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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.11.2001
Aktenzeichen: 8 TZ 2949/01
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
Zum Anspruch von Nicht-EU-Ausländern auf Zulassung in ein Studienkolleg.
Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den sinngemäßen Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig zum T-Kurs des Studienkollegs zuzulassen, im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 4 Abs. 1 der Verordnung über die Anerkennung ausländischer Hochschulzugangsberechtigungen vom 8. Juli 1997 (GVBI. I S. 260 ff.) müssen ausländische Studienbewerber, deren ausländische Vorbildungsnachweise nach den Bewertungsvorschlägen der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZfaB) einen direkten Hochschulzugang nicht ermöglichen, grundsätzlich zur Vorbereitung auf die von ihnen abzulegende Feststellungsprüfung ein Studienkolleg besuchen. Weder in der Verordnung über die Anerkennung ausländischer Hochschulzugangsberechtigungen vom 8. Juli 1997 noch in der Verordnung über die Prüfung zur Feststellung der Hochschulreife (Feststellungsprüfung) ausländischer Studienbewerber vom 11. Juli 1991 (ABI. S. 663) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 21. März 1997 (StAnz. 1997 S. 1415) ist geregelt, nach welchen Kriterien ermittelt wird, wie viele Teilnehmerplätze eines T-Kurses zur Verfügung stehen und wie die vorhandenen Teilnehmerplätze verteilt werden, wenn mehr Bewerber für einen Teilnehmerplatz als Teilnehmerplätze vorhanden sind, so dass sich aus diesen Vorschriften auch kein Anspruch des Antragstellers auf Zulassung zum T-Kurs ergibt.

Ein derartiger Anspruch lässt sich aus den Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 des Grundgesetzes - GG - sowie aus Art. 59 Abs. 2 der Hessischen Verfassung - HV - ebenfalls nicht herleiten. Das Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG wird nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift nur deutschen Staatsangehörigen gewährleistet und gilt daher nicht für ausländische Staatsbürger (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84 und 1166/85 - BVerfGE 78, 179-ff., 196, und vom 28. September 1989 - 1 BvR 1310/84 - NVwZ 1990, 853 f.). Dementsprechend hat der beschließende Gerichtshof entschieden, dass ein ausländischer Studienbewerber, der nicht Angehöriger eines EG-Mitgliedstaates ist, nach deutschem Recht nicht mit Erfolg geltend machen kann, dass die Zulassungszahl unter Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot erschöpfender Kapazitätsauslastung zu niedrig festgesetzt sei, weil ihm hierzu die aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG folgende subjektiv-öffentliche Rechtsstellung als Grundlage eines individual-rechtlichen Zulassungsanspruchs fehle. Denn das Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG sei nur Deutschen verbürgt. Nur deutsche Studienbewerber hätten einen Anspruch auf erschöpfende Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten (vgl. Hess. VGH, Beschlüsse vom 25. August 1987 - 6 TG . 1888/87 - ESVGH 38, 1 ff., 7. September 1987 - 6 TG 1953/87 - und vom 18. April 1988 - VN G 2424/86 T - NVwZ 1989, 387). Ist aber einem Studienbewerber, der die Hochschulzugangsberechtigung besitzt, bereits ein Berufen auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG verwehrt, so gilt dies - worauf das Verwaltungsgericht im zweiten Absatz auf Seite 3 seines Beschlusses vom 1. November 2001 zu Recht hinweist - gleichermaßen für einen Studienbewerber, der die Hochschulzugangsberechtigung erst erwerben möchte.

Darin liegt auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, denn die unterschiedliche Behandlung deutscher und ausländischer Studienbewerber folgt aus der verfassungsrechtlich vorgegebenen unterschiedlichen Rechtsstellung beider Bewerbergruppen und ist damit nicht willkürlich im Sinne des Art. 3 Abs. 1 und 3 GG (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 18. April 1988, a.a.O., S. 387).

Aus Art. 59 Abs. 2 HV lässt sich der Teilhabeanspruch des Antragstellers ebenfalls nicht herleiten, denn Art. 59 Abs. 2 HV ist - soweit diese Vorschrift jedermann und nicht nur Deutschen gleichen Zugang zu Bildungseinrichtungen gewährt - mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar und insoweit gemäß Art. 31 GG unwirksam (vgl. Hess. VGH, Beschlüsse vom 25. August 1987, a.a.O., S. 2 f., und vom 7. September 1987 - 6 TG 1953/87 -; Schulz, ZAR 1987, 72, 74).

Auch Art. 2 Abs. 1 GG vermittelt dem Antragsteller keinen Anspruch auf Teilhabe an den vorhandenen Teilnehmerplätzen des T-Kurses. Dies lässt sich allerdings nicht mit der allgemeinen Feststellung begründen, Art. 2 Abs. 1 GG sei nicht anwendbar, weil das Grundrecht der Berufsfreiheit abschließend in Art. 12 Abs. 1 GG geregelt sei. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht ursprünglich zum Ausdruck gebracht, dass die besonderen Grundrechtsnormen für ihren Bereich die Anwendung des Art. 2 Abs. 1 GG ausschließen (vgl. BVerfG, Urteile vom 16. Januar 1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32 ff., 36 f., 14. Dezember 1965 - 1 BvR 413, 416/60 - BVerfGE 19, 206 ff., 225; Beschluss vom 3. Februar 1977 - 1 BvL 7/71 - BVerfGE 44, 59 ff., 69; Urteil vom 1. März 1979 - 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21178 - BVerfGE 50, 290 ff., 366; Urteil vom 1. Juli 1980 - 1 BvR 247/75 - BVerfGE 54, 237 ff., 251; vgl. auch Schulz, ZAR 1987, 72 f.; Scholz, in Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Stand: 38. Ergänzungslieferung, März 2001, Rdnrn. 96, 114 und 119 zu Art. 12).

Später hat das Bundesverfassungsgericht jedoch entschieden, die Unanwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 GG auf Ausländer bedeute nicht, dass die Verfassung sie in diesem Bereich schutzlos lasse. Der systemgerechte Ansatz liege vielmehr bei dem subsidiären allgemeinen Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG. Das dürfe allerdings nicht so verstanden werden, .dass der Nichtdeutsche, dem die Berufung auf die Berufsfreiheit verwehrt sei, den selben Schutz über Art. 2 Abs. 1 GG beanspruchen könnte. Eine solche Auffassung ließe das Spezialitätsverhältnis zwischen Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG außer Acht. Das allgemeine Freiheitsrecht sei insoweit nur anwendbar, als es im Rahmen der in ihm geregelten Schranken die Handlungsfreiheit gewährleiste. Da zur verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne dieses Grundrechts jede Rechtsnorm gehöre, die formell und materiell mit der Verfassung im Einklang stehe, könne also eine Verletzung dieses Grundrechts nicht schon darin gesehen werden, dass Ausländern der Zugang zu einem Beruf verwehrt werde; denn dieser Ausschluss sei mit Art. 12 Abs. 1 GG zu vereinbaren, gehöre demnach zur verfassungsmäßigen Ordnung. Schutz biete Art. 2 Abs. 1 GG nur vor Eingriffen, die von seinen Schranken nicht mehr gedeckt seien und i nicht vom speziellen Regelungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst würden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84 und 1166/85 - BVerfGE 78, 179 ff., 196 f. unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23, 155/73 BVerfGE 35, 382 ff., 399). Nicht gewahrt sei in dem vom Bundesverfassungsgericht zu beurteilenden Fall der dem Rechtsstaatsprinzip immanente Vorbehalt des Gesetzes, dessen Beachtung auch der Ausländer über Art. 2 Abs. 1 GG beanspruchen könne.

Ähnlich hat das Bundesverfassungsgericht in einer späteren Entscheidung dargelegt, den gleichen Grundrechtsschutz wie deutsche Staatsangehörige genießen, dass aber die Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten Bestehensregein des § 14 Abs. 5 der Ärztlichen Approbationsordnung 1978 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletze. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem letztgenannten Fall die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. September 1989. - 1 BvR 1310/84 - NVwZ 1990; 853 f.). ,

Nach allem mag es auch hier gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstoßen, dass die Kriterien betreffend die Feststellung der Aufnahmekapazität im T-Kurs und betreffend die Auswahlkriterien bei einem Bewerberüberhang nicht in einer Rechtsnorm geregelt sind. Da eine normative Rechtsgrundlage für die hier in Rede stehende Auswahlentscheidung demnach derzeit nicht in Kraft ist, darf die Antragsgegnerin aber bis zu dem Inkrafttreten einer Rechtsgrundlage (nur) diejenigen Maßnahmen ergreifen, die notwendig sind, um die Funktionsfähigkeit des Lehrbetriebs aufrechtzuerhalten (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 9. November 1989 - 6 TG 3286/89 - DVBI. 1990, 542 f. im Fall einer Zahnmedizinstudentin, der trotz Zulassung zu einem Kursus Zahnersatzkunde II kein Patient zugeteilt worden war).

Berücksichtigt man diese Kriterien, so hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, denn seinem Vortrag lässt sich nicht entnehmen, dass die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin auf zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Lehrbetriebs nicht notwendigen Maßnahmen beruht. Die Antragsgegnerin hat im Schriftsatz vom 19. Oktober 2001 plausibel dargelegt, dass am Studienkolleg Darmstadt vier T-Kurse und ein G-Kurs eingerichtet seien und dass nach einer Empfehlung der Kultusministerkonferenz die Kursgröße bei 15 Personen liegen soll, dass am Studienkolleg Darmstadt die Gruppengröße sich jedoch auf 19 Personen belaufe und dass eine Erweiterung der Gruppengröße aus pädagogischen und didaktischen Gründen nicht zu vertreten sei. Trotzdem hat die Antragsgegnerin für die T-Kurse nach Abzug der Plätze für Kurswiederholer 125 Plätze zur Verfügung gestellt, die an die Bewerber mit der höchsten Punktzahl vergeben wurden. Diese Verfahrensweise erscheint notwendig und sachgerecht, um die Funktionsfähigkeit des Studienkollegs aufrechtzuerhalten. Berücksichtigt man weiter, dass der Antragsteiler infolge der von ihm bei der Aufnahmeprüfung erreichten 110 Punkte Rangplatz 189 bis 196 - zusammen mit mehreren gleichrangigen Bewerbern - erreicht hat, so hätten mit vorrangigen Bewerbern noch mehr als drei Kurse zu je 13 Personen gebildet werden müssen, bevor der Antragsteller zum Zuge gekommen wäre.

Nach allem ist die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 20 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 2 Gerichtskostengesetz - GKG -.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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