beispielhaft angeführte, den Bereich der Mathematik betreffende Hochschulaufnahmeprüfung sich auf Lehrstoff bezieht, der in Deutschland in den Jahrgangsstufen 10 bzw. 11 vermittelt wird.

dd. Die sich aus den dargelegten Unterschieden ergebende Ungleichwertigkeit der Bildungsabschlüsse ist auch offensichtlich. Die Unterschiede betreffen nämlich nicht vernachlässigenswerte Details oder Äußerlichkeiten, sondern mit den an den jeweiligen Abschluss anknüpfenden Berechtigungen und der Dauer, Intensität und Qualität der Beschulung Umstände, die für die Wertigkeit der Ausbildungsgänge und -abschlüsse von zentraler Bedeutung sind.

Die von der Klägerin bzw. vom Verwaltungsgericht gegen eine offensichtliche Ungleichwertigkeit des Attestats über die vollständige allgemeine mittlere Bildung mit der hessischen allgemeinen Hochschulreife angeführten Argumente tragen demgegenüber nach Auffassung des erkennenden Senats nicht.

Studienleistungen, die die Klägerin nach Erwerb des Attestats erbracht hat, sind für die nach § 80 Satz 3 HSchG vorzunehmende Beurteilung der Gleich- bzw. Ungleichwertigkeit dieses ukrainischen Schulabschlusses mit der hessischen allgemeinen Hochschulreife unerheblich. Für die schulrechtliche Anerkennung eines außerhalb des Landes Hessen erworbenen Abschlusses kommt es nach dem Versagungstatbestand des § 80 Satz 3 HSchG allein darauf an, dass die Anforderungen an den Erwerb dieses Abschlusses nicht offensichtlich ungleichwertig sind gegenüber den Anforderungen an den Erwerb des hessischen Abschlusses, auf den sich das Anerkennungsbegehren bezieht. Für diesen objektiven Vergleich der schulischen Abschlüsse sind individuelle Kenntnisse, Fertigkeiten und Befähigungen des Inhabers des außerhessischen Abschlusses bereits ohne Bedeutung, wenn sie im Zeitpunkt des Schulabschlusses vorlagen. Erst recht gilt dies, wenn sie nach dem Zeitpunkt des Schulabschlusses erworben wurden.

Die Unerheblichkeit der von der Klägerin nach Erwerb des Attestats erbrachten Studienleistungen hat zudem zur Folge, dass auch aus inhaltlichen Gründen keine Rückschlüsse aus der auf § 63 HHG beruhenden Erteilung der fachgebundenen Hochschulzugangsberechtigung an die Klägerin durch die Johann-Wolfgang-Goethe Universität C-Stadt für die schulrechtliche Anerkennung gezogen werden können. Denn bei der hochschulrechtlichen Hochschulzugangsberechtigung haben die Studienleistungen der Klägerin nach Erwerb des Attestats Berücksichtigung gefunden. Eine formale Bindungswirkung entfaltet die hochschulrechtliche Hochschulzugangsberechtigung für die nach § 80 HSchG zu treffende schulrechtliche Anerkennungsentscheidung ohnehin nicht.

Entgegen der vom Verwaltungsgericht und von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung stellt das Merkmal der "offensichtlichen Ungleichwertigkeit" im Versagungstatbestand des § 80 Satz 3 HSchG ferner keine Regelung der Beweis- oder gar Darlegungslast dar, die unmittelbar die behördliche und gerichtliche Aufklärungspflicht limitiert. Vielmehr wird durch die Beschränkung des Versagungstatbestandes auf die offensichtliche Ungleichwertigkeit der Anforderungen bzw. Abschlüsse der rechtliche Prüfungsmaßstab dergestalt konturiert, dass nur schwerwiegende und damit augenfällige Unterschiede zwischen dem in einem anderen Land erworbenen und dem hessischen Abschluss eine Ablehnung der Anerkennung rechtfertigen (vgl. Schule im Rechtsstaat, a.a.O., S. 282 f.). Die Sachverhaltsaufklärung, die für die Feststellung solcher Unterschiede erforderlich ist, folgt demgegenüber den allgemeinen Regeln des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (§ 24 HVwVfG) bzw. der Verwaltungsgerichtsordnung (§ 86 Abs. 1 VwGO). Zu einer Entscheidung nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast (Feststellungslast) kommt es auch in diesem Zusammenhang erst nach Erschöpfung der Aufklärungsmöglichkeiten. Dann allerdings trifft die Feststellungslast den Behördenträger, da es sich bei § 80 Satz 3 HSchG um einen Versagungstatbestand handelt.

Die im Schriftsatz der Klägerin vom 3. Januar 2007 (richtig: 2008) geäußerte Auffassung, mangels Zuständigkeit des Bildungsministeriums der Ukraine für die Schulen der Krim könnten dessen Verlautbarungen bei der gerichtlichen Prüfung ihres Anerkennungsbegehrens nicht verwendet werden, teilt der Senat nicht. Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines ukrainischen Abschlusses, dessen Wertigkeit nach den Anforderungen zu bemessen ist, die das den Abschluss erteilende Land - die Ukraine - allgemein stellt.

Die den Vergleich zwischen dem ukrainischen Attestat und der (hessischen) allgemeinen Hochschulreife betreffende Behauptung der Klägerin, ausweislich der PISA-Studie der OECD sei das deutsche Abitur im internationalen Vergleich minderwertig, trifft nicht zu. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verfolgt mit den internationalen Schulleistungsuntersuchungen (PISA: Programme for International Student Assessment [Programm zur Internationen Schülerbewertung]) die Zielsetzung, den Teilnehmerstaaten Indikatoren für Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern in den Bereichen Leseverständnis, Mathematik und Naturwissenschaften zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus werden bereichsübergreifende Basiskompetenzen, die für methodisches, selbstreguliertes und kooperatives Lernen bzw. Arbeiten notwendig sind, sowie zentrale motivationale Kennwerte erfasst. Die Ergebnisse werden unter Berücksichtigung soziodemographischer Merkmale von Schülern und Schulen sowie der Lerngelegenheiten und Instruktionsprozesse in Schulen interpretiert. Im Jahr 2000 wurden die Bereiche Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften erfasst, wobei die Lesekompetenz die Hauptkomponente bildete. Im Jahr 2003 lag der Schwerpunkt bei der Mathematik, im Jahr 2006 bei den Naturwissenschaften. Vor diesem Hintergrund und entsprechend ihrer Zielsetzung enthält keine der PISA-Studien die - undifferenzierte - Bewertung, das deutsche Abitur sei im internationalen Vergleich minderwertig.

Der nach Auffassung des Senats offensichtlichen Ungleichwertigkeit des Attestats über die vollständige allgemeine mittlere Bildung kann schließlich auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die geringere Beschulungsdauer in der Ukraine durch die dortige vorschulische Erziehung im Kindergarten kompensiert werde. Die Vermittlung der kulturellen Grundfertigkeiten des Lesens und des Schreibens ist in der Ukraine - wie in Hessen - zentrale Aufgabe der Grundschulen, nicht einer vorschulischen Erziehung. Für eine reguläre Vermittlung von Lese- und Schreibfertigkeiten im Kindergarten, auf die der Unterricht in der ukrainischen Grundschule planmäßig aufbaut, fehlt ein greifbarer Anhaltspunkt. Vielmehr bestätigt die hohe Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden im Fach Ukrainisch, dass die Grundschule keinen bereits erreichten Stand der Lese- und Schreibefähigkeit voraussetzt (vgl. Auskunft der A. vom 22. Oktober 2007, S. 9, 10).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG i. V. m. §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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