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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.11.2007
Aktenzeichen: 8 TP 2192/07
Rechtsgebiete: ESVGH, StPO, VwGO


Vorschriften:

ESVGH § 23
ESVGH § 29 Abs. 3
StPO § 98 Abs. 2
StPO § 127 Abs. 2
StPO § 128 Abs. 1
StPO § 140
StPO § 141
VwGO § 166
1. Für die gerichtliche Überprüfung strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen der Polizei - hier: vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO - ist in entsprechender Anwendung des § 98 Abs. 2 StPO auch nach Abschluss des Strafverfahrens der Ermittlungsrichter zuständig (Anschluss an BGHSt 44, 171).

2. Prozesskostenhilfe kann dem (früheren) Beschuldigten in diesen Fällen nicht bewilligt werden, weil der Gesetzgeber (nur) die Beiordnung eines Pflichtverteidigers vorgesehen hat, sofern die Voraussetzungen dafür gegeben sind.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

8 TP 2192/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Polizeirechts

hier: Versagung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Fortsetzungsfeststellungsklage wegen polizeilicher Ermittlungsmaßnahmen

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 8. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Höllein, Richter am Hess. VGH Schröder, Richter am Hess. VGH Jeuthe

am 9. November 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 22. August 2007 - 5 E 589/07 - wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu tragen.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde hat keinen Erfolg, denn das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der gewählten Rechtsanwältin im Ergebnis zu Recht abgelehnt (§§ 147 Abs. 1, 166 VwGO, 114, 115 ZPO).

Allerdings ist der Senat im Unterschied zum Verwaltungsgericht, das diese Frage offen gelassen hat, der Ansicht, dass der Verwaltungsrechtsweg für die Klage offensichtlich nicht eröffnet ist, weil das Klagebegehren keine Vorgänge präventivpolizeilichen Handelns, sondern ausschließlich Maßnahmen und Begleitumstände betrifft, bei denen die handelnden Polizeibeamten im Rahmen der Strafverfolgung tätig geworden oder untätig geblieben sind. An der Prüfung, ob der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, ist das Beschwerdegericht nicht durch § 17a Abs. 5 GVG gehindert, weil die vorliegende Entscheidung nicht im Hauptsacheverfahren ergeht, sondern in einem auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gerichteten Nebenverfahren, das von dieser Ausschlussregelung nicht erfasst wird.

Die auf den Seiten 1 f. der Klageschrift vom 20. Februar 2002 unter den Nummern 1. bis 5. aufgelisteten Maßnahmen können eindeutig nicht mehr dem ursprünglich angegebenen Zweck des Einschreitens der Polizeibeamten bei der Festnahme des Klägers am 25. Februar 2006 um 19:30 Uhr zugeordnet werden, der im Einlieferungsbericht (Bl. 1 der beigezogenen Strafakten) unter Hinweis auf § 32 Abs. 1 Nr. 1 HSOG mit "Personalienfeststellung" und im Sammelbericht (Bl. 8 der Strafakten) mit "Verhinderung von weiteren Straftaten" bezeichnet worden ist. Ob zum Zeitpunkt der Festnahme des Klägers (noch) ein präventivpolizeilicher Ansatz gegeben war, ist zudem zweifelhaft, weil im Festnahmebericht des damaligen Truppführers vom 25. Februar 2006 (Bl. 9 f. der Strafakten) von einer Festnahme des Klägers "wegen Verdacht des Landfriedensbruchs" die Rede ist und am Schluss der Zeugenaussage eines weiteren einschreitenden Polizeibeamten vom 27. Februar 2006 (Bl. 11 f. der Strafakten) unter anderem mitgeteilt wird, der Kläger sei "belehrt" und "videografiert" worden. Aus den Videoaufnahmen ist dann die bei den Strafakten befindliche Lichtbildmappe angefertigt worden, die laut Angaben auf dem Deckblatt wegen Verdachts des Landfriedensbruchs und der Sachbeschädigung hergestellt worden ist (Bl. 13 ff. der Strafakten). Die Entlassung des Klägers aus dem Polizeigewahrsam am 26. Februar 2006 um 0:10 Uhr erfolgte laut Aktenvermerk (Bl. 5 der Strafakten), weil "keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Straftat festgestellt werden" konnten. Dass diese Einschätzung von der Staatsanwaltschaft und dem Amtsgericht A-Stadt später nicht geteilt wurde, wie deren Anklageschrift vom 28. Juni 2006 (Blatt 28 ff. der Strafakten) bzw. dessen Eröffnungsbeschluss vom 28. November 2006 (Blatt 47 der Strafakten) zeigen, steht der Annahme nicht entgegen, dass der Kläger von der Polizei - spätestens seit seiner Übergabe an das Gefangenentransportkommando des Polizeipräsidiums B-Stadt gegen 20.42 Uhr - wegen Verdachts einer Straftat und nicht zur Verhütung künftiger Straftaten oder aus anderen präventivpolizeilichen Gründen festgehalten worden war.

Das Verwaltungsgericht wird mithin im weiteren Verlauf des Hauptsacheverfahrens eine von Amts wegen zu treffende Rechtswegverweisung nach Anhörung der Beteiligten gem. § 17a Abs. 2 GVG in Betracht ziehen müssen. In Betracht kommt in erster Linie eine Verweisung an das Amtsgerichts B-Stadt, weil dessen Ermittlungsrichter entsprechend §§ 98 Abs. 2, 128 Abs. 1 StPO im vorliegenden Fall für die nachträgliche Überprüfung polizeilicher Zwangsmaßnahmen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren - insbesondere einer hier vorliegenden vorläufigen Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO - zuständig sein dürfte (BVerfG, Beschluss vom 30. April 1997 - 2 BvR 817/90 u.a. -, BVerfGE 96, 27 = NJW 1997, 2163 = juris; Beschluss vom 27. Mai 1997 - 2 BvR 1992/92 -, BVerfGE 96, 44 = NJW 1997, 2165 = juris; BGH, Beschlüsse vom 5. August 1998 - 5 ARs (VS) 1/97 -, BGHSt 44, 171 = NJW 1998, 3653 = juris; - 5 ARs (VS) 2/98 -, juris; Bachmann, NJW 1999, 2414). Mit den zitierten Entscheidungen haben sich das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof von der früher herrschenden Rechtsauffassung abgesetzt, nachträglicher Rechtsschutz gegen "erledigte" polizeiliche Ermittlungsmaßnahmen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sei gemäß § 23 EGGVG zu gewährleisten.

Der Prüfung der Erfolgsaussichten in dem Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahren hat der Senat mithin die mutmaßliche Entscheidung des Ermittlungsrichters im Überprüfungsverfahren nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Grunde gelegt. Wäre der Bewilligungsantrag unmittelbar dort gestellt worden, hätte er schon deshalb keine Aussicht auf Erfolg gehabt, weil die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des gewählten Rechtsanwalts für den (früheren) Beschuldigten, Angeschuldigten oder Angeklagten in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen ist. Zwar kennt auch das Strafprozessrecht das Rechtsinstitut der Prozesskostenhilfe, insbesondere zu Gunsten des durch eine Straftat Verletzten im Klageerzwingungsverfahren (§ 172 Abs. 3 S. StPO), im Privatklageverfahren (§ 379 Abs. 3 StPO), als Nebenkläger (§ 397a Abs. 2 S. 1 StPO) und im Adhäsionsverfahren (§ 404 Abs. 5 StPO). Für den Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, den Angeschuldigten im Zwischenverfahren und den Angeklagten in Hauptverfahren sieht die Strafprozessordnung hingegen lediglich in den Fällen der notwendigen Verteidigung die Bestellung eines Pflichtverteidigers vor (§§ 140, 141 StPO), der auf Kosten der Staatskasse (§ 45 Abs. 3 RVG) die Vertretung im strafrechtlichen Verfahren übernimmt. Da insofern keine Regelungslücke besteht, sieht sich der Senat an einer entsprechenden Anwendung des § 29 Abs. 3 EGGVG, der für das Verfahren der Anfechtung von Justizverwaltungsakten (§§ 23 ff. EGGVG) hinsichtlich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung verweist, gehindert; dies gilt um so mehr, als das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof in ihren oberen zitierten Entscheidungen für Fälle der vorliegenden Art gerade die Anwendung der Verfahrensvorschriften der §§ 23 ff. EGGVG unter Aufgabe früherer Rechtsprechung verworfen und das Verfahren nach § 98 Abs. 2 StPO für analog anwendbar erklärt haben.

Ob die im Strafverfahren mit Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 2. Januar 2007 - 233 Ds - 1040 Js 26571/06 - (Bl. 58 der Strafakten) gemäß § 140 Abs. 2 StPO erfolgte Bestellung der Bevollmächtigten des Klägers zur Pflichtverteidigern über den Eintritt der Rechtskraft des freisprechenden Urteils hinaus wirkt (vgl. dazu Laufhütte in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl., Rdnrn. 10 f. zu § 141 mit weiteren Nachweisen) und dem Kläger ein für ihn zunächst kostenfreies Betreiben des Verfahrens nach § 98 S. 2 StPO in entsprechender Anwendung ermöglichen würde, kann dahinstehen. Denn für die andernfalls erforderliche Entscheidung des Ermittlungsrichters, ob dem Kläger für dieses Verfahren (erneut) ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist, ist ersichtlich nicht die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben (vgl. § 141 Abs. 4 StPO).

Die in zweiter Instanz entstandenen Kosten hat der Kläger zu tragen, weil seine Beschwerde erfolglos bleibt (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil im Beschwerdeverfahren wegen Versagung von Prozesskostenhilfe nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zum GKG) nur eine Festgebühr in Höhe von 50,-- € erhoben wird und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden (§§ 166 VwGO, 127 Abs. 4 ZPO).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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