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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 22.03.2007
Aktenzeichen: 8 N 2359/06
Rechtsgebiete: HKO


Vorschriften:

HKO § 26 a Abs. 1
1. Die Antragsbefugnis für einen Normenkontrollantrag gegen die Festsetzung der Fraktionsmindeststärke in der Geschäftsordnung eines Kreistages beruht auf dem Recht der Kreistagsabgeordneten zur Fraktionsbildung und ist nicht davon abhängig, dass ein bestehender Fraktionsstatus entzogen wird; diese Frage ist auch für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Fraktionsmindeststärke nicht maßgeblich.

2. Die in § 26 a Abs. 1 Sätze 3 und 4 HKO gewählte Regelungstechnik einer gesetzlich festgesetzten Mindestfraktionsstärke von zwei Kreistagsabgeordneten mit einer ortsrechtlichen Erhöhungsmöglichkeit widerspricht weder dem Gleichheitssatz noch dem Übermaßverbot noch dem Demokratieprinzip oder dem Minderheitenschutz (vgl. dazu auch die Parallelentscheidung im Verfahren 8 N 2136/06).

3. Die Rahmenvorschrift des § 26 a Abs. 1 Satz 3 HKO enthält einen Regelungsauftrag an die Kreistage auch hinsichtlich einer früher festgesetzten Fraktionsmindeststärke.

4. Die Festsetzung einer Fraktionsmindeststärke unterliegt nicht deshalb einem Missbrauchsverdacht, weil sie nach einem Streit über den bisherigen Fraktionsstatus einer Minderheit erfolgt ist.

5. Eine für einen Kreistag von 71 Mitgliedern auf vier Kreistagsabgeordnete festgesetzte Fraktionsmindestgröße verstößt nicht gegen das Übermaßverbot und den Minderheitenschutz, sondern hält sich im Rahmen der auf Bundes- und Landesebene sowie im kommunalen Bereich anerkannten Größenordnung.

6. Die zu Gunsten politischer Minderheiten erfolgte Abschaffung der 5 %-Sperrklausel und die Einführung des Panaschierens und des Kummulierens im hessischen Kommunalwahlrecht stellen - neben der Größe des kommunalen Vertretungsorgans - einen wesentlichen Gesichtspunkt für die Beurteilung einer Fraktionsmindeststärke im kommunalen Bereich Hessens dar.

7. Die nur mittelbar an den Fraktionsstatus anknüpfenden Folgeregelungen, wie etwa über die Besetzung von Ausschüssen, über das Antrags- und Rederecht oder die finanzielle Unterstützung, sind nicht Streitgegenstand eines Normenkontrollverfahrens gegen die Festsetzung einer Fraktionsmindeststärke in der Geschäftsordnung eines Kreistages.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 8 N 2359/06

Verkündet am 22. März 2007

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Kommunalrechts/Mindeststärke einer Kreistagsfraktion hier: Normenkontrollantrag

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Schröder, Richter am Hess. VGH Jeuthe, Richter am Hess. VGH Univ.- Prof. Dr. Horn

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. März 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die für die Wahlperiode 2006 bis 2011 über die Liste "Die Linke.WASG" in den E., den Antragsgegner, gewählten beiden Antragsteller wenden sich gegen die Festsetzung der Fraktionsmindeststärke in § 2 Abs. 1 Satz 2 der (geänderten) Geschäftsordnung des Antragsgegners (im Folgenden: Geschäftsordnung - GO -).

Eine Regelung über Kreistagsfraktionen war erstmals 1976 als § 26 a in die Hessische Landkreisordnung (HKO) aufgenommen worden, dessen Absatz 1 in der Fassung der HKO vom 1. April 1993 (GVBl. I 1992 S. 569 ff.), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 1994 (GVBl. I S. 816), wie folgt lautete:

"§ 26a Fraktionen

(1) Kreistagsabgeordnete können sich zu einer Fraktion zusammenschließen. Eine Fraktion kann Kreistagsabgeordnete, die keiner Fraktion angehören, als Hospitanten aufnehmen. Das Nähere über die Bildung einer Fraktion, die Fraktionsstärke, ihre Rechte und Pflichten innerhalb des Kreistags sind in der Geschäftsordnung zu regeln. Parteien oder Wählergruppen, die durch Wahlen im Kreistag vertreten sind, erhalten Fraktionsstatus. Eine Fraktion kann Mitglieder des Kreisausschusses und sonstige Personen beratend zu ihren Sitzungen hinzuziehen. Sie unterliegen den Pflichten des § 24 der Hessischen Gemeindeordnung. Hierauf sind sie vom Fraktionsvorsitzenden hinzuweisen."

Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Regelung enthielt die frühere Fassung der Geschäftsordnung vom 24. Februar 2003 folgende Bestimmung:

"§ 2 Fraktionen

(1) Kreistagsabgeordnete können sich zu Fraktionen zusammenschließen. Die zur Bildung einer Fraktion erforderliche Zahl von Kreistagsabgeordneten legt der Kreistag durch Beschluss fest. Kreistagsabgeordnete, die durch ihre Wahl für eine bestimmte Partei oder Wählergruppen im Kreistag vertreten sind, haben ohne Rücksicht auf die Zahl ihrer Mitglieder Fraktionsstatus.

(2) Die Bildung einer Fraktion, ihre Bezeichnung, die Namen der Fraktionsmitglieder, etwaiger Hospitanten, des/der Vorsitzenden und seiner/ihrer Stellvertreter/in sind dem/der Kreistagsvorsitzenden und dem Kreisausschuss mitzuteilen (26a HKO).

(3) Die zur Bildung einer Fraktion erforderliche Mindeststärke wird auf fünf Personen festgelegt."

Durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung und anderer Gesetze vom 31. Januar 2005 (GVBl. I S. 54 [65]) wurde mit Wirkung zum 1. April 2005 die bisherige Regelung in § 26 a Abs. 1 Satz 4 HKO durch folgenden neuen Satz 4 ersetzt:

"Eine Fraktion muss aus mindestens zwei Kreistagsabgeordneten bestehen".

Die am 26. März 2006 durchgeführte Kommunalwahl führte beim Antragsgegner zu folgender Sitzverteilung:

CDU 32 Sitze

SPD 17 Sitze

Grüne 8 Sitze

FDP 7 Sitze

FWG 4 Sitze

REP 1 Sitz

Die Linke.WASG 2 Sitze

Nachdem die Antragsteller der Vorsitzenden des Antragsgegners mit Schreiben vom 19. Mai 2006 mitgeteilt hatten, dass sie sich vor der ersten Sitzung des Antragsgegners am 24. April 2006 als Kreistagsfraktion "Die Linke.WASG" konstituiert hätten, vertrat diese in ihrem Antwortschreiben vom 29. Mai 2006 die Auffassung, dass ihnen der Fraktionsstatus nicht zuzuerkennen sei, weil nach § 26 a Abs. 1 Sätze 1 und 3 (gemeint wohl: Satz 4) HKO i. d. F. vom 1. April 2005 (GVBl. I S. 183) Kreistagsabgeordnete sich zwar zu einer Fraktion zusammenschließen könnten und eine Fraktion mindestens aus zwei Kreistagsabgeordneten bestehen müsse. In Satz 2 (gemeint wohl: Satz 3) dieser Vorschrift sei aber ergänzend bestimmt, dass u. a. die Fraktionsstärke im Kreistag durch die Geschäftsordnung zu regeln sei. Davon habe der Antragsgegner Gebrauch gemacht und in § 2 Abs. 3 seiner zuletzt am 24. Februar 2003 geänderten Geschäftsordnung bestimmt, dass eine Fraktion aus mindestens fünf Mitgliedern bestehen müsse; diese Mindeststärke erreichten die Antragsteller nicht. Eine erneute Prüfung behalte sie sich nach der Beschlussfassung des Antragsgegners in der Sitzung am 29. Mai 2006 vor.

In dieser Sitzung beschloss der Antragsgegner die hier streitige Änderung des § 2 seiner Geschäftsordnung; dieser lautet nunmehr:

"§ 2 Fraktionen

(1) Kreistagsabgeordnete können sich zu Fraktionen zusammenschließen. Die zur Bildung einer Fraktion erforderliche Mindeststärke wird auf vier Personen festgelegt.

(2) Die Bildung einer Fraktion, ihre Bezeichnung, die Namen der Fraktionsmitglieder, etwaiger Hospitanten, des/der Vorsitzenden und seiner/ihrer Stellvertreter/in sind dem/der Kreistagsvorsitzenden und dem Kreisausschuss mitzuteilen (§ 26 a HKO)."

Daraufhin haben die Antragsteller zunächst am 26. Juli 2006 beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Klage - 7 E 2895/06(V) - erhoben, und zwar

1. auf die Feststellung, dass sie in der seit dem 1. April 2006 laufenden Wahlperiode des Antragsgegners die Fraktion "Die Linke.WASG" bilden und die Fraktion ihren Status durch den Beschluss des Antragsgegners vom 29. Mai 2006 nicht verloren habe,

2. auf die Verpflichtung des Antragsgegners, seine Geschäftsordnung so zu ändern, dass der Fraktionsstatus der Antragsteller aufrechterhalten bleibt.

Zur Begründung haben sie im Wesentlichen geltend gemacht, die Festlegung der Fraktionsmindeststärke von vier Kreistagsabgeordneten sei als verkappte Einzelfallentscheidung zu ihren Lasten willkürlich und diskriminierend.

Nach einem entsprechenden Hinweis des Verwaltungsgerichts haben die Antragsteller am 5. Oktober 2006 den vorliegenden Normenkontrollantrag mit dem Ziel gestellt, § 2 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 29. Mai 2006 für unwirksam zu erklären.

Gleichzeitig haben sie ihre verwaltungsgerichtliche Klage auf die Feststellung beschränkt, dass sie in der seit dem 1. April 2006 laufenden Wahlperiode des Antragsgegners die Fraktion "Die Linke.WASG" bis zu der vorliegend streitigen Änderung der Geschäftsordnung gebildet hätten.

Das Verwaltungsgericht hat sein Verfahren bis zu einer Entscheidung über das vorliegende Normenkontrollverfahren mit Beschluss vom 20. Dezember 2006 gemäß § 94 VwGO ausgesetzt.

Zur Begründung ihres Normenkontrollantrages tragen die Antragsteller u. a. vor: Die frühere Fassung der Geschäftsordnung habe die alte Fassung des § 26 a Abs. 1 Satz 4 HKO, der den Fraktionsstatus einer aus der Wahl hervorgegangenen Gruppe zwingend vorgeschrieben habe, ausdrücklich noch einmal vorgesehen, so dass sie, die Antragsteller, mit Beginn der jetzigen Wahlperiode automatisch den Fraktionsstatus erlangt hätten; jedenfalls hätten sie sich als Fraktion konstituiert, wofür das Gesetz nur eine Mindeststärke von zwei Kreistagsabgeordneten voraussetze. Dies sei ihnen von Anfang an streitig gemacht worden, weil es den Mehrheitsfraktionen des Antragsgegners nicht gepasst habe. Die in der Sitzung am 29. Mai 2006 auf vier Kreistagsabgeordnete festgelegte Mindestfraktionsstärke sei nur gewählt worden, um ihnen den Fraktionsstatus zu nehmen, während er der Fraktion der FWG habe zuerkannt werden sollen, weil diese vier Mitglieder habe. Es handele sich deshalb nicht um eine allgemeine Regelung, sondern um eine verkappte Einzelfallentscheidung zu ihren Lasten, die willkürlich und diskriminierend sei und das verfassungsmäßige Willkürverbot verletze. Ihnen würden durch den Verlust des Fraktionsstatus wesentliche Mitwirkungsrechte entzogen. Die angefochtene Änderung der Geschäftsordnung sei auch deshalb ermessensfehlerhaft, weil die beschlussfassende Kreistagsmehrheit von der fehlerhaften Rechtsauffassung ausgegangen sei, ihnen habe noch kein Fraktionsstatus zugestanden. Selbst wenn § 2 Abs. 1 Satz 3 GO in der früheren Fassung, wonach Fraktionen auf Grund der Wahl entstanden seien, durch die Neufassung des § 26a Abs. 1 HKO ungültig geworden sei, müsse dies wegen des Regelungszusammenhangs auch für die frühere Bestimmung der Fraktionsmindeststärke von fünf Personen in § 2 Abs. 3 GO gelten, so dass allein die gesetzliche Mindeststärke von zwei Kreistagsabgeordneten maßgeblich gewesen sei. Hätte die beschließende Kreistagsmehrheit bedacht, dass ihnen danach bereits ein Fraktionsstatus zugestanden habe, hätte sie ihnen diesen von Anfang an bestehenden Status nicht entzogen. Da in der ersten konstituierenden Sitzung des Antragsgegners die Geschäftsordnung nicht geändert worden sei, habe ihnen, den Antragstellern, ihr Fraktionsstatus nicht nachträglich genommen werden dürfen. Das habe der Hessische Verwaltungsgerichtshof schon 1991 entschieden, und zwar insbesondere für den - auch hier vorliegenden - Fall, dass es üblich sei, endgültige Entscheidungen an Ausschüsse zu überweisen, in denen nur Fraktionen vertreten seien. Als fraktionslose Kreistagsabgeordnete stehe ihnen in den Ausschüssen, wie beispielsweise im Finanzausschuss bei der Beratung des Haushaltsplans, nicht einmal ein Rederecht zu; dies solle nunmehr im Rahmen einer Novellierung der Geschäftsordnung auch unter Berücksichtigung eines Beschlusses der Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Stadtverordnetenvorsteher vom 21. Juni 2006 neu überdacht werden. Sie erhielten auch keine Wortlautprotokolle und geringere finanzielle Unterstützung.

Die Antragsteller beantragen,

§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung des E. in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 29. Mai 2006 für nichtig zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend:

Der Antrag sei schon unzulässig, weil die Antragsteller entgegen § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht geltend machen könnten, durch die am 29. Mai 2006 beschlossene Änderung des § 2 GO in ihren Rechten verletzt zu sein bzw. in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Sie hätten sich nämlich auch vor dieser Änderung nicht wirksam zu einer Fraktion zusammenschließen können, so dass ihnen durch die Neufassung des § 2 GO der Fraktionsstatus auch nicht habe genommen werden können. Zwar bleibe die Geschäftsordnung einer kommunalen Vertretungskörperschaft über das Ende einer Wahlperiode hinaus weiter gültig; die neu gewählten Mitglieder der Vertretungskörperschaft könnten die Geschäftsordnung aber jederzeit ändern. Dementsprechend sei auch § 2 GO über die Bildung von Fraktionen weiter anwendbar geblieben; dies gelte aber nur insoweit, als diese Vorschrift mit dem höherrangigen Recht des § 26 a HKO in Übereinstimmung gestanden habe. Das sei aber für § 2 Abs. 1 Satz 3 GO in ihrer früheren Fassung nicht mehr der Fall gewesen, weil die entsprechende Regelung in § 26 a Abs. 1 Satz 4 HKO a. F. mit der Novellierung des Gesetzes entfallen sei. Nach der Neufassung des § 26 a Abs. 1 HKO könne nunmehr eine im Kreistag vertretene Gruppierung nicht mehr allein auf Grund ihrer Wahl den Fraktionsstatus erlangen, auch sie müsse sich nun nach Maßgabe des § 26 a Abs. 1 Satz 1 HKO n. F. i.V.m. der jeweiligen Geschäftsordnung zu einer Fraktion zusammenschließen. Nach § 2 Abs. 3 GO in ihrer früheren Fassung hätte das aber eine Fraktionsstärke von mindestens fünf Abgeordneten vorausgesetzt. Danach hätten die Antragsteller weder unmittelbar durch ihre Wahl noch auf Grund eines gewillkürten Zusammenschlusses Fraktionsstatus erlangen können, so dass die Änderung der Geschäftsordnung ihren rechtlichen Status nicht verändert habe. Ihr Antrag sei jedenfalls aber auch unbegründet, denn die Festsetzung einer Fraktionsmindeststärke von vier Personen sei rechtmäßig. Mit der Änderung des § 2 GO seien zwei Ziele verfolgt worden. Zum einen habe die Geschäftsordnung regelungssystematisch an die geänderte Fassung des § 26 a HKO angepasst und zum anderen habe die Fraktionsmindeststärke neu geregelt werden sollen. Dies sei vor dem Hintergrund der Funktion der Fraktionen, der Effizienz der Arbeit im Kreistag und des Minderheitenschutzes im Rahmen des weiten Ermessensspielraums, der seine Grenze im verfassungsrechtlichen Willkür- und Übermaßverbot finde, rechtsfehlerfrei erfolgt. Eine Ermessensreduzierung dahin, dass bei einem Kreistag von 71 Mitgliedern das gesetzliche Mindestmaß von zwei Kreistagsabgeordneten für eine Fraktion festgeschrieben werden müsste, könne nicht angenommen werden. So habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof es für hinnehmbar erklärt, wenn für eine Fraktionsbildung eine Mindeststärke von 10 % der Mandatsträger verlangt werde. Er, der Antragsgegner, habe sich bei seiner Ermessensentscheidung an dem sachlichen Gesichtspunkt orientiert, die Funktion der Fraktionen zu erhalten und die Funktionsfähigkeit des Kreistages zu gewährleisten und zu erleichtern. Er habe den Gleichheitssatz und die Grundsätze der Oppositionsfreiheit und des Minderheitenschutzes damit abgewogen und seine Regelung frei von willkürlichen, missbräuchlichen oder politisch tendenziösen Erwägungen getroffen. Aus den Wortprotokollen der Redebeiträge im Kreistag ergäben sich keine Hinweise darauf, dass die Fraktionsmindeststärke willkürlich und diskriminierend zu Lasten der Antragsteller festgelegt worden sei. Ihnen könne auch nicht ansatzweise entnommen werden, dass sich die Redebeiträge an sachwidrigen, willkürlichen Maßstäben, etwa an den von den Antragstellern vertretenen politischen Auffassungen orientiert hätten. Zudem werde auch nur gelegentlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Angelegenheiten zur endgültigen Beschlussfassung an Ausschüsse zu übertragen. Der Repräsentation kleinster Gruppen in anderen Organteilen oder Organen des Kreises seien Grenzen gesetzt, die sich aus der proportionalen Verkleinerung zwingend ergäben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Streitakten im vorliegenden Verfahren und im Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main sowie auf die jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 HAGVwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet.

Die hier fragliche Bestimmung der Geschäftsordnung über die Fraktionsmindeststärke unterliegt als eine unter dem Landesrecht stehende Rechtsvorschrift nach diesen Vorschriften der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle. Zwar regelt die Geschäftsordnung nicht mit der für eine Rechtsvorschrift charakteristischen Außenwirkung das Verhältnis zwischen Staat und Bürger, sondern lediglich die innere Organisation des Antragsgegners und den Ablauf seiner Meinungs- und Willensbildung. Nach Sinn und Zweck des Normenkontrollverfahrens sind aber jedenfalls Bestimmungen einer Geschäftsordnung, die die Rechte von Mitgliedern kommunaler Vertretungsorgane in abstrakt-genereller Weise regeln, wie hier das Recht der Kreistagsmitglieder, sich zu einer Fraktion zusammenzuschließen, trotz ihres Charakters als bloße Innenrechtssätze in den Anwendungsbereich des § 47 VwGO einzubeziehen. Durch die Möglichkeit einer allgemein verbindlichen Ungültigkeitserklärung einer untergesetzlichen Rechtsvorschrift soll der individuelle Rechtsschutz der Betroffenen dadurch verbessert werden, dass sie nicht gezwungen sind, eine inzidente Prüfung der Norm in einem Klageverfahren gegen eine darauf gestützte konkrete Verwaltungsentscheidung herbeiführen zu müssen; zugleich sollen dadurch die Verwaltungsgerichte entlastet werden. Diese Zwecke eines Normenkontrollantrags gemäß § 47 VwGO erfassen auch einen Streit um die innerorganisatorische Rechtsstellung der Mitglieder eines kommunalen Vertretungsorgans, denn es ist in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte anerkannt, dass solche Organrechte ebenso wie subjektiv-öffentliche Rechte des Bürgers im Klagewege durchgesetzt werden können, so dass es auch ein Bedürfnis für eine Normenkontrolle in diesem Innenrechtsstreit gibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. September 1987 - 7 N 1/87 - NVwZ 1988 S. 1119 ff. = juris Rdnrn. 6 bis 9; Bad.-Württ. VGH, Urteil vom 24. Juni 2002 - 1 S 896/00 - NVwZ-RR 2003 S. 56 ff. = juris Rdnr. 18; Hess. VGH, Beschluss vom 24. Juli 2006 - 8 NG 1156/06 - NVwZ 2007 S. 107 ff. = juris Rdnr. 26).

Daraus ergibt sich weiterhin, dass der Normenkontrollantrag entsprechend § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht - wie bei einem Rechtsstreit im Außenverhältnis zwischen Kreis und Bürger - gegen den Kreis als Gebietskörperschaft, sondern - da es sich um ein organinternes Streitverfahren handelt - gegen das Organ zu richten ist, das die streitige Geschäftsordnung beschlossen hat, also gegen den Kreistag (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 24. Juli 2006 a.a.O. juris Rdnr. 24).

Aus dem Obigen folgt auch, dass die Antragsteller gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen der Auffassung des Antragsgegners unabhängig davon antragsbefugt sind, ob ihnen vor dem hier streitigen Änderungsbeschluss des Antragsgegners vom 29. Mai 2006 bereits ein Fraktionsstatus zustand oder nicht. Sollte kein Fraktionsstatus bestanden haben, ist für ihre Antragsbefugnis ausreichend, dass ihnen durch die in § 2 Abs. 1 Satz 2 GO auf vier Kreistagsangehörige festgesetzte Mindeststärke das ihnen nach Satz 1 dieser Vorschrift zustehende Recht für die laufende Wahlperiode verwehrt wird, sich zu einer Fraktion zusammenzuschließen. Andernfalls ergäbe sich ihre Antragsbefugnis daraus, dass ihnen ein bereits bestehender Fraktionsstatus durch die Festsetzung der Fraktionsmindeststärke auf vier Personen dauerhaft entzogen worden wäre, denn die hier in der Geschäftsordnung getroffene Regelung betrifft nach ihrem Wortlaut und ihrem Sinn und Zweck alle, also auch bereits bestehende Fraktionen und ist nicht nur auf die künftige Bildung von Fraktionen beschränkt (vgl. zu einer solchen Geschäftsordnungsbestimmung: Hess. VGH, Beschluss vom 4. August 1983 - 2 TG 40/83 - NVwZ 1984 S. 54).

Den Antragstellern fehlt nach obigen Ausführungen zum Normzweck des § 47 VwGO auch nicht deshalb ein Rechtsschutzinteresse für den vorliegenden Normenkontrollantrag, weil sie über diesen Streitgegenstand bereits vorher am 26. Juli 2006 beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main eine Kommunalverfassungsstreitigkeit anhängig gemacht haben. Zum einen dient das Normenkontrollverfahren gerade der Entlastung der Verwaltungsgerichte und zum anderen gewährt die vorliegend angestrebte allgemein verbindliche Ungültigkeitserklärung der angegriffenen Vorschrift durch das Oberverwaltungsgericht effektiveren Rechtsschutz als die lediglich inzidente verwaltungsgerichtliche Normüberprüfung.

Schließlich ist auch die Zwei-Jahres-Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zwischen der Änderung der Geschäftsordnung und der Stellung des Normenkontrollantrages gewahrt.

Der Antrag, die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 2 GO in der Fassung des Änderungsbeschlusses des Antragsgegners vom 29. Mai 2006 für unwirksam zu erklären, ist aber nicht begründet, denn die Festsetzung der Mindestfraktionsstärke auf vier Kreistagsabgeordnete ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Für die ihm vom Gesetzgeber gemäß § 26 a Abs. 1 Satz 3 HKO übertragene Befugnis, das Nähere über die Bildung einer Fraktion, die Fraktionsstärke, ihre Rechte und Pflichten innerhalb des Kreistages in der Geschäftsordnung zu regeln, steht dem Antragsgegner als kommunalem Vertretungsorgan auf Grund seiner Geschäftsordnungsautonomie ein weiter Ermessensspielraum zu, der ihm eine Entscheidung darüber ermöglicht, zu seiner Selbstorganisation und zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen und effektiven Geschäftsganges und damit im Interesse seiner Funktionsfähigkeit eine Fraktionsmindestgröße festzulegen. Denn Fraktionen dienen dem Zweck, durch eine kollektive Vorbereitung der Willensbildung in Gruppen politisch Gleichgesinnter den Meinungs- und Entscheidungsprozess zu fördern und durch diesen Bündelungseffekt die Arbeit im Kreistag zu straffen und zu konzentrieren. Die Bildung von Kleinstfraktionen könnte diesem Zweck der Fraktionsbildung aber gerade zuwiderlaufen und die Kreistagsarbeit erschweren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 1979 - 7 B 77/78 - NJW 1980 S. 304 = juris Rdnr. 5; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 18. Dezember 1990 - 7 A 11036/90 - NVwZ-RR 1991 S. 506 ff. = juris Rdnr. 20; Bayer. VGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - 4 N 98.1341 - NVwZ-RR 2000 S. 811 ff. = juris Rdnr. 27).

Der bei der Festlegung der Fraktionsmindeststärke dem kommunalen Vertretungsorgan zustehende weite Ermessensspielraum unterliegt allerdings den rechtlichen Schranken des Gleichheitssatzes und des darin verbürgten Willkürverbotes, des im Rechtsstaatsprinzip enthaltenen Übermaßverbotes und des - aus dem Demokratieprinzip folgenden - Minderheitenschutzes (vgl. u. a. Bayer. VGH, Beschluss vom 16. Februar 2000 a.a.O.).

Gegen diese Grundsätze verstoßen weder die gesetzliche Grundlage in § 26a Abs. 1 HKO noch die vorliegend streitige Festsetzung der Fraktionsmindestgröße auf vier Kreistagsabgeordnete in der Geschäftsordnung des Antragsgegners.

Aus dem Umstand, dass die Änderung des § 2 GO erst mit Beschluss vom 29. Mai 2006, also in einem Zeitpunkt erfolgt ist, in dem über den Fraktionsstatus der Antragsteller Streit entstanden war, lässt sich entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht der Verdacht herleiten, dies könnte aus sachfremden, gezielt gegen ihre politische Gruppierung gerichteten Erwägungen und damit unter Verstoß gegen das Missbrauchsverbot erfolgt sein (vgl. zu einer solchen - wenn auch dort nicht entscheidungsrelevanten - Überlegung: Hess. VGH, Beschluss vom 4. August 1983 a. a. O.). Der Antragsgegner war nämlich nach der mit Wirkung zum 1. April 2005 erfolgten Änderung des § 26 a Abs. 1 HKO zu einer Neufassung des § 2 GO nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet.

Im Bereich der allgemeinen Kommunalverfassung war es ein zentrales Ziel des Änderungsgesetzes vom 31. Januar 2005, durch Änderung des § 26 a Abs. 1 Satz 4 HKO - und des gleichlautenden § 36 a Abs. 1 Satz 4 HGO - die Möglichkeit der Bildung von sog. Ein-Personen-Fraktionen auszuschließen. Nach dieser früheren Regelung erhielten Parteien oder Wählergruppen, die durch Wahlen in den Kreistag gelangt waren, unmittelbar "kraft Gesetzes" - unabhängig von ihrer Größe - den Fraktionsstatus; sie wurden also über den Minderheitenschutz hinaus durch ein Parteienprivileg automatisch mit dem Fraktionsstatus "belohnt", wenn es ihnen gelang, die bei Kommunalwahlen zunächst noch bestehende 5 %-Sperrklausel zu überwinden und mindestens einen Sitz im kommunalen Vertretungsorgan zu erringen. Dem (nachträglichen) freiwilligen Zusammenschluss zu einer Fraktion kam demnach nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Nachdem im Rahmen der Kommunalverfassungsrechtsnovelle 1999 die Sperrklausel nicht nur - wie ursprünglich geplant - auf 3 % abgesenkt, sondern ganz gestrichen und die Regelung des § 26 a Abs. 1 Satz 4 HKO - wie auch die des § 36 a Abs. 1 Satz 4 HGO - trotzdem beibehalten worden war, kam es in der Wahlperiode 2001 bis 2006 neben sonstigen Kleinstfraktionen auch zu einer erheblichen Zahl von Ein-Personen-Fraktionen, die eine effiziente parlamentarische Arbeit erheblich erschwerten. Die Abschaffung der allzu minderheitenfreundlichen und bundesweit einmaligen Regelung über die Ein-Personen-Fraktionen war deshalb ein zentraler Punkt im "Erfahrungsbericht und Forderungskatalog Kommunalwahlen 2001" des Hessischen Städte- und Gemeindebundes vom Dezember 2001 und wurde im Anhörungsverfahren zum Änderungsgesetz vom 31. Januar 2005 von den kommunalen Spitzenverbänden auch einhellig begrüßt (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung und anderer Gesetze vom 6. Juli 2004, LT/Ds. 16/2463 S. 32 f. unter IV.1. und S. 40 f unter V.4.; vgl. dazu auch Schneider/Dreßler/Lüll, Hessische Gemeindeordnung, Stand: September 2006, Anm. 6 zu 36 a HGO; Borchmann, in Kommunalverfassungsrecht Hessen, Stand: März 2006, Anm. 5 a zu § 26 a HKO).

Durch den neuen Satz 4 in § 26 a Abs. 1 HKO wurde nunmehr bestimmt, dass für einen Fraktionszusammenschluss mindestens zwei Kreistagsabgeordnete erforderlich sind. Dies begründete der Gesetzgeber damit, dass die Fraktionsstärke von zwei Gemeindevertretern bzw. Kreistagsangehörigen einen weitgehenden Minderheitenschutz gewähre und in der Regel zugleich eine effektive Arbeit der kommunalen Vertretungsorgane gewährleiste. Die Gemeindevertretung bzw. der Kreistag könne kraft ihrer bzw. seiner Selbstorganisationshoheit (§ 36 a Abs. 1 Satz 3 HGO bzw. § 26 a Abs. 1 Satz 3 HKO) mittels der Geschäftsordnung allerdings eine höhere Fraktionsmindeststärke vorsehen. Insbesondere in Gemeinden bzw. Landkreisen mit einer größeren Zahl von Mandatsträgern könne damit einer zu großen Zahl kleiner Fraktionen und somit der Zersplitterung der Vertretungskörperschaft gegengesteuert werden. Bei der Festsetzung der Fraktionsmindeststärke habe die Gemeindevertretung bzw. der Kreistag einen weiten Ermessensspielraum, der seine Grenze in dem (verfassungsrechtlichen) Willkür- und Übermaßverbot finde (vgl. LT/Ds. 16/2463 S. 63 und S. 48 f. zu Art. 2 Nr. 3 [§ 26 a HKO] und zu Art. 1 Nr. 7 [§ 36 a HGO]).

Trotz des Inkrafttretens dieser Gesetzesänderung bereits zum 1. April 2005 bedurfte es vor der am 1. April 2006 beginnenden neuen Wahlperiode keiner Neufassung des auf der früheren Gesetzeslage beruhenden § 2 GO, weil ein bis zum Inkrafttreten dieses Änderungsgesetzes gemäß § 26 a Abs. 1 Satz 4 HKO a. F. entstandener Fraktionsstatus nach der Übergangsregelung in Art. 8 Abs. 2 des Änderungsgesetzes vom 31. Januar 2005 bis zum Ende der laufenden Wahlzeit am 31. März 2006 bestehen geblieben war.

Es entsprach deshalb dem Demokratieprinzip des Art. 28 Abs. 1 GG und der Autonomie des neu gewählten Kreistages, dass der bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 31. Januar 2005 noch bis zum Ende der laufenden Wahlperiode am 31. März 2006 bestehende und aus kraft Gesetzes gemäß § 26 a Abs. 1 Satz 4 HKO a. F. entstandenen Fraktionen zusammengesetzte frühere Kreistag die auf Grund der Gesetzesänderung erforderliche Neufassung des § 2 GO dem sich 2006 neu konstituierenden Kreistag, also dem Antragsgegner, überlassen hatte, weil sich die neue Gesetzeslage erst auf dessen Zusammensetzung und Funktionsfähigkeit auswirken würde.

Der Antragsgegner konnte - entgegen dem Vortrag der Antragsteller - § 2 GO auch nicht in seiner bisherigen Fassung fortbestehen lassen.

Zwar gilt eine Geschäftsordnung nach der Neukonstituierung einer kommunalen Vertretungskörperschaft grundsätzlich fort (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 29. April 1991 - 6 TG 292/91 - NVwZ 1991 S. 1105 f. = juris Rdnr. 4), allerdings nur insoweit, wie sie noch mit der bestehenden Rechtslage übereinstimmt. Die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 3 GO a. F., wonach die für eine bestimmte Partei oder Wählergruppe gewählten Kreistagsabgeordneten unabhängig von ihrer Anzahl Fraktionsstatus erhielten, entsprach aber nach Streichung des bisherigen Satzes 4 in § 26 a Abs. 1 HKO a. F. durch das insoweit am 1. April 2005 in Kraft getretene Änderungsgesetz vom 31. Januar 2005 mit dem Ende der Übergangsregelung in Art. 8 Abs. 2 ab dem 1. April 2006 nicht mehr dem geänderten § 26 a HKO n. F. und war deshalb jedenfalls von diesem Zeitpunkt an rechtswidrig und damit unwirksam. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit war deshalb insoweit eine Neufassung des § 2 GO geboten. Aber auch die Regelung der Fraktionsmindeststärke von fünf Personen in Absatz 3 des § 2 GO a. F. bedurfte zumindest einer neuen Willensbildung und Beschlussfassung des neu konstituierten Kreistages, also des Antragsgegners, weil die bloße Rahmenvorschrift des § 26 a HKO (vgl. Schneider/Dreßler/Lüll a.a.O. Anm. 3 zu § 36 a HGO, S. 6) mit der Formulierung in Absatz 1 Satz 3 "... sind in der Geschäftsordnung zu regeln" einen verpflichtenden Regelungsauftrag an die Kreistage enthält (vgl. Borchmann a.a.O. Anm. 35 zu § 26a HKO) und sich die Grundlagen der bisherigen Bestimmung in § 2 Abs. 3 GO a. F. so erheblich verändert hatten, dass dazu eine neue Entscheidung des Kreistages getroffen werden musste. Da bis zur Gesetzesänderung im Jahre 2005 die Fraktionen kraft Gesetzes unabhängig von der Anzahl ihrer Mitglieder entstanden, kam der in § 2 Abs. 3 GO a. F. geregelten Mindestfraktionsstärke nur eine völlig untergeordnete Bedeutung für die Sonderfälle zu, in denen in der laufenden Wahlperiode eine Neubildung von Fraktionen erfolgen sollte, während nach der Gesetzesänderung nunmehr alle Fraktionen nur noch durch übereinstimmende Willenserklärungen kommunalpolitisch gleichgesinnter (Fraktionsvertrag) im Wege des Zusammenschlusses gemäß § 26 a Abs. 1 Satz 1 HKO gebildet werden können. Der Anwendungsbereich der in der Geschäftsordnung bestimmten Fraktionsmindeststärke betrifft also nicht mehr nur diese seltenen Einzelfälle nachträglicher Fraktionsbildungen, sondern alle Fraktionen des Kreistages. Zudem hat der Landesgesetzgeber in § 26 a Abs. 1 Satz 4 HKO n. F. nunmehr selbst eine gesetzliche Fraktionsmindeststärke von zwei Kreistagsabgeordneten festgelegt und durch den Zusatz "mindestens" in Übereinstimmung mit der Begründung des Gesetzentwurfs den Regelungsauftrag in § 26 a Abs. 1 Satz 3 HKO dahin konkretisiert und aktualisiert, dass in der Geschäftsordnung nunmehr eine Entscheidung darüber zu treffen war, ob eine höhere Fraktionsmindeststärke festgesetzt werden soll, was der Landesgesetzgeber für Gemeinden und Landkreise mit einer größeren Zahl von Mandatsträgern für sachgerecht hielt, um "einer zu großen Zahl kleiner Fraktionen und somit der Zersplitterung der Vertretungskörperschaft gegenzusteuern" (vgl. LT/Ds. 16/2463 S. 48 f. zu Art. 1 Nr. 7). Als weitere entscheidungsrelevante Veränderung kam hier noch hinzu, dass die Zahl der Kreistagsabgeordneten zur Wahlperiode 2006 bis 2011 gemäß § 25 HKO von 81 auf 71 vermindert worden war.

Auch allein daraus, dass der Antragsgegner die danach erforderliche Neufassung des § 2 GO nicht bereits in seiner ersten konstituierenden, sondern erst in der zweiten Sitzung vorgenommen hat, lässt sich angesichts des dafür nötigen Abstimmungs- und Vorbereitungsaufwandes ohne weitere Anhaltspunkte kein Missverbrauchsverdacht herleiten.

Die Festsetzung der Fraktionsmindeststärke auf vier Personen kann entgegen der Auffassung der Antragsteller auch nicht deshalb als ermessens- bzw. abwägungsfehlerhaft angesehen werden, weil die Kreistagsmehrheit irrtümlich von der Auffassung ausgegangen sei, die Antragsteller - wie auch die Vertreter der FWG - hätten noch keinen Fraktionsstatus erlangt, der ihnen durch die Neufassung der Geschäftsordnung hätte entzogen werden können. Es spricht schon einiges dafür, dass nach den Grundsätzen über die Teilnichtigkeit von Rechtsnormen nur § 2 Abs. 1 Satz 3 GO a. F. auf Grund der Neufassung des § 26a Abs. 1 HKO unwirksam geworden ist, während die in § 2 Abs. 3 GO a. F. geregelte Fraktionsmindeststärke von fünf Personen entsprechend der grundsätzlichen Fortgeltung von Geschäftsordnungen trotz der durch die Gesetzesnovellierung erheblich geänderten Regelungsgrundlagen zumindest für eine Übergangszeit bis zur Neuregelung durch den Antragsgegner weiter gültig geblieben ist, weil diese Fraktionsmindestgröße für sich gesehen objektiv sinnvoll blieb und subjektiv auch im Zweifel dem Regelungswillen des früheren Kreistages entsprochen haben dürfte (vgl. u. a. BVerwG, Beschlüsse vom 6. Dezember 2000 - 4 BN 59/00 - NVwZ 2001 S. 431 f. = juris Rdnr. 10 und vom 6. April 1993 - 4 NB 43/92 - NVwZ 1994 S. 272 = juris Rdnr. 11; Bayer. VGH, Urteil vom 11. August 2005 - 2 N 03.3286 - juris Rdnr. 21 zur Teilnichtigkeit von Bebauungsplänen); für einen solchen Regelungswillen des Kreistages spricht auch die hier streitige, proportional nahezu gleich gebliebene Festsetzung durch den Antragsgegner. Danach hätten die Antragsteller auch unter Geltung der alten Geschäftsordnung keine Fraktion bilden können. Das kann aber letztlich offen bleiben, denn auch für den Fall, dass im Zeitpunkt der hier fraglichen Neufassung der Geschäftsordnung den Antragstellern bereits ein Fraktionsstatus zustand, wäre eine fehlerhafte Abwägungsentscheidung des Antragsgegners über die Festlegung der Fraktionsmindeststärke nicht anzunehmen. Die Unwirksamkeit bisheriger Fraktionsbildungen war keine Grundlage für diese Entscheidung. Zum einen war ihm angesichts des vorangegangenen Streits mit den Antragstellern diese Problematik und damit die Möglichkeit bewusst, dass diese bereits Fraktionsstatus haben könnten, und zum anderen handelte er - auch ausweislich der Redebeiträge - mit dem Ziel, in Erfüllung des oben angesprochenen gesetzgeberischen Regelungsauftrages unter Berücksichtigung seiner Zahl von immerhin noch 71 Mandatsträgern eine für die Kreistagsarbeit sinnvolle Fraktionsmindestgröße festzulegen, wofür die Frage des Entzuges eines eventuell bereits bestehenden Fraktionsstatus nach der erkennbaren Vorstellung des Antragsgegners und nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung kein maßgeblicher Gesichtspunkt war bzw. hätte sein dürfen.

Dem steht auch der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. April 1991 a.a.O. nicht entgegen. Dort ging es nicht um die Regelung einer Fraktionsmindestgröße in Vollziehung einer gesetzlichen Vorgabe, sondern im Gegenteil gerade um die Streichung einer mit der gesetzlichen Regelung in § 36a Abs. 1 Satz 4 HGO a. F. übereinstimmenden Bestimmung der Geschäftsordnung einer regionalen Planungsversammlung. Der dadurch bewirkte Verlust eines automatisch auf Grund der Wahl in die regionale Planungsversammlung erlangten Fraktionsstatus wurde zudem in dieser Entscheidung nicht generell als unzulässig angesehen, sondern nur für den Fall, dass nicht hinreichend sichergestellt sei, dass fraktionslose Mitglieder an der Willensbildung in der Planungsversammlung angemessen teilhaben und mitwirken können. Die Frage der Teilhaberechte und Mitwirkungsbefugnisse fraktionsloser ist aber - wie unten noch näher begründet wird - nicht Gegenstand des vorliegenden Normenkontrollantrages, in dem es nach den obigen Ausführungen zur Antragsbefugnis nur um das Recht zur Fraktionsbildung als solche geht.

Die mit Änderungsbeschluss vom 29. Mai 2006 in § 2 Abs. 1 Satz 2 GO für einen Kreistag von 71 Mitgliedern auf vier Kreistagsabgeordnete festgesetzte Fraktionsmindestgröße verstößt nicht gegen das Übermaßverbot und den Minderheitenschutz, sondern hält sich im Rahmen der unter diesen Gesichtspunkten allgemein anerkannten Größenordnung, und zwar sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene und im kommunalen Bereich anderer Bundesländer und Hessens.

Bei einem Vergleich mit dem Bundestag, dem Hessischen Landtag und den Kommunen anderer Bundesländer ist zu berücksichtigen, dass Anlass für die Abschaffung der -bundesweit einmaligen - Möglichkeit der Entstehung von Ein-Personen-Fraktionen gemäß § 26 a Abs. 1 Satz 4 HKO a. F. und für die gesetzliche Festsetzung einer Fraktionsmindeststärke von zwei Mandatsträgern die 1999 erfolgte völlige Aufhebung der 5 %-Sperrklausel und die Einführung des Panaschierens und des Kumulierens bei hessischen Kommunalwahlen war, die es auch kleinsten politischen Gruppierungen ermöglicht hatten, in die "Kommunalparlamente" einzuziehen, mit der Folge, dass eine effiziente parlamentarische Arbeit nach dem Erfahrungsbericht des Hessischen Städte- und Gemeindebundes vom Dezember 2001 erheblich erschwert worden war. Eine durch die Herabsetzung - oder wie in Hessen: die völlige Streichung - der Sperrklausel im Kommunalwahlrecht herbeigeführte Erhöhung der Zahl der in einem kommunalen Vertretungsorgan vertretenen politischen Gruppen kann es aber rechtfertigen, zur Sicherung seiner Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit für die Bildung von Fraktionen strengere Geschäftsordnungsregeln aufzustellen, insbesondere die Fraktionsmindestgröße zu erhöhen (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 18. Dezember 1990 a.a.O. juris Rdnr. 24; vgl. auch OVG NW, Beschluss vom 1. August 2006 - 15 A 2611/06 - NWVBl. 2007 S. 25 f. = juris Rdnr. 5), wobei die Größe des Vertretungsorgans eine maßgebliche Rolle spielen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 1979 a.a.O.).

Eine vergleichende Betrachtung ergibt danach Folgendes:

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung des Deutsches Bundestages setzt die Bildung einer Fraktion - trotz der bestehenden 5 %-Sperrklausel für Bundestagswahlen - mindestens 5 % der Bundestagsmitglieder voraus, was hier der für die hessischen Kommunalwahlen abgeschafften 5 %-Sperrklausel entsprechen würde; die vorliegend streitige Fraktionsmindestgröße von vier bei insgesamt 71 Kreistagsabgeordneten entspricht einer ähnlichen Quote , nämlich 5,63 %.

Dem entspricht auch die in § 40 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung des hessischen Landtages festgelegte Mindeststärke einer Fraktion von fünf Abgeordneten, die ebenfalls eine Quote von nahezu 5 % ergibt, obwohl auch für Landtagswahlen nach wie vor die 5 %-Hürde gilt, die Zahl der vertretenen politischen Gruppierungen also deutlich geringer ist als in den meisten kommunalen Vertretungsorganen (vgl. Schneider/Dreßler/Lüll a.a.O. Anm. 3 zu § 36 a HGO S. 9).

Auch ein - allerdings nur stichprobenartiger - Vergleich zum kommunalen Bereich anderer Bundesländer kommt zu einem ähnlichen Bild: In Nordrhein-Westfalen sind die Fraktionsmindeststärken kommunaler Vertretungsorgane in Abhängigkeit von der Größe dieser Organe bereits im Gesetz selbst geregelt. Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 GO NW muss eine Ratsfraktion immer aus zwei, in einem Rat mit mehr als 57 Mitgliedern aus mindestens drei und in einem Rat mit mehr als 81 Mitgliedern aus mindestens vier Personen bestehen; nach § 40 Abs. 1 Satz 2 KrO NW gibt es nur eine Abstufung von grundsätzlich zwei und in einem Kreistag mit mehr als 59 Mitgliedern von mindestens drei Fraktionsangehörigen. An der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 56 Abs. 1 Satz 2 GO NW bestehen nach dem Beschluss des OVG NW vom 1. August 2006 (a.a.O.) keine Zweifel. In Mecklenburg-Vorpommern ist die Fraktionsmindeststärke gesetzlich für Gemeindevertretungen mit mehr als 25 Stadtvertretern auf drei und mit mehr als 37 Stadtvertretern auf vier Fraktionsmitglieder sowie für Kreistage generell ebenfalls auf vier Fraktionsmitglieder festgesetzt (vgl. LVerfG M.-V., Urteil vom 16. Dezember 2004 - LVerfG 5/04 - NordÖR 2005 S. 61; dazu kritisch: Meyer, NordÖR 2005 S. 101 f.). Demgegenüber ist die Fraktionsmindeststärke in Niedersachsen gemäß § 39 b Abs. 1 NGO und § 35 b Abs. 1 NLO starr auf zwei Personen festgesetzt; hier beträgt die Zahl der Mandatsträger aber auch nur maximal 66 bei Gemeinden mit mehr als 600.000 Einwohnern und 70 bei Kreisen mit mehr als 400.000 Einwohnern. Zudem hat dazu die Enquete-Kommission zur Fortentwicklung des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts in ihrem Abschlussbericht vom 6. Mai 1994 (LT/Ds. 12/6260) zu einer Ergänzung durch das Ortsrecht Folgendes ausgeführt:

"Die nach geltendem Recht für die Bildung einer Fraktion erforderliche Mindestzahl von zwei Ratsmitgliedern hat sich grundsätzlich bewährt. Allerdings kann eine große Zahl kleiner Fraktionen eine wirkungsvolle Arbeit der Vertretungskörperschaften auch beeinträchtigen. Diese Gefahr besteht im besonderen Maße in Kommunen mit einer größeren Zahl von Mandatsträgern. Die Kommissionsmehrheit hält es für geboten, hier ein Gegensteuerungsinstrument zur Verfügung zu stellen. Die Übertragung der Regelungsbefugnis auf die Vertretungskörperschaften macht die Berücksichtigung besonderer örtlicher Gegebenheiten möglich und stärkt die Autonomie der Räte und Kreistage im Bereich ihrer inneren Organisation; sie verdient daher den Vorzug vor einer zwingenden gesetzlichen Regelung."

Dieser Empfehlung entspricht die in § 26 a Abs. 1 Sätze 3 und 4 HKO gewählte neue Regelungstechnik (Untergrenze im Landesgesetz, Erhöhungsmöglichkeit durch Ortsrecht), die gleichermaßen selbstverwaltungs- wie auch (nach wie vor) minderheitenfreundlich sein will (vgl. - auch zu dem vorangegangenen Zitat - Schneider/Dreßler/Lüll a.a.O. Anm. 3 zu § 36 a HGO, S. 8).

Der hessische Landesgesetzgeber hatte in der Gesetzesbegründung zu § 39 a Abs. 1 Satz 4 HGO bzw. § 26 a Abs. 1 Satz 4 HKO im Zusammenhang mit der ortsrechtlichen Befugnis zur Erhöhung der Fraktionsmindeststärke auf das schon oben zitierte Urteil des Bayer. VGH vom 16. Februar 2000 verwiesen. In diesem war die Festlegung der Mindeststärke einer Stadtratsfraktion auf vier von 40 Stadtratsmitgliedern, d. h. auf die - vorliegend deutlich unterschrittene - Größenordnung von 10 %, als mit dem Übermaßverbot vereinbar angesehen worden (vgl. a.a.O. juris Rdnr. 33), und zwar auch unter Hinweis auf die Rechtsprechung (des dort zitierten BVerwG, Bad.-Württ. VGH, Bayer. VGH und OVG Rheinl.-Pfalz), nach der dies bei einer Mindestfraktionsstärke von 10 % des Gemeinderats regelmäßig der Fall sei (vgl. später auch Bad.-Württ. VGH, Urteil vom 24. Juni 2002 a.a.O. juris Rdnr. 28: drei von 33 Ratsmitgliedern), während danach etwa bei einer Fraktionsmindeststärke von fünf der 23 Ratsmitglieder (21,73 %) ein Verstoß gegen den Minderheitenschutz angenommen werde (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 15. Dezember 1981 - 7 A 70/81 - NVwZ 1982 S. 694 f.).

Dieser summarische Rechtsvergleich mit anderen Bundesländern ergibt somit, dass die neue hessische Regelung zur Fraktionsmindeststärke auch in ihrer konkreten Ausgestaltung nach wie vor alles andere als minderheitenfeindlich ist (vgl. Schneider/Dreßler/Lüll a.a.O. Anm. 6 zu § 36 a HGO, S. 22).

Nach einem - ebenfalls summarischen und teilweise telefonischen - Vergleich mit anderen hessischen Kommunen liegt die hier streitige Fraktionsmindeststärke auch innerhalb Hessens (noch) im üblichen Rahmen. Die Stadtverordnetenversammlungen der kreisfreien Städte Kassel und Offenbach haben danach bei jeweils 71 Mitgliedern eine Fraktionsmindeststärke von vier Personen festgesetzt, ebenso der Kreistag des Rheingau-Taunus-Kreises, und zwar sogar bei einer Mitgliederzahl von nur 61 Personen. Eine Fraktionsmindeststärke von drei Mandatsträgern haben der Lahn-DillKreis bei 81, der Landkreis Groß-Gerau und der Schwalm-Eder-Kreis bei 71 sowie der Werra-Meißner-Kreis bei 61 Kreistagsabgeordneten festgesetzt. Der Kreis Bergstraße mit seinen 81 Abgeordneten hat es bei der gesetzlichen Untergrenze von zwei Personen belassen.

Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die hier auf vier Kreistagsabgeordnete festgesetzte Fraktionsmindeststärke unverhältnismäßig hoch wäre und deshalb gegen den Grundsatz der Chancengleichheit und den Minderheitenschutz verstieße. Ob der Antragsgegner die von ihm verfolgten Zwecke der Funktionsfähigkeit seines Geschäftsbetriebes auch genauso gut oder vielleicht sogar besser und minderheitenschonender mit einer Festlegung der Fraktionsmindestgröße auf drei Kreistagsabgeordnete hätte erreichen können, ist hier nicht erheblich. Es ist nicht Sache des Normenkontrollgerichts zu prüfen, ob das kommunale Vertretungsorgan die beste oder gerechteste Lösung der ihm vom Landesgesetzgeber übertragenen Entscheidung gewählt hat (vgl. Bayer. VGH, Urteil vom 16. Februar 2000 a.a.O. juris Rdnr. 30), denn dann würde das Gericht sein eigenes Ermessen ausüben und die Geschäftsordnungsautonomie des Antragsgegners unter Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips missachten.

Aus den vom Antragsgegner in seiner Sitzung am 29. Mai 2006 gefassten sonstigen Beschlüssen und aus den eingereichten Redeabschriften zu der hier streitigen Änderung der Geschäftsordnung hinsichtlich der Festsetzung der Fraktionsmindeststärke auf vier Kreistagsabgeordnete sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich diese unter Verstoß gegen das Missbrauchsverbot gezielt gegen die politische Gruppierung der Antragsteller mit dem alleinigen oder vorrangigen Ziel gerichtet hätte, deren kommunalpolitische Tätigkeiten zu erschweren und sie als unerwünschte politische Kraft zu behindern (vgl. dazu Hess. VGH, Beschluss vom 4. August 1983 a.a.O.).

In den Redebeiträgen der Mehrheitsfraktionen ist auf die oben dargestellte, durch die 1999 erfolgte Abschaffung der 5 %-Sperrklausel eingetretene Entwicklung und die dadurch veranlasste Reaktion des hessischen Landesgesetzgebers, auf die unterschiedlichen Größen kommunaler Vertretungsorgane, die Verkleinerung des Antragsgegners auf - aber immerhin noch - 71 Mitglieder und auch darauf hingewiesen worden, dass durch die Abschaffung der Sperrklausel und die Einführung von Kumulieren und Panaschieren einerseits die Vielfalt in den Parlamenten zugenommen habe, es andererseits auch dem Demokratieprinzip entspreche, dass parlamentarische Teilhaberechte nach der Größe des Wählervotums abgestuft seien. Es ist dort weiterhin mehrfach betont worden, dass es nicht darum gehe, eine politische Gruppierung auszugrenzen oder als unliebsam empfundene Abgeordnete politisch mundtot zu machen, sondern darum, eine allgemein für vernünftig gehaltene Größe festzuschreiben. Den Antragstellern werde als einzelnen Abgeordneten auch weder das Antrags- noch das Fragerecht verwehrt.

Zudem ist die Regelung über die Besetzung des Ältestenrates in § 4 Abs. 1 Satz 1 GO so gefasst worden, dass dort auch "Gruppierungen ohne Fraktionsstatus" vertreten sind. Für diese ist ein finanzieller Zuschuss für die "Gruppierungsarbeit" vorgesehen worden und die Zahl der Stellvertreter/innen des/r Kreistagsvorsitzenden ist in der Hauptsatzung des Kreises so verändert worden, dass jede Gruppierung des Kreistages beteiligt ist.

Eine missbräuchlich zu Lasten der Antragsteller und zu Gunsten der FWG getroffene Mehrheitsentscheidung lässt sich danach den Unterlagen nicht entnehmen, zumal selbst eine Festsetzung der Fraktionsmindeststärke auf drei Kreistagsabgeordnete zu keinem anderen Ergebnis für die Antragsteller und die FWG geführt hätte und die von den Antragstellern angestrebte Festsetzung auf die vom Landesgesetzgeber vorgegebene Untergrenze von zwei Abgeordneten für einen Kreistag von der Größe des Antragsgegners der gesetzgeberischen Vorstellung nach den obigen Ausführungen nicht entsprochen hätte. Demgegenüber wäre die Beibehaltung der bisher in § 2 Abs. 3 GO a. F. festgesetzten Fraktionsmindeststärke von fünf Abgeordneten - was offensichtlich den Antragstellern "ersatzweise" vorschwebte - im Hinblick auf die Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen recht zweifelhaft gewesen und auch aus dem üblichen Rahmen gefallen, so dass dies einer besonderen Rechtfertigung bedurft und den Antragsgegner dem Verdacht des Missbrauchs zu Lasten der FWG ausgesetzt hätte.

Im Rahmen des vorliegend gegen die Festsetzung der Fraktionsmindeststärke in § 2 Abs. 1 Satz 2 GO gerichteten Normenkontrollverfahrens ist lediglich zu prüfen, ob die Entscheidung des Antragsgegners über die Festsetzung dieser Mindeststärke der Fraktionen für sich allein das Recht der Antragsteller auf einen Zusammenschluss zu einer Fraktion über das rechtlich zulässige Maß hinaus beschränkt. Gegenstand dieses Verfahrens ist dagegen nicht die Frage, ob andere an den Fraktionsstatus anknüpfende Regelungen der Geschäftsordnung des Antragsgegners oder der Hauptsatzung des Kreises, also ob mittelbare Auswirkungen der Festsetzung der Fraktionsmindeststärke die Antragsteller ihrerseits in ihren Beteiligungsrechten als Kreistagsabgeordnete verletzen (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 18. Dezember 1990 a.a.O. juris Rdnr. 24; Bayer. VGH, Urteil vom 16. Februar 2000 a.a.O. juris Rdnr. 31; a.A. Hess. VGH, Beschluss vom 29. April 1991 a.a.O. juris Rdnr. 7). Solche Folgeregelungen müssten vielmehr ihrerseits in einem Normenkontrollverfahren oder in einem Kommunalverfassungsstreitverfahren gegen konkrete Maßnahmen, die auf ihrer Grundlage ergangen sind, selbständig einer direkten oder inzidenten Überprüfung unterzogen werden. Dabei ginge es dann um die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit fraktionslose Abgeordnete Nachteile gegenüber fraktionsangehörigen Mandatsträgern hinnehmen müssen, etwa hinsichtlich ihrer Beteiligung an Ausschüssen (vgl. dazu u. a. BVerfG, Urteil vom 13. Juni 1989 - 2 BvE 1/88 - BVerfGE 80 S. 188 f. = NJW 1990 S. 373 = juris; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - BVerwGE 119 S. 305 ff. = NVwZ 2004 S. 621 f. = juris; OVG NW, Urteil vom 15. September 2004 - 15 A 4544/02 - NVwZ-RR 2005 S. 495 ff. = juris) oder hinsichtlich ihrer finanziellen Unterstützung (vgl. dazu Bayer. VGH, Urteil vom 16. Februar 2000 a.a.O. juris Rdnrn. 34 ff.; vgl. insgesamt zur Ungleichbehandlung fraktionsloser und fraktionsangehöriger Mandatsträger: Schneider/Dreßler/Lüll a.a.O. Anm. 6 zu § 36 a HGO, S. 22 ff. n.w.N.). Das Vorbringen der Antragsteller zu diesen Folgewirkungen ist deshalb im vorliegenden Normenkontrollverfahren nicht zu beurteilen.

Nach alledem ist der Normenkontrollantrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 2 VwGO abzulehnen.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis ergeben sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und legt Nummer 22.7 (Kommunalverfassungsstreit) des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Stand: 7./2005 (NVwZ 2004 S. 1327 [1330]) zu Grunde.

Dieser Beschluss ist gemäß § 66 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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