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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.10.2008
Aktenzeichen: 7 UZ 2137/07
Rechtsgebiete: HSchG, HVwVfG


Vorschriften:

HSchG § 82 Abs. 2
HSchG § 93 Abs. 3
HVwVfG § 45 Abs. 1 Nr. 3
1. Ordnungsmaßnahmen nach § 82 Abs. 2 HSchG stellen keine pädagogischen Bewertungen bzw. unterrichtlichen oder erzieherischen Entscheidungen und Maßnahmen im Sinne des § 92 Abs. 3 HSchG dar, bei denen die staatliche Schulaufsicht auf die Überprüfung bestimmter Fehler beschränkt ist.

2. Das Staatliche Schulamt kann als Widerspruchsbehörde die formelle Rechtswidrigkeit einer vom Schulleiter erlassenen Ordnungsmaßnahme, die auf dem Fehlen einer ordnungsgemäßen Anhörung beruht, durch Nachholung der Anhörung im Vorverfahren heilen.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

7 UZ 2137/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Schulrechts - schulische Ordnungsmaßnahme -

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 7. Senat - durch

Vizepräsidenten des Hess. VGH Dr. Rothaug, Richter am Hess. VGH Schönstädt, Richterin am Hess. VGH Schäfer

am 24. Oktober 2008 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 13. August 2007 - 5 E 1691/06 (2) - wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Antragsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen eine schulische Ordnungsmaßnahme.

Der am ... 19xx geborene Kläger besuchte im Schuljahr 2005/2006 die Klasse 10b der Musterschule, Gymnasium, in A-Stadt.

Mit Schreiben vom 9. Januar 2006 wurde für den 23. Januar 2006 zur Klassenkonferenz 10b "bezüglich des Fehlverhaltens von A." eingeladen. Die Klassenkonferenz beschloss auf Initiative der Klassenlehrerin, beim Schulleiter im Hinblick auf den Kläger die Ordnungsmaßnahme der Androhung der Zuweisung in eine Parallelklasse zu beantragen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Klassenkonferenz 10b am 23. Januar 2006, das am 25. Januar 2006 erstellt wurde, Bezug genommen.

Der Schulleiter der Musterschule informierte die Eltern des Klägers mit "Anhörungsbescheid" vom 25. Januar 2006 über die von der Klassenkonferenz beantragte Ordnungsmaßnahme und gab ihnen unter Fristsetzung bis zum 10. Februar 2006 Gelegenheit, sich zu den gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen zu äußern. Der Bevollmächtigte des Klägers nahm mit Schriftsatz vom 10. Februar 2006, der auf dem Postweg am 14. Februar 2006 bei der Musterschule einging, zur beabsichtigten Ordnungsmaßnahme Stellung.

Auf dem Schriftsatz vom 10. Februar 2006 ist über dem Adressatenfeld "Per Telefax vorab: (069) ..." vermerkt. Bei den Schulakten befindet sich eine Kopie des sieben Seiten umfassenden Schriftsatzes vom 10. Februar 2006, bei der hinter diesem Vermerk handschriftlich "(10.02.06)" eingetragen ist. Der Klägerbevollmächtigte hat im erstinstanzlichen Verfahren zudem ein Faxprotokoll vom 10. Februar 2006 eingereicht, dass die erfolgreiche Übermittlung von sieben Seiten an die Faxadresse der Musterschule um 11.22 Uhr dieses Tages anzeigt.

Im Schriftsatz vom 10. Februar 2006 wird eine Verletzung des Elternrechts mit der Begründung gerügt, der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Kläger sei in Kenntnis des entgegenstehenden Willens seiner Eltern zur Teilnahme an der Klassenkonferenz gezwungen worden. Darüber hinaus weise das Protokoll der Klassenkonferenz formelle Defizite auf, und es fehle materiell an den Voraussetzungen für die beabsichtigte Androhung der Zuweisung in die Parallelklasse. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 10. Februar 2006 Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 14. Februar 2006 drohte die stellvertretende Schulleiterin der Musterschule dem Kläger die Zuweisung in eine Parallelklasse an. Zur Begründung heißt es im Bescheid vom 14. Februar 2006:

"Bereits mit Anhörungsbescheid vom 25. Januar 2006 wurden Ihnen die Gründe für die Einleitung des Schulordnungsverfahrens mitgeteilt und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 10. Februar 2006 gegeben. Von dieser Möglichkeit haben Sie, Frau A. und Herr B., allerdings keinen Gebrauch gemacht.

Die Androhung der Zuweisung an eine Parallelklasse wird nunmehr aus den zutreffenden im Anhörungsbescheid bereits genannten Gründen ausgesprochen."

Mit an die Musterschule adressiertem Schreiben vom 21. Februar 2006 legte der Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch gegen die Ordnungsmaßnahme ein, die er u. a. damit begründete, die Verhängung der Ordnungsmaßnahme sei mangels Berücksichtigung seiner Ausführungen im Schreiben vom 10. Februar 2006 ermessensfehlerhaft. Die Schulleiterin der Musterschule bestätigte gegenüber dem Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 28. Februar 2006 den Eingang dessen Widerspruchs vom "19.02.2006" (richtig: 21. Februar 2006) und teilte mit, dass beide Vorgänge an das Staatliche Schulamt zur weiteren Bearbeitung übergeben worden seien. Das Staatliche Schulamt für die Stadt Frankfurt informierte den Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 7. März 2006 darüber, dass der Widerspruch gegen die Ordnungsmaßnahme vom 14. Februar 2006 zur Entscheidung vorliege. Das Staatliche Schulamt habe mit der Schulleiterin die Anregungen aus dem "Bezugsschreiben" (Widerspruch vom 21. Februar 2006) erörtert. Die stellvertretende Schulleiterin der Musterschule ergänzte mit an das Staatliche Schulamt gerichtetem Schreiben vom 14. März 2006 das Protokoll der Klassenkonferenz vom 23. Januar 2006. Die Schulleiterin führte im Schreiben vom 14. März 2006 aus, wie besprochen gebe sie nach Rücksprache mit Kollegen, die im fraglichen Zeitraum unterrichtet hätten, Auskunft über dessen im Protokoll der Klassenkonferenz vom 23. Januar 2006 nur knapp beschriebenes Verhalten im Unterricht. Die Kollegen B. und M. seien letzte Woche abwesend gewesen und hätten nicht befragt werden können. Herr S. habe mitgeteilt, dass durch Zwischenrufe und unaufgefordertes Reden fast jede Deutsch-Stunde störe, dass er im Deutsch-Unterricht, im Musik-Unterricht, in der Perkussionsgruppe und auch außerhalb dieser Veranstaltungen häufig ermahnt, aber nur geringe Änderungen des Verhaltens bemerkt habe. Dem Schreiben der Schulleiterin vom 14. März 2006 waren Berichte der den Kläger unterrichtenden Lehrer B., H., L., S. und Dr. S. beigefügt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Das Staatliche Schulamt für die Stadt Frankfurt wies mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2006 den Widerspruch zurück. Die getroffene Ordnungsmaßnahme sei auf der Grundlage des § 82 Abs. 2 Nr. 3 des Hessischen Schulgesetzes - HSchG - formell und materiell rechtmäßig. Soweit ein Anhörungsmangel vorgelegen habe, sei dieser jedenfalls nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - HVwVfG - geheilt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2006 Bezug genommen.

Die am 3. Mai 2006 erhobene Anfechtungsklage des Klägers wies das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 13. August 2007 - 5 E 1691/06 (2) - ab. Die zunächst wegen unterbliebener Berücksichtigung des Schreibens des Klägers vom 10. Februar 2006 formell defizitäre und ermessensfehlerhaft erlassene Ordnungsmaßnahme sei - so das Verwaltungsgericht - dadurch rechtmäßig geworden, dass die Schulleiterin in Kenntnis des Schriftsatzes des Klägers vom 10. Februar 2006 und nach Einholung weiterer Stellungnahmen der unterrichtenden Lehrer an ihrer Entscheidung festgehalten habe, was im Schreiben vom 14. März 2006 an das Staatliche Schulamt zum Ausdruck gekommen sei. In materieller Hinsicht sei die verhängte Ordnungsmaßnahme gleichfalls nicht zu bestanden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, das dem Kläger am 24. August 2007 zugestellt worden ist, Bezug genommen.

Am 24. September 2007 hat der Kläger den Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und begründet.

Der Kläger macht die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung sowie des entscheidungserheblichen Verfahrensmangels geltend.

Die Argumentation des Verwaltungsgerichts, wonach die stellvertretende Schulleiterin nach Kenntnisnahme des Schriftsatzes vom 10. Februar 2006 und nach Einholung ergänzender Stellungnahmen der den Kläger unterrichtenden Lehrer an der Ordnungsmaßnahme festgehalten und dies gegenüber dem Staatlichen Schulamt durch das Schreiben vom 14. März 2006 an das Staatliche Schulamt zum Ausdruck gebracht habe, begegne - so der Kläger - nicht nur durchgreifenden Zweifeln, sie überschreite auch die Grenze zur willkürlichen Sachverhaltsfeststellung. Zunächst erweise sich die Entscheidung als überraschend, weil unter Zugrundelegung dieser Argumentation der Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung bzw. die Bitte um Übersendung des Faxberichts betreffend die Übermittlung des Schreibens vom 10. Februar 2006 völlig überflüssig gewesen sei. Das Schreiben der stellvertretenden Schulleiterin an das Staatliche Schulamt vom 14. März 2006 sei dem Berichterstatter bereits von Anfang an bekannt gewesen. Ferner sei in keiner Weise ersichtlich, wie dem Schreiben der stellvertretenden Schulleiterin vom 14. März 2006 entnommen werden könne, sie habe unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers in dessen Schreiben vom 10. Februar 2006 an der ausgesprochenen Ordnungsmaßnahme festhalten wollen.

Vorsorglich werde der Zulassungsantrag auch darauf gestützt, dass der Sachverhalt unter Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) und unter Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 VwGO) aktenwidrig und überraschend festgestellt worden sei. Die Wertung des Schreibens der stellvertretenden Schulleiterin vom 14. März 2006 durch das Verwaltungsgericht sei so überraschend, dass der Einzelrichter hierauf hätte hinweisen müssen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch der Beklagte immer davon ausgegangen sei, dass das Staatliche Schulamt den Anhörungsfehler und den Ermessensausfall geheilt habe.

Schließlich begegne das Urteil auch deshalb durchgreifenden Bedenken, weil es davon ausgehe, dass bei Bewertung von Störungen "der Lehrerschaft" ein Beurteilungsspielraum zustehe. Diese Bedenken folgten bereits daraus, dass die Ordnungsmaßnahme nicht durch "die Lehrer", sondern durch die Schulleitung verhängt werde. Auch im Übrigen beinhalte die Vorschrift des § 90 Abs. 3 HSchG (richtig: § 93 Abs. 3 HSchG) keine Ermächtigung, eine gerichtlich und aufsichtsbehördlich nur beschränkt überprüfbare Entscheidung zu treffen. Die Erheblichkeit der Störungen habe der Kläger mehrfach in Abrede gestellt.

Wegen der Einzelheiten des Zulassungsvorbringens des Klägers wird im Übrigen auf dessen Antragsbegründung vom 24. September 2007 verwiesen.

II.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen, wenn gegen die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Dies ist der Fall, wenn der die Zulassung des Rechtsmittels begehrende Beteiligte einen die angegriffene Entscheidung tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage stellt und sich dem Verwaltungsgerichtshof die Ergebnisrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung - unabhängig von der vom Verwaltungsgericht für sie gegebenen Begründung - nicht aufdrängt (st. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschlüsse vom 14. Oktober 2005 - 7 UZ 2417/05 - HSGZ 2005, 432, vom 28. Juni 2006 - 7 UZ 2930/05 - NVwZ-RR 2006, 776, vom 8. Juni 2007 - 7 UZ 2374/06 - NVwZ-RR 2008, 293, sowie vom 27. Juli 2007 - 7 UZ 1218/07 - NVwZ-RR 2008, 106; vgl. auch Hess. VGH, Beschluss vom 18. August 2005 - 9 UZ 1170/05 - NVwZ-RR 2006, 230).

Die vom Kläger dargelegten Gründe für die Unrichtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 13. August 2007 - 5 E 1691/06 (2) -, auf die sich die berufungsgerichtliche Prüfung im Zulassungsverfahren grundsätzlich beschränkt (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juni 2007, a. a. O.), sind nicht geeignet, nachhaltige Bedenken des Berufungsgerichts gegen die verwaltungsgerichtliche Bestätigung der gegenüber dem Kläger verfügten Ordnungsmaßnahme der Androhung der Zuweisung in eine Parallelklasse auszulösen.

Die gegenüber dem Kläger getroffene Ordnungsmaßnahme, deren wesentliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen in § 82 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, Abs. 6, Abs. 9, Abs. 11 HSchG sowie in §§ 1, 3 Abs. 1, Abs. 2, 6, 7, 8 der Verordnung über das Verfahren bei Ordnungsmaßnahmen - OrdnungsmaßnahmenVO - vom 8. Juli 1993 (ABl. S. 688), geändert durch Verordnung vom 14. Juni 2005 (ABl. S. 647), geregelt sind, weist die vom Kläger in der Antragsbegründung vom 24. September 2007 geltend gemachten Rechtsmängel nicht auf.

Eine formelle Rechtswidrigkeit der Ordnungsmaßnahme aufgrund nicht ordnungsgemäßer Anhörung liegt auch im Hinblick auf das Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 10. Februar 2006 nicht vor.

Das Anhörungserfordernis vor der Androhung der Zuweisung in eine Parallelklasse durch den Schulleiter ist spezialgesetzlich in § 82 Abs. 9 HSchG sowie in § 3 Abs. 2 OrdnungsmaßnahmenVO geregelt. Hinsichtlich der Folgen einer unterbliebenen Anhörung sind gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 HVwVfG die allgemeinen Regelungen in §§ 45, 46 HVwVfG einschlägig.

Nach diesem Maßstab stellt die im Ausgangsbescheid vom 14. Februar 2006 dokumentierte fehlende Berücksichtigung des Schreibens vom 10. Februar 2006, das der Musterschule nach der Überzeugung des Senats am selben Tag per Fax übermittelt worden war, einen Anhörungsmangel dar, der indes gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 HVwVfG geheilt worden ist. Nach dieser Vorschrift ist eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, die - wie hier - nicht den Verwaltungsakt nach § 44 HVwVfG nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird.

Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil eine Nachholung der Anhörung, d. h. hier die Kenntnisnahme und Berücksichtigung der vom Kläger im Schriftsatz vom 10. Februar 2006 vorgebrachten Argumente, bereits seitens der stellvertretenden Schulleiterin der Musterschule angenommen. Es hat eine solche Heilung des ursprünglichen Anhörungsmangels daraus hergeleitet, dass der Widerspruch vom 21. Februar 2006 bei der Musterschule eingelegt wurde und der Schulleiterin vorlag, und diese zudem - nach Abgabe der Angelegenheit an das Staatliche Schulamt - gegenüber der Widerspruchsbehörde unter Beifügung von Berichten den Kläger unterrichtender Lehrer nochmals zu Gunsten der ausgesprochenen Ordnungsmaßnahme Stellung nahm.

Ob dieser Sichtweise des Verwaltungsgerichts, die im Hinblick auf die erfolgte Befassung der Schulleiterin als Ausgangsbehörde im Abhilfeverfahren nach § 72 VwGO sowie die fortbestehende Zuständigkeit der Ausgangsbehörde zur Nachholung einer unterbliebenen Anhörung (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 1982 - BVerwG 1 C 22.81 - BVerwGE 66, 111 [114 f.]) nicht fern liegt, beizutreten ist, kann indes dahinstehen. Denn eine Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 HVwVfG ist jedenfalls dadurch eingetreten, dass das Staatliche Schulamt als Widerspruchsbehörde die Argumente des Klägers im Schreiben vom 10. Februar 2006 zur Kenntnis genommen, sich damit auseinander gesetzt und sie bei der Entscheidungsfindung in seine Erwägungen miteinbezogen hat. Die Heilung konnte durch das Staatliche Schulamt im Vorverfahren erfolgen, weil bei Ordnungsmaßnahmen im Sinne des § 82 Abs. 2 HSchG eine umfassende Kontrollkompetenz der Widerspruchsbehörde besteht. Ordnungsmaßnahmen nach § 82 Abs. 2 HSchG stellen - anders als pädagogische Maßnahmen im Sinne des § 82 Abs. 1 HSchG - namentlich keine pädagogischen Bewertungen bzw. unterrichtlichen oder erzieherischen Entscheidungen und Maßnahmen gemäß § 92 Abs. 3 HSchG dar, bei denen die staatliche Schulaufsicht auf die Überprüfung bestimmter Fehler beschränkt ist. Neben dem Wortlaut des § 92 Abs. 3 HSchG belegt dies die Zuständigkeitsregelung in § 82 Abs. 9 HSchG, die die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen nicht der Lehrerschaft, sondern der Schulleitung, bei schwerwiegenden Ordnungsmaßnahmen direkt der Schulaufsichtsbehörde überantwortet. Das in der OrdnungsmaßnahmenVO verfahrensrechtlich vorgesehene Erfordernis eines Antrags des Lehrers bei der mildesten Ordnungsmaßnahme des Ausschlusses vom Unterricht für den Rest des Schultages bzw. eines Antrags der Klassenkonferenz bei den übrigen Ordnungsmaßnahmen stellt demgegenüber ein (bloßes) Initiativrecht dar, das der unmittelbaren Störungsbetroffenheit des Lehrpersonals und dessen Sachkompetenz bei der Störungsbewertung Rechnung trägt.

Die vom Kläger in der Antragsbegründung vom 24. September 2007 geltend gemachte materielle Rechtswidrigkeit der Ordnungsmaßnahme wegen einer fehlerhaften Ermessensausübung, die auf einer unterbliebenen Berücksichtigung des Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten vom 10. Februar 2006 durch die Schulleiterin beruht, kann das Berufungsgericht gleichfalls nicht feststellen. Denn ihre abschließende - nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO den Gegenstand der Anfechtungsklage bildende - Gestalt erhielt die Ordnungsmaßnahme durch den Widerspruchsbescheid vom 11. April 2006. Der Widerspruchsbescheid wurde vom Staatlichen Schulamt erlassen, das - wie dargelegt - im Hinblick auf Ordnungsmaßnahmen über eine umfassende Kontrollkompetenz verfügt und den Inhalt des Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten vom 10. Februar 2006 in seine Ermessensentscheidung eingestellt hat.

Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, die dessen Bejahung einer erheblichen Störung des Schul- oder Unterrichtsbetriebes und einer dadurch bedingten Beeinträchtigung von Unterricht und Erziehung der Mitschülerinnen und Mitschüler zu Grunde liegt, wird durch das Zulassungsvorbringen des Klägers nicht erschüttert. Unabhängig davon, dass es - worauf der Kläger in der Antragsbegründung zu Recht hinweist - um die gerichtliche Überprüfung einer Entscheidung der Schulleitung, nicht der Lehrkräfte geht, ist die Einschätzung des klägerischen Verhaltens in der Schule durch das Verwaltungsgericht, die der Bestätigung der Ordnungsmaßnahme zugrunde liegt, nicht zu beanstanden. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts verstößt nicht gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder Auslegungs- bzw. Beweisregeln und leidet damit an keinem Mangel, der sogar revisionsrechtlich beachtlich wäre. Auch andere Defizite der Sachverhalts- und Beweiswürdigung, die ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen gerichtlichen Entscheidung auslösen und die vom Verwaltungsgerichtshof als zweiter Tatsacheninstanz zu berücksichtigen sind, ergeben sich aus den Darlegungen des Klägers in der Antragsbegründung vom 24. September 2007 nicht, die sich im Wesentlichen darauf beschränken, die Erheblichkeit der Störungen in Abrede zu stellen.

2. Ein entscheidungserheblicher Verfahrensfehler in Gestalt einer Gehörsverletzung - Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO - ist nach der Antragsbegründung vom 24. September 2007 für das Berufungsgericht gleichfalls nicht feststellbar.

Der verfassungsrechtlich durch Art. 103 Abs. 1 GG und einfachgesetzlich durch § 108 Abs. 2 VwGO verbürgte Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie sich zum Gegenstand des Verfahrens in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht äußern können, und verpflichtet das Gericht, seiner Entscheidung nur solche Gesichtspunkte zu Grunde zu legen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, und die erfolgten Äußerungen der Beteiligten bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Hinweispflichten begründet die Garantie rechtlichen Gehörs dagegen im Grundsatz für das Gericht nicht. Lediglich im Ausnahmefall fordert das Gehörsrecht zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung einen gerichtlichen Hinweis, etwa wenn ein Gericht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abzustellen beabsichtigt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht, oder ein Gericht entsprechend unvorhersehbare Anforderungen an den Sachvortrag stellt (vgl. zu Vorstehendem: Senatsbeschlüsse vom 25. Oktober 2005 - 7 UZ 2516/05 - und vom 28. November 2005 - 7 UZ 153/05.A - EZAR-NF 62 Nr. 7; BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 [190]; Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 [144]).

Ein einen gerichtlichen Hinweis erfordernder Ausnahmefall lag hier nicht vor: Der rechtliche Gesichtspunkt der nachträglichen Heilung einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung durch die Ausgangsbehörde, auf den das Verwaltungsgericht der Sache nach abgestellt hat, ist - wie bereits dargelegt - nicht so außergewöhnlich, dass er vom anwaltlich vertretenen Kläger nicht von sich aus hätte in Betracht gezogen werden müssen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass das Verwaltungsgericht den Kläger in der mündlichen Verhandlung um Übersendung des die Übermittlung des Schreibens vom 10. Februar 2006 betreffenden Faxprotokolls gebeten hatte. Für diese Maßnahme der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung bestand hinreichend Anlass, da der Schulleiter im "Anhörungsbescheid" vom 25. Januar 2006 eine Äußerungsfrist bis zum 10. Februar 2006 gesetzt und darauf hingewiesen hatte, dass er nach Ablauf dieser Frist eine Entscheidung nach Aktenlage treffen würde.

3. Soweit der Kläger unter Nr. 3. der Antragsbegründung vom 24. September 2007 beabsichtigt hat, eine Aufklärungsrüge - Zulassungsgrund des entscheidungserheblichen Verfahrensfehlers nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO - zu erheben, ist er dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht gerecht geworden. Eine ordnungsgemäße Aufklärungsrüge setzt grundsätzlich die Darlegung voraus, welche konkret zu bezeichnenden Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche im Einzelnen zu benennenden Beweismittel zu welchen bestimmten Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Verwaltungsgericht rechtzeitig gerügt worden ist bzw. aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Verwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. Oktober 2005 - 7 UZ 2516/05 - und vom 12. März 2008 - 7 UZ 1229/07 -; Hess. VGH, Beschluss vom 6. April 2005 - 9 UZ 978/04 -). Das Vorbringen des Klägers in der Antragsbegründung vom 24. September 2007 genügt diesen Anforderungen nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes für das Antragsverfahren ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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