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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.11.2002
Aktenzeichen: 7 UZ 4082/00
Rechtsgebiete: HENatG, HWG


Vorschriften:

HENatG § 7 Abs. 1
HENatG § 7 Abs. 2 Satz 1
HENatG § 7 Abs. 2 Satz 2
HWG § 71 Abs. 1 Nr. 1
1. Diejenigen Belange des Landschaftsschutzes, für die ein bereichsspezifisches Genehmigungsverfahren angeordnet ist, gehören nicht zu den öffentlichen Belangen i. S. d. § 71 Abs. 1 Nr. 1 HWG.

2. Die Rechtsbereiche des Wasserrechts und des Landschaftsschutzrechts stehen materiell gleichrangig nebeneinander und erfordern je für sich eine eigenständige Überprüfung und Zulassung. Eine Vorgreiflichkeit der landschaftsschutzrechtlichen Genehmigung gegenüber der wasserrechtlichen Befreiung - wie nach der baurechtlichen Schlusspunkttheorie gegenüber der Baugenehmigung - besteht nicht.


7. Senat

7 UZ 4082/00

Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen

Wasserrechts - Errichtung einer Bootssteganlage -

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 7. Senat - im Einverständnis der Beteiligten durch Richter am Hess. VGH Dr. Rothaug als Berichterstatter am 30. November 2002 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 31. August 2000 wird abgelehnt.

Der Beklagte hat auch die Kosten des Zulassungsantragsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsantragsverfahren auf 10.225,84 € festgesetzt.

Gründe:

Der nach §§ 124 Abs. 1 und 124a Abs. 1 a. F. i.V.m. 194 Abs. 1 VwGO statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Denn nach der im Zulassungsantragsverfahren nur gebotenen Überprüfung der vom Beklagten dargelegten Umstände (vgl. § 124a Abs. 1 Satz 4 a. F. VwGO) erscheint der Erfolg des angestrebten Rechtsmittels jedenfalls im Ergebnis nicht wahrscheinlicher als der Misserfolg (vgl. zu diesen Anforderungen Hess. VGH, Be. v. 04.04.1997 - 12 TZ 1079/97 - u. v. 30.04.1997 - 7 TZ 1178/97 -). Das gilt unabhängig davon, ob - was streitig ist - die Rechtslage im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung maßgebend ist (so Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 2. Aufl. 2002, § 124, Rdnrn. 27, 29 u. 31, m.w.N.) oder die jetzige Rechtslage (so Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 124, Rdnr. 7c, m.w.N.), ob also § 71 HWG i. d. F. vom 23. September 1994 (GVBl. I, S. 425) oder i. d. F. vom 18. Juni 2002 (GVBl. I, S. 324) zugrunde gelegt wird.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zur erneuten Bescheidung des Antrags der Klägerin auf Befreiung von dem Verbot der Errichtung einer Bootssteganlage im Steinheimer Main-Altarm verpflichtet, weil rechtsfehlerhaft davon ausgegangen worden sei, dass die begehrte wasserrechtliche Befreiung nach § 71 Abs. 1 Nr. 1 HWG mit sämtlichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar sein müsse und das demzufolge die Erteilung der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Hessische Mainauen" vom 20. Juli 1987 (StAnz. S. 1734), zuletzt geändert durch Verordnung vom 25. April 2002 (StAnz. S. 1796), erforderlichen Genehmigung - entsprechend der baurechtlichen "Schlusspunkttheorie" (vgl. BVerwG, B. v. 25.10.1995 - 4 B 216.95 -, BVerwGE 99, 351) - vorgreiflich, mithin Voraussetzung für die Erteilung der wasserrechtlichen Befreiung sei. Die hiergegen vom Beklagten mit dem Zulassungsantrag erhobenen und näher dargelegten Einwendungen greifen nicht durch.

Eine Befreiung nach § 71 Abs. 1 Nr. 1 a. bzw. n. F. HWG kann bzw. muss erteilt werden, wenn dies "mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist". Dieser Begriff der öffentlichen Belange deckt sich im Wesentlichen mit dem Begriff des Wohls der Allgemeinheit in § 6 Abs. 1 WHG (Knopp in Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, Kommentar, 24. ErgLfg. 2002, § 6, Rdnr. 7). § 71 Abs. 1 Nr. 1 HWG beschränkt die Prüfung - entgegen dem Verwaltungsgericht (S. 5, 2. Abs., des Urteilsabdrucks) - deshalb nicht auf die Anlegung wasserwirtschaftlicher Maßstäbe, sondern erfasst mit dem Begriff der öffentlichen Belange grundsätzlich auch alle sonstigen "Vorschriften, die für die Grundstücke im Uferbereich oder Überschwemmungsgebiet irgendwie rechtserheblich sein können" (Begr. zu § 71 [3. Abs.], LTDrs. 13/5901 v. 08.03.1994, S. 8). Hat allerdings der Gesetzgeber für bestimmte Umstände nicht unmittelbar wasserwirtschaftlicher Art ein bereichsspezifisches Prüfungsverfahren angeordnet, so fallen diese aus dem für das wasserrechtliche Verfahren maßgebenden Begriff der öffentlichen Belange heraus; insofern wird die materielle Reichweite des unbestimmten Rechtsbegriffs durch die Verfahrensregelungen eingeschränkt (Knopp, a.a.O., § 6, Rdnrn. 7a u. 7b, m.w.N., insbesondere unter Hinweis auf BVerwG, Ue. v. 18.09.1987 - 4 C 36.84 -, NVwZ 1988, 353, v. 17.03.1989 - 4 C 30.88 - BVerwGE 81, 347, u. v. 27.09.1990 - 4 C 44.87 - BVerwGE 85, 352; ebenso Hess. VGH, B. v. 17.03.1993 - 7 TG 1324/90 - u. U. v. 03.06.1996 - 7 UE 311/90 -).

Sind danach die - in einem gesonderten Genehmigungsverfahren gemäß §§ 16 Abs. 4, 30 Abs. 3 HENatG von der Unteren Naturschutzbehörde zu prüfenden - landschaftsschutzrechtlichen Belange keine öffentlichen Belange im Sinne des § 71 Abs. 1 Nr. 1 HWG, so stellt sich die Frage einer - für das Baurecht bejahten (vgl. Hess. VGH, Ue. v. 21.09.1981 - IV OE 32/79 - NuR 1982, 228, u. v. 26.04.1991 - 3 UE 3556/88 - NuR 1992, 36) - Vorgreiflichkeit im Verhältnis von Wasserrecht und Landschaftsschutzrecht von vornherein nicht. Entsprechendes gilt im Verhältnis zu den - hier ebenfalls einschlägigen - Gebieten des Wasserstraßenrechts (vgl. § 31 WaStrG) und des Naturschutzrechts (vgl. zur Eingriffsgenehmigung §§ 6 Abs. 1 i.V.m. 5 Abs. 2 Nr. 3 HENatG). Alle diese Rechtsbereiche stehen materiell gleichrangig nebeneinander und erfordern je für sich eine eigenständige Überprüfung und ggf. Zulassung. Daran ändert die teilweise in Bezug auf das Verfahren vorgeschriebene Konzentration (vgl. § 7 Abs. 1 HENatG u. § 71 Abs. 3 Satz 2 a. u. n. F. HWG) nichts. § 7 Abs. 2 Sätze 1 und 2 HENatG, wonach bei einer Zuständigkeit mehrerer Behörden für einen Natureingriff die Bauaufsichtsbehörde entscheidet, sofern nicht eine vorgreifliche Entscheidung einer Naturschutzbehörde auf Grund einer Landschaftsschutzverordnung erforderlich ist, machen allerdings - wenn man zusätzlich § 7 Abs. 1 HENatG in den Blick nimmt - deutlich, dass die in § 7 Abs. 2 Satz 2 HENatG ausdrücklich erwähnte Vorgreiflichkeit der landschaftsschutzrechtlichen Prüfung nur für das Baurecht gilt, nicht hingegen für andere Rechtsgebiete (im Ergebnis - jedoch ohne Begründung - a.A. Stock in Battenfeld u.a., Hessisches Naturschutzrecht, 10. ErgLfg. 2001, § 13 HENatG, Rdnr. 9. In § 7 Abs. 1 HENatG, der grundsätzlich auch wasserrechtliche Entscheidungen erfasst (seit der am 27. Juni 2002 in Kraft getretenen Neufassung des § 71 Abs. 3 Satz 2 HWG dürfte für Befreiungen freilich diese jüngere und speziellere Regelung gelten), fehlt nämlich eine dem § 7 Abs. 2 Satz 2 HENatG vergleichbare Regelung.

Auch wenn auf Grund des nach alledem abzulehnenden Zulassungsantrags das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts Rechtskraft erlangt, wird die Klägerin hieraus wohl keinen Vorteil (mehr) ziehen können. Denn nach § 71 Abs. 3 Satz 2 n. F. HWG ist nunmehr die für die landschaftsschutzrechtliche Genehmigung und für die naturschutzrechtliche Eingriffsgenehmigung zuständige untere Naturschutzbehörde - also der Magistrat der Stadt Hanau - zur Entscheidung im Einvernehmen mit dem Beklagten berufen und nicht mehr - wie bisher nach § 7 Abs. 1 a. F. HENatG - umgekehrt der Beklagte (hinsichtlich der naturschutzrechtlichen Eingriffsgenehmigung im Einvernehmen mit der unteren Naturschutzbehörde) und daneben Letztere hinsichtlich der landschaftsschutzrechtlichen Genehmigung. Die Neufassung des § 71 Abs. 3 Satz 2 HWG zielte nämlich gerade auch darauf, für Fälle, in denen es keiner Baugenehmigung, wohl aber einer naturschutzrechtlichen Eingriffsgenehmigung und einer landschaftsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf, eine Verfahrenskonzentration bei der unteren Naturschutzbehörde zu schaffen (Begründung zu Nr. 23 c) [2. u. 3. Abs.], LTDrs. 15/3536 v. 18.01.2002, S. 23).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1 a. F., 14 Abs. 1 und 3, 73 Abs. 1 Satz 1 GKG (vgl. Hess. VGH, B. v. 14.01.2002 - 12 TG 724/01 -).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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