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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.02.2006
Aktenzeichen: 8 TJ 3206/05
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 105
VwGO § 146 Abs. 1
ZPO § 159
ZPO § 160
ZPO § 161
ZPO § 162
ZPO § 163
ZPO § 164
ZPO § 165
Während der Senat in seinem Beschluss vom 3. April 2001 - 8 TJ 525/01 - die Frage der Statthaftigkeit einer gegen die Ablehnung einer Protokollberichtigung eingelegten Beschwerde noch offen gelassen hat, tritt er nunmehr der überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung bei, wonach die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht/Verwaltungsgerichtshof in derartigen Fällen nicht statthaft ist.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

8 TJ 3206/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen zweiter juristischer Staatsprüfung,

hier: Protokollberichtigung,

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Dr. Nassauer, Richter am Hess. VGH Jeuthe

am 27. Februar 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 10. November 2005 - 7 E 194/97 (1) -, mit dem der Antrag des Klägers auf Berichtigung des Protokolls abgelehnt wurde, wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers, mit der er sich gegen den im Tenor des vorliegenden Beschlusses genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts wendet, hat keinen Erfolg.

Während der Senat in seinem Beschluss vom 3. April 2001 - 8 TJ 525/01 - die Frage der Statthaftigkeit einer gegen die Ablehnung einer Protokollberichtigung eingelegten Beschwerde noch offen gelassen hat, tritt er nunmehr der überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung bei, wonach die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht/Verwaltungsgerichtshof in derartigen Fällen nicht statthaft ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 1981 - 6 CB 77.79 -, DÖV 1981, 840, und vom 14. August 1980 - 6 CB 72.80 -, DÖV 1981, 180; VGH Mannheim, Beschlüsse vom 23. Juli 2002 - 8 S 1500/02 - juris = NVwZ-RR 2003, 318, und vom 18. September 1996 - 5 S 2545/96 -, NVwZ-RR 1997, 671; Landessozialgericht Erfurt, Beschluss vom 17. Mai 2005 - L 6 B 12/05 R - juris; OLG Celle, Beschluss vom 12. Juni 2003 - 4 W 87/03 - juris; Kuntze, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl., 2005, Rdnr. 29 zu § 105; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl., 2004, Rdnr. 12 zu § 105; Geiger, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl., 1998, Rdnr. 29 zu § 105; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 63. Aufl., 2005, Rdnr. 14 zu § 164). Demgegenüber wird unter Hinweis auf den Wortlaut des § 146 Abs. 1 VwGO vertreten, die Beschwerde sei statthaft, weil sie durch Gesetz nicht ausgeschlossen sei (vgl. Bay. VGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2000 - 12 C 99.1576 - juris = NVwZ-RR 2000, 843, und vom 21. September 1998 - 24 C 98.1989 - juris = BayVBl. 1999, 86, sowie vom 17. März 1989 - 25 C 88.31688 -, BayVBl. 1989, 566; Kopp/Schenke, VwGO, 14.Aufl., 2005, Rdnr. 9 zu § 105).

Eine vermittelnde Meinung hält die Beschwerde gegen die Berichtigung oder Ablehnung der Berichtigung des Gerichtsprotokolls für grundsätzlich unzulässig, soweit der Beteiligte eine inhaltliche Berichtigung des Protokolls begehrt; bei schweren Verfahrensfehlern sei die Beschwerde jedoch ausnahmsweise zulässig (vgl. BFH, Beschlüsse vom 26. September 2005 - VIII B 6/04 - juris, 12. September 2005 - 7 B 183/05 - juris, und vom 3. Juni 2006 - XI S 22/04 [PKH] - juris; wohl auch Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., 2005, Rdnr. 11 zu § 165 und Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., 2005, Rdnr. 4 zu § 164).

Der oben genannten überwiegenden Auffassung ist zu folgen. § 146 Abs. 1 VwGO ist nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Der Beschluss über einen Antrag auf Berichtigung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ist keine solche Entscheidung, sondern ein Beschluss eigener Art, denn er hat durch den Vorsitzenden und den Protokollführer, sei dies der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle oder der mit der Protokollführung betraute Richter, zu ergehen (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 23. Juli 2002, a.a.O., m. w. N.; Kuntze, a.a.O.). Auch die gemäß § 105 VwGO entsprechend anzuwendenden §§ 159 bis 165 ZPO sehen keinen besonderen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über einen Antrag auf Protokollberichtigung vor (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 23. Juli 2002, a.a.O.; LSG Erfurt, a.a.O.; Kuntze, a.a.O.).

Im Übrigen ist die Abfassung der Sitzungsniederschrift gemäß § 105 VwGO i.V.m. §§ 160 ff. ZPO als unvertretbare Verfahrenshandlung Sache des Instanzgerichts. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht wissen, ob und inwieweit das Protokoll möglicherweise unrichtig ist. Dem entspricht auch der Wille des Gesetzgebers. Nach der amtlichen Begründung der Bundesregierung zu § 164 ZPO (BT-Drucksache 7/2729 S. 63) ist eine Anfechtungsmöglichkeit der Protokollberichtigung nicht vorgesehen, weil das übergeordnete Gericht, da es an der Sitzung nicht teilgenommen habe, zu einer Überprüfung des Protokolls nicht geeignet erscheine. Dies muss umgekehrt auch für die Ablehnung der Protokollberichtigung gelten (vgl. LSG Erfurt, a.a.O.; Zöller/Stöber, a.a.O.; Geiger, a.a.O.). Letztlich würde sowohl auf der Basis der Gegenauffassung als auch unter Zugrundelegung der vermittelnden Meinung die Einräumung einer Beschwerdemöglichkeit lediglich zur Überprüfung der Einhaltung der maßgeblichen Verfahrensvorschriften den Rechtsschutz über die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten hinaus ausdehnen, wofür nach Auffassung des Senats keine Notwendigkeit besteht (vgl. auch LSG Erfurt, a.a.O.).

Die hier vertretene Auffassung ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Nichtannahmebeschluss entschieden, Artikel 103 Absatz 1 GG biete keinen Schutz davor, dass die Gerichte aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts das Vorbringen eines Beteiligten ganz oder teilweise unberücksichtigt ließen, es sei denn, die Nichtberücksichtigung finde im Prozessrecht keine Stütze mehr (ständige Rechtsprechung). Auch geböten weder Artikel 103 Absatz 1 GG noch Artikel 19 Absatz 4 GG, dass gegen jede gerichtliche Entscheidung ein Rechtsmittel gegeben sei (ebenfalls ständige Rechtsprechung). Nach der genannten Entscheidung ist die Nichtberücksichtigung materiellen Vorbringens zu einer Protokollberichtigung nicht zu beanstanden, weil Klage und Beschwerde gegen die Versagung der Protokollberichtigung unzulässig seien (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 31. Juli 1989 - 1 BvR 169/89 - juris).

Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 12. Dezember 2005 zu 2. die Feststellung der Nichtigkeit des weiteren unter dem Aktenzeichen 7 E 194/97 (1) ergangenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 10. November 2005 beantragt hat, mit dem ein Antrag des Klägers auf Fortsetzung des Verfahrens mit dem Ziel der Zulassung der Berufung als unzulässig verworfen worden ist, und soweit er hilfsweise eine Aufhebung dieses Beschlusses begehrt, ist sein Antrag erkennbar lediglich an das Verwaltungsgericht gerichtet, denn seine Beschwerde richtet sich nach dem Wortlaut und dem Aufbau seiner Anträge erkennbar nur gegen den Beschluss, mit dem sein Antrag auf Protokollberichtigung abgelehnt worden ist.

Entsprechendes gilt für den Antrag zu 3., mit dem der Kläger den Ausschluss eines Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht, eines Richters am Verwaltungsgericht und einer Richterin am Verwaltungsgericht wegen Besorgnis der Befangenheit begehrt, denn auch dieser Antrag ist erkennbar außerhalb der eingelegten Beschwerde gestellt und damit lediglich an das Verwaltungsgericht gerichtet worden.

Gleiches gilt auch für den Antrag zu 4., mit dem der Kläger erreichen will, dass Verfügungen des Verwaltungsgerichts unverzüglich im Original oder in beglaubigter Abschrift vorgelegt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da die Zurückweisung von im Kostenverzeichnis Anlage 1 zum GKG nicht besonders aufgeführten Beschwerden eine Festgebühr von 50,00 € hervorruft.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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